Urteil des BAG vom 14.03.2017

BAG (vereinbarung, satzung, mitgliedschaft, arbeitszeit, bag, tarifvertrag, wechsel, zeitpunkt, annahme des antrags, mitglied)

Siehe auch:
,
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 20.5.2009, 4 AZR 230/08
Wechsel eines Arbeitgebers von einer Voll- in eine OT-Mitgliedschaft - Abschluss einer "anderen
Abmachung" vor dem bevorstehenden Ablauf des Tarifvertrags
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Hamm vom 7. November 2007 - 18 Sa 508/07 - insoweit aufgehoben, als das
Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts Paderborn vom 9. Februar 2007 - 2 Ca 1282/06 - hinsichtlich der
Zahlung von 372,35 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2006 und der Gutschrift von
zwei zusätzlichen Tagen für das Urlaubsjahr 2006 auf dem Urlaubskonto der
Klägerin zurückgewiesen hat.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom
9. Februar 2007 - 2 Ca 1282/06 - teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt
neu gefasst:
a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 372,35 Euro brutto nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September
2006 zu zahlen.
b) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für das Urlaubsjahr 2006 zusätzlich
zwei Urlaubstage zu gewähren.
c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Revision der Klägerin gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. November 2007 - 18 Sa 508/07 - wird
zurückgewiesen.
3. Die Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin zu 55 % und die Beklagte
zu 45 % zu tragen. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens
haben die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über tarifliche Ansprüche auf Vergütung für die Monate Januar bis Juni 2006,
Urlaubsgeld und die Gutschrift von Urlaubstagen.
2 Die Klägerin ist seit 1990 bei der Beklagten, die mehrere Möbelhäuser betreibt, als
Schauwerbegestalterin, zuletzt in Teilzeit, beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 2. Mai
1990 enthält eine Regelung, nach der die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des
Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge
Bestandteil des Arbeitsvertrags sind. Die Klägerin erhält Vergütung nach der Gehaltsgruppe I - ab
dem 6. Berufsjahr - des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen (GTV).
Das Bruttomonatsentgelt der Klägerin betrug zuletzt 1.059,85 Euro. Seit dem 1. März 2005 ist sie
Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Die Beklagte ist Mitglied des
Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe, der Mitglied im Einzelhandelsverband Nordrhein-
Westfalen ist.
3 Mit Schreiben vom 20. September 2004 erklärte die Beklagte gegenüber dem
Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe den Ausschluss der Tarifbindung zum Ablauf des auf
den Zugang dieser Erklärung folgenden Monats. Mit Schreiben vom 23. September 2004
bestätigte der Verband die Annahme des Antrags zum Wechsel in die Mitgliedschaft ohne
Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft). Seit dem 1. November 2004 wird die Beklagte als Mitglied ohne
Tarifbindung geführt.
4 Die Satzung des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe e.V. lautete im September 2004
auszugsweise wie folgt:
㤠1
Name, Sitz, Geschäftsjahr, Gerichtsstand
...
5. Der Verband ist Mitglied im Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen e. V.
...
§ 2
Zweck des Verbandes
1. Der Verband ist Arbeitgeber-, Berufs- und Wirtschaftsverband. Zweck des
Verbandes ist die Vertretung der Interessen aller Branchen, Betriebsformen und -
größen des Einzelhandels sowie die Betreuung seiner Mitglieder.
Aufgaben des Verbandes sind insbesondere:
...
i) Mitarbeit in den Organen und Gremien der Verbandsorganisation, z. B.
Beteiligung am Abschluß von Tarifverträgen in den Gremien des
Landesverbandes.
j) Die Beratung und Betreuung im Zusammenhang mit dem Abschluß
unternehmens- bzw. konzernbezogener Tarifverträge.
...
§ 3
Erwerb der Mitgliedschaft
...
2. Die Mitgliedschaft wird durch schriftliche Beitrittserklärung unter Anerkennung der
Rechte und Pflichten der Satzung erworben. Über die Aufnahme entscheidet der
Vorstand. Die Mitgliedschaft im Sinne des Absatzes 1. kann als eine solche mit
Tarifbindung (T-Mitgliedschaft) oder als eine ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft)
begründet werden. Der Wechsel von einer T-Mitgliedschaft zu einer OT-
Mitgliedschaft und umgekehrt kann nur unter Einhaltung einer Frist von einem Monat
zum Ende eines Kalendermonats erklärt werden. Über den Antrag auf Aufnahme in
den Verband oder Wechsel der Mitgliedschaft (T nach OT oder umgekehrt),
entscheidet der Vorstand. …
...
§ 5
Rechte und Pflichten der Mitglieder
1. Alle Mitglieder gemäß § 3 Nr. 1 haben gleiche Rechte. Die Mitglieder haben im
Rahmen des Verbandszwecks und der Aufgaben Anspruch auf Vertretung, Beratung
und Förderung in allen den Einzelhandel betreffenden Fragen.
2. Die Mitglieder sind verpflichtet, die Satzung und die im Rahmen der Satzung
gefaßten Beschlüsse der Organe zu beachten.
Die Mitglieder sind insbesondere verpflichtet, die durch die Beitragsordnung
festgesetzten Beträge zu entrichten sowie die hierzu erforderlichen Auskünfte zu
erteilen. In Tarifangelegenheiten bestehen Rechte und Pflichten nur für T-Mitglieder.
OT-Mitglieder haben in Tarifangelegenheiten kein Stimmrecht.
...
§ 7
Organe des Verbandes
Organe des Verbandes sind:
1. Delegiertenversammlung
2. Vorstand
Die Mitglieder der Organe üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus.
...
§ 8
Delegiertenversammlung
1. Grundsatzfragen des Verbandes werden durch die Delegiertenversammlung
behandelt.
2. Der Delegiertenversammlung gehören an:
a) die Vorstände der örtlichen und regionalen Vereinigung im Verbandsgebiet,
b) die vom Vorstand bestellten Fachbeauftragten,
c) die Mitglieder des Vorstandes.
...
§ 9
Vorstand
1. Der Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter sowie bis zu 5
weiteren Mitgliedern.
2. Vorstand im Sinne von § 26 BGB ist der Vorsitzende und sein Stellvertreter. Jeder ist
einzeln vertretungsberechtigt.“
5 Im März 2005 traf die Beklagte mit fast allen Arbeitnehmern im Wesentlichen gleichlautende
Vereinbarungen zur Änderung des Arbeitsvertrages. Mit ihnen wurde die wöchentliche Arbeitszeit
für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer auf 40 Stunden angehoben. Nach der mit der Klägerin
geschlossenen Vereinbarung vom 1. März 2005 wird diese ab dem 1. April 2005 mit einer
wöchentlichen Arbeitszeit von 21,5 Stunden statt zuvor 20 Stunden bei unveränderter monatlicher
Bruttovergütung beschäftigt, ein etwa bisher bestehender Anspruch auf Urlaubs- und
Weihnachtsgeld soll nach der Vereinbarung entfallen. Der Urlaubsanspruch wird auf
28 Arbeitstage pro Kalenderjahr festgelegt. „Im Hinblick auf die Vereinbarung zur Änderung des
Arbeitsvertrags“ verzichtete die Beklagte schriftlich gegenüber der Klägerin auf den Ausspruch
einer betriebsbedingten Kündigung bis zum 28. Februar 2007.
6 Der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag über Sonderzahlungen (Urlaubsgeld und
Sonderzuwendung) vom 20. September 1996 (TV Sonderzahlung 1996), abgeschlossen zwischen
dem Einzelhandelsverband Nordrhein und dem Landesverband des Westfälisch-Lippischen
Einzelhandels - beide Vorläufer des heutigen Einzelhandelsverbandes Nordrhein-Westfalen -
sowie der damaligen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) und der
damaligen Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) - nunmehr ver.di - war zum 31. Januar
2000 gekündigt worden. Nach Abschnitt A § 1 Abs. 1 TV Sonderzahlung 1996 betrug das tarifliche
Urlaubsgeld ab dem 1. Januar 2000 50 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruchs für das letzte
Berufsjahr der Gehaltsgruppe I des Gehaltstarifvertrages.
7 Der zwischen dem Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen und ver.di geschlossene
Gehaltstarifvertrag vom 25. Juli 2003 (GTV 2003) wurde zum 31. März 2005 gekündigt. Nach dem
GTV 2003 betrug das Gehalt der Gehaltsgruppe I (ab dem 6. Berufsjahr) ab dem 1. März 2005
1.986,00 Euro brutto.
8 Der zwischen dem Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen und ver.di abgeschlossene
Manteltarifvertrag vom 25. Juli 2003 (MTV 2003), der erstmals zum 31. Dezember 2005 kündbar
war, wurde zum 31. März 2006 gekündigt. Nach § 15 Abs. 3 MTV 2003 belief sich der
Urlaubsanspruch für Arbeitnehmer nach Vollendung ihres 30. Lebensjahres auf 36 Werktage je
Kalenderjahr. Gemäß § 2 Abs. 1 MTV 2003 betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit
37,5 Stunden. Ferner war in § 10 Abs. 5 MTV 2003 geregelt, dass Teilzeitbeschäftigte Anspruch
auf ein monatliches Tarifentgelt haben, das dem Verhältnis ihrer vereinbarten Arbeitszeit zu der
dem tariflichen Entgelt eines Vollbeschäftigten zugrunde liegenden Arbeitszeit entspricht.
9 Der Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen schloss mit der Gewerkschaft ver.di am
10. Februar 2006 mit Wirkung zum 1. April 2006 einen neuen Manteltarifvertrag (MTV 2006) und
einen neuen Gehaltstarifvertrag (GTV 2006) sowie einen neuen Tarifvertrag über Sonderzahlungen
(TV Sonderzahlung 2006), der zum 1. Januar 2006 in Kraft trat.
10 Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Vergütung in Höhe von zuletzt 376,36 Euro brutto für
30,9 Arbeitsstunden, die sie in den Monaten Januar bis Juni 2006 über ihre bisherige wöchentliche
Arbeitszeit von 20 Stunden hinaus geleistet hat, ein anteiliges tarifliches Urlaubsgeld für das Jahr
2006 in Höhe von 470,25 Euro brutto sowie die Gutschrift von zwei Urlaubstagen für das Jahr
2006 auf ihrem Urlaubskonto. Diese Ansprüche hatte die Klägerin mit Schreiben vom 25. Juli 2006
erfolglos bei der Beklagten geltend gemacht.
11 Sie hat die Auffassung vertreten, der Vertragsänderung vom 1. März 2005 sei keine Erhöhung der
Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zu entnehmen. Die Vereinbarung sei zudem nach § 134 BGB
insgesamt unwirksam, da sie gegen § 4 Abs. 3 TVG verstoße. Ein Wiederaufleben der
Vertragsänderung nach Ablauf des MTV 2003 scheide daher aus. Die Vereinbarung sei auch nicht
für den Zeitraum der Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG getroffen worden. Im Übrigen wirke der
MTV 2003 nach seinem Ablauf nach § 27 Abs. 6 MTV 2003 zwingend weiter. Die Beklagte habe
auch nicht wirksam in eine OT-Mitgliedschaft wechseln können. Die Satzung des
Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe e.V. schließe Einflussmöglichkeiten der OT-
Mitglieder auf das Tarifgeschehen nicht aus.
12 Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 846,61 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2006 zu zahlen und dem
Urlaubskonto der Klägerin zusätzlich zwei Tage für das Urlaubsjahr 2006 gutzuschreiben.
13 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei ab
1. November 2004 als Mitglied ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden gewesen. Die
Vereinbarung vom 1. März 2005 sei wirksam. Dadurch sei die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich
erhöht worden. Als andere Abmachung nach § 4 Abs. 5 TVG ersetze die Vereinbarung den TV
Sonderzahlung 1996 und - jedenfalls ab dem 1. April 2006 - auch Teile des nachwirkenden MTV
2003.
14 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
15 Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht in
vollem Umfang abgewiesen.
16 A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Wechsel der
Beklagten in die OT-Mitgliedschaft zum 1. November 2004 wirksam erfolgt und die Vereinbarung
der Parteien vom 1. März 2005 nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134
BGB unwirksam sei. Diese von der tariflichen Regelung zu Ungunsten der Klägerin abweichende
Vereinbarung sei zwar hinsichtlich des MTV 2003 im Zeitraum der Tarifgebundenheit der
Beklagten nach § 3 Abs. 3 TVG geschlossen worden. Sie sei jedoch nur bis zur Beendigung der
beiderseitigen Tarifgebundenheit verdrängt worden. Mit Ablauf des MTV 2003 am 31. März 2006
sei diese Vereinbarung dann als andere Abmachung im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG wirksam
geworden. Hinsichtlich des TV Sonderzahlung 1996, der sich zum Zeitpunkt des Abschlusses der
Vereinbarung der Parteien vom 1. März 2005 im Stadium der Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5
TVG befunden habe, habe diese Vereinbarung die Nachwirkung wirksam beendet.
17 B. Die hiergegen gerichtete zulässige Revision der Klägerin ist teilweise begründet.
18 I. Die Klage ist zulässig, wobei der Antrag der Klägerin auf „Gutschrift von zwei zusätzlichen
Urlaubstagen für das Kalenderjahr 2006“ dahingehend auszulegen ist, dass die Klägerin von der
Beklagten letztlich die Gewährung von zwei zusätzlichen Urlaubstagen aus dem Kalenderjahr
2006 begehrt.
19 1. Der Antrag der Klägerin ist als Prozesshandlung auch noch in der Revisionsinstanz (BAG
9. Mai 1995 - 9 AZR 552/93 - mwN, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 22 = EzA BUrlG § 7 Nr. 100)
der Auslegung fähig (vgl. zu den Maßstäben BAG 16. März 1994 - 8 AZR 97/93 - BAGE 76, 148;
14. Oktober 2003 - 9 AZR 636/02 - BAGE 108, 103).
20 Die Beklagte führt in ihrem Unternehmen für die Arbeitnehmer Urlaubskonten, mit denen der
Umfang des Urlaubs, der den einzelnen Arbeitnehmern noch zusteht, dokumentiert wird. Das
Bundesurlaubsgesetz kennt jedoch keine Verpflichtung des Arbeitgebers, ein Urlaubskonto mit
einer Gutschrift von noch nicht gewährten Urlaubstagen zu führen (ErfK/Dörner 9. Aufl. § 7 BUrlG
Rn. 30; so im Ergebnis wohl auch BAG 9. Mai 1995 - 9 AZR 552/93 - zu I 1 der Gründe, AP BUrlG
§ 7 Übertragung Nr. 22 = EzA BUrlG § 7 Nr. 100). Auch § 15 MTV 2003 enthält keine
Verpflichtung zum Führen eines Urlaubskontos. Nach den Einlassungen der Klägerin in der
mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ist es Prozessziel der Klägerin, dass ihr
die beiden umstrittenen Urlaubstage aus dem Jahr 2006 noch gewährt werden.
21 2. Der Antrag auf Gewährung von zwei zusätzlichen Tagen Urlaub zu einem nicht näher
genannten Zeitpunkt ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Arbeitgeber hat als
Schuldner die Konkretisierungsbefugnis bei der Erteilung des Urlaubs nach § 7 Abs. 1 BUrlG
(ErfK/Dörner 9. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 30; so im Ergebnis auch BAG 5. September 2002 - 9 AZR
355/01 - BAGE 102, 294).
22 II. Die Klage ist teilweise begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf
Zahlung restlicher Vergütung für die Zeit von Januar bis Juni 2006 sowie auf Gewährung von zwei
zusätzlichen Urlaubstagen für das Kalenderjahr 2006 zu. Einen Anspruch auf Zahlung von
Urlaubsgeld für das Jahr 2006 hat die Klägerin allerdings nicht. Insoweit haben die Vorinstanzen
die Klage zu Recht abgewiesen.
23 1. Unabhängig davon, ob die Beklagte zum 1. November 2004 wirksam in eine OT-Mitgliedschaft
gewechselt ist, steht der Klägerin aus dem MTV 2003 ein Anspruch auf Zahlung restlicher
Vergütung für die Zeit von Januar bis Juni 2006 sowie auf Gewährung von zwei zusätzlichen
Urlaubstagen für das Kalenderjahr 2006 zu. Die Tarifbindung der Beklagten an den am
1. November 2004 bereits geltenden MTV 2003 blieb jedenfalls nach § 3 Abs. 3 TVG solange
bestehen, bis der MTV 2003 am 31. März 2006 durch Kündigung endete. Für die hier betroffenen
Ansprüche der Klägerin stellt die Vereinbarung der Parteien vom 1. März 2005 keine nach § 4
Abs. 3 TVG zulässige abweichende Abmachung vom MTV 2003 und - für die Zeit ab dem 1. April
2006 - auch keine andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG dar.
24 a) Bis zum 31. März 2006 galt der MTV 2003 gemäß § 4 Abs. 1 TVG für die Parteien kraft
beiderseitiger Tarifgebundenheit zwingend. Seine Festlegungen konnten nicht durch einen Vertrag
der Parteien verschlechtert werden.
25 aa) Die Beklagte war unabhängig davon, ob ihr Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft zum
1. November 2004 wirksam war, bis zum 31. März 2006 an den MTV 2003 gebunden. Denn auch
bei einem ggf. wirksamen Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft zum 1. November 2004 blieb nach
§ 3 Abs. 3 TVG die Tarifbindung der Beklagten an den zu diesem Zeitpunkt bereits geltenden
MTV 2003 solange bestehen, bis der MTV 2003 endete.
26 (1) Zum Zeitpunkt des Abschlusses des MTV 2003 war die Beklagte Mitglied mit Tarifbindung im
Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe und damit an diesen Tarifvertrag tarifgebunden. Zwar
war sie nicht selbst Mitglied des tarifschließenden Einzelhandelsverbandes Nordrhein-Westfalen
e.V. Für die Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG reicht es indes aus, dass sie Mitglied mit
Tarifbindung des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe war, der nach § 1 Ziffer 5 seiner
Satzung wiederum Mitglied im tarifschließenden Einzelhandelsverband war. Nach Sinn und Zweck
von § 2 Abs. 3 TVG führt auch eine derart vermittelte Mitgliedschaft zur Tarifgebundenheit nach
§ 3 Abs. 1 TVG (vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 AZR 241/02 - BAGE 106, 124).
27 (2) Auch wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass sie zum 1. November 2004 wirksam
in eine OT-Mitgliedschaft gewechselt ist, galt der MTV 2003 für sie gemäß § 3 Abs. 3 TVG kraft
Nachbindung bis zu seiner Kündigung zum 31. März 2006 weiter.
28 (a) Nach § 3 Abs. 3 TVG bleibt die einmal begründete Tarifgebundenheit bestehen, bis der
Tarifvertrag endet.
29 (b) Der Umstand, dass der MTV 2003 zum 31. Dezember 2005 erstmals kündbar war, führte nicht
zu einer Beendigung der Nachbindung bereits zu diesem Zeitpunkt (Wiedemann/Oetker TVG
7. Aufl. § 3 Rn. 89; HWK/Henssler § 3 Rn. 44; Däubler/Lorenz TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 111;
Kempen/Zachert/Kempen TVG 4. Aufl. § 3 Rn. 59; Däubler NZA 1996, 225, 226; Hoß/Liebscher
DB 1995, 2525, 2526; Stein Tarifvertragsrecht Rn. 173, jeweils mwN; aA ErfK/Franzen 9. Aufl. § 3
TVG Rn. 27 mwN; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 91; Hanau RdA 1998, 65, 68; Bauer FS
Schaub S. 19, 24; Lieb NZA 1994, 337; Walker ZfA 1996, 353, 380 f; Bauer/Diller DB 1993, 1086).
30 Bereits aus dem eindeutigen Wortlaut von § 3 Abs. 3 TVG ergibt sich, dass das tatsächliche Ende
des jeweiligen Tarifvertrags gemeint ist, nicht sein mögliches Ende. Der Zeitpunkt des
tatsächlichen Endes der Nachbindung ist bei unbefristeten, aber kündbaren Tarifverträgen der
Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer tatsächlich erfolgten Kündigung, im Zweifel nach Ablauf
einer Kündigungsfrist, oder der Zeitpunkt einer tatsächlich erfolgten einvernehmlichen Aufhebung .
31 Die Annahme des Endes der Nachbindung bei unbefristeten, aber kündbaren Tarifverträgen zu
dem auf den Austritt folgenden nächsten Kündigungstermin liefe auch dem Schutzzweck des § 3
Abs. 3 TVG zuwider: Die Vorschrift dient gerade dazu, die Tarifgebundenheit bis zum
tatsächlichen Ende des Tarifvertrags aufrechtzuerhalten (dazu Däubler NZA 1996, 225, 226;
Hoß/Liebscher DB 1995, 2525, 2526; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 89; Däubler/Lorenz
TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 113; Kempen/Zachert/Kempen TVG 4. Aufl. § 3 Rn. 59; Stein
Tarifvertragsrecht Rn. 173). Demgemäß soll die unmittelbare und zwingende Rechtswirkung eines
Tarifvertrages, die sich aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG ergibt, nicht durch eine einseitige
Maßnahme des Arbeitgebers - oder Arbeitnehmers - wie insbesondere seinen Verbandsaustritt
ohne weiteres beseitigt werden können. Die Prolongierung der Rechtswirkungen von § 3 Abs. 1,
§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG soll andererseits nach dem Willen des Gesetzgebers auch nur solange
fortdauern, bis der betreffende Tarifvertrag „endet“, dh. solange der Tarifvertrag in der bisherigen
Fassung weiterbesteht (BAG 26. Oktober 1983 - 4 AZR 219/81 - BAGE 44, 191, 196 f.). Über die
vom Gesetz als maßgebend erklärte Beendigung bestimmen die Tarifvertragsparteien, die bei
Abschluss durch ihre damaligen Mitglieder hierzu legitimiert waren und dies auch nach deren
etwaigem Verbandsaustritt bleiben.
32 (c) Der MTV 2003 endete durch die Kündigung zum 31. März 2006. Damit endete zugleich die
Nachbindung der Beklagten an diesen Tarifvertrag.
33 bb) Die Klägerin war in dem Zeitraum, für den sie Rechte aus dem MTV 2003 in Anspruch nimmt,
nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Sie ist seit dem 1. März 2005 Mitglied der Gewerkschaft
ver.di.
34 cc) Damit bestand beiderseitige Tarifgebundenheit an den MTV 2003. Der Umstand, dass die
Tarifgebundenheit der Klägerin an diesen Tarifvertrag erst während des Zeitraums der
Nachbindung der Beklagten eintrat, ändert daran nichts. Das Gesetz unterscheidet für die Zeit bis
zum Ende des Tarifvertrages nicht die Fälle der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG, also der
aktuellen Vollmitgliedschaft in einer Tarifvertragspartei, von den Fällen der Tarifgebundenheit nach
§ 3 Abs. 3 TVG, also denen der Fortdauer der Tarifbindung nach Verbandsaustritt oder nach
Statuswechsel in die OT-Mitgliedschaft. Vielmehr fingiert das Gesetz die fehlende
Verbandsmitgliedschaft auf Zeit und stellt damit eine atypische Tarifgebundenheit für diesen
Zeitraum her (BAG 4. August 1993 - 4 AZR 499/92 - Rn. 16, BAGE 74, 41) .
35 b) Die Vereinbarung der Parteien vom 1. März 2005 ist, soweit sich die geltend gemachten
Ansprüche auf die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2006 beziehen, also den Zeitraum der
beiderseitigen Tarifgebundenheit an den MTV 2003, keine wirksame abweichende Abmachung
iSd. § 4 Abs. 3 TVG.
36 aa) Nach § 4 Abs. 3 TVG sind während der zwingenden Geltung eines Tarifvertrags abweichende
Abmachungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung
der Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers enthalten.
37 bb) Hinsichtlich der Ansprüche der Klägerin auf Zahlung restlicher Vergütung für die Zeit von
Januar bis März 2006 sowie - teilweise - hinsichtlich der Gewährung zusätzlicher Urlaubstage für
das Kalenderjahr 2006 weicht die Vereinbarung der Parteien vom 1. März 2005 vom MTV 2003 zu
Ungunsten der Klägerin ab. Dies ist nicht wirksam.
38 Der MTV 2003 enthält keine Öffnungsklausel für eine solche abweichende Vereinbarung von
seinen Gehalts- und Lohnregelungen in § 10 Abs. 5 und von der Urlaubsregelung für das
Kalenderjahr 2006.
39 Die in der Vereinbarung vom 1. März 2005 enthaltenen Abweichungen von § 10 Abs. 5 MTV 2003
zur Arbeitszeitverlängerung ohne Anhebung des bisherigen Entgelts sind auch nicht vom
Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG gedeckt.
40 (1) Der Umstand, dass die Parteien mit der Vereinbarung vom 1. März 2005 eine Erhöhung der
wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin auf 21,5 Stunden vereinbarten, stellt allein noch keine
Abweichung vom MTV 2003 zu Ungunsten der Klägerin dar. Die neu vereinbarte Arbeitszeit der
Klägerin ging nicht über die in § 2 Abs. 1 MTV 2003 geregelte Arbeitszeit von 37,5 Stunden hinaus.
Davon ist auch das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen.
41 (2) Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass die Vereinbarung vom 1. März
2005 eine Arbeitszeitverlängerung ohne Anhebung des bisherigen Entgelts der Klägerin, also ohne
Lohnausgleich, enthält. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegt darin aber eine
Abweichung von den Bestimmungen des MTV 2003 zu Ungunsten der Klägerin . Denn nach der
Vereinbarung vom 1. März 2005 stand einer Erhöhung der Arbeitszeit von 20 auf 21,5 Stunden
eine vereinbarte Vergütung gegenüber, die nicht den Anforderungen des § 10 Abs. 5 MTV 2003
entsprach. Während die Klägerin 1.059,85 Euro brutto erhielt, lag das anteilige tarifliche Entgelt
(§ 10 Abs. 5 MTV 2003) für 21,5 Wochenstunden bei einer tariflichen Arbeitszeit nach § 2 Abs. 1
MTV von 37,5 Wochenarbeitsstunden bei 1.138,64 Euro brutto . In dieser Abweichung vom Gebot
des anteiligen Entgelts für Teilzeitkräfte liegt keine Abweichung vom GTV 2003, sondern eine vom
MTV 2003.
42 (3) Auch für die Forderung der Klägerin auf Gewährung weiteren Urlaubs stellt die Vereinbarung
vom 1. März 2005 keine Regelung zu ihren Gunsten dar. Nach § 15 Abs. 3 MTV 2003 hatte die
Klägerin einen Urlaubsanspruch von 36 Werktagen für das Jahr 2006. Dies entspricht 30
Arbeitstagen. Davon weicht die Vereinbarung der Parteien vom 1. März 2005, nach der ihr
jährlicher Urlaub nur noch 28 Arbeitstage umfassen soll, entgegen § 4 Abs. 3 TVG zu Ungunsten
der Klägerin ab.
43 (4) Die Vereinbarung der Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich und einer kürzeren
Urlaubsdauer waren auch nicht deshalb insgesamt günstiger für die Klägerin, weil die Beklagte in
der Folge für befristete Zeit auf den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung verzichtete. Bei
einem Günstigkeitsvergleich können nur die Regelungen verglichen werden, die miteinander in
einem sachlichen Zusammenhang stehen („Sachgruppenvergleich“). Arbeitszeit oder
Arbeitsentgelt einerseits und eine Beschäftigungsgarantie andererseits sind jedoch unterschiedlich
geartete Regelungsgegenstände, für deren Bewertung es keinen gemeinsamen Maßstab gibt.
Eine Beschäftigungssicherung durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen ist daher
nicht geeignet, vor dem Hintergrund des § 4 Abs. 3 TVG Verschlechterungen bei der Arbeitszeit
oder beim Arbeitsentgelt zu rechtfertigen (st. Rspr., vgl. nur BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 -
BAGE 91, 210, 230 mwN; vgl. auch BAG 24. September 2008 - 6 AZR 657/07 - EzA TzBfG § 4
Nr. 17).
44 c) Die Klägerin kann sich auch für die Zeit ab dem 1. April 2006 auf die Regelungen des MTV 2003
berufen. Ab diesem Zeitpunkt wirkte der MTV 2003 zwar nur noch nach, war also nach § 4 Abs. 5
TVG durch eine „andere Abmachung“ auch zu Lasten der Klägerin ersetzbar. Die Vereinbarung
der Parteien vom 1. März 2005 war indes hinsichtlich der sich aus dem MTV 2003 ergebenden
Ansprüche keine solche andere Abmachung, welche die nachwirkenden tariflichen Regelungen
abänderte. Deshalb bestimmte sich das Arbeitsverhältnis der Parteien auch für die Zeit von April
bis Juni 2006 weiter nach diesen Regelungen.
45 aa) Nachdem der MTV 2003 mit Ablauf der Kündigungsfrist zum 31. März 2006 endete, wirkte er
nur noch nach, war also nach § 4 Abs. 5 TVG durch eine „andere Abmachung“ auch zu Lasten der
Klägerin ersetzbar.
46 Aus der Regelung in § 27 Abs. 6 MTV 2003 ergibt sich nichts anderes. Danach bleibt der MTV
2003 auch nach erfolgter Kündigung bis zum Abschluss eines neuen Vertrages in Kraft und die
Rechtswirkungen enden, wenn nach Durchführung eines Schlichtungsverfahrens eine der
Vertragsparteien den anderen Vertragspartnern schriftlich mitteilt, dass die Verhandlungen als
gescheitert anzusehen sind. Diese Tarifvertragsbestimmung ist erkennbar darauf gerichtet, die
Tarifvertragsparteien zur Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor Einleitung von
Arbeitskampfmaßnahmen zu bewegen. Sie kann indes nicht für den Fall eines Verbandsaustritts
oder eines Wechsels in eine OT-Mitgliedschaft die Wirkung des § 4 Abs. 5 TVG zu Lasten von
nicht mehr im Verband Organisierten ausschließen.
47 bb) Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten nach Ablauf eines Tarifvertrages seine Rechtsnormen weiter, bis
sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Nicht anders als bei einem Verbandsaustritt
schließt sich bei einem Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG
an das Ende der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG an (vgl. zum Verbandsaustritt BAG
23. Februar 2005 - 4 AZR 186/04 - Rn. 25, AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42 = EzA TVG § 3
Verbandsaustritt Nr. 2). Mit der Nachwirkung soll im Interesse der Vertrags- und
Tarifvertragsparteien eine Überbrückungsregelung geschaffen werden, welche den bisherigen
Besitz- und Regelungsstand erhält und einen Rückfall auf nicht mehr aktuelle oder von den
Parteien nicht gewollte übliche Bedingungen verhindert. Die Nachwirkung des abgelaufenen
Tarifvertrages entfällt dann insoweit, wie die andere Abmachung denselben Regelungsbereich des
nachwirkenden Tarifvertrages erfasst (BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 439/06 - EzA TVG § 4
Nachwirkung Nr. 40).
48 cc) Die Vereinbarung der Parteien vom 1. März 2005 stellt hinsichtlich der betroffenen Regelungen
des MTV 2003 keine „andere Abmachung“ iSd. § 4 Abs. 5 TVG dar. Deshalb galten diese
Regelungen für das Arbeitsverhältnis der Parteien in der Zeit von April bis Juni 2006 weiter kraft
Nachwirkung.
49 (1) Der Gesetzeswortlaut zeigt, dass mit „andere Abmachung“ iSd. § 4 Abs. 5 TVG im
Allgemeinen eine Regelung gemeint ist, die nach Ende des Tarifvertrags im
Nachwirkungszeitraum vereinbart worden ist. Daraus ergibt sich aber nicht zwingend, dass eine
ablösende Abmachung nicht auch schon im Voraus getroffen werden kann, wenn es den Parteien
darum geht, für den unmittelbar bevorstehenden Nachwirkungszeitraum eine abweichende
Regelung zu treffen, auch wenn es dadurch dazu kommt, dass ein Tarifvertrag nach seinem
Ablauf überhaupt nicht nachwirkt iSv. § 4 Abs. 5 TVG. Notwendig für eine solche Abmachung ist
aber, dass sie von ihrem Regelungswillen darauf gerichtet ist, die unmittelbar bevorstehende
Nachwirkung eines beendeten Tarifvertrages zu beseitigen oder deren Eintritt zu verhindern (BAG
23. Februar 2005 - 4 AZR 186/04 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42 = EzA TVG § 3
Verbandsaustritt Nr. 2; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 789/07 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 37).
Sie löst die tariflichen Bestimmungen ab, wenn sie konkret und zeitnah vor dem bevorstehenden
Ablauf des Tarifvertrages die sich ansonsten aufgrund der Nachwirkung ergebende Situation
regelt.
50 (2) Die Vereinbarung der Parteien vom 1. März 2005 entspricht entgegen der Auffassung des
Landesarbeitsgerichts nicht diesen Vorgaben. Sie entspricht weder nach ihrem Regelungswillen
den Voraussetzungen einer „anderen Abmachung“ iSd. § 4 Abs. 5 TVG, noch wird mit ihr konkret
und zeitnah die bevorstehende, sich aufgrund der Nachwirkung ergebende Situation geregelt.
51 (a) Das Landesarbeitsgericht hat die Vereinbarung vom 1. März 2005 dahin ausgelegt, dass die
Parteien bei Vertragsschluss zumindest auch die Beseitigung der künftigen Nachwirkung des
MTV 2003 gewollt haben. Der Beklagten sei es aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation darum
gegangen, in jedem Fall eine Minderung der Lohnkosten zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu
erreichen. Die Klägerin habe dies offensichtlich wegen der bestehenden wirtschaftlichen
Schwierigkeiten und der Gefährdung ihres Arbeitsplatzes für die Zukunft akzeptiert. Beide Parteien
hätten daher eine Bindung für die Zukunft zum frühestmöglichen Zeitpunkt gewollt. Dieser Wille
erfasse auch den Fall, dass die Vereinbarung als Teil eines Bündnisses für Arbeit erst nach Ablauf
der Tarifbindung wirksam werden könne.
52 (b) Selbst wenn der Vereinbarung ein derartiger Regelungswillen entnommen werden könnte,
reicht dies für die Annahme einer „anderen Abmachung“ iSd. § 4 Abs. 5 TVG nicht aus.
53 (aa) Die Vereinbarung ist nicht zeitnah vor dem Ende des MTV 2003 getroffen worden, sondern
bereits 13 Monate vor dem 31. März 2006. Bei Abschluss der Vereinbarung am 1. März 2005 war
der MTV 2003 ungekündigt. Anhaltspunkte, dass die erst im Oktober 2005 erfolgte Kündigung des
MTV 2003 schon damals absehbar oder zu erwarten gewesen wäre, waren damals nach dem
unbestrittenen Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich. Auch die Beklagte hat keine dahin gehende
Behauptung aufgestellt.
54 (bb) Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, die Vereinbarung sei für eine
bevorstehende Nachwirkungsphase getroffen worden: Sie sollte vielmehr, was die Regelung im
Übrigen auch deutlich zeigt, die Rechtslage sofort - während des noch laufenden und verbindlichen
Tarifvertrages - ändern und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem noch gar nicht absehbar war, ob und
wann es zu einer Nachwirkung des MTV 2003 kommen würde. Die Vereinbarung lässt an keiner
Stelle erkennen, dass sie auf die Beseitigung oder Verhinderung der zukünftigen Nachwirkung des
MTV 2003 gerichtet war. Sie sollte ab dem 1. April 2005 wirksam werden, zu dem der MTV 2003
noch unmittelbar und zwingend galt und der Eintritt der Nachwirkung nicht vorhersehbar war. Eine
solche individualvertragliche Vereinbarung, die untertarifliche Abreden enthält und während der
zwingenden Geltung eines Tarifvertrags zur Anwendung kommen soll, ist deshalb regelmäßig
bereits nach ihrem Regelungswillen keine „andere Abmachung“ iSd. § 4 Abs. 5 TVG.
55 (cc) Die Situation im vorliegenden Fall ist damit eine grundlegend andere als diejenige, die dem
Urteil vom 23. Februar 2005 (- 4 AZR 186/04 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42 = EzA TVG § 3
Verbandsaustritt Nr. 2) zugrunde lag, auf das sich das Landesarbeitsgericht bezogen hat. Das
zeigt sich bereits daran, dass - anders als im vorliegenden Fall - im damaligen Fall dem Kläger die
Kündigung des Tarifvertrages, das Datum seines Endes und der bevorstehende Verbandsaustritt
der dortigen Beklagten bekannt gewesen waren. Auch das Urteil vom 17. Januar 2006 (- 9 AZR
41/05 - BAGE 116, 366) betrifft eine andere Situation, denn es bezieht sich auf die Auslegung einer
zeitdynamischen Bezugnahmeklausel auf die jeweiligen im Bereich des Einzelhandels geltenden
Tarifverträge. Vorliegend geht es dagegen um eine individualvertragliche Vereinbarung, in der
entgegen § 4 Abs. 3 TVG punktuelle Abweichungen von einem zum Vereinbarungszeitpunkt
zwingend geltenden und hinsichtlich seiner Beendigung nicht absehbaren Tarifvertrag vorgesehen
sind.
56 d) Die Klägerin hat nach § 15 Abs. 3 MTV 2003 für die Zeit von Januar bis Juni 2006 Anspruch auf
eine ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von 21,5 Stunden entsprechende anteilige Vergütung nach der
Gehaltsgruppe I (6. Berufsjahr) des GTV 2003. Hieraus ergibt sich ein Zahlungsanspruch über
372,35 Euro.
57 aa) Das anteilige tarifliche Entgelt (§ 10 Abs. 5 MTV 2003) lag für 21,5 Wochenstunden bei
1.138,64 Euro brutto monatlich. Die Klägerin begehrt indes zuletzt nur noch die Nachzahlung der
von ihr tatsächlich geleisteten Stunden, die über 20 Wochenstunden hinausgehen. Diese beziffert
sie mit 30,9 Stunden. Die Anzahl ist zwischen den Parteien unstreitig. Auf der Grundlage des
tariflichen Entgelts von 1.958,00 Euro brutto monatlich für 37,5 Stunden pro Woche ergibt sich ein
tariflicher Stundenlohn von 12,05 Euro brutto. Damit stehen der Klägerin für 30,9 Stunden noch
372,35 Euro brutto zu.
58 bb) Soweit die Klägerin einen weitergehenden Betrag begehrt, ist die Revision nicht erfolgreich. Die
Klägerin übersieht, dass ihr nach § 10 Abs. 5 MTV 2003 nur auf der Grundlage des tariflichen,
nicht des individuellen Entgelts Ansprüche zustehen. Vergütungspflichtige Überstunden hat sie
nicht geleistet, weil ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit durch die Vereinbarung vom 1. März
2005 wirksam auf - unter der tariflichen Wochenarbeitszeit liegende - 21,5 Stunden angehoben
worden ist.
59 e) Die Beklagte ist weiter verpflichtet, der Klägerin für das Urlaubsjahr 2006 noch zwei Urlaubstage
zusätzlich zu gewähren.
60 aa) Nach § 15 Abs. 3 MTV 2003 betrug der Urlaubsanspruch der Klägerin für das Urlaubsjahr
2006 30 Arbeitstage statt 28 nach der Vereinbarung der Parteien vom 1. März 2005.
61 bb) Der restliche Urlaubsanspruch der Klägerin von zwei Arbeitstagen für das Jahr 2006 ist zwar
nach § 15 Abs. 7 MTV 2003 mit Ablauf des Jahres 2006 untergegangen. Die Klägerin hat jedoch
von der Beklagten mit Schreiben vom 25. Juli 2006 und mit Klage noch im Kalenderjahr 2006 die
Erfüllung des Urlaubs verlangt. Deshalb befand sich die Beklagte beim Untergang des Anspruchs
am Jahresende 2006 in Verzug. Sie schuldet daher nach § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2,
§ 249 BGB Schadensersatz für den untergegangenen Erfüllungsanspruch in Form von
Ersatzurlaub (vgl. zur st. Rspr. BAG 18. Februar 2003 - 9 AZR 563/01 - BAGE 105, 141).
62 f) Die zuerkannten Zinsen ergeben sich aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
63 2. Ein Anspruch auf Zahlung von Urlaubsgeld für das Jahr 2006 besteht hingegen nicht. Insoweit
hat das Landesarbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen, sodass die Revision hinsichtlich
dieses Teilbetrags unbegründet ist.
64 a) Der Anspruch auf Urlaubsgeld ergibt sich nicht aus Abschnitt A § 1 Abs. 1 TV Sonderzahlung
1996. Der allgemeinverbindliche TV Sonderzahlung 1996 befand sich aufgrund seiner Kündigung
seit dem 1. Februar 2000 im Geltungszustand der Nachwirkung. Mit der Vereinbarung vom
1. März 2005 haben die Parteien hinsichtlich der Sonderzahlungen eine andere - wirksame -
Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG getroffen. Danach ist die Beklagte nicht verpflichtet, Urlaubsgeld
für das Jahr 2006 zu zahlen.
65 aa) Der TV Sonderzahlung 1996 fand ursprünglich aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit nach
§ 4 Abs. 1 TVG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Er wirkte nach seiner
Kündigung zum 31. Januar 2000 nur noch nach und war deshalb durch die Vereinbarung vom
1. März 2005 hinsichtlich der in diesem Tarifvertrag vorgenommenen Regelungen verschlechternd
abdingbar.
66 bb) Der in der Vereinbarung vom 1. März 2005 enthaltenen Abbedingung des Anspruchs auf
tarifliches Urlaubsgeld steht nicht entgegen, dass sich dort auch Regelungen finden, die im
Widerspruch zum damals noch zwingend geltenden MTV 2003 stehen. Entgegen der Ansicht der
Revision ist die Vereinbarung vom 1. März 2005 nicht deshalb insgesamt unwirksam.
67 (1) Die Revision meint, die Nachwirkung der in einem eigenständigen Tarifvertrag geregelten
Ansprüche auf Urlaubsgeld könne nicht durch eine nichtige Abmachung abgelöst werden. Die
Vereinbarung vom 1. März 2005 sei nichtig, weil sie nicht dahin ausgelegt werden könne, dass sie
zumindest hinsichtlich des nicht gegen § 4 Abs. 3 TVG verstoßenden Teiles aufrecht erhalten
bleiben solle.
68 (2) Dem folgt der Senat nicht. Dabei kann offenbleiben, ob der Verstoß der Vereinbarung vom
1. März 2005 über die Reduzierung des Urlaubsanspruchs und der Erhöhung der Arbeitszeit ohne
Lohnausgleich gegen § 4 Abs. 3 TVG, der nicht zu deren Nichtigkeit, sondern nur zu deren
Verdrängung durch die entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen führt (BAG 12. Dezember
2007 - 4 AZR 998/06 - Rn. 42 ff. mwN, AP TVG § 4 Nr. 29 mit Anm. Deinert = EzA TVG § 4
Nr. 44), im Zusammenhang des § 139 BGB mit einer Nichtigkeit der insoweit getroffenen
Vereinbarungen gleichzustellen ist. Auch wenn man dies annähme, würde es nicht zu einer
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung vom 1. März 2005 führen. Vielmehr ist nach § 139 BGB
davon auszugehen, dass die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Regelungen zur
Reduzierung des Urlaubsanspruchs und zur Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich eine
Vereinbarung lediglich zum Urlaubsgeld getroffen hätten. Nach den von der Revision nicht
angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ging es der Beklagten aufgrund ihrer
wirtschaftlichen Situation darum, in jedem Fall eine Minderung der Lohnkosten zu erreichen. Für
die Klägerin, die mit der Vereinbarung vom 1. März 2005 eine Abmachung zu ihren Ungunsten
akzeptiert hat, ist kein Grund ersichtlich, warum sie eine demgegenüber in der Niveauabsenkung
reduzierte Abmachung nicht akzeptiert haben sollte.
69 b) Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus Abschnitt A § 1 Abs. 1 TV Sonderzahlung
2006. Der genannte Tarifvertrag findet mangels beiderseitiger Tarifgebundenheit auf das
Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Die Beklagte ist aufgrund ihres wirksamen
Wechsels in die OT-Mitgliedschaft zum 1. November 2004 nicht mehr an den am 10. Februar
2006 abgeschlossenen Tarifvertrag gebunden.
70 aa) Mit Wirkung zum 1. November 2004 ist die Beklagte wirksam in eine OT-Mitgliedschaft
gewechselt.
71 (1) Der Senat hat die Anforderungen an eine Verbandssatzung, die einen Mitgliederstatus ohne
Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) tarifrechtlich wirksam bereitstellt, in der Entscheidung vom 4. Juni
2008 (- 4 AZR 419/07 - AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95) insbesondere dahingehend
konkretisiert, dass es nicht ausreicht, wenn die Satzung für die Mitglieder ohne Tarifbindung
lediglich die Rechtsfolge der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG abbedingt. Wegen des unter
dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie erforderlichen
Gleichlaufs von Verantwortlichkeit und Betroffenheit hinsichtlich tarifpolitischer Entscheidungen
muss die Satzung eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und
solchen ohne Tarifbindung vorsehen. Deshalb ist eine unmittelbare Einflussnahme von OT-
Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen nicht zulässig. Dies ist ua. dadurch
satzungsrechtlich abzusichern, dass OT-Mitglieder nicht in Tarifkommissionen entsandt werden
dürfen, den Verband im Außenverhältnis nicht tarifpolitisch vertreten sowie von der
Verfügungsgewalt über einen Streik- bzw. Aussperrungsfonds auszuschließen sind. Ferner ist
ihnen kein Stimmrecht bei Abstimmungen über die Festlegung von tarifpolitischen Zielen oder die
Annahme von Tarifverhandlungsergebnissen zu gewähren (BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 -
mwN, aaO).
72 (2) Entgegen der Auffassung der Revision erfüllt die Satzung des Einzelhandelsverbandes
Ostwestfalen-Lippe e.V. trotz sehr allgemein gehaltener Regelungen zur Trennung der Befugnisse
von OT- und Vollmitgliedern diese Anforderungen.
73 (a) In der Satzung ist in § 3 neben dem Erwerb der Mitgliedschaft mit Tarifbindung auch
ausdrücklich der Erwerb einer OT-Mitgliedschaft sowie der Wechsel von einer dieser Formen zur
anderen geregelt. Eindeutig geregelt ist darüber hinaus in § 5 Nr. 2 Satz 3 und 4 der Satzung, dass
in Tarifangelegenheiten Rechte und Pflichten nur für Mitglieder mit Tarifbindung bestehen und OT-
Mitglieder in Tarifangelegenheiten kein Stimmrecht haben.
74 (b) Betrachtet im gesamten Gefüge der Satzungsregelungen dieses Verbandes, die insgesamt
nicht durch eine hohe Regelungsdichte geprägt sind, wird mit den Regelungen in § 5 Nr. 2 Satz 3
und 4 der Satzung die erforderliche Kongruenz von Mitentscheidungsrecht und Bindung an die
Tarifabschlüsse hinreichend hergestellt.
75 (aa) Durch den Ausschluss des Stimmrechtes wird verhindert, dass OT-Mitglieder, die in ihrer
Funktion als Vorstände der regionalen oder örtlichen Vereinigungen, als Fachbeauftragte oder als
Mitglieder des Vorstands nach § 8 Nr. 2 der Satzung der Delegiertenversammlung angehören, an
Abstimmungen tarifpolitischer Art teilnehmen.
76 (bb) Da die Satzung die Einrichtung einer Tarifkommission oder eines sonstigen tarifpolitischen
Organs nicht vorsieht, bedurfte es auch keiner näheren Regelungen, die die Mitgliedschaft in
diesen Organen für OT-Mitglieder ausschließen oder den Verlust entsprechender Funktionen
regeln.
77 (cc) Soweit nach § 2 Nr. 1 Buchst. i) der Satzung die Möglichkeit besteht, dass die Mitglieder des
Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe e.V. durch Mitwirkung in den Gremien des
Landesverbandes einen unmittelbaren Einfluss auf tarifpolitische Entscheidungen haben, ist durch
§ 5 Nr. 2 Satz 3 der Satzung hinreichend sichergestellt, dass OT-Mitglieder hiervon
ausgeschlossen sind. Im Umkehrschluss ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass den OT-
Mitgliedern in Tarifangelegenheiten keine Rechte zustehen.
78 (dd) § 5 Nr. 2 Satz 3 der Satzung schränkt auch den in § 2 Nr. 1 Buchst. i) geregelten
Satzungszweck der Mitarbeit in den Organen und Gremien der Verbandsorganisation - zB
Beteiligung am Abschluss von Tarifverträgen in den Gremien des Landesverbandes - im Hinblick
auf die OT-Mitglieder ein.
79 (aaa) Dabei kann offenbleiben, ob die in § 2 Nr. 1 Buchst. i) der Satzung vorgesehene Mitarbeit in
den Organen und Gremien der Verbandsorganisation überhaupt unmittelbar durch einzelne
Mitglieder des Verbandes erfolgen kann oder ob hierzu lediglich der hauptamtlich tätige
Geschäftsführer, möglicherweise gemeinsam mit den ehrenamtlich tätigen Mitgliedern des
Vorstands, befugt ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die einzelnen Mitglieder befugt sind,
eine derartige Aktivität wahrzunehmen, wären nach § 5 Nr. 2 Satz 3 der Satzung die OT-Mitglieder
in Tarifangelegenheiten von diesem Recht im erforderlichen Umfang ausgeschlossen.
80 (bbb) Dies gilt auch, soweit die Mitarbeit in den Organen und Gremien des Landesverbandes, die
sich auf die Beteiligung am Abschluss von Tarifverträgen bezieht, von den Mitgliedern des
Vorstands wahrgenommen wird. Zwar sind die diesbezüglichen Regelungen in der Satzung nur in
geringem Umfang vorhanden, jedoch hängt das für den Gleichlauf von Verantwortlichkeit und
Betroffenheit zu verlangende Maß an Differenzierung in den Satzungsregelungen ua. von der
Regelungsdichte der Satzung insgesamt ab. Der Satzung des Einzelhandelsverbandes ist zu
entnehmen, dass auch OT-Mitglieder für den Vorstand passiv wahlberechtigt sind. Auch für solche
Vorstandsmitglieder gilt indes der in § 5 Nr. 2 Satz 3 der Satzung verankerte Grundsatz, nach dem
ihnen in Tarifangelegenheiten keine Rechte und Pflichten zustehen. Hierunter fallen sowohl die
Tarifangelegenheiten des Regional- als auch des Landesverbandes. Von den Aufgaben nach § 2
Nr. 1 Buchst. i) der Satzung sind sie damit im erforderlichen Umfang ausgeschlossen. Insoweit ist
es nicht erforderlich, dass der Ausschluss der Rechte von OT-Mitgliedern in Tarifangelegenheiten
in jeder einzelnen Norm der Satzung wiederholt wird. § 5 Nr. 2 Satz 3 der Satzung gilt
einschränkungslos und damit für alle in der Satzung geregelten Bereiche und Befugnisse.
81 (ee) Soweit § 2 Nr. 1 Buchst. j) der Satzung die Möglichkeit eröffnen sollte, dass auch OT-
Mitglieder beim Abschluss unternehmens- oder konzernbezogener Tarifverträge Betreuungs- oder
Beratungsaufgaben wahrnehmen können, würde dies zu keiner unzulässigen unmittelbare
Einflussnahme auf das tarifpolitische Geschehen führen. Denn dem Verband oder seinen
einzelnen tarifgebundenen Mitgliedern ist es auch nicht verwehrt, sich durch externe Dritte beraten
zu lassen, die an die tarifpolitischen Entscheidungen nicht gebunden sind (BAG 4. Juni 2008 -
4 AZR 419/07 - Rn. 39, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95) . Eine Verschiebung der
Verhandlungsparität ist dadurch nicht zu befürchten.
82 (ff) Aus dem Umstand, dass die Satzung für Mitglieder mit und ohne Tarifbindung die gleichen
Mitgliedsbeiträge vorsieht, ergibt sich nichts anderes. Es ist schon fraglich, ob sich ein
außenstehender Dritter auf etwa gleichheitswidrige Beitragspflichten berufen könnte
(offengelassen in BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - Rn. 58, BAGE 119, 103; 4. Juni 2008 - 4 AZR
419/07 - Rn. 31, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95). Jedenfalls ist die Erhebung gleicher
Mitgliedsbeiträge für Vollmitglieder und OT-Mitglieder dann gerechtfertigt, wenn die OT-Mitglieder
Beratung und Unterstützung bei Verhandlungen über einen Firmentarifvertrag in Anspruch nehmen
können (BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 31, aaO; Deinert RdA 2007, 83, 89). Hiervon ist
vorliegend auszugehen, da die in § 5 Nr. 1 Satz 2 und § 2 Nr. 1 Buchst. j) der Satzung genannten
Beratungsleistungen nicht auf tarifgebundene Mitglieder beschränkt sind. Der sich aus § 5 Nr. 2
Satz 3 der Satzung ergebende Ausschluss der Rechte der OT-Mitglieder in Tarifangelegenheiten
bezieht sich nach seinem Sinn und Zweck nur auf die Tarifangelegenheiten des Regional- und
Landesverbandes, nicht jedoch auf die auf den Abschluss eines Firmentarifvertrags gerichteten
Aktivitäten der OT-Mitglieder in eigenen Angelegenheiten.
83 (gg) Die Einrichtung oder Verwaltung eines Streik- oder Unterstützungsfonds ist nach der Satzung
des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe e.V. nicht vorgesehen. Dementsprechend
bedurfte es in der Satzung auch keiner weitergehenden Regelung über den Verlust
entsprechender Ämter bei der Verwaltung eines derartigen Fonds.
84 (3) Der Wechsel der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft ist auch vereinsrechtlich zum
1. November 2004 wirksam geworden. Nach § 3 Nr. 2 der Verbandssatzung bedarf es für den
Statuswechsel eines Antrags des Verbandsmitglieds und eines stattgebenden
Vorstandsbeschlusses. Nach den von der Revision nicht mehr angegriffenen bindenden
Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) lagen diese Voraussetzungen vor.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 20. September 2004 einen Antrag auf Wechsel in die OT-
Mitgliedschaft gestellt, der durch den Vorstand am 23. September 2004 angenommen worden ist.
Unter Einhaltung der in der Satzung für den Wechsel vorgesehenen Mindestfrist von einem Monat
zum Ende des Kalendermonats ist die Beklagte daher seit dem 1. November 2004 nur noch OT-
Mitglied im Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe e.V.
85 bb) Der TV Sonderzahlung 2006 ist erst am 10. Februar 2006 und damit nach diesem Wechsel der
Beklagten in die OT-Mitgliedschaft abgeschlossen worden. Die Beklagte ist deshalb nicht an den
TV Sonderzahlung 2006 gebunden und das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmt sich nicht
nach dessen Regelungen.
86 III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1, § 97 ZPO. Die Klägerin hat mit ihrer
Zahlungsklage zunächst 956,03 Euro brutto eingeklagt. Die gegen das klageabweisende Urteil des
Arbeitsgerichts eingelegte Berufung hat sie hinsichtlich der Zahlungsklage auf einen Betrag von
846,61 Euro beschränkt. Daher bedarf es einer getrennten Kostenentscheidung für die
verschiedenen Instanzen.
Bepler
Treber
Winter
Schmalz
Drechsler