Urteil des BAG vom 14.03.2017

BAG (mitgliedschaft, eintragung, kläger, konstitutive wirkung, bag, arbeitgeberverband, antrag, zeitpunkt, arbeitsverhältnis, wirkung)

Siehe auch:
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 26.8.2009, 4 AZR 294/08
Wechsel des Arbeitgebers in eine OT-Mitgliedschaft - Eintragung der diese Mitgliedschaft eröffnenden
Satzungsänderung in das Vereinsregister als Wirksamkeitserfordernis - Tarifauslegung - negative
Effektivklausel
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Hamm vom 31. Januar 2008 - 8 Sa 1129/07 - aufgehoben, soweit es auf die
Berufung des Klägers festgestellt hat, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den
arbeitsvertraglich vereinbarten Fahrtzuschuss mit der Tariflohnerhöhung zu
verrechnen:
Insoweit wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Bocholt vom 28. September 2006 - 3 Ca 323/06 - mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen wird.
2. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 32 %, die Beklagte 68 %
zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über tarifliche Vergütungsansprüche.
2 Der Kläger ist seit Februar 1997 als Auslieferungsfahrer im Großhandelsunternehmen der
Beklagten beschäftigt. Er erhält Entgelt nach der Lohngruppe V des Lohnrahmenabkommens
Großhandel-Außenhandel-Dienstleistungen NRW, zuletzt 1.869,45 Euro brutto. Seit dem 1. Juli
2005 ist er Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) .
3 Die Beklagte war ursprünglich im Unternehmens- und Arbeitgeberverband Großhandel-
Außenhandel-Dienstleistungen W e.V. (Arbeitgeberverband) Vollmitglied. Bei diesem war zunächst
die Möglichkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) nicht vorgesehen. Sie
wurde auf der Mitgliederversammlung des Verbandes am 23. November 2004 satzungsändernd
beschlossen. Die Satzungsänderung wurde am 26. Juli 2005 notariell beurkundet und am
22. August 2005 in das Vereinsregister eingetragen.
4 Mit Schreiben vom 24. Januar 2005 beantragte die Beklagte beim Arbeitgeberverband die
Aufnahme in die OT-Mitgliedschaft rückwirkend zum 1. Januar 2005. Mit Schreiben vom
17. Februar 2005 bestätigte dieser die OT-Mitgliedschaft der Beklagten ab dem 1. Januar 2005.
5 Zwischen der Tarifgemeinschaft Großhandel-Außenhandel-Dienstleistungen NRW, zu der auch
der Arbeitgeberverband gehört, und der Gewerkschaft ver.di wurden das Lohnabkommen vom
21. Juli 2005 (Lohnabkommen 2005) und das Gehaltsabkommen vom 21. Juli 2005
(Gehaltsabkommen 2005) geschlossen. Beide wurden ausdrücklich für die in der
Tarifgemeinschaft zusammengeschlossenen Verbände, die namentlich in den Abkommen
aufgeführt sind, geschlossen und traten - soweit hier von Bedeutung - am 1. April 2005 in Kraft.
Darin wurde der „tarifliche Mindestlohn“ bzw. das „tarifliche Monatsmindestgehalt“ (jeweils § 2 der
Abkommen) ab 1. September 2005 um jeweils 0,5 % angehoben. Nach § 4 des Lohnabkommens
2005 und nach § 5 des Gehaltsabkommens 2005 erhalten alle vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer
für September 2005 bis April 2006 einen monatlichen Festbetrag in Höhe von je 32,50 Euro,
insgesamt 260,00 Euro, fällig mit dem Monatsentgelt August 2005. Teilzeitbeschäftigte
Arbeitnehmer erhalten den Festbetrag anteilig entsprechend ihrer vereinbarten regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit.
6 Der Kläger begehrt mit seiner Klage - neben Feststellungen zur Anwendung des Lohnabkommens
2005 und zur Verrechenbarkeit der Tariflohnerhöhung mit bisherigen Entgeltbestandteilen - den
tariflichen Festbetrag von insgesamt 260,00 Euro brutto sowie für die Monate September bis
Dezember 2005 den Unterschiedsbetrag von monatlich 9,35 Euro brutto zwischen dem Tariflohn
der Lohngruppe V nach dem Lohnabkommen 2005 und dem zuvor geltenden Tariflohn.
7 Er hat die Ansicht vertreten, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde das Lohnabkommen 2005
Anwendung, da es noch während der Tarifgebundenheit der Beklagten in Kraft getretenen sei. Die
Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister besitze konstitutive Wirkung und eine
Rückwirkung der Eintragung auf den Zeitpunkt des satzungsändernden Beschlusses oder seiner
notariellen Beurkundung scheide aus Rechtsgründen aus.
8 Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 297,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem 1. März 2006 zu zahlen,
2. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Lohnabkommen für den
Groß- und Außenhandel NRW Anwendung findet und die Beklagte verpflichtet ist, den
in der Tabelle zu § 2 Lohnabkommen genannten Monatslohn zu zahlen,
3. weiter festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den arbeitsvertraglich
vereinbarten Fahrtzuschuss mit der Tariflohnerhöhung zu verrechnen.
9 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei ab
1. Januar 2005 als OT-Mitglied nicht mehr tarifgebunden. Aus diesem Grund finde das
Lohnabkommen vom 21. Juli 2005 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.
Spätestens am 22. August 2005 sei rückwirkend zum 24. Januar 2005 die Lossagung der
Beklagten von der Tarifbindung rechtswirksam geworden. Jedenfalls habe dem
Arbeitgeberverband mit Rücksicht auf die bereits beschlossene Satzungsänderung die
Rechtsvollmacht gefehlt, den Tarifvertrag auch mit Wirkung gegenüber den OT-Mitgliedern
abzuschließen. Außerdem sei in der Erklärung der Beklagten vom 24. Januar 2005 zum Wechsel
in eine OT-Mitgliedschaft in einem ersten Schritt der Austritt aus dem Arbeitgeberverband und in
einem zweiten Schritt der Verbandsbeitritt als OT-Mitglied enthalten. Sollte die Begründung der
OT-Mitgliedschaft unwirksam gewesen sein, verbleibe es jedenfalls bei dem wirksamen
Verbandsaustritt. Zumindest sei der Wechsel zur OT-Mitgliedschaft vor der erst mit
Fälligkeitszeitpunkt für den 1. September 2005 wirksam werdenden Tariflohnerhöhung erfolgt.
Schließlich fehle es bei Annahme der Tarifgeltung an den Voraussetzungen für das
Wirksamwerden einer Tariflohnerhöhung nach § 5 des Lohnabkommens 2005, da es sich bei der
vom Kläger bezogenen Zusatzleistung einer Fahrtpauschale nicht um eine Leistungszulage
handele.
10 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit
der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den
Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
11 Die Revision der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der
Klage überwiegend zu Recht stattgegeben.
12 A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Wechsel der
Beklagten in die OT-Mitgliedschaft erst nach Inkrafttreten des Tarifvertrags wirksam geworden
und damit nicht geeignet sei, die bereits eingetretene Tarifgebundenheit zu beseitigen. Der erst am
22. August 2005 vorgenommenen, konstitutiv wirkenden Eintragung der Satzungsänderung in das
Vereinsregister komme keine rückwirkende Bedeutung zu. Angesichts des ausdrücklich von den
Tarifvertragsparteien bestimmten Zeitpunkts des Inkrafttretens des Tarifvertrags am 1. April 2005
sei für die Tarifbindung ohne Bedeutung, dass die Erhöhung des Tarifentgelts erst ab dem Monat
September erfolge. Aus dem verbandsinternen - zunächst noch ohne satzungsgemäße
Grundlage - vereinbarten Statuswechsel zur OT-Mitgliedschaft folge auch keine Beschränkung
der Rechtsmacht des Verbands, einen Tarifvertrag für sämtliche Verbandsmitglieder
abzuschließen. Soweit § 5 des Lohnabkommens 2005 die Gewährung einer Lohnerhöhung daran
binde, dass die arbeitsvertragliche Gesamtvergütung - mit Ausnahme von Leistungszulagen - den
künftigen Tariflohn nicht überschreite, sei diese Regelung von der Regelungsmacht der
Tarifparteien zur Schaffung von Mindestarbeitsbedingungen nicht gedeckt und führe darüber
hinaus zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der betroffenen Arbeitnehmer.
Deshalb stehe dem Kläger unbeschadet der in § 5 des Lohnabkommens 2005 vorgesehenen
tariflichen Einschränkung die beanspruchte Tariflohnerhöhung zu. Eine Verrechnung der dem
Kläger zustehenden Tariflohnerhöhung mit dem arbeitsvertraglich vereinbarten Fahrtzuschuss
scheide aus. Maßgeblich dafür, ob ein Arbeitgeber aus Anlass einer Tariflohnerhöhung
arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütungsbestandteile (Zulagen oä.) verrechnen könne, sei der
Gesichtspunkt, ob mit der übertariflichen Leistung - nicht anders als mit dem Tariflohn -
Arbeitsentgelt im Sinne der synallagmatischen Gegenleistung für die geleistete Arbeit versprochen
sei oder ob mit dem betreffenden Vergütungsbestandteil andere, eigenständige Zwecke verfolgt
würden, wie dies etwa für Leistungsprämien oder Sozialzulagen zutreffe.
13 B. Die hiergegen gerichtete zulässige Revision der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen zu 1. und 2. zu Recht entsprochen. Die Revision hat
nur hinsichtlich des zuerkannten Feststellungsantrags zu 3. Erfolg, weil dieser Antrag als
unzulässig abzuweisen war.
14 I. Die Klage ist hinsichtlich der Anträge zu 1. und zu 2. zulässig und begründet.
15 1. Die Klage ist auch hinsichtlich des Antrages zu 2. zulässig.
16 a) Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Aufteilung und Erweiterung des anfänglichen
Antrags zu 2., mit der der Kläger zunächst die gerichtliche Feststellung angestrebt hatte, sein
Tarifgehalt in der Lohngruppe V des Lohnrahmenabkommens Großhandel-Außenhandel-
Dienstleistungen NRW betrage aufgrund der Tariferhöhung vom 21. Juli 2005 ab dem
1. September 2005 1.878,80 Euro brutto, in die Anträge zu 2. und 3. im Verlauf des
Berufungsverfahrens und nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist prozessrechtlich nicht zu
beanstanden. Weder handelt es sich um eine unzulässige Klageänderung in der Berufungsinstanz,
noch verstößt die Umstellung erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gegen § 67 Abs. 4
ArbGG.
17 aa) Mit der Antragsumstellung hat der Kläger an seinem ursprünglichen Klageziel nichts geändert,
er hat es lediglich in den neuen Anträgen inhaltlich präzisiert. Er hatte schon seinen ursprünglichen
Antrag damit begründet, dass die Beklagte teilweise an Beschäftigte Zahlungen in Höhe der
Tariferhöhung unter der Kennzeichnung als „Zulage“ leiste. Er wolle festgestellt wissen, dass die
Tariferhöhung zwingend zu zahlen und damit „vor einer Anrechnungsmaßnahme geschützt“ sei.
18 Dieses Ziel verfolgt er nunmehr mit seinen Anträgen zu 2. und 3. ohne inhaltliche Änderung. Im
erstgenannten Antrag geht es ihm um die Feststellung, dass das Lohnabkommen - womit nach
der Begründung das Lohnabkommen 2005 gemeint ist - auf das Arbeitsverhältnis der Parteien
anwendbar und die Beklagte zur Zahlung des Monatslohns nach der Tabelle in § 2 dieses
Lohnabkommens verpflichtet ist. Mit dem Antrag zu 3. will er die Feststellung erreichen, dass die
Beklagte nicht zur Verrechnung des arbeitsvertraglichen Fahrtzuschusses mit der
Tariflohnerhöhung berechtigt ist. Beide Anträge stützt er auf die Tatsachen, mit denen er seinen
ursprünglichen Antrag zu 2. begründet hat. Schon daraus wird deutlich, dass er mit der
Neuformulierung und Teilung nicht eine „Erweiterung“ des ursprünglichen Antrags (vgl. BAG
21. Februar 2006 - 3 AZR 77/05 - zu I der Gründe mwN, AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 4)
vorgenommen hat, sondern die von ihm begehrten Rechtsfolgen lediglich präzisiert und
redaktionell neu fasst.
19 bb) Auch § 67 Abs. 4 ArbGG steht der Zulässigkeit des neuen Antrags zu 2. nicht entgegen. Die
Beklagte verkennt schon, dass die Neufassung des anfänglichen Antrags zu 2. in den neuen
Anträgen zu 2. und 3. keine Klageänderung darstellt. Sie übersieht darüber hinaus, dass in der
Neufassung eines Antrags bereits deshalb nicht das Vorbringen neuer Angriffs- und
Verteidigungsmittel liegen kann, weil der Klageantrag stets den Angriff selbst darstellt und nicht
das Mittel dazu. Der Angriff selbst kann nicht wegen Verspätung zurückgewiesen werden (BAG
26. Februar 1986 - 7 AZR 503/84 - zu I 2 der Gründe mwN) .
20 b) Der Antrag zu 2. ist als Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.
21 aa) Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann der Kläger zugleich mit der Hauptklage - hier dem Klageantrag
zu Ziff. 1 - auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen
Rechtsverhältnisses klagen (BAG 24. April 1996 - 4 AZR 876/94 - zu I der Gründe, AP TVG § 1
Tarifverträge: Waldarbeiter Nr. 1) . Damit wird ein Element aus der Gesamtentscheidung
verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen. Grund hierfür ist die Eignung dieses
Elements, über den konkreten Einzelfall hinaus, der mit der Hauptklage entschieden wird,
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen. Eine
Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestehen des
entsprechenden Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag
beantwortet werden muss, aber darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten
Bedeutung haben kann. Diese Vorgreiflichkeit ersetzt die ansonsten notwendige Voraussetzung
eines Feststellungsinteresses (BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 20, BAGE 124, 240).
22 bb) Danach ist der Antrag zu 2. als Zwischenfeststellungsantrag zulässig. Er ist auf die
Feststellung der Anwendbarkeit des Lohnabkommens 2005 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien
und auf die Zahlung des Monatslohns nach der Tabelle in § 2 dieses Lohnabkommens gerichtet.
Dies festzustellen ist ein Element der Hauptklage im Antrag zu 1. und damit diesem vorgreiflich.
Es ist zugleich für die weitere Abwicklung des Arbeitsverhältnisses der Parteien von Bedeutung.
23 2. Die Klage ist hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. auch begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der
Parteien findet das Lohnabkommen 2005 für den Groß- und Außenhandel NRW Anwendung und
die Beklagte ist verpflichtet, den in der Tabelle zu § 2 dieses Lohnabkommens genannten
Monatslohn zu zahlen. Sie ist zur Zahlung des tariflichen Festbetrags von insgesamt 260,00 Euro
brutto sowie für die Monate September bis Dezember 2005 des monatlichen Unterschiedsbetrags
in Höhe 9,35 Euro brutto, also insgesamt 297,40 Euro brutto nebst Zinsen, verpflichtet.
24 a) Das Lohnabkommen 2005 gilt gemäß § 4 Abs. 1 TVG für die Parteien kraft beiderseitiger
Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend. Die tarifrechtliche Wirksamkeit eines Wechsels der
Beklagten von der Verbandsvollmitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft scheitert bereits daran,
dass die vereins- und satzungsrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen hierfür fehlen.
25 aa) Der Kläger war in dem Zeitraum, für den er Rechte aus dem Lohnabkommen 2005 in
Anspruch nimmt, nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Er ist seit dem 1. Juli 2005 Mitglied der
Gewerkschaft ver.di.
26 bb) Die Beklagte war im Zeitpunkt des Abschlusses des Lohnabkommens 2005 am 21. Juli 2005
Mitglied mit Tarifbindung im Arbeitgeberverband und ist damit an dieses Lohnabkommen
gebunden. Die Satzung des Arbeitgeberverbands sah bei Abschluss des Lohnabkommens noch
nicht wirksam die Möglichkeit der OT-Mitgliedschaft vor, so dass die Beklagte eine solche
Mitgliedschaft durch ihre Erklärung vom 24. Januar 2005 auch nicht begründen konnte. Diese
Erklärung kann zudem nicht dahingehend ausgelegt oder gar umgedeutet werden, dass die
Beklagte vorübergehend oder gänzlich aus dem Verband ausgetreten ist.
27 (1) Im maßgebenden Zeitpunkt des Abschlusses des Lohnabkommens 2005 am 21. Juli 2005 war
die Beklagte noch nicht wirksam von der bisherigen Vollmitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft
des Arbeitgeberverbandes gewechselt.
28 (a) Maßgebend für die Feststellung der Tarifgebundenheit ist der Zeitpunkt der wirksamen und
verbindlichen Tarifvereinbarung (BAG 19. September 2007 - 4 AZR 711/06 - Rn. 26, BAGE 124,
123) , also der Zeitpunkt des Abschlusses des Lohnabkommens 2005 am 21. Juli 2005. Demnach
steht der Tarifgebundenheit der Beklagten entgegen ihrer Auffassung von vornherein nicht
entgegen, dass die Tariferhöhung aus diesem Lohnabkommen erst zum 1. September 2005 fällig
geworden ist.
29 (b) Zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses am 21. Juli 2005 war die Beklagte noch nicht in eine OT-
Mitgliedschaft gewechselt. Der Arbeitgeberverband hat die Möglichkeit, in eine Mitgliedschaft ohne
Tarifbindung zu wechseln, wirksam erst mit Eintragung der Satzungsänderung in das
Vereinsregister am 22. August 2005 eingeführt. Bei Abschluss des Lohnabkommens 2005
mangelte es dem Verband an einer wirksamen satzungsmäßigen Grundlage für eine OT-
Mitgliedschaft. Ohne eine solche Grundlage konnte die Beklagte nicht wirksam von der bisherigen
Vollmitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft wechseln.
30 (aa) § 3 Abs. 1 TVG bestimmt, dass die Mitglieder der tarifschließenden Verbände an einen
Tarifvertrag, den der Verband schließt, gebunden sind. Zur Tarifgebundenheit bedarf es keiner
ausdrücklichen Unterwerfungserklärung der Verbandsmitglieder. Hierfür genügt der
Verbandsbeitritt. Darin kommt der Wille zum Ausdruck, an die vom Verband geschlossenen
Tarifverträge als dessen Mitglied gebunden zu sein. Tarifautonomie als kollektive Privatautonomie
gründet sich entscheidend auf diese mitgliedschaftliche Legitimation (vgl. BAG 18. Juli 2006 -
1 ABR 36/05 - mwN, BAGE 119, 103) .
31 (bb) Arbeitgeberverbände sind aufgrund der ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG verliehenen
Satzungsautonomie (BVerfG 1. März 1979 - 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL
21/78 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 50, 290, 367) grundsätzlich befugt, in ihren Satzungen eine
Mitgliedschaft ohne Tarifbindung vorzusehen. Eine solche Regelung widerspricht im Grundsatz
weder einfachem Recht noch Verfassungsrecht (BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - BAGE 119,
103; 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 26, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95) .
32 (cc) Die Begründung einer OT-Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband setzt aber voraus, dass
es für diese Mitgliedschaftsform zu dem Zeitpunkt, in dem ein bisheriges Vollmitglied eine OT-
Mitgliedschaft begründen will, eine wirksame satzungsmäßige Grundlage gibt. Das erfordert, dass
eine dahin gehende Satzungsänderung bereits in das Vereinsregister eingetragen ist, wobei die
Eintragung nicht auf den Tag der Beschlussfassung zurückwirkt. Erst dann, wenn ein
Arbeitgeberverband in seiner Satzung die Möglichkeit einer Mitgliedschaft ohne die Folge der
Tarifgebundenheit wirksam vorsieht, sind die Mitglieder, die von dieser Möglichkeit Gebrauch
machen, keine Mitglieder iSv. § 3 Abs. 1 TVG.
33 (aaa) Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 BGB bedürfen Änderungen der Satzung, für die zunächst ein
Beschluss der Mitgliederversammlung (§ 32 Abs. 1 iVm. § 33 BGB) oder eines nach § 40 BGB
zuständigen Organs erforderlich ist, zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung in das Vereinsregister.
Bereits nach dem Gesetzeswortlaut wirkt diese Eintragung konstitutiv (vgl.
Bamberger/Roth/Schwarz/Schöpflin 2. Aufl. BGB § 71 Rn. 1; MünchKommBGB/Reuter 5. Aufl.
§ 71 Rn. 1); erst mit ihr wird die Satzungsänderung integrierter Bestandteil der Satzung (vgl. BGH
3. März 1971 - KZR 5/70 - BGHZ 55, 381) . Eine zwar beschlossene, aber nicht in das
Vereinsregister eingetragene Satzungsänderung ist sowohl für das Verhältnis des Vereins zu
Dritten wie für das interne Vereinsleben ohne Wirkung (BGH 17. Januar 1957 - II ZR 239/55 -
BGHZ 23, 122) .
34 (bbb) Entgegen der Auffassung der Beklagten wirkt die Eintragung einer Satzungsänderung in das
Vereinsregister nicht auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung hierüber zurück. Auch der Hinweis
darauf, eine noch nicht eingetragene Satzungsänderung könne praktiziert werden, die Auffassung,
Beschlüsse eines Vereins stünden unter der aufschiebenden Bedingung des Wirksamwerdens der
Satzungsänderung durch Eintragung in das Vereinsregister sowie die Behauptung, zumindest im
Innenverhältnis des Verbandes sei eine Satzungsänderung mit Rückwirkung zulässig, verhelfen
der Revision nicht zum Erfolg.
35 Dem steht bereits die konstitutive Wirkung der Eintragung von Satzungsänderungen in das
Vereinsregister entgegen. Zudem erzeugt die vorliegende Satzungsänderung über die Einführung
einer OT-Mitgliedschaft wegen ihres Einflusses auf die Tarifgebundenheit der Verbandsmitglieder
nach § 3 Abs. 1, Abs. 3 TVG und ihrer damit verbundenen Einwirkung auf den Umfang der
Normsetzungsbefugnis beider Tarifvertragsparteien eine derartige Wirkung nach außen, dass
hierin nicht rückwirkend eingegriffen werden kann (dazu auch BAG 22. November 2000 - 4 AZR
688/99 - AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 20 = EzA TVG § 3 Nr. 20) .
36 Die Beklagte kann sich für ihren Rechtsstandpunkt zur Rückwirkung auch nicht die auf die
Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 18. Februar 1998 stützen. Das
Oberlandesgericht hat im Ergebnis dahinstehen lassen, ob die dortige Satzungsänderung mit der
Eintragung im Vereinsregister rückwirkend wirksam wurde. Es hat aber zu Recht darauf
hingewiesen, dass eine Rückwirkung der Eintragung sich nicht mit ihrer vom Gesetz
angeordneten konstitutiven Wirkung vereinbaren lasse (OLG München 18. Februar 1998 - 3 U
4897/97 - zu I 2 der Gründe, NJW-RR 1998, 966) . Soweit es weiter angenommen hat,
Beschlüsse des Vereins stünden in der Regel unter der aufschiebenden Bedingung ihrer
Eintragung (OLG München zu I 2 der Gründe, aaO) , stützt das die Rechtsansicht der Beklagten
nicht, weil damit nichts über eine Rückwirkung der Eintragung auf den Zeitpunkt der
Beschlussfassung ausgesagt wird.
37 (dd) Die Beklagte konnte daher mangels wirksamer satzungsmäßiger Grundlage im Januar 2005
nicht sofort eine OT-Mitgliedschaft im Verband begründen. Erst mit der Eintragung der
Satzungsänderung in das Vereinsregister als Wirksamkeitserfordernis am 22. August 2005 wurde
der aufgrund der neuen Satzung beantragte und bestätigte Wechsel der Beklagten in die OT-
Mitgliedschaft wirksam. Damit war die Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Lohnabkommens 2005 am 21. Juli 2005 noch tarifgebunden. Ihr späterer Wechsel in die OT-
Mitgliedschaft führte dann nicht mehr zum Wegfall ihrer Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 3 TVG) .
38 (2) Die mit Schreiben vom 24. Januar 2005 abgegebene Erklärung der Beklagten kann auch nicht
als Verbandsaustritt vor Abschluss des Lohnabkommens bewertet werden.
39 Die Auffassung der Beklagten, der mit Schreiben vom 24. Januar 2005 beantragte Wechsel
zwischen Verbandsmitgliedschaftsformen enthalte als ersten Rechtsakt einen vorübergehenden
Verbandsaustritt und sei als solcher auch vom Arbeitgeberverband mit Schreiben vom 17. Februar
2005 angenommen worden, ist verfehlt. Die Beklagte spaltet nicht nur einen einheitlichen
Lebensvorgang künstlich auf. Sie entnimmt ihrem Schreiben darüber hinaus einen
Regelungswillen, der in seinen Rechtsfolgen (Austritt aus dem Verband statt bloßem
Statuswechsel) weit über das hinausgeht, was in diesem Schreiben nicht zum Ausdruck kommt.
Aus diesem Grund scheidet auch eine Umdeutung der Vereinbarung über den Statuswechsel in
eine Vereinbarung über einen sofortigen Austritt aus, deren satzungsmäßige
Wirksamkeitsvoraussetzungen die Beklagte im Übrigen auch nicht dargelegt hat.
40 cc) Die Bindung beider Parteien an das Lohnabkommen 2005 lässt sich auch nicht mit dem
Einwand der Revision in Frage stellen, der Arbeitgeberverband habe bei Abschluss des
Lohnabkommens ohne Vollmacht der Beklagten gehandelt. Einer solchen individuellen
Bevollmächtigung zum Tarifabschluss bedurfte es nicht. Die Beklagte war zum Zeitpunkt des
Abschlusses des Lohnabkommens 2005 Vollmitglied des Arbeitgeberverbandes und unterlag als
solches nach § 3 Abs. 1 TVG der Tarifbindung an diesen Tarifvertrag. Bei beiderseitiger
Tarifgebundenheit folgt daraus nach § 4 Abs. 1 TVG die normative Wirkung im einzelnen
Arbeitsverhältnis, die nicht zur Disposition einer Tarifvertragspartei oder von deren Mitgliedern
steht (vgl. BAG 22. November 2000 - 4 AZR 688/99 - AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 20 =
EzA TVG § 3 Nr. 20) .
41 b) Den nach alledem auf das Lohnabkommen 2005 zu stützenden Klageforderungen steht
entgegen der Auffassung der Beklagten § 5 Nr. 1 Satz 1 des Lohnabkommens 2005 nicht
entgegen. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt. Der begehrte
Festbetrag wird bereits von § 5 Nr. 1 Satz 1 Lohnabkommen 2005 nicht erfasst. Hinsichtlich des
geltend gemachten Unterschiedsbetrags entfaltet die Klausel keine Wirksamkeit.
42 aa) § 5 des Lohnabkommens 2005 lautet:
1. Aus Anlass des Inkrafttretens dieses Lohnabkommens tritt eine Lohnerhöhung nur für
diejenigen Arbeitnehmer ein, die bisher einschließlich etwaiger Zulagen einen
niedrigeren Lohn erhielten als den in diesem Lohnabkommen vereinbarten
Tarifmindestlohn. Leistungszulagen bleiben davon unberührt. [...]
2. Durch das Inkrafttreten dieses Lohnabkommens werden rechtmäßig vereinbarte
Löhne, die über dem neuen Tarifmindestlohn liegen, nicht berührt. [...]“
43 bb) Das Landesarbeitsgericht hat diese Klausel dahin ausgelegt, nach ihr solle die vereinbarte
Tariflohnerhöhung nicht sämtlichen Arbeitnehmern zustehen, sondern nur denjenigen, die die
Voraussetzungen des § 5 des Lohnabkommens 2005 erfüllten. Nur dann, wenn die
arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung hinter der Tarifvergütung zurückbleibe, könne letztere
überhaupt beansprucht werden. Diese Klausel zur Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen
sei unwirksam, da sie eine sachlich nicht gerechtfertigte und damit willkürliche
Ungleichbehandlung darstelle.
44 cc) Es kann dahinstehen, ob dieses Verständnis von § 5 Nr. 1 Satz 1 des Lohnabkommens 2005
zutreffend ist. Jedenfalls erfasst die Norm bereits nach ihrem Anwendungsbereich nicht den
monatlichen Festbetrag nach § 4 des Lohnabkommens 2005.
45 Der Wortlaut von § 5 Nr. 1 Satz 1 des Lohnabkommens 2005 stellt auf „den in diesem
Lohnabkommen vereinbarten Tarifmindestlohn“ ab, der in § 2 des Lohnabkommens 2005 geregelt
ist. Nur auf diesen bezieht sich die Regelung. Damit sind die in § 4 des Lohnabkommens 2005
geregelten Festbeträge, die nicht zum „Tarifmindestlohn“ nach § 2 des Lohnabkommens 2005
gehören, nicht erfasst. Zudem zeigt der Wortlaut durch Verwendung der Begriffe „Lohnerhöhung“
und „Zulagen“ sowie durch den Bezug zum „Tarifmindestlohn“, dass nur monatlich
wiederkehrendes Entgelt unter die Regelung in § 5 Nr. 1 Satz 1 des Lohnabkommens 2005 fällt.
Pauschalleistungen - wie hier die monatlichen Festbeträge - sind keine Lohnzahlungen in diesem
Sinne und damit nicht erfasst. Auf sie besteht im Geltungsbereich des Lohnabkommens 2005 ein
Anspruch, ohne dass es auf Inhalt und Wirksamkeit des § 5 Abs. 1 Lohnabkommen 2005 im
Einzelnen ankommt.
46 dd) Der Kläger hat neben dem Anspruch auf Zahlung des Festbetrags von 260,00 Euro brutto
nach § 4 Lohnabkommen 2005 aber auch Anspruch auf den neuen Tarifmindestlohn nach § 2
Lohnabkommen 2005, woraus sich für ihn der begehrte monatliche Differenzbetrag von 9,35 Euro
brutto ergibt. Auch dem steht § 5 Nr. 1 Lohnabkommen 2005 nicht entgegen.
47 (1) Es ist zweifelhaft, welches Regelungsziel die Tarifvertragsparteien mit § 5 Nr. 1
Lohnabkommen 2005 verfolgen. Einer abschließenden Entscheidung insoweit bedarf es aber
nicht, weil keine der denkbaren Auslegungsvarianten der hier behandelten Klageforderung
entgegensteht.
48 (a) Nach dem Wortlaut der Bestimmung kommt zunächst das wohl auch vom
Landesarbeitsgericht zu Grunde gelegte Verständnis der Bestimmung als besondere
Geltungsbereichsregelung in Betracht. Die im Tarifvertrag vorgesehene Erhöhung des
Tarifmindestlohnes gilt nur für die Arbeitnehmer die bei Inkrafttreten des Lohnabkommens 2005
nach Maßgabe des § 5 Nr. 1 einen niedrigeren als den Tarifmindestlohn zu beanspruchen hatten.
Versteht man die Klausel in diesem Sinne, was voraussetzt, dass man das Wort „Lohnerhöhung“
im ersten Halbsatz mit der Erhöhung des Tarifmindestlohnes gleichsetzt, ist sie unwirksam. Sie
verstößt gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) . Es ist kein sachlich vertretbarer Grund
erkennbar (zu diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab BAG 6. Dezember 2006 - 4 AZR
798/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 120, 281, 287) , den neuen, für Tarifgebundene zwingend wirkenden
tariflichen Mindestlohn Arbeitnehmern nur deshalb vorzuenthalten, weil sie derzeit aufgrund
privatautonomer Regelungen effektiv mehr als diesen Mindestlohn verdienen, während anderen
Arbeitnehmern dieser unabdingbare Mindestlohn eingeräumt wird.
49 (b) Näher liegt ein Verständnis, das den Begriff der „Lohnerhöhung“ im ersten Halbsatz mit der
Erhöhung des Effektivlohns gleichsetzt, die Bestimmung also als sogenannte negative
Effektivklausel begreift. Der bisher ausgezahlte Lohn einschließlich etwaiger Zulagen - mit
Ausnahme von Leistungszulagen - wird mit dem neu vereinbarten Tarifmindestlohn verglichen; nur
wenn letzterer höher ist, kommt es zu einer effektiven Lohnerhöhung als „Mehr“ an Auszahlung.
Auf diese Weise werden Beträge, die bisher als außertarifliche Zulagen gezahlt wurden, in Höhe
der Tariflohnerhöhung zu tariflich begründeten Entgeltbestandteilen. Auch in dieser
Auslegungsvariante ist § 5 Nr. 1 Lohnabkommen 2005 aber unwirksam. Sie verstößt zwar nicht
unmittelbar gegen grundgesetzliche Gebote, aber gegen die dem Günstigkeitsprinzip des § 4
Abs. 3 TVG zu entnehmende Grenze der tariflichen Regelungsmacht: Die Tarifvertragsparteien
dürfen nach § 4 Abs. 3 TVG grundsätzlich ihre Arbeitsbedingungen nicht gleichzeitig zu Höchst-
und Mindestarbeitsbedingungen machen (vgl. BAG 26. April 1961 - 4 AZR 501/59 - AP TVG § 4
Effektivklausel Nr. 5; Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 387 mwN) . Der außertarifliche Bereich ist
weder in die eine noch in die andere Richtung tarifierbar.
50 (2) Dass § 5 Nr. 1 Lohnabkommen 2005 nach alledem unwirksam ist, ändert nichts daran, dass
die Beklagte im Rahmen der allgemeinen Regeln des Arbeitsvertrags- und des
Betriebsverfassungsrechts (vgl. hierzu nur BAG 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - BAGE 69, 134,
161 ff.; ErfK/Preis 9. Aufl. § 611 BGB Rn. 419 ff. mwN) die Möglichkeit hat, Tarifentgelterhöhungen
mit bis dahin gezahlten übertariflichen Lohnbestandteilen, insbesondere außertariflichen Zulagen,
zu verrechnen, wenn dem nicht eine besondere Zweckbestimmung dieser Leistung
entgegensteht. Insoweit bedarf es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts in einigen
Parallelsachen aber zumindest dann auch eines dahingehenden Arbeitgeberverhaltens, wenn es
um einen gesondert ausgewiesenen übertariflichen Entgeltbestandteil geht. Wer eine zusätzliche
Leistung besonders kennzeichnet und als solche gewährt, muss gegenüber dem Begünstigten
zum Ausdruck bringen, ob er von einer etwa bestehenden Möglichkeit Gebrauch machen will,
diese gesonderte Leistung nur noch in verringertem Umfang oder auch gar nicht mehr zu
erbringen. Dies folgt auch aus der in der Mehrzahl erforderlichen Mitbestimmung des Betriebsrats
nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, die an eine beabsichtigte Arbeitgebermaßnahme anknüpft. Der
Senat sieht keinen Anlass, von der überkommenen Rechtsprechung in diesem Punkt (vgl. zB
BAG 14. Mai 1975 - 5 AZR 197/74 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 85 = EzA BGB § 611
Gratifikation, Prämie Nr. 44; 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - BAGE 69, 134, 139 ff.; 22. September
1992 - 1 AZR 405/90 - BAGE 71, 180, 185; unklar noch BAG 10. März 1982 - 4 AZR 540/79 -
BAGE 38, 118, 122) abzuweichen, zumal Anhaltspunkte für eine anderweitige Abrede (vgl. etwa
BAG 8. März 1995 - 10 AZR 390/94 - zu II 1 c der Gründe) nicht ersichtlich sind.
51 c) Die Klage ist auch hinsichtlich des Antrags zu 2. begründet.
52 Nachdem das Lohnabkommen 2005 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet und
dessen § 5 Nr. 1 Satz 1 dem Zahlungsanspruch nicht entgegensteht, hat das Landesarbeitsgericht
auch zu Recht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den in der Tabelle zu § 2 des
Lohnabkommens 2005 genannten Monatslohn zu zahlen.
53 II. Die Revision der Beklagten ist demgegenüber begründet, soweit sie sich gegen die
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Antrag zu 3. richtet. Der Antrag ist entgegen der
Auffassung des Landesarbeitsgerichts unzulässig, weshalb die klageabweisende Entscheidung
des Arbeitsgerichts in diesem Punkt mit der Maßgabe wiederherzustellen war, dass die Klage
insoweit als unzulässig abgewiesen wird.
54 Der Antrag des Klägers festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, „den arbeitsvertraglich
vereinbarten Fahrtzuschuss mit der Tariflohnerhöhung zu verrechnen“, ist unzulässig, weil dem
Kläger hierfür das erforderliche Rechtsschutzinteresse nicht zur Seite steht. Die Beklagte hat eine
Verrechnung oder Anrechnung von Fahrtzuschuss und Tariflohnerhöhung bisher nicht
vorgenommen. Auch aus dem prozessualen Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht ablesen,
dass eine solche Maßnahme aktuell beabsichtigt ist. Soweit die Beklagte für den Fall der
Tarifgeltung anführt, der Kläger habe „keinen echten Vergütungszuwachs“ zu erwarten, weil sein
Lohn einschließlich etwaiger Zulagen bereits erheblich über dem neuen Tarifgehalt liege, bezieht
sich dies offensichtlich nur auf die Anwendung von § 5 Nr. 1 des Lohnabkommens 2005. Ob die
Beklagte nach Kenntnis der Rechtslage, wie sie sich nach der Senatsentscheidung darstellt, eine
Anrechnung vornehmen wird, ist jedenfalls derzeit nicht absehbar.
55 III. Die Kosten des Rechtsstreits sind gemäß § 92 Abs. 1 ZPO anteilig nach dem Verhältnis des
Obsiegens und Unterliegens zu teilen.
Bepler
Treber
Winter
Hannig
Hardebusch