Urteil des BAG vom 17.02.2014

Terminsgebühr - kein stattgefundener Gerichtstermin

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 17.2.2014, 10 AZB
81/13
Terminsgebühr
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss
des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. November
2013 - 13 Ta 503/13 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 450,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1 I. Der Kläger begehrt die Festsetzung einer Terminsgebühr für ein Berufungsverfahren, in
dem kein Gerichtstermin stattgefunden hat und dessen Streitgegenstände in einem
anderen Rechtsstreit erledigt und bei der Festsetzung der dort angefallenen
Terminsgebühr erhöhend berücksichtigt wurden.
2 In einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Wesel (im Folgenden: Verfahren B) hatte der
Kläger ua. Ansprüche auf Arbeitsvergütung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs
erhoben. Das Arbeitsgericht Wesel erkannte durch Urteil vom 28. März 2012 (- 3 Ca
3086/11 -) - soweit von Interesse - nach Klageantrag. Nachdem die Beklagte am 5. Juli
2012 Berufung eingelegt hatte, bestimmte das Landesarbeitsgericht Termin zur
Berufungsverhandlung auf den 13. November 2012. Mit einer weiteren am 9. Juli 2012
rechtshängig gewordenen Klage (im Folgenden: Verfahren A) machte der Kläger
unterdessen vor dem Arbeitsgericht Wesel (- 6 Ca 1698/12 -) weitere Ansprüche geltend.
In beiden Verfahren wurde der Kläger durch denselben Prozessbevollmächtigten
vertreten. Im Verfahren A ließen die Parteien, nachdem sie auf Anraten des Gerichts
Verhandlungen geführt hatten, in dem Termin vom 26. Oktober 2012 beim Arbeitsgericht
Wesel einen Vergleich protokollieren. Darin erledigten sie sowohl das Verfahren A als
auch das Verfahren B. Bezüglich der Kostentragung für das Verfahren B wurde keine
Regelung getroffen.
3 Nachdem das Landesarbeitsgericht daraufhin im Verfahren B den auf den 13. November
2012 bestimmten Termin zur Berufungsverhandlung aufgehoben hatte, verteilte es durch -
nach § 91a ZPO ergangenen - Beschluss vom 11. Januar 2013 (- 8 Sa 1242/12 -) die
Kosten des Verfahrens B für den ersten Rechtszug im Verhältnis 21 % (Kostenlast des
Klägers) zu 79 % (Kostenlast der Beklagten) und erlegte die Kosten des
Berufungsverfahrens der Beklagten vollständig auf.
4 Mit Antrag vom 7. April 2013 hat der Kläger die Festsetzung der ihm in der
Berufungsinstanz des Verfahrens B entstandenen Kosten begehrt, ua. die Festsetzung
einer Terminsgebühr in Höhe von 450,00 Euro.
5 Mit Beschluss vom 22. Juli 2013 hat das Arbeitsgericht - soweit von Interesse - für das
Verfahren A eine Terminsgebühr aus dem Streitwert der Verfahren A und B festgesetzt.
Die Festsetzung einer Terminsgebühr für das Verfahren B hat das Arbeitsgericht
abgelehnt, da im Verfahren B vor dem Landesarbeitsgericht kein Termin stattgefunden
habe. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers
zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
6 II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Eine Terminsgebühr für das
Verfahren B ist in der Berufungsinstanz nicht angefallen.
7 1. Die Voraussetzungen der Entstehung von Terminsgebühren sind in der
Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG geregelt. Die Vorschrift lautet:
„Die Terminsgebühr entsteht sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen
Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und
Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Sie entsteht jedoch nicht für die
Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins nur zur Verkündung einer
Entscheidung. Die Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen
entsteht für
1. die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen
anberaumten Termins und
2. die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung
des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem
Auftraggeber.“
8 2. Keine dieser Voraussetzungen ist für das Verfahren B gegeben.
9 a) Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat diesen im Berufungsverfahren in keinem
gerichtlichen Termin vertreten.
10 b) Auch eine Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen ist nicht
entstanden. Ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers an außergerichtlichen Terminen
und Besprechungen im Verfahren A teilgenommen und dabei auch die im Verfahren B
gegenständlichen Streitpunkte erörtert hat - was naheliegt -, kann dahinstehen. Diese
Verhandlungen bezogen sich auf das Verfahren A und lösten die dort angefallene und
festgesetzte Terminsgebühr aus. Die Einbeziehung der Gegenstände des Verfahrens B
führte im Verfahren A zu einer Erhöhung des Streitwerts und damit auch zu einer
Erhöhung der Terminsgebühr. Mit dieser Erhöhung ist die Tätigkeit des Rechtsanwalts im
Verfahren A, soweit sie Gegenstände des Verfahrens B betraf, abgegolten. Das folgt
bereits aus dem Grundsatz, dass sich die Vergütung nach dem Wert der anwaltlichen
Tätigkeit berechnet (§ 2 Abs. 1 RVG). Da jede Tätigkeit einem Gebührentatbestand
zugeordnet ist, ist der für die Gebühren maßgebliche Wert der Tätigkeit nach ihrem
jeweiligen Gegenstand zu bemessen. Die Gebühr für eine bestimmte Tätigkeit kann
demnach nur einmal und zwar in eben der Höhe anfallen, die sich aus dem für die
Tätigkeit maßgeblichen Gebührenstreitwert ergibt.
11 3. Die Behandlung von Streitgegenständen in gerichtlichen oder außergerichtlichen
Terminen eines Verfahrens, in dem sie nicht anhängig sind, führt nicht nach Nr. 3104
Abs. 2 VV RVG zu einer eigenen Terminsgebühr in dem Verfahren, in dem sie (die
einbezogenen Gegenstände) anhängig sind. Eine Terminsgebühr fällt nur in dem
Verfahren an, in dem ein gerichtlicher oder außergerichtlicher Termin iSd.
Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG stattgefunden hat. Nr. 3104 Abs. 2 VV RVG ist kein
eigener Gebührentatbestand für das einbezogene Verfahren (hier: Verfahren B), sondern
regelt lediglich für bestimmte Fälle die teilweise Anrechnung der im einbeziehenden
Verfahren (hier: Verfahren A) entstandenen Gebühr auf eine anderweitig entstandene
Terminsgebühr im einbezogenen Verfahren (hier: Verfahren B).
12 a) Die Vorschrift lautet:
„Sind in dem Termin auch Verhandlungen zur Einigung über in diesem Verfahren
nicht rechtshängige Ansprüche geführt worden, wird die Terminsgebühr, soweit sie
den sich ohne Berücksichtigung der nicht rechtshängigen Ansprüche ergebenden
Gebührenbetrag übersteigt, auf eine Terminsgebühr angerechnet, die wegen
desselben Gegenstands in einer anderen Angelegenheit entsteht.“
13 b) Die Vorschrift trifft eine unmittelbare Aussage nur zu der erhöhten Terminsgebühr in
einem Verfahren, das durch Vergleich erledigt wird und dabei Gegenstände miterledigt,
die in jenem Verfahren nicht streitgegenständlich waren. Für den Erhöhungsbetrag, der
sich aus der Erhöhung des Streitwerts um den Wert der miterledigten Streitpunkte ergibt,
ist angeordnet, dass er auf eine in dem miterledigten Verfahren (hier: Verfahren B)
entstandene Terminsgebühr anzurechnen ist (vgl. auch § 15a RVG).
14 aa) Damit ist entgegen der Auffassung des Klägers jedoch nicht festgelegt, dass in dem
einbezogenen Verfahren (hier: Verfahren B) eine Gebühr durch die
Vergleichsverhandlung in dem einbeziehenden Verfahren (hier: Verfahren A) entsteht.
Vielmehr ist lediglich eine Anrechnungsvorschrift für den Fall getroffen, dass eine
Terminsgebühr im einbezogenen Verfahren anderweitig anfällt. Dies wird gelegentlich der
Fall sein, wenn zB in dem einbezogenen Verfahren ein Gerichtstermin stattgefunden hat,
der für sich genommen bereits eine Gebühr ausgelöst hat (OLG Stuttgart 10. März 2005 -
8 W 89/05 -). Ob die Gebühr in dem einbezogenen Verfahren (hier: Verfahren B) entsteht,
ist jedoch allein davon abhängig, ob in ihm die Voraussetzungen eines
Gebührentatbestands erfüllt sind (OLG Stuttgart 10. März 2005 - 8 W 89/05 -; OLG
Frankfurt 30. Januar 2008 - 6 W 166/07 -; OLG Köln 20. Januar 2011 - II-25 WF 255/10,
25 WF 255/10 -; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe 21. Aufl. VV 3104 Rn. 98;
Riedel/Sußbauer/Keller 9. Aufl. VV Teil 3 Abschnitt 1 Rn. 54, 56;
Baumgärtel/Hergenröder/Houben 16. Aufl. Nr. 3104 VV Rn. 38 - 42;
Hartung/Schons/Enders/Schons 2. Aufl. Nr. 3104 VV Rn. 42). Die gegenteilige Auffassung
des Oberlandesgerichts Rostock (15. August 2006 - 11 WF 109/06 -) ist vereinzelt
geblieben. Sie überzeugt auch nicht. Sie steht nicht in ausreichendem Zusammenhang mit
den gesetzlichen Regelungen, insbesondere mit dem Prinzip der Wertabhängigkeit der
Gebühr und dem Grundsatz, dass für eine Tätigkeit nicht mehrere Gebühren anfallen
sollen. Mit der vom OLG Rostock in den Vordergrund gestellten Überlegung, durch die
Gewährung einer zusätzlichen Gebühr einen Anreiz zur terminlosen vergleichsweisen
Erledigung zu setzen, können die gesetzlichen Vorgaben nicht beiseitegeschoben
werden.
15 bb) Der Gesetzgeber wollte durch die Regelung in Nr. 3104 Abs. 2 VV RVG sicherstellen,
dass auch bei der Einbeziehung verfahrensfremder Gegenstände der in § 15 Abs. 2 RVG
niedergelegte Grundsatz eingehalten wird, demzufolge der Rechtsanwalt die Gebühren in
derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann (BT-Drucks. 15/1971 S. 212). Doppelt
verdient würde sie jedoch, wenn durch einen Gebühren auslösenden Sachverhalt zwei
Gebühren anfielen, wenn also durch einen gerichtlichen oder außergerichtlichen Termin in
einem Verfahren sowohl eine Terminsgebühr für das Verfahren, in dem verhandelt wird,
als auch eine weitere Terminsgebühr für das miterledigte Verfahren entstünden. Eben dies
geschähe, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers für die Miterledigung des
Verfahrens B durch die Verhandlungen und den Termin im Verfahren A eine eigene
Gebühr im Verfahren B erhielte.
16 III. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO
zur Last.
Mikosch W. Reinfelder Schmitz-Scholemann