Urteil des BAG vom 14.12.2011

Pauschalierte Mehrarbeitsvergütung - TV Hausmeister Bremen - Änderung des Tarifrechts - ergänzende Vertragsauslegung - Tarifsukzession

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 14.12.2011, 10 AZR 447/10
Pauschalierte Mehrarbeitsvergütung - TV Hausmeister Bremen - Änderung des Tarifrechts -
ergänzende Vertragsauslegung - Tarifsukzession
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Bremen vom 14. Januar 2010 - 3 Sa 75/09 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine monatliche
Mehrarbeitspauschale zu zahlen.
2 Der nicht gewerkschaftsangehörige Kläger ist seit 1980 für die Beklagte tätig. Seit dem
1. April 1985 wurde er als Hilfshausmeister und seit dem 1. September 1987 als
Schulhausmeister beschäftigt. In den Richtlinien der Beklagten über die Entschädigung
der Mehrarbeitsleistungen der Schulhausmeister bei der außerunterrichtlichen Nutzung
der bremischen Schulgebäude vom 5. September 1985 heißt es auszugsweise:
㤠3
Den Schulhausmeistern, die sich beim Inkrafttreten dieser Richtlinien im
bremischen Schuldienst befinden, wird die bisherige Mehrarbeitsentschädigung
nach den Richtlinien vom 31. Oktober 1984 künftig im Sinne einer
Besitzstandswahrung als Pauschale nach folgenden Grundsätzen gewährt:
a) Bei Festsetzung der Pauschale werden die Durchschnittsbeträge der in den
Monaten Januar bis Au-gust 1985 gezahlten Mehrarbeitsentschädigung
zugrunde gelegt.
b) Dieser sich ergebende monatliche Durchschnittsbetrag wird um 20 v. H.
gekürzt und auf volle DM 100,-- gerundet und sodann einer der in der Anlage
zu diesen Richtlinien festgelegten Pauschalgruppen zwischen DM 300,-- bis
DM 1.500,-- zugeordnet. Der sich hieraus ergebende Bruttobetrag wird als
persönliche Pauschale arbeitsvertraglich vereinbart und - vorbehaltlich einer
Überprüfung im Sinne des Buchst. c - bis zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses gezahlt.
c) Innerhalb der nächsten Monate nach Inkrafttreten dieser Richtlinien werden
vom Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst diese gem. Buchst. b
zunächst unter Vorbehalt zu zahlenden Pauschalen im Einzelfall überprüft
und ggf. rückwirkend bzw. endgültig festgesetzt.
d) Mit dieser Pauschale sind alle außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit
erforderlichen Dienstleistungen (Kontrollgänge, Schneefegen,
unvorhergesehene Ereignisse u. ä.) abgegolten.
…“
3 Die nachfolgenden Richtlinien vom 2. Juni 1988 über die Entschädigung der
Mehrarbeitsleistungen der Schulhausmeister bei der außerunterrichtlichen Nutzung der
bremischen Schulgebäude, die nach Inkrafttreten der Richtlinien vom 5. September 1985
eingestellt wurden, regeln auszugsweise:
㤠2
(1) Die zu leistende Mehrarbeit wird pauschal abgegolten. Die Pauschale wird
gemäß Protokollnotiz Nr. II berechnet und arbeitsvertraglich vereinbart.
(2) Die Pauschale wird nach ihrer erstmaligen Festsetzung für die Dauer des
laufenden und nächsten Schuljahres gezahlt. Danach erfolgt eine
Neuberechnung mit der Maßgabe, dass die Pauschale dann schuljährlich an
den sich durch den aktuellen Belegungsplan der jeweiligen Schule
ergebenden tatsächlichen Mehrarbeitsumfang angepasst wird.
Einer Kündigung der jeweiligen arbeitsvertraglichen Nebenabrede bedarf es
aus Anlass dieser Neuberechnung nicht.
...“
4 Beide Richtlinien sind unterschrieben von Vertretern des Senators für Bildung,
Wissenschaft und Kunst, der Senatskommission für das Personalwesen, der Gewerkschaft
Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, des Personalrats - Schulen - beim Senator für
Bildung, Wissenschaft und Kunst sowie der Schulhausmeister.
5 Der zuletzt zwischen dem Kläger und der Freien Hansestadt Bremen - Land und
Stadtgemeinde - vereinbarte Arbeitsvertrag vom 13. September 1996 (künftig:
Arbeitsvertrag) regelt Folgendes:
㤠1
Der vorgenannte Bedienstete wird
ab
1. September 1996
als
Schulhausmeister
unbefristet
§ 2
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT)
vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.
Außerdem ist die Dienstanweisung für Schulhausmeister an den von der Freien
Hansestadt Bremen - Land und Stadtgemeinde - unterhaltenen öffentlichen
Schulen vom 25. Oktober 1961 in der jeweils geltenden Fassung Bestandteil
dieses Arbeitsvertrages.
§ 3
Der vorgenannte Bedienstete ist gemäß § 23a BAT im Wege des
Bewährungsaufstiegs in Vergütungsgruppe
VI b
§ 4
Die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit richtet sich nach den Bestimmungen
der SR 2r BAT.
…“
6 Der Zusatzarbeitsvertrag vom 7. Februar 2000 zwischen dem Kläger und der Freien
Hansestadt Bremen - Stadtgemeinde - zum Arbeitsvertrag vom 13. September 1996
(künftig: Zusatzarbeitsvertrag) regelt Folgendes:
㤠1
(1) Die zu leistende und zu entschädigende Mehrarbeit richtet sich nach der
Nr. 4 SR 2r BAT.
Der o.a. Angestellte erhält hiernach eine Pauschale in Höhe von
1.900,00 DM brutto
(2) Die Pauschale wird für die Dauer eines Kalenderjahres gezahlt. Danach
erfolgt eine Neuberechnung mit der Maßgabe der möglichen Anpassung der
Pauschale auf der Grundlage des sich ergebenden tatsächlichen
Mehrarbeitsumfangs.
Einer Kündigung dieses Zusatzarbeitsvertrags bedarf es aus Anlass einer
Neuberechnung nicht.
(3) Die Pauschale wird jeweils den allgemeinen tariflichen Erhöhungen der
Überstundensätze angepasst. Werden die tariflichen Überstundensätze nicht
durch Prozentsätze, sondern durch Festbeträge angehoben, ist für die
Anpassung der sich rechnerisch ergebende Erhöhungsprozentsatz der
Eingruppierungsgruppe des Hausmeisters zugrunde zu legen. Der sich
hieraus ergebende Betrag wird jeweils auf volle DM gerundet.
§ 2
Im Übrigen verbleibt es bei den Bestimmungen des o.a. Arbeitsvertrages.
§ 3
1. Dezember 1999
…“
7 Die Anlage 2r zum BAT „Sonderregelungen für Angestellte als Hausmeister“ (SR 2r BAT)
regelte Folgendes:
„Nr. 1 Zu §§ 1 und 2 - Geltungsbereich -
Diese Sonderregelungen gelten nur für die beim Bund und im Bereich der
Tarifgemeinschaft deutscher Länder beschäftigten Hausmeister. Im Bereich der
Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände können Sonderregelungen für
Hausmeister bezirklich vereinbart werden.
Nr. 3 Zu § 15 - Regelmäßige Arbeitszeit -
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt durchschnittlich 50 ½ Stunden
wöchentlich.
(2) § 15 Abs. 2 und Abs. 4 findet keine Anwendung.
Nr. 4 Zu § 17 - Überstunden -
Die über die regelmäßige Arbeitszeit (Nr. 3 Abs. 1) hinaus geleisteten
Arbeitsstunden werden zur Hälfte als Überstunden gewertet.“
8 Mit Schreiben vom 13. Juni 2005 erteilte der Eigenbetrieb der Stadtgemeinde Bremen,
Gebäude- und TechnikManagement Bremen dem Kläger einen Auftrag zur Mehrarbeit mit
folgenden Maßgaben:
„…
wir erteilen Ihnen den Auftrag zur Mehrarbeit und zu Kontrollgängen für die in der
Anlage aufgeführten Zeiten. Basis ist die Richtlinie zur Entschädigung der
Mehrarbeit der Schulhausmeister bei der außerunterrichtlichen Nutzung der
bremischen Schulgebäude vom 02.06.1988.
Die Zahlung der neuen Pauschale erfolgt für 1 Jahr und wird dann wieder
aktualisiert, falls die Bestellung des Senators für Bildung und Wissenschaft sich
diesbezüglich ändern sollte bzw. sich vor Ort Änderungen ergeben, die eine
Anpassung der Kontrollgänge erfordern.
Die neue Pauschale gilt ab dem 01.08.2005 bzw. ab dem 01.01.2006 entsprechend
der jeweiligen Frist Ihres Zusatzarbeitsvertrags.
…“
9 Am 1. November 2006 traten der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)
und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur
Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-L) in Kraft. § 23 TVÜ-L regelt Folgendes:
㤠23
Bereitschaftszeiten
Nr. 3 SR 2r BAT/BAT-O für Hausmeister und entsprechende Tarifregelungen für
Beschäftigungsgruppen mit Bereitschaftszeiten innerhalb ihrer regelmäßigen
Arbeitszeit gelten fort. Dem § 9 TV-L widersprechende Regelungen zur Arbeitszeit
sind bis zum 31. Dezember 2006 entsprechend anzupassen.“
10 Zum 1. September 2007 trat der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der
Schulhausmeisterinnen und Schulhausmeister zwischen der Stadtgemeinde Bremen,
vertreten durch den Senator für Finanzen, und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft
(ver.di) - Landesbezirk Niedersachsen-Bremen - vom 2. April 2007 (TV Hausmeister) in
Kraft. Dieser regelt auszugsweise:
㤠1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für Schulhausmeisterinnen und Schulhausmeister
(Beschäftigte), die in einem Arbeitsverhältnis zur Stadtgemeinde Bremen stehen
und unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der
Länder (TV-L) fallen.
§ 2
Regelmäßige Arbeitszeit, Rufbereitschaft
(1) Abweichend von § 6 Abs. 1 TV-L beträgt die regelmäßige Arbeitszeit
ausschließlich der Pausen durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich.
(2) Die Beschäftigten sind auf Anordnung des Arbeitgebers zur Leistung von
Rufbereitschaft verpflichtet. Die Mitbestimmungsrechte des Personalrats
bleiben unberührt.
Abweichend von § 8 Abs. 5 Satz 7 TV-L wird das nach § 8 Abs. 5 Satz 5
und Satz 6 TV-L zu zahlende Entgelt für die Inanspruchnahme innerhalb der
Rufbereitschaft einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten
faktorisiert auf ein Arbeitszeitkonto iSd. § 10 TV-L gebucht, soweit die
Arbeitsleistung im Einzelfall drei Stunden nicht überschreitet.
(3) Die dienstplanmäßige tägliche Arbeitszeit darf längstens in der Zeit
zwischen 06.00 Uhr und 20.00 Uhr festgelegt werden. Die Anordnung von
Rufbereitschaft gemäß Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
§ 3
Tabellenentgelt
(1) Die Beschäftigten erhalten ein monatliches Tabellenentgelt in Höhe von
48/39,2 des nach § 15 Abs. 2 TV-L vereinbarten monatlichen
Tabellenentgelts. Für in eine individuelle Zwischen- oder Endstufe
übergeleitete Beschäftigte ist das monatliche Tabellenentgelt nach Satz 1
auf Grundlage des ihnen nach § 6 TVÜ-Länder zustehenden Entgelts zu
ermitteln.
§ 4
Schlussvorschriften
(1) Dieser Tarifvertrag tritt mit Ausnahme des Absatz 4 am 1. September 2007
zunächst befristet für ein Jahr in Kraft. Absatz 4 tritt mit Wirkung vom
1. Januar 2007 in Kraft.
(3) Dieser Tarifvertrag tritt an die Stelle der gemäß § 23 TVÜ-Länder weiter
geltenden bisherigen Regelungen der SR 2r BAT und der gekündigten
örtlichen Tarifverträge über die Entschädigung der Mehrarbeitsleistungen
der Schulhausmeister bei der außerunterrichtlichen Nutzung der
bremischen Schulgebäude vom 5. September 1985 und vom 2. Juni 1988.
Auf die Besitzstandspauschale nach § 3 Buchst. b des örtlichen
Tarifvertrags vom 5. September 1985 wird die sich aus § 3 dieses
Tarifvertrags ergebende zusätzliche Bezahlung gegenüber dem nach § 15
Abs. 2 TV-L vereinbarten monatlichen Tabellenentgelt bzw. dem nach § 6
TVÜ-Länder zustehenden Entgelt angerechnet.
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass die aufgrund der örtlichen
Tarifverträge vom 5. September 1985 und vom 2. Juni 1988
abgeschlossenen arbeitsvertraglichen Nebenabreden - mit Ausnahme der
gemäß § 3 Buchst. b des örtlichen Tarifvertrags vom 5. September 1985
geschlossenen Nebenabreden - damit gegenstandslos sind.
…“
11 Seit Ende der Sommerferien 2007 beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des
Klägers 48 Stunden. Die Beklagte zahlte dem Kläger letztmalig für August 2007 eine
Mehrarbeitspauschale iHv. 1.054,00 Euro brutto. Seither zahlt sie für „Überstd./Zeitzuschl.
Diff. 39,2/48 Std.“ monatlich 537,55 Euro brutto bzw. seit Januar 2008 553,24 Euro brutto
sowie eine Vergütung für Rufbereitschaft in unterschiedlicher Höhe.
12 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei auch nach Ablösung des BAT
durch den TV-L und dem Inkrafttreten des TV Hausmeister aus dem Zusatzvertrag vom
7. Februar 2000 verpflichtet, eine Mehrarbeitspauschale iHv. 1.054,00 Euro brutto zu
zahlen.
13 Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, dass ihm eine monatliche Mehrarbeitspauschale iHv.
1.054,00 Euro brutto zusteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn
für den Monat September 2007 eine Mehrarbeitspauschale iHv. 1.054,00 Euro
brutto abzüglich geleisteter Überstundenvergütung iHv. 537,55 Euro brutto
zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
1. Oktober 2007,
für die Monate Oktober bis Dezember 2007 eine Mehrarbeitspauschale iHv.
jeweils 1.054,00 Euro brutto abzüglich geleisteter Überstundenvergütung iHv.
537,55 Euro brutto und abzüglich geleisteter Vergütung für Rufbereitschaft
iHv. 79,03 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung,
für die Monate Januar und Februar 2008 eine Mehrarbeitspauschale iHv.
jeweils 1.054,00 Euro brutto abzüglich geleisteter Überstundenvergütung iHv.
553,24 Euro brutto und abzüglich geleisteter Vergütung für Rufbereitschaft
iHv. 81,34 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2008 bzw. seit dem 1. März 2008
abzurechnen und zu zahlen.
14 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, seit
Inkrafttreten des TV Hausmeister bestehe kein Anspruch mehr auf Zahlung einer
Inkrafttreten des TV Hausmeister bestehe kein Anspruch mehr auf Zahlung einer
Mehrarbeitspauschale.
15 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das
Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht
zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen
Entscheidung.
Entscheidungsgründe
16 Die Revision ist zulässig, weil dem Kläger nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Revisions- und
Revisionsbegründungsfrist zu gewähren war. Sie ist aber unbegründet. Das
Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Mit Inkrafttreten des TV
Hausmeister am 1. September 2007 ist die Verpflichtung der Beklagten aus § 1 Abs. 1 des
Zusatzarbeitsvertrags und den nachfolgenden Vereinbarungen auf Zahlung einer
monatlichen Mehrarbeitspauschale entfallen.
17 I. Nach § 2 des Arbeitsvertrags richtete sich das Arbeitsverhältnis zunächst nach dem BAT
und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen und die regelmäßige
Arbeitszeit nach § 4 des Arbeitsvertrags nach den SR 2r BAT. Gemäß Nr. 3 Abs. 1 SR 2r
BAT galt für Hausmeister eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 50 ½ Stunden.
Die zu leistende und zu entschädigende Mehrarbeit richtete sich nach Nr. 4 SR 2r BAT;
die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden wurden zur Hälfte
als Überstunden gewertet. § 35 Abs. 4 BAT eröffnete die Möglichkeit, Zeitzuschläge
einschließlich der Stundenvergütung durch Nebenabrede zum Arbeitsvertrag zu
pauschalieren. Dies haben die Parteien in § 1 Abs. 1 Satz 2 des Zusatzarbeitsvertrags
sowie nach Maßgabe des Auftrags zur Mehrarbeit vom 13. Juni 2005 getan. Die
vereinbarte Mehrarbeitspauschale trat an die Stelle einer konkret berechneten
Mehrarbeitsvergütung und war Gegenleistung für die vom Kläger erbrachte Mehrarbeit.
18 II. Mit der Ablösung des BAT durch den TV-L und dem Inkrafttreten des TV Hausmeister
zum 1. September 2007 ist die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung dieser Pauschale
entfallen.
19 1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat sich im Streitzeitraum kraft vertraglicher
Vereinbarung nicht mehr nach dem BAT, sondern nach dem TV-L und dem diesen
ergänzenden TV Hausmeister gerichtet. Dies ergibt die ergänzende Auslegung des
Arbeitsvertrags.
20 a) Die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrags auf den BAT und ergänzende oder
ändernde Tarifverträge beinhaltet nach Erscheinungsbild und Inhalt eine Allgemeine
Geschäftsbedingung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven
Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und
redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten
Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des
durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt
für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbindungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut.
Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien
verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage
der Beteiligten (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 14; 9. Juni 2010 - 5 AZR
696/09 - Rn. 14, NZA 2011, 109; 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, BAGE 134, 283).
Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen kann durch das Revisionsgericht
uneingeschränkt überprüft werden (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 14;
20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 12, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c
Nr. 18).
21 b) Die Parteien haben eine zeitdynamische Bezugnahme auf den BAT vereinbart. Dies
folgt daraus, dass auch die den BAT ergänzenden oder ändernden Tarifverträge zur
Anwendung gelangen sollen. Auch die in § 4 des Arbeitsvertrags geregelte Bezugnahme
auf die SR 2r BAT ist zeitdynamisch ausgestaltet und stellt klar, was für den Kläger als
Schulhausmeister durch Bezugnahme auf den BAT und ergänzende Tarifverträge ohnehin
gelten würde. Entsprechendes gilt für die in § 1 Abs. 1 Satz 1 des Zusatzarbeitsvertrags
vereinbarte Bezugnahme auf Nr. 4 SR 2r BAT im Hinblick auf die zu leistende und zu
entschädigende Mehrarbeit. Die tarifgebundene Beklagte wollte die auf Basis des BAT
geltenden Arbeitsbedingungen auf das Arbeitsverhältnis anwenden und
Tarifentwicklungen nachvollziehen. Diese Auslegung entspricht der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der Bezugnahmen des Arbeitsvertrags
auf andere normative Regelungen in der Regel dynamisch zu verstehen sind (BAG
23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 16; 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 17,
BAGE 134, 283; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 11 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme
auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; 13. November
2002 - 4 AZR 351/01 - zu III 1 b bb der Gründe, BAGE 103, 338).
22 c) Weder der Arbeitsvertrag noch der Zusatzarbeitsvertrag nehmen den TV-L in Bezug.
Der TV-L ist auch keine „geänderte Fassung“ des BAT. Die Bezugnahme in § 2 des
Arbeitsvertrags ist zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet (vgl. dazu BAG 9. Juni
2010 - 5 AZR 696/09 - Rn. 17, NZA 2011, 109; 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 18,
BAGE 134, 283; 10. Juni 2009 - 4 AZR 194/08 - Rn. 38, AP BGB § 157 Nr. 38). Einen
Zusatz, dass auch die den BAT ersetzenden Tarifverträge Anwendung finden sollen,
haben die Parteien nicht vereinbart (vgl. BAG 10. Juni 2009 - 4 AZR 194/08 - Rn. 38, aaO;
9. Juni 2010 - 5 AZR 696/09 - Rn. 17, aaO). Mit der Ablösung des BAT durch den TV-L ist
eine nachträgliche Regelungslücke entstanden. Die zeitdynamisch ausgestaltete
Bezugnahme auf den BAT ist zu einer statischen geworden, da das Objekt der
Bezugnahme von den Tarifvertragsparteien nicht mehr weiterentwickelt wird (BAG
23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 19; 10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 17,
ZTR 2011, 150; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 19, AP TVG § 1 Bezugnahme
auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Eine statische
Weitergeltung des BAT und damit einer überholten tariflichen Rechtslage entspricht aber
nicht dem Zweck einer zeitdynamischen Bezugnahme und dem Regelungswillen der
Parteien.
23 d) Die durch die Tarifsukzession entstandene nachträgliche Regelungslücke ist im Wege
ergänzender Vertragsauslegung zu schließen. Im Bereich der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen orientiert sich die ergänzende Vertragsauslegung an einem
objektiv-generalisierenden, am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften
dieser Art beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Maßstab. Die Vertragsergänzung
muss für den betroffenen Vertragstyp eine allgemeine Lösung zur Verfügung stellen,
welche die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und
Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit
ihrer Regelung bekannt gewesen wäre (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 21;
10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 19, ZTR 2011, 150; 9. Juni 2010 - 5 AZR
696/09 - Rn. 22, NZA 2011, 109).
24 aa) Aus der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme lässt sich auf den Willen der
Parteien schließen, für den Fall einer Tarifsukzession anstelle des in Bezug genommenen
das nachfolgende tarifliche Regelungswerk zu vereinbaren. Ein Festhalten an dem
bisherigen Tarifwerk oder an einzelnen tariflichen Bestimmungen unabhängig von der
weiteren tariflichen Entwicklung hätte nicht ihren Interessen entsprochen (vgl. BAG
10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 20, ZTR 2011, 150; 19. Mai 2010 - 4 AZR
796/08 - Rn. 25, BAGE 134, 283; zur Bezugnahme auf eine tarifliche Arbeitszeitregelung:
BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 22). Mit der dynamischen Bezugnahme auf den
BAT haben sich die Parteien für die Zukunft der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien
des öffentlichen Dienstes anvertraut. Die mit der Tarifsukzession verbundene Änderung
der Tarifwerke wirkt deshalb nicht anders auf den Arbeitsvertrag als eine (tiefgreifende)
inhaltliche Änderung des in Bezug genommenen BAT. Die Parteien werden nicht anders
gestellt, als sie stünden, wenn die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes den BAT
reformiert und ihm einen neuen Inhalt gegeben hätten (BAG 23. März 2011 - 10 AZR
831/09 - Rn. 23; 10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 21, aaO).
25 bb) Als redliche Vertragsparteien hätten sich die Parteien, wenn sie bei Vertragsschluss
bedacht hätten, dass der arbeitsvertraglich in Bezug genommene BAT durch andere
Tarifwerke ersetzt werden könnte, für den TV-L entschieden, der für den Bereich der
Länder den BAT zum 1. November 2006 ersetzt hat. Als Bundesland und Stadtgemeinde
kann die Beklagte zwar sowohl in den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder als
auch in den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände fallen. § 4 des
Arbeitsvertrags und § 1 Abs. 1 des Zusatzarbeitsvertrags verweisen aber auf die SR 2r
BAT, die nur für die beim Bund und im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder
beschäftigten Hausmeister gelten; im Bereich der Vereinigung der kommunalen
Arbeitgeberverbände konnten bezirkliche Sonderregelungen für Hausmeister vereinbart
werden (Nr. 1 SR 2r BAT). Die Bezugnahme auf eine unmittelbar nur für den Bereich der
Tarifgemeinschaft deutscher Länder, nicht aber für den der kommunalen
Arbeitgeberverbände geltende Tarifregelung zeigt, dass die für die Länder geltenden
tariflichen Bestimmungen in Bezug genommen worden wären. Seit dem 1. November
2006 kommen auf das Arbeitsverhältnis deshalb der TV-L und die diesen ergänzenden
oder ändernden Tarifverträge zur Anwendung.
26 2. Mit Inkrafttreten des TV Hausmeister am 1. September 2007 ist die regelmäßige
Arbeitszeit für Schulhausmeister der Beklagten, die unter den Geltungsbereich des TV-L
fallen, abweichend von der nach § 23 TVÜ-L zunächst weitergeltenden Nr. 3 SR 2r BAT
und abweichend von § 6 Abs. 1 TV-L auf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich
festgelegt worden. Der TV Hausmeister ergänzt nach seinem § 1 den TV-L um
Sonderregelungen für Schulhausmeister und findet kraft ergänzender Vertragsauslegung
ebenfalls auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Tatsächlich arbeitet der Kläger nach den
Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seit September 2007 entsprechend § 2 Abs. 1
TV Hausmeister regelmäßig 48 Stunden wöchentlich und erhält die nach § 3 Abs. 1 TV
Hausmeister vorgesehene Vergütung iHv. 48/39,2 des nach § 15 Abs. 2 TV-L vereinbarten
monatlichen Tabellenentgelts.
27 3. Mit der Neuregelung von Arbeitszeit und Vergütung der Schulhausmeister durch den
TV Hausmeister sind die Nebenabreden der Parteien über die pauschale Vergütung
geleisteter Mehrarbeit gegenstandslos geworden.
28 a) Vertragsparteien können die Geltung einer Vereinbarung von dem weiteren Bestand
tatsächlicher Umstände abhängig machen. Das eröffnet ihnen die Möglichkeit, trotz der
eingetretenen Rechtsbindung zukünftige Entwicklungen für den Bestand des
Rechtsgeschäfts zu berücksichtigen. Es ist nicht erforderlich, den entsprechenden
Vorbehalt ausdrücklich zu vereinbaren. Ein solcher kann sich durch Auslegung des
Rechtsgeschäfts ergeben (vgl. BAG 28. Januar 2009 - 4 AZR 904/07 - Rn. 16, AP BGB
§ 133 Nr. 56).
29 b) Die Pauschalierung der Mehrarbeit war auf Grundlage der SR 2r BAT und nach
Maßgabe von § 35 Abs. 4 BAT vereinbart. Die Mehrarbeitspauschale war Entgelt für
tatsächlich geleistete Mehrarbeit und stand im Synallagma zur tariflich vereinbarten und
tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung des Klägers. Dies ergibt sich, wie das
Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, aus der in § 1 Abs. 1 des
Zusatzarbeitsvertrags geregelten Bezugnahme auf die SR 2r BAT. Die zu leistende und zu
entschädigende Mehrarbeit sollte sich nach Nr. 4 SR 2r BAT richten; „hiernach“ sollte der
Kläger die vereinbarte monatliche Pauschale erhalten. Ihre Anpassung war bei einer
Änderung des Umfangs der zu leistenden Mehrarbeit ausdrücklich vorgesehen. War die
Pauschalierung geleisteter Mehrarbeit auf Grundlage und nach Maßgabe der SR 2r BAT
vereinbart, so stand sie sowohl unter dem Vorbehalt des Fortbestands der tariflichen
Rahmenbedingungen für die (pauschale) Vergütung von Mehrarbeit als auch unter dem
Vorbehalt tatsächlich zu leistender Mehrarbeit. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien die
Pauschale unabhängig von geleisteter Mehrarbeit und ohne tarifliche Grundlage
vereinbaren wollten, sind nicht erkennbar und werden von der Revision auch nicht
aufgezeigt.
30 c) Unabhängig hiervon ergibt sich der Wegfall der Nebenabreden über die Pauschalierung
von Mehrarbeit aus § 4 Abs. 3 des TV Hausmeister. Danach sind alle aufgrund der
örtlichen Tarifverträge vom 5. September 1985 und vom 2. Juni 1988 abgeschlossenen
arbeitsvertraglichen Nebenabreden - mit Ausnahme der gemäß § 3 Buchst. b des örtlichen
Tarifvertrags vom 5. September 1985 geschlossenen Nebenabreden - gegenstandslos
geworden. Diese tarifliche Bestimmung der Ablösung einzelvertraglicher Regelungen ist
wirksam. Entgegen der Auffassung des Klägers gilt nicht das Günstigkeitsprinzip. Wie
oben unter II 3 b ausgeführt, standen die Abreden über die pauschale
Mehrarbeitsvergütung jeweils unter dem Vorbehalt der Ablösung durch neue tarifliche
Regelungen zu Arbeitszeit und Mehrarbeit.
31 4. Die Parteien haben keine Nebenabrede nach § 3 Buchst. b der Richtlinien vom
5. September 1985 geschlossen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war
der Kläger bei Inkrafttreten der Vorschriften vom 5. September 1985 noch nicht als
Schulhausmeister tätig. Das wäre Voraussetzung für eine Aufrechterhaltung der
Pauschale unter Anrechnung der zusätzlichen Bezahlung gewesen. Die Tarifautonomie
beinhaltet, Tarifnormen auch zulasten der Arbeitnehmer zu ändern. Diese stehen immer
unter dem Vorbehalt, durch nachfolgende tarifliche Regelungen abgelöst und damit auch
verschlechtert oder aufgehoben zu werden (BAG 27. Oktober 2010 - 10 AZR 410/09 -
Rn. 17, ZTR 2011, 172).
32 5. Ein Anspruch auf Fortzahlung der Mehrarbeitspauschale folgt entgegen der Auffassung
der Revision nicht daraus, dass Nr. 3 und Nr. 4 der SR 2r BAT gegen Art. 6 der
Richtlinie 2003/88/EG vom 4. November 2003 (ABl. EU L 299 S. 9) bzw. Art. 6 Nr. 2 der
Richtlinie 93/104/EG vom 23. November 1993 (ABl. EG L 307 S. 18) verstoßen haben. Die
Arbeitszeit-Richtlinien betreffen den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz und sehen bei
einem Verstoß keine finanziellen Ansprüche vor (BAG 28. Juni 2007 - 6 AZR 851/06 -
Rn. 52, AP BAT § 15 Nr. 55). Im Streitzeitraum sind Anhaltspunkte für einen Verstoß
gegen die Arbeitszeit-Richtlinien und das Arbeitszeitgesetz auch nicht vorhanden. Der TV
Hausmeister bestimmt wie § 9 Abs. 1 Buchst. d TV-L eine Begrenzung der wöchentlichen
Arbeitszeit auf durchschnittlich 48 Stunden. Wenn die Beklagte bisher eine
gesetzeswidrige Arbeitszeit gefordert und vergütet hat, bedeutet das nicht, dass sie diese
unverändert weiter vergüten muss, obwohl die Arbeitszeit auf ein gesetzeskonformes Maß
zurückgeführt worden ist.
33 III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Mikosch
Eylert
Mestwerdt
R. Bicknase
R.
Baschnagel