Urteil des BAG vom 22.10.2009

BAG: Anstalt öffentlichen Rechts, Überführung in private Trägerschaft, unechte rückwirkung, rückkehrrecht, anspruch auf beschäftigung, allgemeine rechtslehre, mehrheitsbeteiligung, pflege

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 22.10.2009, 8 AZR 286/08
Rückkehrrecht - Anstalt öffentlichen Rechts - Überführung in private Trägerschaft
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg
vom 28. Februar 2008 - 8 Sa 2/08 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über das Bestehen eines Rückkehrrechts der Klägerin in die Dienste der
Freien und Hansestadt Hamburg (im Folgenden: Beklagte). Die Klägerin war seit 1981 als
examinierte Altenpflegerin bei der Beklagten beschäftigt.
2 Im Jahre 1997 ging ihr bislang beim Landesbetrieb Pflegen & Wohnen bestehendes
Arbeitsverhältnis auf die von der Beklagten neu gegründete Anstalt öffentlichen Rechts „pflegen
und wohnen“ (nachfolgend: AöR) über. Rechtsgrundlage dieses Übergangs war das am 1. August
1997 in Kraft getretene Gesetz zur Errichtung der Anstalt öffentlichen Rechts „pflegen & wohnen“
(p & w) vom 11. Juni 1997 (nachfolgend: AnstaltserrichtungsG). In § 18 dieses Gesetzes heißt es
ua.:
„(1)
1
Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes gehen die Arbeitsverhältnisse der bisher beim
Landesbetrieb Pflegen & Wohnen … tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der
Freien und Hansestadt Hamburg … auf pflegen & wohnen über.
(2) …
2
Die Freie und Hansestadt Hamburg ist außerdem verpflichtet, im Falle einer
Überführung des gesamten Unternehmens in eine andere Trägerschaft ohne
Mehrheitsbeteiligung der Freien und Hansestadt Hamburg diese Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter auf deren Wunsch unter Wahrung der bei pflegen & wohnen erreichten
Lohn- und Vergütungsgruppe und Beschäftigungszeit wieder in den Diensten der Freien
und Hansestadt Hamburg zu beschäftigen.
3
Im Falle der Überführung einzelner Pflegezentren, Behinderteneinrichtungen,
Wohnunterkünfte oder anderer Einrichtungen von pflegen & wohnen oder Teilen von
ihnen in eine andere Trägerschaft ohne Mehrheitsbeteiligung von pflegen & wohnen ist
pflegen & wohnen verpflichtet, den Beschäftigten, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes
als Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, Beamtinnen oder Beamte beim Landesbetrieb
Pflegen & Wohnen… beschäftigt gewesen sind, unter Wahrung der bei der Anstalt
erreichten Lohn- oder Vergütungsgruppe sowie Beschäftigungszeit den Verbleib in der
Anstalt zu ermöglichen.“
3 Im Jahre 2005 entschloss sich die AöR, den gesamten Geschäftsbereich „Pflege“ in eine neue
Trägerschaft zu überführen. Mit Personalüberleitungsvertrag vom 1. September 2005 leitete sie
das Personal auf die eigens dazu neu gegründete „pflegen und wohnen Betriebs GmbH in
Gründung“ über. Die AöR hielt alle Gesellschaftsanteile an der GmbH. Mit Übertragungsvertrag
vom 1. November 2005, geändert durch die Änderungsvereinbarung vom 20. Dezember 2005,
übertrug die AöR den gesamten Pflegebereich mit allen zwölf Pflegezentren auf die „pflegen und
wohnen Betriebs GmbH“. Seit diesem Zeitpunkt betrieb sie selbst keine Pflegeeinrichtungen mehr,
behielt aber die Geschäftsanteile an der „pflegen und wohnen Betriebs GmbH“.
4 Unter dem 15. August 2006 schloss die AöR einen Kauf- und Abtretungsvertrag hinsichtlich
sämtlicher Geschäftsanteile an der „pflegen und wohnen Betriebs GmbH“ mit der V Hamburg
GmbH. Nachdem die Bürgerschaft der Beklagten dem Verkauf zugestimmt hatte, erfolgte am
7. Januar 2007 die Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile auf die V Hamburg GmbH. Am
31. Dezember 2006 trat das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Anstalt
öffentlichen Rechts „pflegen & wohnen“ (p & w) vom 21. November 2006 in Kraft (nachfolgend:
Zweites Änderungsgesetz). Durch Art. 1 dieses Gesetzes wurde die AöR in „f & w fördern und
wohnen AöR“ umbenannt und in § 18 AnstaltserrichtungsG am Ende von Absatz 2 Satz 2 die
Klammerdefinition „(großes Rückkehrrecht)“ und am Ende von Absatz 2 Satz 3 die
Klammerdefinition „(kleines Rückkehrrecht)“ hinzugefügt. Ein neu eingefügter § 18 Absatz 2a
lautet wie folgt:
„Im Falle eines in Absatz 2 Satz 2 oder 3 genannten Trägerwechsels hat der Vorstand oder
die sonstige Geschäftsführung des neuen Trägers alle über ein großes oder kleines
Rückkehrrecht verfügenden Beschäftigten über den Trägerwechsel und ihr Rückkehrrecht
schriftlich zu unterrichten. Die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können
innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Mitteilung dem Vorstand oder der
Geschäftsführung schriftlich mitteilen, dass sie von ihrem Rückkehrrecht Gebrauch machen.
Die Überführung der Arbeitsverhältnisse in den Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg
im Falle des großen Rückkehrrechtes oder in den Dienst der Anstalt im Falle des kleinen
Rückkehrrechtes soll dann binnen eines weiteren Jahres erfolgen.“
5 Artikel 2 Zweites Änderungsgesetz lautet:
„Übergangsvorschrift
§ 18 Absatz 2 Satz 3 und Absatz 2a des Gesetzes über die Anstalt öffentlichen Rechts f & w
fördern und wohnen AöR in der am 31. Dezember 2006 geltenden Fassung sind auf die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der in Trägerschaft der Anstalt bis zum 1. Januar 2007
betriebenen Pflegezentren entsprechend anzuwenden.“
6 Nachdem die Klägerin im September 2007 ein großes Rückkehrrecht geltend gemacht und
verlangt hatte, wieder in den Diensten der Beklagten beschäftigt zu werden, lehnte die Beklagte
dies mit Schreiben vom 12. September 2007 ab.
7 Die Klägerin meint, der Fall der Übertragung des gesamten Pflegebereichs sei im
AnstaltserrichtungsG nicht geregelt. Es bestehe eine Regelungslücke, die durch eine Analogie
zum in § 18 Abs. 2 Satz 2 AnstaltserrichtungsG geregelten großen Rückkehrrecht zu schließen
sei.
8 Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, mit der Klägerin spätestens zum 20. September
2008 ein Arbeitsverhältnis zu begründen unter Wahrung der bei f & w fördern und
wohnen AöR erreichten Lohn- und Vergütungsgruppe und Beschäftigungszeit;
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Altenpflegerin zu ansonsten unveränderten
Bedingungen zu beschäftigen.
9 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
10 Sie ist der Ansicht, der Klägerin stehe lediglich ein kleines Rückkehrrecht zur AöR zu. Die
Übertragung des gesamten Pflegebereichs erfülle das Merkmal „Überführung einzelner
Pflegezentren“ iSv. § 18 Abs. 2 Satz 3 AnstaltserrichtungsG. Aus der umfassenden Aufzählung
der Einrichtungen und dem Zusatz „oder Teilen von ihnen“ folge, dass die Norm auch die
Übertragung von mehreren Einrichtungen und Einrichtungsgesamtheiten erfasse. Es bestehe
keine Gesetzeslücke. Der Gesetzgeber habe mit dem Zweiten Änderungsgesetz durch die
eingefügte Übergangsvorschrift geregelt, dass zugunsten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
in Trägerschaft der Anstalt bis zum 1. Januar 2007 betriebenen Pflegezentren nur das kleine
Rückkehrrecht bestehe.
11 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der
Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Klägerin ihr Klageziel weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
12 Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Ihr stehen gegen die Beklagte keine
Ansprüche zu.
13 A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Feststellungsklage und die Klage auf
Beschäftigung könnten schon deshalb keinen Erfolg haben, weil zwischen den Parteien auch
dann, wenn der Klägerin ein Rückkehrrecht zur Beklagten zustünde, jedenfalls zum gegenwärtigen
Zeitpunkt kein Arbeitsverhältnis bestehe. Ein Rückkehrrecht würde die Beklagte lediglich
verpflichten, mit ihren ehemaligen Bediensteten ein neues Beschäftigungsverhältnis zu begründen.
Die Feststellung von Rechtsverhältnissen, die erst noch begründet werden sollen, sei nach § 256
ZPO nicht möglich und führe zur Unbegründetheit des Feststellungsantrags.
14 Das Landesarbeitsgericht hat außerdem angenommen, dass auch der in der Berufungsinstanz
gestellte Hilfsantrag nicht begründet sei. Dieser Antrag sei dahingehend auszulegen, dass die
Beklagte verurteilt werden solle, ein Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags
anzunehmen. Damit sei er hinreichend bestimmt und die Klageänderung zulässig. Jedoch stehe
der Klägerin das große Rückkehrrecht zur Beklagten nicht zu. Ein derartiger Anspruch folge nicht
unmittelbar aus § 18 Abs. 2 Satz 2 AnstaltserrichtungsG. Ob eine analoge Anwendung dieser
Norm in Betracht komme, insbesondere weil eine planwidrige Regelungslücke vorliege, könne
dahingestellt bleiben. Eine solche Lücke bestehe jedenfalls nach Inkrafttreten des Zweiten
Änderungsgesetzes nicht mehr. Danach stehe der Klägerin nur das in § 18 Abs. 2 Satz 3
AnstaltserrichtungsG normierte kleine Rückkehrrecht zur AöR zu.
15 B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
16 I. Die zulässige Feststellungsklage ist nicht begründet.
17 1. Die Klage ist zulässig.
18 Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses
erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis
durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
19 Die Klägerin begehrt die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten.
Der Bestand eines Arbeitsverhältnisses ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSd. § 256
Abs. 1 ZPO (st. Rspr., vgl. Senat 27. November 2008 - 8 AZR 1021/06 - Rn. 19). Auch das nach
§ 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an alsbaldiger Feststellung ist gegeben. Das
Feststellungsinteresse ist Sachurteilsvoraussetzung und als solches in jeder Lage des
Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen ( BAG 5. November
2003 - 4 AZR 632/02 - BAGE 108, 224 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 83). Maßgebender Zeitpunkt für
das Bestehen des Feststellungsinteresses ist der Schluss der Revisionsverhandlung (BAG
2. Dezember 1999 - 8 AZR 796/98 - mwN, AP BGB § 613a Nr. 188 = EzA BGB § 613a Nr. 188).
Aus der begehrten Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis bestehe, ergeben sich konkrete Folgen
für die Gegenwart und die Zukunft. Die begehrte Feststellung ist auch geeignet, die zwischen den
Parteien bestehende Streitfrage abschließend zu klären (vgl. BAG 16. Oktober 2007 - 9 AZR
144/07 - Rn. 20, AP GewO § 106 Nr. 2).
20 2. Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die
begehrte Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten. Zum einen
sind die Tatbestandsvoraussetzungen eines großen Rückkehrrechts nach § 18 Abs. 2 Satz 2
AnstaltserrichtungsG nicht erfüllt, zum anderen sieht diese Norm die begehrte Rechtsfolge nicht
vor.
21 a) Ein großes Rückkehrrecht, also ein Rückkehrrecht zur Beklagten, könnte sich nur aus § 18
Abs. 2 Satz 2 AnstaltserrichtungsG ergeben. Danach ist die Beklagte verpflichtet, im Falle einer
Überführung des gesamten Unternehmens in eine andere Trägerschaft ohne Mehrheitsbeteiligung
der Beklagten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf deren Wunsch unter Wahrung der bei
pflegen & wohnen erreichten Lohn- und Vergütungsgruppe und Beschäftigungszeit wieder in ihren
Diensten zu beschäftigen.
22 Im Streitfall ist nicht das gesamte Unternehmen in eine andere Trägerschaft überführt worden.
23 aa) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war dem Geschäftsbereich „Pflege“ zuzuordnen. Sämtliche
zwölf Pflegezentren hatte die AöR im Zuge der Privatisierung auf eine andere Gesellschaft, die
„pflegen und wohnen Betriebs GmbH“, übertragen. Die dem Bereich „Wohnen“ zuzuordnenden
Geschäftsbereiche verblieben bei der AöR. Während im Bereich „Pflege“ etwa 3.500 Mitarbeiter
beschäftigt sind, beschäftigte die AöR im Bereich „Wohnen“ etwa 600 Mitarbeiter. Angesichts des
Verbleibs eines Geschäftsbereichs mit etwa 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern liegt jedenfalls
nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Überführung des gesamten Unternehmens nicht vor. Das
Wort „gesamt“ verlangt eine vollständige, ausnahmslose, ganze Überführung.
24 Entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung gibt jedoch allein der Wortlaut der
Vorschrift nicht immer hinreichende Hinweise auf den (subjektiven oder objektivierten) Willen des
Gesetzgebers (vgl. Röhl/Röhl Allgemeine Rechtslehre 3. Aufl. S. 613 - 616; Rüthers Rechtstheorie
4. Aufl. Rn. 731 - 743). Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille und der
beabsichtigte Zweck der Regelung mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Gesetz zum
Ausdruck gekommen sind (vgl. BAG 16. März 1994 - 10 AZR 606/93 - AP BetrVG 1972 § 112
Nr. 75 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 73). Die Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung werden
bestimmt durch die allgemeinen Auslegungsregeln, nämlich die Auslegung nach Wortlaut, die
Entstehungsgeschichte, den Gesamtzusammenhang und den Sinn und Zweck des Gesetzes. Die
Auslegung darf zu dem Wortsinn und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht in
Widerspruch treten (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 66, EzA AGG § 15 Nr. 1).
25 Die Entstehungsgeschichte des § 18 AnstaltserrichtungsG spricht für die Auslegung, dass mit
„Überführung des gesamten Unternehmens“ nicht die vollständige Überführung gemeint ist. In der
Einzelbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung der Anstalt öffentlichen Rechts
„pflegen & wohnen“ (p & w) heißt es zu § 18 nämlich ua.: „Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
können bei entsprechender Überführung einer Teileinheit, z.B. eines Pflegezentrums oder einer
Fachabteilung, in pflegen & wohnen verbleiben und im Falle einer Überführung der ganzen Anstalt -
d.h. bei Übernahme von mehr als 50 v.H. bis zu 100 v.H. des Kapitals durch einen oder mehrere
andere Träger - wieder in den Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg zurückkehren“
(Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Drucks. 15/6978 S. 19). Entsprechend
formuliert der Bericht des Sozialausschusses über die Drucks. 15/6978 Gesetz zur Errichtung der
Anstalt öffentlichen Rechts „pflegen & wohnen“ (Senatsvorlage) : „… Ein Rückkehrrecht der
Mitarbeiter werde es nur für den Fall geben, dass die Anstalt zu mehr als 50 Prozent privatisiert
werde“ (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Drucks. 15/7516 S. 1). Diese
Ausführungen stehen dem in § 18 Abs. 2 Satz 2 AnstaltserrichtungsG gewählten Wortlaut
entgegen.
26 Wie dieser Widerspruch zwischen Gesetzesbegründung und Gesetzeswortlaut letztlich
aufzulösen ist, bedarf jedoch keiner Entscheidung. Der Gesetzgeber hat nämlich eine Klärung
durch das Zweite Änderungsgesetz herbeigeführt und seinen Willen in der Übergangsvorschrift in
Art. 2 dieses Gesetzes klar zum Ausdruck gebracht. Danach ist § 18 Abs. 2 Satz 3
AnstaltserrichtungsG auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der in Trägerschaft der Anstalt bis
zum 1. Januar 2007 betriebenen Pflegezentren entsprechend anzuwenden. § 18 Abs. 2 Satz 3
AnstaltserrichtungsG sieht das kleine Rückkehrrecht zur AöR und nicht ein großes Rückkehrrecht
zur Beklagten vor.
27 bb) Die Übergangsvorschrift in Art. 2 Zweites Änderungsgesetz erfasst das Arbeitsverhältnis der
Klägerin. Diese war bei Inkrafttreten des Zweiten Änderungsgesetzes am 31. Dezember 2006
Mitarbeiterin der in Trägerschaft der Anstalt bis zum 1. Januar 2007 betriebenen Pflegezentren.
28 Die Klägerin war als Altenpflegerin zunächst in einem von der Beklagten selbst betriebenen
Pflegezentrum beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis ging 1997 aufgrund des am 1. August 1997 in
Kraft getretenen AnstaltserrichtungsG auf die von der Beklagten gegründete AöR über. Danach
trat die pflegen & wohnen Betriebs GmbH, deren Gesellschaftsanteile die AöR hielt, in die
Arbeitsverträge mit den Arbeitnehmern der AöR ein, § 1 Personalüberleitungsvertrag vom
1. September 2005. Durch die Übertragung der Gesellschaftsanteile der AöR an der pflegen &
wohnen Betriebs GmbH zum 7. Januar 2007 auf die V Hamburg GmbH endete die Trägerschaft
der AöR. Damit war die Klägerin bei Inkrafttreten des Zweiten Änderungsgesetzes am
31. Dezember 2006 Mitarbeiterin eines der in Trägerschaft der AöR bis zum 1. Januar 2007
betriebenen Pflegezentren. Demzufolge ist § 18 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 2a des
AnstaltserrichtungsG in der am 31. Dezember 2006 geltenden Fassung auf die Klägerin
anzuwenden, mit der Folge, dass der Klägerin allein das darin niedergelegte kleine Rückkehrrecht
zusteht.
29 cc) Die Neuregelung in Art. 2 Zweites Änderungsgesetz verstößt nicht gegen das
Rückwirkungsverbot. Die Beschränkung der Rückwirkung von Gesetzen und sonstigen
Rechtsnormen beruht außerhalb des Art. 14 Abs. 1 GG auf dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20
Abs. 3 GG. Die Regeln über die Rückwirkung von Rechtsnormen unterscheiden zwischen echter
und unechter Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Rechtsnorm nachträglich
ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Sie ist
verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig (BAG 15. November 2000 - 5 AZR 310/99 - Rn. 45
mwN, BAGE 96, 249 = AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 84 = EzA BetrVG 1972 § 77 Ablösung Nr. 2).
30 Art. 2 Zweites Änderungsgesetz kommt eine solche echte Rückwirkung nicht zu. Die Regelung
greift nicht in abgeschlossene Tatbestände von geltend gemachten Rückkehrrechten nachträglich
ändernd ein. Die Klägerin hatte bei Inkrafttreten des Zweiten Änderungsgesetzes noch kein
Rückkehrrecht ausgeübt.
31 Unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht
abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen einwirkt und damit zugleich die betroffene
Rechtsposition nachträglich entwertet. Sie ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig (BVerfG
15. Oktober 1996 - 1 BvL 44, 48/92 - BVerfGE 95, 64 ; vgl. BAG 15. November 2000 - 5 AZR
310/99 - zu B III 4 c der Gründe, BAGE 96, 249 = AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 84 = EzA BetrVG
1972 § 77 Ablösung Nr. 2). Grenzen der Zulässigkeit können sich aus dem Grundsatz des
Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben. Das ist dann der Fall, wenn
die vom Normgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Normzwecks nicht
geeignet oder nicht erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die
Veränderungsgründe der Neuregelung überwiegen (BVerfG 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44, 48/92 -
aaO; BAG 15. November 2000 - 5 AZR 310/99 - aaO). Ob Art. 2 Zweites Änderungsgesetz im
Falle der Klägerin überhaupt eine unechte Rückwirkung entfaltet hat, kann dahinstehen, weil die
Regelung in Art. 2 Zweites Änderungsgesetz auch dann wirksam wäre, wenn ihr eine unechte
Rückwirkung zukäme.
32 Ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin wurde durch sie nicht verletzt. Die Klägerin durfte nicht
annehmen, die bestehende unklare Rechtslage im Hinblick auf ein großes oder kleines
Rückkehrrecht bei Übertragung sämtlicher Pflegezentren, nicht aber aller Bereiche des
Unternehmens, werde zu keiner Zeit vom Gesetzgeber neu geregelt bzw. klargestellt werden. Für
ein solches Vertrauen gab es keinen sachlich begründeten Anlass.
33 Ebenso wenig lag ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. Die Festschreibung
eines kleinen Rückkehrrechts hält sich im Rahmen dessen, was zur Erreichung der Klärung des
Normzwecks geeignet und erforderlich ist. Dabei treten die Interessen der Klägerin hinter die
Gründe für die Neuregelung zurück. Denn die Klägerin bleibt auch im Falle der Ausübung des
kleinen Rückkehrrechts weiterhin im öffentlichen Dienst beschäftigt. Der Umstand, dass die AöR
keine eigenen Pflegeeinrichtungen mehr betreibt, unterscheidet sich nicht von der Situation bei der
Beklagten. Auch diese betreibt keine Pflegeeinrichtungen mehr. Soweit es der Klägerin auf eine
Tätigkeit beim öffentlichen Arbeitgeber ankommt, ist dieses Interesse gewahrt. Sowohl bei einer
Rückkehr zur Beklagten im Falle des großen Rückkehrrechts als auch bei einer Rückkehr zur
AöR im Falle des kleinen Rückkehrrechts bleibt sie Arbeitnehmerin eines öffentlichen
Arbeitgebers. Im Übrigen ist die gesetzliche Konzeption identisch. Danach ist das
Arbeitsverhältnis der Klägerin in den Dienst der Beklagten im Falle des großen Rückkehrrechts
oder in den Dienst der AöR im Falle des kleinen Rückkehrrechts binnen eines Jahres zu
überführen. Die erreichten Lohn- und Vergütungsgruppen sowie die Beschäftigungszeiten bleiben
jeweils gewahrt.
34 b) Darüber hinaus scheitert der geltend gemachte Feststellungsanspruch der Klägerin gegen die
Beklagte ungeachtet der fehlenden Anspruchsvoraussetzungen des § 18 Abs. 2 Satz 2
AnstaltserrichtungsG auch daran, dass diese Vorschrift die von der Klägerin angestrebte
Rechtsfolge nicht vorsieht. § 18 AnstaltserrichtungsG wurde durch das Zweite Änderungsgesetz
um Abs. 2a ergänzt. Danach ist im Falle der Geltendmachung des großen Rückkehrrechts das
Arbeitsverhältnis binnen eines Jahres nach Ausübung des großen Rückkehrrechts in den Dienst
der Beklagten zu überführen.
35 Auch ein großes Rückkehrrecht führt nicht dazu, dass ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten
bereits durch das geäußerte Rückkehrverlangen entsteht. Die in § 18 Abs. 2a
AnstaltserrichtungsG gewählte Formulierung zeigt, dass die Geltendmachung des
Rückkehrrechts allein das Recht begründet - bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen - zur
Beklagten binnen Jahresfrist zurückzukehren. Gäbe es das von der Klägerin beanspruchte
Gestaltungsrecht, wäre es unnötig, der Beklagten einen Zeitraum für die Realisierung der
Rückkehr einzuräumen.
36 II. Der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag ist ebenfalls nicht begründet.
37 Dieser Antrag ist dahin auszulegen, dass die Beklagte zur Annahme eines in der Klage
enthaltenen Angebots der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags verurteilt werden soll (vgl.
BAG 28. Juni 2000 - 7 AZR 904/98 - zu I A 1 a der Gründe, BAGE 95, 171 = AP KSchG 1969 § 1
Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5).
38 Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrags.
Gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 AnstaltserrichtungsG steht ihr kein großes Rückkehrrecht zur
Beklagten zu. Diese ist daher nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit der Klägerin
verpflichtet.
39 III. Die Klage auf Beschäftigung ist ebenfalls unbegründet, da der Klägerin ein Rückkehrrecht zur
Beklagten nicht zusteht, § 18 Abs. 2 Satz 2 AnstaltserrichtungsG iVm. Art. 2 Zweites
Änderungsgesetz. Demzufolge hat sie gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf
Beschäftigung.
40 C. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Hauck
Böck
Schmidt
Hermann
R. Koglin