Urteil des BAG vom 14.03.2017

BAG (tarifvertrag, auslegung, kläger, treu und glauben, arbeitsverhältnis, arbeitnehmer, mitgliedschaft, arbeitsvertrag, arbeitgeber, rechtsprechungsänderung)

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 22.10.2008, 4 AZR 793/07
Auslegung einer nach dem 31. Dezember 2001 einzelvertraglich vereinbarten Bezugnahmeklausel -
Verbandsaustritt des Arbeitgebers - Vertrauensschutz
Leitsätze
Eine nach dem 31. Dezember 2001 einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen
bestimmten Tarifvertrag ist jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im
Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur
auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die
durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit
nicht berührt wird ("unbedingte zeitdynamische Verweisung"; Bestätigung der Rechtsprechung des
Senats, vergleiche BAG vom 18. April 2007, 4 AZR 652/05, BAGE 122, 74).
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Hamm vom 9. August 2007 - 15 Sa 170/07 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Geltung eines tariflichen Lohnabkommens für das zwischen ihnen
bestehende Arbeitsverhältnis und daraus resultierende Vergütungsansprüche des Klägers.
2 Der Kläger ist Mitglied der IG Metall und seit dem 1. April 1964 in Vollzeit als Schlosser bei der
Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Am 2. Mai 2002 schlossen der Kläger und
eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, die S Maschinenbau GmbH, einen
Formulararbeitsvertrag. Der Vertrag lautet auszugsweise wie folgt:
„Anstellungsvertrag für Tarifangestellte / gewerbliche Mitarbeiter
§ 3
1.)
Der Anspruch auf Entlohnung besteht nach der von dem Angestellten jeweils
ausgeübten Tätigkeit und zwar in Höhe des entsprechenden Tarifgehaltes des jeweils
gültigen Gehaltstarifvertrages für die kaufmännischen und technischen Angestellten
Metall- u. Elektroindustrie des Landes Nordrhein-Westfalen.
2.)
Entsprechend seiner zur Zeit ausgeübten Tätigkeit wird der Arbeitnehmer in die
Lohngruppe 7 eingestuft.
§ 8
Auf das Arbeitsverhältnis finden die jeweils geltenden tariflichen Bestimmungen für die
metallverarbeitenden Industrie im Lande NRW Anwendung.
§ 9
Anrechenbare Beschäftigungsverhältnisse:
Eintritt: 1.4.64.“
3 Nach diesem Vertragsschluss ging das Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die
zu diesem Zeitpunkt tarifgebundene Beklagte über. Jedenfalls bis zum 31. Dezember 2005 war die
Beklagte Mitglied im Arbeitgeberverband für die Gebiete Paderborn, Büren, Warburg und Höxter
e. V. (nachfolgend: Arbeitgeberverband) und der Fachgruppe Metall des Verbandes. Zwischen den
Parteien ist umstritten, ob die Beklagte ab dem 1. Januar 2006 noch tarifgebundenes Mitglied des
Arbeitgeberverbandes war oder sie ab diesem Zeitpunkt wirksam eine Mitgliedschaft ohne
Tarifbindung - sog. OT-Mitgliedschaft - begründet hatte.
4 Am 22. April 2006 vereinbarten der Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen
und die IG Metall ein Abkommen über die Tariflöhne in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-
Westfalens (nachfolgend: Lohnabkommen). Nach § 2 Abs. 2 und Abs. 3 des Lohnabkommens
steht Vollzeitbeschäftigten ein tariflicher Einmalbetrag iHv. 310,00 Euro brutto und mit Wirkung ab
dem 1. Juni 2006 eine Erhöhung des gemeinsamen Ecklohns der Monatsgrundlohntabelle um 3 %
zu.
5 Der Kläger hat mit seiner Klage von der Beklagten nach erfolgloser vorgerichtlicher
Geltendmachung unter Hinweis auf das Lohnabkommen den Einmalbetrag und für den Monat Juni
2006 die dreiprozentige Erhöhung seiner Vergütung iHv. 93,39 Euro brutto verlangt. Grundlage des
Arbeitsverhältnisses sei der Formulararbeitsvertrag vom 2. Mai 2002. Dessen § 8 sei nicht zu
entnehmen, dass lediglich nicht tarifgebundene wie tarifgebundene Arbeitnehmer behandelt werden
sollten, solange der Arbeitgeber selbst tarifgebunden sei. Angesichts der neueren Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts könne der Kläger auf der Grundlage der vereinbarten dynamischen
Verweisungsklausel auch bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit der Beklagten die vereinbarte
Tariflohnerhöhung nach dem Lohnabkommen verlangen. Bei dem anlässlich eines
Betriebsübergangs am 2. Mai 2002 geschlossenen Vertrag handele es sich um eine neue
vertragliche Regelung. Anderenfalls wäre es ausreichend gewesen, den unveränderten Fortbestand
des Arbeitsverhältnisses mitzuteilen. Der Anspruch ergebe sich zudem aufgrund beiderseitiger
Verbandszugehörigkeit. Die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass sie ihre Mitgliedschaft
mit Tarifbindung beendet und eine ohne Tarifbindung begründet habe.
6 Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 403,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2006 zu zahlen.
7 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Seit dem 1. Januar 2006 sei sie nicht mehr
tarifgebunden. Sie habe ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bereits am 16. Juni 2005
fristgerecht zum Jahresende gekündigt und durch eine neue Beitrittserklärung mit Wirkung vom
1. Januar 2006 eine sog. OT-Mitgliedschaft in diesem Arbeitgeberverband begründet. An das
Lohnabkommen sei sie daher nicht mehr gebunden. Aus der Bezugnahmeklausel in § 8 des
Arbeitsvertrages könne der Kläger seine Ansprüche nicht ableiten. Die Klausel sei als
Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auszulegen, die
lediglich die fehlende Tarifgebundenheit eines Arbeitnehmers ersetzen soll. Darüber hinaus müsse
bei deren Auslegung berücksichtigt werden, dass der Kläger bereits seit 1964 bei der Beklagten
sowie ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt und Mitglied der IG Metall sei. Schließlich habe der
Vertrag vom 2. Mai 2002 nicht konstitutiv ein neues Arbeitsverhältnis begründen wollen. Die Abrede
habe lediglich deklaratorisch zum Ausdruck bringen sollen, dass die bisherigen vertraglichen
Beziehungen fortbestünden. Unabhängig davon genieße die Beklagte Vertrauensschutz im Hinblick
auf die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von
Gleichstellungsabreden. Der Senat habe noch nach Inkrafttreten des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in der Entscheidung vom 19. März 2003 (- 4 AZR 331/02 -)
seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach eine dynamische Bezugnahme auf einen
Tarifvertrag im Arbeitsvertrag eines tarifgebundenen Arbeitgebers als Gleichstellungsabrede zu
verstehen sei. Als Stichtag für die Umsetzung der Rechtsprechungsänderung komme entweder der
1. Januar 2003 oder aber, nachdem der Senat am 14. Dezember 2005 seine
Rechtsprechungsänderung angekündigt habe, der 15. Dezember 2005 in Betracht. Mit der
Rechtsprechungsänderung weiche der Senat zudem von der Rechtsprechung anderer Senate des
Bundesarbeitsgerichts ab. Eine Bindung der Beklagten an das Lohnabkommen würde zudem dem
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 2006 (- C-499/04 - [Werhof]) widersprechen.
8 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit
der zugelassenen Revision strebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils
an. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
9 Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu
Recht entsprochen. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung nach dem Lohnabkommen und
demzufolge auf Zahlung des in § 2 Abs. 2 und Abs. 3 Lohnabkommen geregelten Einmalbetrags
sowie einer um 3 % erhöhten Vergütung für den Monat Juni 2006.
10 I. Das Lohnabkommen findet aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 8 des Arbeitsvertrages auf
das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
11 1. Die Auslegung eines Formulararbeitsvertrages wie des streitgegenständlichen durch das
Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr.,
vgl. nur Senat 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - BAGE 95, 296) . Nach §§ 133, 157 BGB sind
Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der
Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, aber zur Ermittlung des
wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Erklärung liegenden Umstände
einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Dies gilt auch
für dynamische Verweisungsklauseln (Senat 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 24, BAGE 122,
74, 81) .
12 2. Die Auslegung der Klausel ergibt, dass § 8 des Arbeitsvertrages vom 2. Mai 2002 eine
unbedingte zeitdynamische Verweisung auf die „jeweiligen tariflichen Bestimmungen für die
metallverarbeitende Industrie im Lande NRW“ enthält, die auch das Lohnabkommen vom 22. April
2006 erfasst. Die Voraussetzungen einer Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung
des Senats, wonach eine dynamische Verweisung in einem Arbeitsvertrag ab dem Eintritt
bestimmter Umstände, namentlich dem Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers, nur noch
statisch wirkt ( Senat 25. September 2002 - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9, 14 mwN), sind im
vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Bezugnahmeklausel wurde nicht von einem tarifgebundenen
Arbeitgeber vereinbart.
13 a) Eine Gleichstellungsabrede ist eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen
Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag, mit der
dieser die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie tarifgebunden sind oder
nicht, so stellen will, als wären sie an dieses Tarifwerk gebunden. Die dahin gehende Auslegung
einer Bezugnahmeklausel setzt voraus, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Vereinbarung der
Bezugnahme selbst an den in Bezug genommenen Tarifvertrag tarifgebunden war. Nur dann hatte
er die Pflicht, gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern den in Bezug genommenen
Tarifvertrag anzuwenden. Und nur unter dieser Voraussetzung konnte sich für ihn ein durch den
Wegfall seiner Tarifgebundenheit auflösend bedingtes Interesse ergeben, die nicht tarifgebundenen
Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen gleichzustellen, dh. sie vertragsrechtlich so zu stellen, wie
ein tarifgebundener Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 TVG tarifrechtlich steht (Senat 1. Dezember
ein tarifgebundener Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 TVG tarifrechtlich steht (Senat 1. Dezember
2004 - 4 AZR 50/04 - BAGE 113, 40; 25. September 2002 - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9, 14, jew.
mwN) .
14 Eine Tarifgebundenheit der S Maschinenbau GmbH ist von der Beklagten nicht dargetan worden.
Soweit die Beklagte in einem nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangenem
Schriftsatz geltend macht, „dass die Produktionsgesellschaft S Maschinenbau GmbH ... bis Ende
2005 Mitglied mit Tarifbindung im Arbeitgeberverband war“, handelt es sich um einen in der
Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unbeachtlichen neuen Sachvortrag. Dem
Vorbringen lässt sich zudem nicht entnehmen, dass die Tarifgebundenheit der S Maschinenbau
GmbH, die erst nach der am 16. Februar 2002 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
das Vermögen ihrer Rechtsvorgängerin neu gegründet worden war, bereits zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses mit dem Kläger am 2. Mai 2002 bestanden hat.
15 Der nachfolgende Eintritt der tarifgebundenen Beklagten in das Arbeitsverhältnis im Wege der
Rechtsnachfolge führt zu keiner anderen Auslegung der Bezugnahmeklausel ( Senat
25. September 2002 - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9, 14 mwN) .
16 b) Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht aus dem Vorbringen der Beklagten, bei dem
Vertragsschluss am 2. Mai 2002 sei tatsächlich „nicht konstitutiv ein neues Arbeitsverhältnis
begründet“ worden, sondern die Parteien des Arbeitsverhältnisses hätten nur diejenigen
Arbeitsbedingungen deklaratorisch wiederholt, die bereits bei der Rechtsvorgängerin der S
Maschinenbau GmbH gegolten hätten. Auch in diesem Fall würde es sich bei der
Bezugnahmeklausel nicht um eine Gleichstellungsabrede handeln. Denn eine Tarifgebundenheit
der Rechtsvorgängerin der S Maschinenbau GmbH ist gleichfalls nicht dargetan. Bei dem Vortrag
der Beklagten hierzu in dem nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangenen
Schriftsatz handelt es sich gleichfalls um einen in der Revisionsinstanz unbeachtlichen neuen
Tatsachenvortrag. Diesem kann zudem weder entnommen werden, wann die Rechtsvorgängerin
die einschlägige Bezugnahmeklausel mit dem Kläger abgeschlossen haben soll und ob zu diesem
Zeitpunkt eine Tarifbindung bestand, noch, ob die Rechtsvorgängerin durchgängig seit dem 1. April
1964 tarifgebunden gewesen ist.
17 c) Entgegen der Auffassung der Beklagten und einigen in der Literatur geäußerten Stimmen
(Nicolai DB 2006, 670, 673; Simon/Kock/Halbsguth ZIP 2006, 726, 727 f.; Löwisch/Feldmann
Anm. EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32; Schiefer SAE 2008, 22, 24; Olbertz BB
2007, 2737, 2739; Simon/Weninger BB 2007, 2127, 2128; Zerres NJW 2006, 3533, 3537; diff.
Melot de Beauregard NJW 2006, 2522, 2525 ; aA Bayreuther Anm. AP TVG § 1 Bezugnahme auf
Tarifvertrag Nr. 53; Heinlein NJW 2008, 321, 324; Reichold JZ 2006, 725, 727; Houben SAE 2007,
109, 113; Reinecke BB 2006, 2637, 2641; Thüsing NZA 2006, 473, 474 f.; Buschmann AuR 2006,
203, 204; Brecht-Heitzmann Anm. EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35; Brecht-
Heitzmann/Lewek ZTR 2007, 127, 131 ) steht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom
9. März 2006 (- C-499/04 - [Werhof] EuGHE I 2006, 2397) der wortlautorientierten Auslegung der
Verweisungsklausel nicht entgegen.
18 Zwar beruht im vorliegenden Rechtsstreit die Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages auf
einer mit der tarifungebundenen Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen
individualvertraglichen Bezugnahmeklausel und damit auch auf den Rechtsfolgen eines
Betriebsübergangs. Insoweit ist Art. 3RL 77/187/EWG bzw. 2001/23/EG ein möglicher
Prüfungsmaßstab (so auch Brecht-Heitzmann Anm. EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag
Nr. 35; Nicolai DB 2006, 670, 672) . Die in Frage stehende Auslegung der streitgegenständlichen
Verweisungsklausel allein hat aber offensichtlich keine europarechtlichen Bezüge (vgl. nur Thüsing
NZA 2006, 473, 475; weiterhin Senat 19. September 2007 - 4 AZR 711/06 - Rn. 33, AP BGB
§ 613a Nr. 328 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 78; Heinlein NJW 2008, 321, 324; Hanau RdA 2007,
180, 182; Reinecke BB 2006, 2637, 2641; Buschmann AuR 2006, 203, 204; Houben SAE 2007,
109, 113; Brecht-Heitzmann Anm. EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35 ) .
19 Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 18. April 2007 (- 4 AZR 652/05 - Rn. 37, BAGE 122, 74,
84 f.) ausgeführt, dass eine Einschränkung der negativen Koalitionsfreiheit im hier behandelten
Zusammenhang nicht angenommen werden kann. Denn die negative Koalitionsfreiheit schützt den
Arbeitgeber hier allenfalls davor, normativ an Tarifverträge gebunden zu werden, die von einem
Verband abgeschlossen werden, in dem er nicht Mitglied ist (s. auch Senat 19. September 2007 -
4 AZR 711/06 - AP BGB § 613a Nr. 328 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 78). Eine solche Bindung
besteht vorliegend jedoch nicht. Die Beklagte ist aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklausel
nicht normativ an einen (fremden) Tarifvertrag gebunden, sondern lediglich schuldrechtlich an eine
Vereinbarung in einem von ihrer Rechtsvorgängerin geschlossenen Arbeitsvertrag. Die
Wirksamkeit der individualvertraglichen Inbezugnahme von Tarifverträgen in ihrer jeweiligen
Fassung als Ausdruck privatautonomer Gestaltungsmacht berührt weder die negative
Koalitionsfreiheit dessen, der das Arbeitsverhältnis vertraglich der einschlägigen tarifvertraglichen
Ordnung unterstellen wollte und dies auch durch Zustimmung des Arbeitnehmers zum
Vertragsschluss erreicht hat, noch diejenige der Personen, die aufgrund privatautonomer
Entschließung in diese Rechtsposition eingetreten sind (Senat 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 -
Rn. 37, BAGE 122, 74, 85 f.; Bayreuther Anm. AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 53;
Brecht-Heitzmann Anm. EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35; Brecht-
Heitzmann/Lewek ZTR 2007, 127, 131; Thüsing NZA 2006, 473, 474 f.) .
20 3. Im Übrigen ist die Klage auch dann begründet, wenn die S Maschinenbau GmbH zurzeit des
Vertragsschlusses am 2. Mai 2002 tarifgebunden gewesen sein sollte. Die Auslegung der Klausel
in § 8 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 2. Mai 2002 ergibt auch in diesem Fall, dass es sich
um eine unbedingte dynamische Bezugnahme ua. des Lohnabkommens handelt, die nicht von der
Tarifgebundenheit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abhängig ist. Ein etwaiger späterer
Wechsel der Beklagten in eine sog. OT-Mitgliedschaft ist deshalb für deren arbeitsvertragliche
Verpflichtungen ohne Bedeutung.
21 a) Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf die jeweils geltenden tariflichen
Bestimmungen ist jedenfalls dann, wenn die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug
genommenen Tarifverträge nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur
auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive
Verweisungsklausel, die durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen
Wegfall der Tarifgebundenheit nicht berührt wird („unbedingte zeitdynamische Verweisung“).
22 aa) Während nach der früheren Rechtsprechung des Senats bei Tarifbindung des Arbeitgebers
Verweisungsklauseln wie diejenige aus dem Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sog.
Gleichstellungsabreden auszulegen waren, hat der Senat im Urteil vom 14. Dezember 2005 (-
4 AZR 536/04 - BAGE 116, 326) angekündigt, diese Rechtsprechung dahingehend zu ändern,
dass sich die Auslegung von Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen, die nach dem 1. Januar
2002 abgeschlossen worden sind, in erster Linie am Wortlaut der Verweisungsklausel zu
orientieren hat. Soweit ein Vertragspartner Regelungsziele verfolgt, die im Wortlaut keinen
Niederschlag gefunden haben, können diese danach nur in die Auslegung eingehen, wenn sie für
den Vertragspartner in anderer Weise mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen.
23 bb) In der Entscheidung vom 18. April 2007 (- 4 AZR 652/05 - BAGE 122, 74) hat der Senat diese
Ankündigung umgesetzt. Eine individualvertragliche Klausel, die ihrem Wortlaut nach ohne
Einschränkung auf einen bestimmten Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung verweist, ist im
Regelfall dahingehend auszulegen, dass dieser Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung gelten
soll und dass diese Geltung nicht von Faktoren abhängt, die nicht im Vertrag genannt oder sonst
für beide Parteien ersichtlich zur Voraussetzung gemacht worden sind. Diese Auslegungsregel gilt
nicht nur, wenn auf einen bestimmten Tarifvertrag verwiesen wird, sondern auch, wenn - wie
vorliegend - ohne Einschränkung das gesamte Tarifwerk einer Branche in Bezug genommen wird.
Das hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 14. Dezember 2005 ausgeführt (- 4 AZR
536/04 - BAGE 116, 326) . Die Bezugnahmeklausel kann bei einer etwaigen Tarifgebundenheit des
Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag grundsätzlich keine andere Wirkung
haben als bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber. In beiden Fällen unterliegt die Dynamik der
Bezugnahmeklausel keiner auflösenden Bedingung. Der Senat hat diese
Rechtsprechungsänderung in seiner Entscheidung vom 18. April 2007 begründet und sich mit den
in der Literatur erhobenen Bedenken bereits ausführlich auseinandergesetzt (- 4 AZR 652/05 -
Rn. 35 mwN, BAGE 122, 74, 84 f.) . An dieser Rechtsprechung hält der Senat ausdrücklich fest.
24 Die Klausel ist mit dem gewählten Wortlaut vom Arbeitgeber gestellt worden. Er hat deshalb auch
die Rechtsfolgen einer solchen Erklärung und deren mögliche Risiken zu tragen. Will er die
unmittelbar aus dem Wortlaut folgenden Rechtswirkungen vermeiden, kann und muss er selbst
dafür sorgen, dass entsprechende Vorbehalte in einer für seinen Vertragspartner, den
Arbeitnehmer, hinreichend erkennbaren Form zum Ausdruck kommen. Ein Betriebserwerber, der
- wie hier - selbst nicht am Abschluss des Arbeitsvertrages beteiligt war, kann durch eine
Überprüfung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Betriebsveräußerers im Vorfeld des
Erwerbs diejenigen Rechte und Pflichten feststellen, in die er nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB
eintritt ( Melot de Beauregard NJW 2006, 2522, 2524; Kast BB 2008, 450) . Darüber hinaus gibt es
für ihn verschiedene rechtsgeschäftliche Möglichkeiten, sich von der unbedingt zeitdynamischen
Bindung zu lösen (vgl. Senat 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 35 mwN, BAGE 122, 74, 84 f.) .
Schließlich ist die unbedingt zeitdynamische Wirkung der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auch
bislang schon in den Fällen eingetreten, in denen der Arbeitgeber bei Vertragsschluss nicht
tarifgebunden war, weil hier ein Gleichstellungszweck nicht bestehen kann (vgl. Senat
1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - BAGE 113, 40, 42 mwN).
25 cc) Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 2006 (- C-499/04 - [Werhof] EuGHE I
2006, 2397 ) steht dieser Auslegung nicht entgegen (oben unter 2 c).
26 dd) Einer Anrufung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 2 ArbGG
bedarf es nicht. Die Rechtsprechungsänderung ist nur für die Auslegung von Verweisungsklauseln
entscheidungserheblich, die nach dem 31. Dezember 2001 vereinbart worden sind. Hinsichtlich
der Auslegung einer solchen Klausel liegt keine der jetzigen Rechtsprechung des Senats
entgegenstehende Rechtsprechung eines anderen Senats oder des Großen Senats des
Bundesarbeitsgerichts vor (Senat 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 38, BAGE 122, 74, 86) . Das
gilt namentlich für die von der Revision angeführte Entscheidung des Siebten Senats (21. Juli 2004
- 7 AZR 589/03 - Rn. 17, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 5) , die einen sog. Altvertrag vom
9. Juni 1989 zum Gegenstand hatte.
27 b) In Anwendung dieser Grundsätze bei der Vertragsauslegung erweist sich die
Verweisungsklausel in § 8 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 2. Mai 2002 bereits nach ihrem
eindeutigen Wortlaut als eine unbedingte zeitdynamische Bezugnahme auf das einschlägige
Tarifwerk in seiner jeweiligen Fassung, die auch das Lohnabkommen vom 22. April 2006 erfasst,
und die nicht von der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin abhängig ist.
28 aa) Nach dem Wortlaut von § 8 des Arbeitsvertrages vom 2. Mai 2002 „finden die jeweils
geltenden tariflichen Bestimmungen für die metallverarbeitende Industrie im Lande NRW
Anwendung“. Dass dies nur so lange gelten soll, wie die Arbeitgeberin tarifgebunden ist, und dass
dies aus der Tarifgebundenheit der Rechtsvorgängerin der Beklagten bei Vertragsschluss am
2. Mai 2002 folgt, ist dem Wortlaut der Klausel nicht zu entnehmen.
29 bb) Auch sonstige Umstände, die für eine Einschränkung des Vertragswortlauts sprechen
könnten, sind nicht erkennbar. Insbesondere die Mitgliedschaft des Klägers in der IG Metall führt
nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis. Die Beklagte hat schon nicht dargelegt, dass der S
Maschinenbau GmbH die Tarifgebundenheit des Klägers bekannt gewesen ist. Von daher ist
schon nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Kläger, wie es die Beklagte meint, habe
erkennen können, dass ihm einzelvertraglich nicht mehr versprochen werden sollte als ihm
tarifrechtlich zustand.
30 Soweit die Revision sich in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Senats vom
21. August 2002 (- 4 AZR 263/01 - BAGE 102, 275) bezieht, übersieht sie, dass der Senat im
Urteil vom 18. April 2007 (- 4 AZR 652/05 - BAGE 122, 74) diese Rechtsprechung ausdrücklich
nicht aufgegriffen, sondern die Vertragsauslegung auf ihre Grundnormen in §§ 133, 157 BGB
zurückgeführt hat. Wenn ein Vertragspartner vom Wortlaut des Vertrages abweichende
Regelungsziele verfolgt, können diese nur dann in die Auslegung eingehen, wenn sie für den
anderen Teil mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen. Dass die Parteien der
Tarifbindung des Klägers besondere Bedeutung beigemessen hätten, hat im Vertragstext keinen
Niederschlag gefunden und ist auch sonst nicht ersichtlich. Mögliche Motive der Vertragsparteien
können für sich genommen keinen entscheidenden Einfluss auf die Auslegung der
Verweisungsklausel haben (Senat 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29, 32, BAGE 122, 74, 82
ff.) .
31 c) Gegenüber der gerichtlichen Anwendung dieser Auslegungsregeln kann sich die Beklagte nicht
auf schützenswertes Vertrauen berufen. In der Entscheidung vom 18. April 2007 (- 4 AZR 652/05 -
BAGE 122, 74) hat der Senat ausführlich begründet, welche Faktoren für die Gewährung eines
Vertrauensschutzes und die Festlegung des Stichtags 1. Januar 2002 für die Änderung seiner
Rechtsprechung zur Auslegung von arbeitsvertraglichen Verweisungsklauseln maßgeblich sind.
Hieran hält der Senat auch in Anbetracht der zwischenzeitlich geäußerten Kritik (Höpfner NZA
2008, 91, 93; Spielberger NZA 2007, 1086, 1089; Schiefer SAE 2008, 22, 26; Gaul/Naumann DB
2007, 2594, 2596; Simon/Weninger BB 2007, 2127, 2128; Bayreuther Anm. AP TVG § 1
Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 53; Clemenz NZA 2007, 769, 773; Olbertz BB 2007, 2737, 2740)
fest.
32 aa) Höchstrichterliche Rechtsprechung ist kein Gesetzesrecht und erzeugt damit keine
vergleichbare Rechtsbindung (Senat 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 47 mwN, BAGE 122, 74,
88 f.) . Deshalb kann ein Gericht grundsätzlich ohne Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG von einer
früheren Rechtsprechung abweichen, selbst wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse
oder der allgemeinen Anschauung nicht eingetreten ist. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des
Vertrauensschutzes liegt in einer solchen Rechtsprechungsänderung jedenfalls dann nicht, wenn
diese sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (vgl. nur BVerfG 4. August 2004 -
1 BvR 1557/01 - NVwZ 2005, 81, 82; BVerfG 6. Mai 2008 - 2 BvR 1926/07 - NZA-RR 2008, 607;
BGH 5. März 2008 - VIII ZR 95/07 - NJW 2008, 1438, 1439; sowie Senat 18. April 2007 - 4 AZR
652/05 - Rn. 47 mwN, BAGE 122, 74, 88 f.) .
33 bb) Eine Einschränkung der Rückwirkung der Rechtsprechungsänderung ist jedoch geboten,
wenn die mit der Rückwirkung belastete Partei auf die Weiterführung der Rechtsprechung
vertrauen durfte und die Anwendung der geänderten Rechtsauffassung auch unter
Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Prozessgegners eine unzumutbare Härte
bedeuten würde (ausf. Senat 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 49 mwN, BAGE 122, 74, 89) .
Zur Ermittlung des Zeitpunkts, ab welchem es den Klauselverwendern zumutbar war, auf
hinreichende Klarheit der von ihnen abgegebenen Erklärungen hinzuwirken und die Folgen
möglicher Unklarheiten und Unvollkommenheiten in den von ihnen selbst gestellten typischen
Verweisungsklauseln auch selbst zu tragen, ist eine typisierende Abwägung der Parteiinteressen
vorzunehmen ( ausf. Senat 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 54, BAGE 122, 74, 91) . Diese
Interessenabwägung führt im Ergebnis zu einer Stichtagsregelung, die auch im Interesse von
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zur Gewährung eines Vertrauensschutzes und zu seiner
zeitlichen Begrenzung erforderlich und geeignet ist.
34 cc) Maßgeblich für die Festlegung des Stichtags ist nicht allein „die Einführung der AGB-Prüfung
im Arbeitsrecht“ (Spielberger NZA 2007, 1086, 1087) . Die erstmalige Kodifizierung der
Inhaltskontrolle von vorformulierten Arbeitsverträgen ist für die vollzogene
Rechtsprechungsänderung nicht entscheidend. Vorrangig von Bedeutung ist der damit
einhergehende, vom Gesetzgeber ausgelöste Paradigmenwechsel. Die damit verbundene
Festlegung des Zeitpunktes eines relevanten Wertewandels markiert die Zeitgrenze, die auch und
gerade im Arbeitsrecht bei der Festlegung von Vertrauensschutz zu einer neuen Gewichtung der
beiderseitigen berechtigten Interessen führen muss. Der Gesetzgeber hat mit der
Schuldrechtsnovelle ua. eine erneute nachhaltige Aufforderung an die Verwender von
Formularverträgen erhoben, das von ihnen Gewollte auch in der entsprechenden verständlichen
(§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) Form eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Der Senat sieht es deshalb
unter diesem Gesichtspunkt unter Berücksichtigung der gegenläufigen und nunmehr ab dem
1. Januar 2002 weiter gestärkten berechtigten Interessen der Arbeitnehmer für die Arbeitgeber ab
Inkrafttreten der Schuldrechtsreform nicht mehr als unzumutbare Härte an, wenn sie die
Rechtsfolgen der von ihnen selbst nach diesem Zeitpunkt hervorgebrachten Differenz zwischen
dem Erklärten und dem Gewollten auch selbst zu tragen haben (so schon Senat 18. April 2007 -
4 AZR 652/05 - Rn. 58 mwN, BAGE 122, 74, 93 f.).
35 dd) Durch die Entscheidung des Senats vom 19. März 2003 (- 4 AZR 331/02 - BAGE 105, 284)
wird der Stichtag nicht in Frage gestellt (so aber Schiefer SAE 2008, 22, 26; Gaul/Naumann DB
2007, 2594, 2596; Simon/Weninger BB 2007, 2127, 2128; Spielberger NZA 2007, 1086, 1087;
Olbertz BB 2007, 2737, 2740) . Gegenstand dieser Entscheidung war ein sog. Altvertrag aus dem
Jahr 1997. Für solche Verträge wendet der Senat die Grundsätze der früheren Rechtsprechung
nach wie vor an (s. etwa BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf
Tarifvertrag Nr. 61 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 37) . Deshalb kommt dieser
Entscheidung bei der typisierten Interessenabwägung (unter bb) und bei der Beurteilung der
maßgeblichen Faktoren für die Festlegung des Stichtags (unter cc) keine maßgebliche Bedeutung
zu. Für die Beklagte kann diese Entscheidung darüber hinaus schon deshalb kein
schützenswertes Vertrauen begründet haben, weil die hier in Frage stehende Bezugnahmeklausel
bereits am 2. Mai 2002 vereinbart wurde.
36 ee) Die Festlegung des Stichtags für die Gewährung von Vertrauensschutz für sog. Altverträge
steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht in einem Wertungswiderspruch zu den
Regelungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB. Die
Revision übersieht, dass die Senatsrechtsprechung sich nicht auf eine Anwendung der am
1. Januar 2002 in Kraft getretenen gesetzlichen Bestimmungen stützt. Maßstab der Auslegung der
Vertragsklausel sind die §§ 133, 157 BGB (Senat 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 24, BAGE
122, 74, 81). Deshalb besteht keine Vergleichbarkeit mit den Fällen, die das
Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB
regelt. Daher kann bei der Festlegung eines Stichtages, bis zu dem Vertrauensschutz gewährt
werden soll, kein Wertungswiderspruch zu einer gesetzlichen Übergangsregelung bestehen, die
sich mit einem anderen Sachverhalt befasst.
37 Selbst wenn man jedoch mit der Beklagten annehmen wollte, die Wertung der
Übergangsbestimmung des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB spielte im vorliegenden Zusammenhang
eine Rolle, würde sich daraus kein Vertrauensschutz für die Beklagte ergeben können. Die
Übergangsregelung befasst sich nur mit der Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf bereits vor dem
1. Januar 2002 geschlossene Dauerschuldverhältnisse. Für die danach abgeschlossenen
Arbeitsverträge sind ausschließlich die §§ 305 ff. BGB nF einschlägig.
38 ff) Die Gewährung von Vertrauensschutz kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil eine
Regelung in einem sog. Altvertrag zu beurteilen ist, wie es die Beklagte meint. Maßgeblich ist der
Inhalt des Arbeitsvertrages vom 2. Mai 2002. Durch diese vertragliche Abrede haben der Kläger
und die S Maschinenbau GmbH das gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf sie übergegangene
Arbeitsverhältnis auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt, die für die Auslegung der
Bezugnahmeklausel einschlägig ist. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten handelt es
sich dabei nicht nur um eine schriftliche „deklaratorische“ Fixierung bestehender
Arbeitsbedingungen.
39 Für eine arbeitsvertragliche Regelung spricht bereits der Wortlaut der Vereinbarung. Das Formular
ist überschrieben mit „Anstellungsvertrag für Tarifangestellte/gewerbliche Mitarbeiter“, was darauf
schließen lässt, dass hier eine konstitutive Vereinbarung der vertragsschließenden Parteien
geschlossen oder dokumentiert wird, die den Inhalt des Arbeitsverhältnisses unmittelbar regelt (s.
auch Senat 12. Dezember 2007 - 4 AZR 998/06 - AP TVG § 4 Nr. 29 = EzA TVG § 4 Nr. 44) .
Auch verwendet die S Maschinenbau GmbH ein vollständiges und eigenständiges
Vertragsformular. Darüber hinaus wird in § 1 des Arbeitsvertrages der Beginn des Vertrages mit
dem 17. Mai 2002 festgelegt und in § 9 lediglich der „Eintritt“ in den Betrieb als anzurechnendes
Beschäftigungsverhältnis festgehalten, was gleichfalls gegen einen lediglich deklaratorischen
Nachweis der bereits bestehenden Arbeitsbedingungen spricht. Anhaltspunkte dafür, dass
lediglich ein Nachweis geführt werden soll, sind dem Vertragsformular nicht zu entnehmen.
Sonstige Umstände, die trotz des unterzeichneten Vertrages für eine solche Annahme sprechen
könnten, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat schon nicht dargetan, welche vertraglichen
Regelungen zuvor bei der Rechtsvorgängerin gegolten haben sollen. Ein Vergleich war damit nicht
möglich. Nur aus ihm hätte sich trotz des auf einen neuen, eigenständigen Vertragsschluss
deutenden Wortlauts des Vertrages vom 2. Mai 2002 möglicherweise ergeben können, dass
lediglich ein Nachweis von früher Vereinbartem erfolgen sollte.
40 Gegen die Annahme einer neuen vertraglichen Regelung spricht auch nicht eine von der Beklagten
angeführte „Veränderungssperre“ nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB. Diese Sperre betrifft
ausschließlich Rechte und Pflichten, die sich vor dem Betriebsübergang beim Veräußerer aus
einem normativ geltenden Tarifvertrag ergaben. Einzelvertragliche Vereinbarungen, auch eine
Bezugnahme auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk, die beim Betriebsveräußerer getroffen
worden sind, sind von Betriebserwerber und übernommenem Arbeitnehmer jederzeit abänderbar;
es kann auch ein insgesamt neuer Arbeitsvertrag vereinbart werden (vgl. BAG 7. November 2007
- 5 AZR 1007/06 - AP BGB § 613a Nr. 329 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 79) . Von daher trifft auch
das Argument der Beklagten nicht zu, es habe wegen der früheren Tarifgeltung keine
Regelungsnotwendigkeit gegeben. Ebenso wenig kann aus der Mitgliedschaft des Klägers in der
IG Metall ein fehlender Rechtsbindungswille der S Maschinenbau GmbH gefolgert werden, weil
das in Bezug genommene Tarifwerk bereits aufgrund der beiderseitigen Tarifbindung gegolten
hätte. Es fehlt bereits an einer Darlegung, dass der Rechtsvorgängerin die Tarifgebundenheit des
Klägers bekannt gewesen ist. Darüber hinaus enthält der Vertrag auch eigenständige Regelungen,
etwa zum Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der S Maschinenbau GmbH, in dem das
Arbeitsverhältnis bei der vorangegangenen Arbeitgeberin des Klägers lediglich als „anrechenbares
Beschäftigungsverhältnis“ gekennzeichnet wird.
41 gg) Schließlich ist ein Vertrauensschutz auch nicht für den Fall zu gewähren, dass eine der
Bezugnahme im Arbeitsvertrag vom 2. Mai 2002 entsprechende Vereinbarung auch schon vor
dem 1. Januar 2002 enthalten gewesen sein sollte. Bei dem neuen Arbeitsvertragsschluss, der
nicht lediglich einen Nachweis von früher Vereinbartem darstellt, bestand hinreichender Anlass,
das Gewollte deutlich zum Ausdruck zu bringen (Senat 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 60,
BAGE 122, 74, 94 f.) .
42 II. Ob der Anspruch des Klägers auch infolge kongruenter Tarifgebundenheit der Parteien
begründet ist, kann vorliegend dahinstehen. Von daher ist nicht darüber zu entscheiden, ob der
Senat die gut nachvollziehbar dargelegten Bedenken des Landesarbeitsgerichts teilt, die Satzung
des Arbeitgeberverbandes genüge nicht denjenigen Anforderungen, die an die wirksame
Begründung einer sog. OT-Mitgliedschaft (vgl. dazu etwa Senat 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 -
Rn. 37 ff., NZA 2008, 1366, 1369 f.) zu stellen sind.
43 III. Der Zinsanspruch ist nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 15 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1
MTV Metallindustrie, § 2 Abs. 2 Lohnabkommen im geltend gemachten Umfang begründet.
44 IV. Die Kosten der erfolglosen Revision hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.
Bepler
Creutzfeldt
Treber
Hardebusch
Th. Hess