Urteil des BAG vom 10.02.2009

BAG (satzung, arbeitnehmer, bundesrepublik deutschland, bag, vereinigung, zuständigkeit, gewerkschaft, sachsen, antrag, auslegung)

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluß vom 10.2.2009, 1 ABR 36/08
Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft - Bestimmtheitsgrundsatz - Auslegung der Satzung einer
Gewerkschaft - Annex-Zuständigkeit
Leitsätze
Für die Satzung einer nach dem Berufsgruppenprinzip organisierten Gewerkschaft gelten die
allgemeinen Bestimmtheitsanforderungen. Eine über den verlautbarten Satzungsinhalt hinaus in
Anspruch genommene ungeschriebene Annex-Zuständigkeit besteht nicht.
Tenor
Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 2., 7. und 8. gegen den Beschluss
des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 23. Januar 2008 - 4 TaBV 4/05 -
werden zurückgewiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten über die Tarifzuständigkeit der Beteiligten zu 2. für die Mitglieder des
Beteiligten zu 7.
2 Antragstellerin ist ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft. Nach § 3 ihrer Satzung ist ihr
Organisationsgebiet die Bundesrepublik Deutschland. Gem. § 4 der Satzung umfasst ihr
Organisationsbereich Unternehmen, Betriebe, Einrichtungen und Verwaltungen der „im Anhang 1
abschließend aufgeführten Bereiche“. Im Anhang 1 zur Satzung sind unter Nr. 1.4 ua. aufgeführt
„Verwaltungen, Betriebe und Einrichtungen der karitativen und kirchlichen Einrichtungen“. ver.di ist
Mitglied des zu 5. beteiligten Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
3 Die Beteiligte zu 2. ist die „DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V.“. Sie führte bis zum Oktober 2006
den Namen „DHV - Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband“. Nach § 1 ihrer
Satzung erstreckt sie sich über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. § 2 der Satzung in
seiner bis zum 12. März 2007 geltenden Fassung lautete:
„1.
Der DHV ist eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer in kaufmännischen und
verwaltenden Berufen, die in der privaten Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst tätig
sind. ... Er vertritt die Interessen der Mitglieder in christlich-sozialer Grundhaltung. …
Diesem Ziel dienen:
a) Tarifverhandlungen und Tarifabschlüsse mit den Arbeitgebern und ihren
Verbänden. Zur Durchsetzung seiner Forderungen ist er bereit,
Arbeitsniederlegungen oder andere Kampfmaßnahmen einzusetzen.“
4 In § 3 der Satzung hieß es:
„1. Die Mitgliedschaft können Arbeitnehmer und Berufsanwärter in kaufmännischen und
verwaltenden Berufen erwerben.
2. Zur Wahrung gewerkschaftlicher Belange kann der Hauptvorstand auch Arbeitnehmer
aus anderen Berufsgruppen aufnehmen und deren Interessen wahrnehmen.“
5 Auf ihrem ordentlichen Verbandstag vom 28. Oktober 2006 beschloss die DHV eine
Satzungsänderung. Diese wurde am 12. März 2007 in das Vereinsregister eingetragen. §§ 2 und 3
der Satzung lauten nunmehr:
㤠2 Aufgaben und Ziele
1. Die DHV ist eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer insbesondere in kaufmännischen
und verwaltenden Berufen. Sie vertritt die Interessen der Mitglieder in christlich-
sozialer Grundhaltung. …
2. Diesem Ziel dienen:
a) Tarifverhandlungen und Tarifabschlüsse mit den Arbeitgebern und ihren
Verbänden. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen ist sie bereit,
Arbeitsniederlegungen oder andere Kampfmaßnahmen einzusetzen. … Von
der DHV abgeschlossene Tarifverträge begründen die Tarifbindung für alle
Mitglieder. …
§ 3 Mitgliedschaft
1. Die Mitgliedschaft können insbesondere Arbeitnehmer in kaufmännischen und
verwaltenden Berufen erwerben sowie Berufsanwärter, die sich in einer
Berufsausbildung, einer Berufs- oder Handelsschule oder in einem Studium
befinden.
2. Zur Wahrung gewerkschaftlicher Belange kann der Hauptvorstand auch
Arbeitnehmer aus anderen Berufsgruppen aufnehmen und deren Interessen
wahrnehmen.
…“
6 Gem. § 17 der neuen Satzung traten die Änderungen in § 2 Abs. 1, Abs. 2a, § 3 Abs. 1 der
Satzung rückwirkend zum 1. Januar 2000 in Kraft.
7 Die DHV ist Mitglied im Gesamtverband Deutscher Angestelltengewerkschaften (GEDAG) und
des zu 6. beteiligten Christlichen Gewerkschaftsbunds (CGB). Ihre Tariffähigkeit ist mehrfach
rechtskräftig festgestellt worden, zuletzt durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg
vom 18. Februar 1997 (- 2 TaBV 9/95 -).
8 Im Jahr 2003 schloss der Landesverband Mitteldeutschland der DHV mit der zu 8. beteiligten
DRK-Tarifgemeinschaft Land Sachsen mit Wirkung vom 1. Januar 2004 einen Tarifvertrag. Nach
seinem § 1 galt dieser „für die Mitarbeiter des DRK im DRK-Landesverband Sachsen e.V. (des
Beteiligten zu 7.), in seinen Verbänden, deren Untergliederungen, Einrichtungen und
Gesellschaften aller Art, sofern diese Mitglied in der DRK-Tarifgemeinschaft Land Sachsen sind
…“. Gem. § 5 des Tarifvertrags in Verbindung mit seiner Anlage 2 sind die Mitarbeiter nach
Maßgabe ihrer Tätigkeit in eine von 14 Entgeltgruppen eingruppiert. Den Entgeltgruppen sind
„typische Berufsfelder“ zugeordnet. Dazu gehören ua. hauswirtschaftliche Hilfskräfte,
Reinigungskräfte, Hilfsarbeiter, Stationshilfen, Küchenhilfen, Beiköche, Rettungssanitäter, Köche,
Rettungsassistenten, Therapeuten, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Heilpädagogen, Ärzte und
Psychologen.
9 Mit dem vorliegenden Beschlussverfahren hat ver.di die Tarifzuständigkeit der DHV für den
Bereich des Deutschen Roten Kreuzes bestritten. Das DRK betreibe freie Wohlfahrtspflege. Nach
ihrer Satzung sei die DHV ausschließlich zuständig für Arbeitnehmer in kaufmännischen und
verwaltenden Berufen, nicht aber für Arbeitnehmer von karitativen Einrichtungen und solchen des
Gesundheitswesens. Daran habe die neue Satzung nichts geändert. Auch wenn die DHV danach
„insbesondere“ für die Arbeitnehmer in diesen Berufen zuständig sein wolle, bleibe offen, für
welche anderen Berufsgruppen sie zuständig sei; aus § 3 Nr. 2 der Satzung folge nichts anderes.
10 ver.di hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - beantragt
festzustellen, dass die DHV nicht zuständig ist für den Abschluss von Tarifverträgen für bei
dem DRK-Landesverband Sachsen e.V. sowie dessen Untergliederungen, Einrichtungen
und Gesellschaften aller Art beschäftigte Arbeitnehmer, die nicht zu den kaufmännischen
und verwaltenden Berufen gehören.
11 Die DHV hat zweitinstanzlich beantragt, den Antrag von ver.di abzuweisen. Sie hat die Auffassung
vertreten, sie sei für sämtliche Arbeitnehmer der Mitglieder von DRK-Landesverbänden
tarifzuständig. Das ergebe sich aus § 2 Abs. 1 ihrer Satzung, jedenfalls in deren neuer Fassung.
Aus dieser Bestimmung folge allerdings nicht eine Zuständigkeit für sämtliche Arbeitnehmer der
Bundesrepublik Deutschland. Sie habe ihre Zuständigkeit vielmehr „konkretisiert“, wie sich aus
dem Wort „insbesondere“ in § 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung ergebe. Dieser Ausdruck mache
einerseits deutlich, dass sie „insbesondere“ eine Gewerkschaft für die Arbeitnehmer in
kaufmännischen und verwaltenden Berufen sein wolle. Er lege damit einen besonderen
Schwerpunkt ihrer Tätigkeit fest. Andererseits zeige er an, dass sie keine Gewerkschaft
ausschließlich für Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden Berufen sei. Spätestens seit
dem Jahr 1990, so hat die DHV behauptet, sei sie im Bereich des DRK gewerkschaftlich tätig und
habe seit dem Juli 2000 „zahlreiche Mitglieder in den östlichen Bundesländern“ gewonnen. Ein
erster Tarifabschluss mit einem DRK-Kreisverband in Sachsen sei am 24. März 2001 erfolgt, ein
zweiter am 3. Mai 2001 in Sachsen-Anhalt, wo mittlerweile Tarifverträge mit acht DRK-
Kreisverbänden bestünden. Zudem gebe es Flächentarifverträge mit den DRK-Landesverbänden
von Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Ihr Hauptvorstand habe am 13. Mai 2004 die „vor
langer Zeit getroffene“ und von ihrem ordentlichen Verbandstag im Juni 2002 bestätigte
Entscheidung bekräftigt, die Mitarbeiter des DRK gewerkschaftlich zu betreuen und Tarifverträge
für sie abzuschließen. Ihre Satzung, so hat die DHV gemeint, sei deshalb dahin zu verstehen,
dass sie für andere Arbeitnehmer als solche in kaufmännischen und verwaltenden Berufen dann
tarifvertragliche Regelungen treffen wolle, wenn diese zumindest auch kaufmännische und
verwaltende Berufsgruppen erfassten. Bei der in § 2 Abs. 1 ihrer Satzung „manifestierten“
Tarifzuständigkeit für andere Berufsgruppen handele es sich um einen Annex ihrer Zuständigkeit
für Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden Berufen. Dies zeige auch § 3 Nr. 2 der
Satzung. Die dort genannte Voraussetzung liege insbesondere dann vor, wenn ohne
Berücksichtigung weiterer Berufsgruppen der Abschluss eines Tarifvertrags nicht in Betracht
komme, etwa weil sich die Arbeitgeberseite zum Abschluss von Tarifverträgen mit Wirkung
ausschließlich für Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden Berufen nicht bereit finde.
Sei sie in einem solchen Fall nicht auch für andere Berufsgruppen tarifzuständig, könne sie nicht
einmal die Interessen der Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden Berufen
wahrnehmen. Eine derartige Annex-Zuständigkeit sei für eine nach dem Berufsgruppen- und nicht
dem Industrieverbandsprinzip gebildete Gewerkschaft der einzig gangbare Weg einer effektiven
Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder. Eine enumerative Aufzählung der weiteren
Berufsgruppen sei aus Sachgründen nicht möglich, die Inanspruchnahme einer Allzuständigkeit für
sämtliche Berufsgruppen wegen der damit verbundenen Gefahr des Verlustes der Tariffähigkeit
keine gangbare Alternative.
12 Das Arbeitsgericht hat den - seinerzeit weitergehend gefassten - Antrag von ver.di abgewiesen.
Auf deren Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht dem zuletzt gestellten Antrag stattgegeben.
Gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts haben die DHV und die Beteiligten zu 7. und 8.
Rechtsbeschwerde eingelegt. Mit dieser begehren sie jeweils, die Beschwerde von ver.di gegen
den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.
13 B. Die Rechtsbeschwerden sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag von
ver.di zu Recht entsprochen. Die DHV ist für Mitarbeiter der Einrichtungen des Deutschen Roten
Kreuzes in Sachsen, die andere als kaufmännische oder verwaltende Berufe ausüben, nicht
tarifzuständig. Nach § 2 Nr. 1 ihrer geltenden Satzung hat sie ihre Tarifzuständigkeit auf
kaufmännische und verwaltende Berufe beschränkt. Das folgt aus einer gesetzeskonformen
Satzungsauslegung. Eine Annex-Zuständigkeit für andere Berufe besteht nicht.
14 I. Die Rechtsbeschwerden der DHV und der Beteiligten zu 7. und 8. sind zulässig. Die drei
Beteiligten sind rechtsbeschwerdebefugt. Sie sind durch die Entscheidung des
Landesarbeitsgerichts beschwert. Dafür genügt es, dass sie durch die angefochtene Entscheidung
in ihrer Rechtsstellung als Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberkoalition unmittelbar betroffen sind (BAG
19. November 1985 - 1 ABR 37/83 - zu B II 4 der Gründe, AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 4 =
EzA TVG § 2 Nr. 15). Das ist nicht nur bei der DHV, sondern auch bei den Beteiligten zu 7. und 8.
der Fall.
15 Der Beteiligte zu 7. ist als Spitzenverband der im Land Sachsen bestehenden rechtsfähigen
Kreisverbände, Gemeinschaften und Gesellschaften des DRK - so § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 4, § 8
seiner Satzung in der Fassung vom 29. November 2008 - betroffen. Für seine Mitglieder gilt der
zwischen der DHV und der Beteiligten zu 8. mit Wirkung vom 1. Januar 2004 geschlossene
Tarifvertrag. Er ist vom Umfang der Tarifzuständigkeit der DHV in seiner Stellung als Vertreter der
Interessen seiner Mitglieder berührt. Für die zu 8. beteiligte Tarifgemeinschaft als die bisherige und
möglicherweise künftige Vertragspartnerin der DHV gilt dies gleichermaßen. Dafür ist es ohne
Bedeutung, ob es sich bei ihr um eine selbst tariffähige Vereinigung von Arbeitgebern iSd. § 2
Abs. 1 TVG handelt oder um eine bloße „Verhandlungsgemeinschaft“ ohne eigene Tariffähigkeit,
die in Vollmacht ihrer tariffähigen Mitglieder handelt. Darauf, ob ein Rechtsbeschwerdeführer
zweitinstanzlich einen Antrag gestellt hat, kommt es für seine Beschwer nicht an (Matthes in
Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 6. Aufl. § 94 Rn. 2).
16 II. Über die von den Vorinstanzen angehörten Vereinigungen und Körperschaften hinaus sind keine
anderen Personen oder Stellen am Verfahren beteiligt.
17 1. Das Beteiligtsein an einem Verfahren über die Tarifzuständigkeit einer Arbeitnehmerkoalition ist,
wie stets im Beschlussverfahren, noch im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu
prüfen. Personen und Stellen, die bis dahin zu Unrecht nicht gehört wurden, sind auch ohne Rüge
zum Verfahren hinzuziehen (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 18 mwN, BAGE 117, 308).
Dagegen ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht ohne Rüge zu prüfen, ob alle in den
Vorinstanzen angehörten Personen, Vereinigungen und Stellen tatsächlich beteiligt sind (BAG
28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - aaO).
18 2. Die Beteiligten eines Verfahrens nach § 97 Abs. 1, § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG ergeben sich aus
§ 97 Abs. 2 iVm. § 83 Abs. 3 ArbGG. Beteiligt sind neben dem Antragsteller diejenigen Stellen,
deren materielle Rechtsposition im Hinblick auf die Tarifzuständigkeit der betreffenden Koalition
unmittelbar betroffen ist (BAG 13. März 2007 - 1 ABR 24/06 - Rn. 12 mwN, BAGE 121, 362).
Neben der Vereinigung, über deren Tarifzuständigkeit gestritten wird, sind dies Stellen und
Vereinigungen auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite, die durch die Entscheidung rechtlich
berührt werden können; grundsätzlich ist die Beteiligung der jeweiligen Spitzenverbände
ausreichend (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 19 mwN, BAGE 117, 308). Beteiligt ist
außerdem die oberste Arbeitsbehörde eines Landes, wenn sich die Tarifzuständigkeit der
Vereinigung entweder ausschließlich auf das Gebiet dieses Landes erstreckt oder die
Tarifzuständigkeit nur für Tarifverträge bestritten wird, deren Geltungsbereich auf ein Land
begrenzt ist. Bei länderübergreifender Zuständigkeit oder größerem Geltungsbereich ist
stattdessen die oberste Arbeitsbehörde des Bundes beteiligt (BAG 25. November 1986 - 1 ABR
22/85 - zu B I 3 a der Gründe, BAGE 53, 347).
19 3. Danach sind über die im Verfahren angehörten Vereinigungen und Körperschaften hinaus keine
weiteren Stellen beteiligt. Beteiligt sind der DRK-Landesverband Sachsen e.V. und die DRK
Tarifgemeinschaft Land Sachsen. Sie sind einmal als Vertreter der Arbeitgeber, das andere Mal
als Tarifvertragspartner der DHV in ihrer Rechtsstellung unmittelbar vom Ausgang des Verfahrens
betroffen. DGB und CGB sind beteiligt als Spitzenorganisationen zur Wahrnehmung der
Interessen anderer, möglicherweise konkurrierender Gewerkschaften. Beteiligt ist ferner das
Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit. Darüber, ob das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales beteiligt ist, muss nicht entschieden werden. Seine Anhörung ist von keiner
Seite gerügt worden.
20 III. Der Antrag ist zulässig.
21 1. Der Antrag ist ausreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar mag es im Einzelfall
schwierig sein zu bestimmen, ob ein bestimmter Beruf ein „kaufmännischer“ oder „verwaltender“
ist. Das führt aber nicht zur Unbestimmtheit des im vorliegenden Erkenntnisverfahren gestellten
Antrags. Die entsprechende Beurteilung kann und muss im möglichen späteren Konfliktfall
vorgenommen werden (vgl. BAG 25. August 2004 - 1 AZB 41/03 - zu B II 2 c bb der Gründe, AP
BetrVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7).
22 2. ver.di besitzt die nach § 97 Abs. 1 ArbGG nötige Antragsbefugnis. Diese steht Vereinigungen
zu, deren Tarifzuständigkeit sich in räumlicher und sachlicher Hinsicht zumindest teilweise mit der
gerade umstrittenen Tarifzuständigkeit einer anderen Vereinigung deckt (BAG 6. Juni 2000 -
1 ABR 10/99 - zu B I 2 der Gründe mwN, BAGE 95, 36; Matthes in
Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge § 97 Rn. 15). Nach ihrer Satzung ist ver.di bundesweit
ua. für die Mitarbeiter karitativer Einrichtungen tarifzuständig. Damit liegt hinsichtlich der
Beschäftigten von Mitgliedern des DRK-Landesverbands Sachsen die erforderliche Konkurrenz
mit der DHV vor.
23 3. ver.di hat das nach § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse. Dessen bedarf es auch für
das Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 Abs. 1 ArbGG (BAG 13. März 2007 - 1 ABR 24/06 -
Rn. 21 mwN, BAGE 121, 362). Für einen negativen, auf die Feststellung der (partiellen)
Unzuständigkeit einer konkurrierenden Arbeitnehmervereinigung gerichteten Antrag besteht ein
Feststellungsinteresse jedenfalls dann, wenn die konkurrierende Vereinigung sich anschickt,
Tarifverhandlungen im Zuständigkeitsbereich der antragstellenden Gewerkschaft zu führen, oder
Tarifverträge in diesem Bereich bereits geschlossen hat. Das ist hier der Fall.
24 4. Entgegen der Ansicht des CGB setzt die Zulässigkeit des Antrags nicht voraus, dass dieser auf
die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist. Die besonderen
Regelungen des § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 Abs. 1 ArbGG haben insoweit Vorrang vor der
allgemeinen Vorschrift des § 256 Abs. 1 ZPO.
25 IV. Der Antrag ist begründet. Die DHV ist für Arbeitnehmer in anderen als kaufmännischen und
verwaltenden Berufen nicht tarifzuständig. Nur bei einem solchen Verständnis ist § 2 Nr. 1 der
Satzung hinreichend bestimmt und wirksam. Eine von der DHV reklamierte „Annex-Zuständigkeit“
für andere Arbeitnehmer besteht nicht. Angesichts der Satzungsautonomie der Gewerkschaften
besteht für eine solche Rechtsfigur kein Bedürfnis.
26 1. Die Tarifzuständigkeit ist die Befugnis einer an sich tariffähigen Vereinigung, Tarifverträge mit
einem bestimmten Geltungsbereich abzuschließen (BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - Rn. 33
mwN, BAGE 119, 103). Sie richtet sich nach dem in der Satzung der Vereinigung festgelegten
Organisationsbereich (BAG 27. September 2005 - 1 ABR 41/04 - zu B II 1 a der Gründe mwN,
BAGE 116, 45).
27 a) Ihren Organisationsbereich legt jede Vereinigung in ihrer Satzung autonom fest. Sein Umfang
muss eindeutig bestimmt sein. Er markiert für Mitglieder, Verbandsorgane und Dritte die Grenze
wirksamen Handelns der Vereinigung (vgl. Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 2 Rn. 72). Für seine
Bestimmung ist die Satzung ggf. auszulegen. Abzustellen ist auf den objektivierten Willen des
Satzungsgebers. Wegen der normähnlichen Wirkung der Satzung körperschaftlich strukturierter
Vereinigungen gelten - wie bei Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen - die Grundsätze der
Gesetzesauslegung. Danach sind maßgeblich zunächst der Wortlaut und der durch ihn vermittelte
Wortsinn, ferner der Gesamtzusammenhang, der Sinn und Zweck und die Entstehungsgeschichte
der Satzung. Auch die bisherige tatsächliche Handhabung und die Anschauungen der beteiligten
Berufskreise können von Bedeutung sein. Unerheblich sind der tatsächliche Abschluss von
Tarifverträgen oder die Praxis der Aufnahme von Mitgliedern als solche. Sie allein vermögen die
satzungsmäßige Tarifzuständigkeit nicht zu erweitern (BAG 29. Juni 2004 - 1 ABR 14/03 - zu
B II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 111, 164). Im Zweifelsfall gebührt derjenigen Auslegung der
Vorzug, die zu einem gesetzeskonformen und praktikablen Satzungsverständnis führt (BAG
18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - Rn. 41 mwN, BAGE 119, 103). Die Auslegung durch das
Landesarbeitsgericht ist vom Revisions- und Rechtsbeschwerdegericht uneingeschränkt
überprüfbar (BAG 12. Dezember 1995 - 1 ABR 27/95 - zu II A 2 c (1) der Gründe mwN, AP TVG
§ 2 Tarifzuständigkeit Nr. 8 = EzA TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 3).
28 b) Die Ausgestaltung ihres Organisationsbereichs und die damit verbundene Festlegung ihrer
Tarifzuständigkeit steht grundsätzlich jeder Vereinigung frei. Dies ist Ausdruck der in Art. 9 Abs. 1,
Abs. 3 GG verfassungsrechtlich garantierten Vereins- und Koalitionsfreiheit. Dementsprechend
kann etwa eine Arbeitnehmervereinigung ihren Organisationsbereich betriebs- oder
unternehmensbezogen, branchen- oder berufsbezogen, regional oder personenbezogen festlegen.
Ebenso gut kann sie eine Kombination mehrerer Kriterien wählen. Zulässig ist es auch, die
Tarifzuständigkeit für die Arbeitnehmer bestimmter, konkret bezeichneter (Groß-)Unternehmen zu
beanspruchen (BAG 19. November 1985 - 1 ABR 37/83 - zu B IV 4 b der Gründe, BAGE 50, 179).
Rechtlich ist es dabei nicht ausgeschlossen, dass eine Vereinigung ihren Organisationsbereich
und ihre Tarifzuständigkeit auf sämtliche Arbeitnehmer der Bundesrepublik Deutschland erstreckt
(vgl. Däubler/Peter TVG 2. Aufl. § 2 Rn. 166; aA (wohl) Wiedemann/Oetker § 2 Rn. 58). Allerdings
ist für die Vereinigung mit der Entscheidung für eine Allzuständigkeit die Gefahr eines Verlustes
der Tariffähigkeit verbunden. Zu dieser gehört eine soziale Mächtigkeit, die eine entsprechende
Durchsetzungskraft und ausreichende organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest
nicht unerheblichen Teil des selbst beanspruchten Zuständigkeitsbereichs voraussetzt (BAG
28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 38 f. mwN, BAGE 117, 308). Das ist bei der
Satzungsauslegung zur Bestimmung des Zuständigkeitsbereichs im Interesse der Vereinigung zu
berücksichtigen.
29 2. Danach ist die DHV für Arbeitnehmer in anderen als kaufmännischen oder verwaltenden
Berufen nicht tarifzuständig. Das ergibt die Auslegung der Satzung in ihrer am 12. März 2007
(rückwirkend) in Kraft getretenen Fassung.
30 a) Vereinigungen können ihren satzungsgemäßen Zuständigkeitsbereich ändern, wenn ihnen dies
erforderlich oder zweckmäßig erscheint. Dies gehört zu ihrer vereinsrechtlichen
Satzungsautonomie und garantierten Koalitionsbetätigungsfreiheit (BAG 27. September 2005 -
1 ABR 41/04 - zu B II 1 b aa der Gründe mwN, BAGE 116, 45). Für die Entscheidung über einen
gegenwarts- und zukunftsbezogenen Antrag auf Feststellung der Tarif(un)zuständigkeit einer
Vereinigung kommt es auf die Satzung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an (BAG
12. Dezember 1995 - 1 ABR 27/95 - zu II A 2 b der Gründe, AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 8 =
EzA TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 3). Maßgeblich ist damit die Satzung vom 12. März 2007.
Bedenken gegen deren vereinsrechtliche Wirksamkeit sind nicht berechtigt. Die Auffassung des
Landesarbeitsgerichts, durch die Eintragung der vom ordentlichen Verbandstag der DHV am
28. Oktober 2006 beschlossenen Satzungsänderungen ins Handelsregister sei der Nachweis
ordnungsgemäßer Beschlussfassung als erbracht anzusehen, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht
zu beanstanden.
31 b) Den Organisationsbereich der DHV legt § 2 Nr. 1 der neuen Satzung fest. Danach ist die DHV
„eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer insbesondere in kaufmännischen und verwaltenden
Berufen“. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Bestimmung dahin verstanden, dass sie den
Organisationsbereich der DHV damit auf kaufmännische und verwaltende Berufe beschränkt.
32 aa) Das folgt allerdings nicht schon aus dem Wortlaut der Regelung.
33 (1) Der Sinn des Begriffs „insbesondere“ ist nicht eindeutig. Das Wort kann einmal bedeuten „vor
allem“, „im Besonderen“, „hauptsächlich“, „speziell“ (vgl. Duden Das Synonymwörterbuch 4. Aufl.
S. 513). Es markiert dann eine bestimmte Teilmenge einer größeren Menge. In einem
sprachlichen Zusammenhang wie hier würde es zwei bestimmte Berufe innerhalb der Menge aller
Berufe bezeichnen. § 2 Nr. 1 der Satzung wäre folglich so zu lesen, wie wenn es dort hieße, die
DHV sei „eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer in allen Berufen, insbesondere in kaufmännischen
und verwaltenden“; dies hätte eine tarifliche Allzuständigkeit der DHV zur Folge. „Insbesondere“
kann außerdem die Bedeutung haben von „besser gesagt“, „genauer“, „namentlich“ (Duden Das
Bedeutungswörterbuch 3. Aufl. S. 501) . Es hat dann eine konkretisierende Funktion und
beschreibt nicht den Teil eines Ganzen, sondern präzisiert das - allein - Gemeinte. § 2 Nr. 1 der
Satzung wäre mit dieser Wortbedeutung so zu lesen, wie wenn die Bestimmung lautete, die DHV
sei „eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer, genauer gesagt der Arbeitnehmer in kaufmännischen
und verwaltenden Berufen“; damit ginge eine Beschränkung der Tarifzuständigkeit auf diese
beiden Berufsgruppen einher. Geläufiger dürfte eine Wortverwendung im Sinne der ersten
Alternative sein. Sprachlich ist deshalb das Verständnis einer über die genannten Berufe
hinausgehenden Zuständigkeit der DHV ohne Weiteres möglich.
34 (2) Die Lesart der DHV selbst ist ausgeschlossen.
35 (a) Sie lässt sich mit dem Wortlaut nicht vereinbaren. Die DHV meint, das Wort „insbesondere“
zeige, dass ihre Tarifzuständigkeit zwar über Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden
Berufen hinausgehe, damit aber gleichwohl eine unbeschränkte Allzuständigkeit nicht verbunden
sei. Eine solche habe sie wegen der damit einhergehenden Gefährdung ihrer Tariffähigkeit zu
keinem Zeitpunkt beansprucht. Das Wort „insbesondere“ begründe vielmehr eine Annex-
Zuständigkeit für andere Berufsgruppen, sofern und soweit sie zugleich für Arbeitnehmer in
kaufmännischen und verwaltenden Berufen tätig werde. Das trifft nicht zu. Die Bedeutung einer
Bedingung im Sinne von „sofern“ oder „soweit“ kommt dem Wort „insbesondere“ schlechterdings
nicht zu.
36 (b) Ein wortsinnübersteigendes Satzungsverständnis ist nicht wegen der Besonderheiten einer
nach dem Berufsgruppenprinzip organisierten Gewerkschaft geboten. Art. 9 Abs. 3 GG verlangt
zum Schutz der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit der DHV nicht nach der von dieser
reklamierten Annex-Zuständigkeit. Die Tarifzuständigkeit der DHV wird nicht etwa durch den
numerus-clausus eines staatlich gesetzten Zuständigkeitskatalogs begrenzt, der um der
ungestörten Koalitionsbetätigung willen um eine - ungeschriebene - Annex-Kompetenz erweitert
werden müsste. Der Zuständigkeitsbereich der DHV wird nicht von Staats wegen, sondern
ausschließlich durch die in Ausübung ihrer Satzungsautonomie von ihr selbst beschlossene
Satzung und den für diese geltenden Bestimmtheitsgrundsatz begrenzt. Die DHV wird durch ein
bestimmtes Verständnis ihrer aktuellen Satzung nicht in ihrer verfassungsrechtlich garantierten
Betätigungsfreiheit eingeschränkt. Die Auslegung der Satzung durch die dazu berufenen
staatlichen Gerichte stellt lediglich klar, in welcher Weise sie derzeit von dieser Freiheit Gebrauch
gemacht hat. Wenn sie danach wegen einer satzungsgemäßen Beschränkung ihrer
Tarifzuständigkeit auf Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden Berufen zu
Tarifabschlüssen mit dem DRK außerstande sein sollte, ist es ihr unbenommen, ihre Zuständigkeit
durch Satzungsänderung ausdrücklich auf sämtliche Arbeitnehmer der Mitglieder von DRK-
Landesverbänden zu erstrecken.
37 (c) Im Übrigen hätte das von der DHV für richtig gehaltene Verständnis der Satzungsbestimmung
deren Unwirksamkeit zur Folge. Die Regelung wäre nicht hinreichend bestimmt. Ein solches
Ergebnis widerspräche dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung.
38 (aa) Die den Tarifvertragsparteien nach § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG zukommende
Normsetzungsbefugnis verlangt nach einer ausreichenden Transparenz der
Zuständigkeitsgrenzen. Diese müssen für die handelnden Organe der Vereinigung selbst, für den
sozialen Gegenspieler und für Dritte zuverlässig zu ermitteln sein. Dabei können Umstände
außerhalb der Satzung, die sich in ihr nicht niederschlagen, keine Rolle spielen. Das gebietet die
Rechtssicherheit.
39 (bb) Nach Maßgabe der Lesart der DHV wäre eine sichere Bestimmung der Grenzen ihres
Organisationsbereichs nicht möglich. Ihre Tarifzuständigkeit für andere als kaufmännische und
verwaltende Berufe hinge davon ab, dass sie zugleich für eine dieser beiden Berufsgruppen tätig
würde. In einem solchen Fall wiederum wäre sie für Arbeitnehmer in allen anderen Berufen
zuständig. Auf diese Weise entschiede nicht der in der Satzung festgelegte Zuständigkeitsbereich
über die Grenzen des Tätigwerdens, sondern ein bestimmtes Handeln entschiede über den
Umfang der Zuständigkeit. Der Organisationsbereich der DHV wäre nicht nach objektiven Kriterien
durch die Satzung bestimmt, sondern abhängig vom Betätigungswillen der handelnden Organe.
Auch wäre unklar, wann sie „für“ Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden Berufen
„tätig“ ist. Es bliebe offen, ob etwa die Aufnahme von Tarifverhandlungen oder erst deren
unterschriftsreifer Abschluss, ob die bloße Betreuung von Angehörigen einer der Berufsgruppen
oder das Führen von Rechtsstreitigkeiten oder ob ein sonstiges „Tätigwerden“ ausreichend bzw.
erforderlich ist.
40 bb) Kann § 2 Nr. 1 der Satzung damit nur im Sinne einer der beiden dargelegten Alternativen
verstanden werden, so ergibt sich die Richtigkeit des zur Beschränkung auf kaufmännische und
verwaltende Berufe führenden Verständnisses aus der Systematik und Entstehungsgeschichte
der Regelung und dem Verbot einer existenzgefährdenden Auslegung.
41 (1) Für eine Begrenzung der Tarifzuständigkeit spricht der Gesamtzusammenhang mit § 3 Nr. 1,
Nr. 2 der Satzung. Nach § 3 Nr. 1 können „die Mitgliedschaft … insbesondere Arbeitnehmer in
kaufmännischen und verwaltenden Berufen erwerben“. Nach Nr. 2 kann der Hauptvorstand zur
Wahrung gewerkschaftlicher Belange „auch Arbeitnehmer aus anderen Berufsgruppen
aufnehmen“. Wenn das Wort „insbesondere“ in Nr. 1 zu verstehen wäre als „vor allem“, wäre
schon damit der Erwerb der Mitgliedschaft durch Arbeitnehmer in anderen Berufen eröffnet. § 3
Nr. 2 der Satzung wäre überflüssig. Dies kann nicht als Wille des Satzungsgebers angesehen
werden. Das wiederum spricht dafür, denselben Ausdruck „insbesondere“ nicht nur hier, sondern
auch in § 2 Nr. 1 der Satzung als Präzisierung des Gemeinten und nicht als Kennzeichnung einer
Teilmenge zu verstehen.
42 (2) Die tatsächliche bisherige Handhabung und die Anschauungen der beteiligten Berufskreise
stehen der Richtigkeit dieser Auslegung nicht entgegen. Zwar hat die DHV mit der DRK
Tarifgemeinschaft Land Sachsen und anderen DRK-Vereinigungen ersichtlich Tarifverträge mit
Regelungen auch für Arbeitnehmer anderer als kaufmännischer und verwaltender Berufe
abgeschlossen. Dies tat sie jedoch schon unter Geltung der früheren Satzung. Deren § 2 Nr. 1
lautete bis 2006: „Die DHV ist eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer in kaufmännischen und
verwaltenden Berufen, die in der privaten Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst tätig sind“.
Solange diese Fassung galt, konnte es keinem Zweifel unterliegen, dass ihr Organisationsbereich
satzungsgemäß auf Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden Berufen beschränkt war.
Aus dem Abschluss weiterreichender Tarifverträge lässt sich für das zutreffende Verständnis der
früheren und jetzigen Satzung schon aus diesem Grund nichts herleiten.
43 (3) Für die entsprechende Zuständigkeitsbegrenzung und gegen die mit dem anderen Verständnis
des Begriffs „insbesondere“ verbundene Folge der Allzuständigkeit der DHV spricht auch die
Entstehungsgeschichte. In der bis 2006 geltenden Fassung kam eine Beschränkung der
Tarifzuständigkeit auf die genannten Berufsgruppen unmissverständlich zum Ausdruck. Sie
entspricht dem vielfach - öffentlich zugänglich - manifestierten historischen Selbstverständnis der
DHV. Es ist nicht erkennbar, dass die Satzungsänderungen des Jahres 2007 von diesen
traditionellen Beschränkungen übergangslos zu einer unbegrenzten tariflichen Allzuständigkeit
hätten führen sollen. Überdies ist die DHV Mitglied des GEDAG und des CGB. In beiden
Verbänden sind diverse Einzelvereinigungen organisiert. Auch deshalb ist die Annahme
fernliegend, § 2 Nr. 1 ihrer Satzung wolle eine mit all diesen Schwester-Vereinigungen zu
Konkurrenzen führende Allzuständigkeit begründen.
44
44 (4) Eine Satzungsauslegung, die eine Allzuständigkeit der DHV begründet, widerspricht zudem
deren objektivem Interesse. Sie könnte zu ihrer Existenzvernichtung führen, weil sie ihre - nur zur
früheren Fassung der Satzung rechtskräftig festgestellte - Tariffähigkeit in Gefahr brächte. Die
DHV hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich ihre soziale Mächtigkeit für eine
Allzuständigkeit als nicht ausreichend erweisen könnte. Ein Verständnis von
Satzungsbestimmungen zum Umfang der Tarifzuständigkeit, welches zum Wegfall der
Tariffähigkeit als der Grundlage jedweder Tarifzuständigkeit führen könnte, widerspricht dem Sinn
und Zweck der Bestimmungen und dem darin objektivierten Willen des Satzungsgebers. Eine zur
möglichen Bestandsgefährdung der Vereinigung führende Satzungsauslegung durch die Gerichte
verbietet sich, solange eine andere Auslegung nach Wortlaut und Systematik möglich ist. Das ist
der Fall.
Schmidt
Linsenmaier
Kreft
Gentz
Olaf Kunz