Urteil des BAG vom 13.12.2012

Wahrung der Berufungsbegründungsfrist bei Übermittlung per Telefax - Wiedereinsetzung - Zuständigkeit

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 13.12.2012, 6 AZR 303/12
Wahrung der Berufungsbegründungsfrist bei Übermittlung per Telefax - Wiedereinsetzung -
Zuständigkeit
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. März 2012 - 20 Sa
47/11 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer für die Beklagte zu 1. erklärten
ordentlichen betriebsbedingten Beendigungskündigung.
2 Die Beklagte zu 1., eine Aktiengesellschaft nach griechischem Recht mit Sitz in Athen, ist
eine ehemalige Fluggesellschaft, deren Hauptanteilseigner der griechische Staat war. Sie
unterhielt in Deutschland eine Niederlassung in F mit 36 Arbeitnehmern. Daneben waren
weitere 33 Arbeitnehmer in den Stationen Mü, S, B und D tätig. An allen Standorten
bestand ein Betriebsrat, zudem war ein Gesamtbetriebsrat gebildet.
3 Nach Einleitung mehrerer Verfahren wegen unionsrechtswidriger Beihilfen durch die
Europäische Kommission wegen Leistungen des griechischen Staats an die Beklagte
zu 1. fügte im Jahr 2008 der griechische Gesetzgeber mit Wirkung zum 23. Oktober 2008
mit Art. 40 des Gesetzes 3710/2008 in das Gesetz 3429/2005 einen Art. 14 A über die
Sonderliquidation öffentlicher Unternehmen ein. Auf der Grundlage eines solchen
Sonderliquidationsverfahrens wurde die Beklagte zu 1. privatisiert. In der Folge stellte sie
Ende September 2009 den Flugbetrieb weltweit ein. Auf Antrag der Griechischen Republik
vom 24. September 2009 unterstellte das Berufungsgericht Athen (Efeteio) mit Beschluss
vom 2. Oktober 2009 die Beklagte zu 1. der Sonderliquidation nach Art. 14 A des Gesetzes
3429/2005 und setzte die E S.A., eine Aktiengesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in
Athen, als Liquidatorin ein.
4 Die Klägerin war seit April 1984 bei der Beklagten zu 1. bzw. deren Rechtsvorgängerin,
der O A S.A., beschäftigt, zuletzt als teilzeitbeschäftigte Ticket- und Reservierungsagentin
in der Station S. Das Kündigungsschutzgesetz fand Anwendung. Es war ein einköpfiger
Betriebsrat gewählt. Die maßgeblichen Arbeitsbedingungen ergaben sich aus den im
Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Beschäftigungsbestimmungen. Gemäß Ziff. 20
dieser Bestimmungen galten sie für die im Anhang 1 aufgeführten Personengruppen, die
örtlich in Deutschland durch die Beklagte zu 1. angestellt wurden. Dazu gehörte auch der
Ticket Agent.
5 Mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 leitete Rechtsanwalt G, der spätere
Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1., die Anhörung des Betriebsrats der Station S
zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin ein. Mit Schreiben
vom 21. Dezember 2009, das dem Vertreter der Beklagten zu 1. am selben Tag zuging,
wies der Betriebsrat das Anhörungsschreiben nach § 174 BGB zurück.
6 Mit Schreiben vom 29. Dezember 2009, das der Klägerin am 30. Dezember 2009 zuging,
kündigte Rechtsanwalt G „namens und in Vollmacht des Sonderliquidators“ das
Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. März 2010. Im Betreff dieses Schreibens ist
angegeben:
„O S.A. ./. …
hier: Beendigung des Arbeitsverhältnisses“.
7 Dem Kündigungsschreiben war eine von Herrn Ma für die E S.A. unterzeichnete, auf
Rechtsanwalt G lautende Originalvollmacht beigefügt. Die Klägerin wies die Kündigung
sowohl wegen fehlender Kündigungs- bzw. Vertretungsbefugnis als auch mangels
Vollmachtsvorlage mit Schreiben vom 8. Januar 2010 zurück. Zwischen den Parteien ist
streitig, ob dieses Schreiben Rechtsanwalt G bereits am selben Tag per Fax oder erst am
11. Januar 2010 per Post zugegangen ist.
8 Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage, der eine Ablichtung des Kündigungsschreibens
beigefügt war, wendet sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
Darüber hinaus macht sie Annahmeverzugsansprüche für die Zeit von April 2010 bis
September 2011 sowie Schadensersatzansprüche wegen eines nicht gezahlten
Arbeitgeberzuschusses zu einer Direktversicherung für denselben Zeitraum geltend. In der
Klageschrift ist als Beklagte zu 1. die „E S.A., …, als Insolvenzverwalterin
(‚Sonderliquidatorin’) über das Vermögen der Fa. O S.A.“ angegeben. Die Klägerin hat ua.
- soweit für die Revision noch von Bedeutung - die Auffassung vertreten, die Kündigung
sei mangels ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung unwirksam. Der Betriebsrat habe die
Anhörung unverzüglich nach § 174 BGB zurückgewiesen. Darüber hinaus sei die
Beklagte zu 1. nicht kündigungsbefugt gewesen. Die E S.A. sei nicht wirksam als
Sonderliquidatorin bestellt worden. Das Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A des
Gesetzes 3429/2005 sei kein Insolvenzverfahren iSd. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des
Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO). Jedenfalls seien die
deutschen Gerichte an die Eröffnung dieses Verfahrens nicht gebunden, weil dieses
Verfahren zu einem Verstoß gegen den ordre public führe. Schließlich habe sie, die
Klägerin, die Kündigung rechtzeitig nach § 174 BGB zurückgewiesen. Soweit sie
ursprünglich auch die Beklagte zu 2. als angebliche Betriebserwerberin auf Feststellung
des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen hatte, hat die Klägerin
in der Berufungsinstanz die Klage zurückgenommen.
9 Die Klägerin hat zuletzt - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht durch die
Kündigung vom 29. Dezember 2009 aufgelöst worden ist;
für den Fall des Obsiegens mit dem Berufungsantrag zu 1.:
2. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an die Klägerin 34.980,00 Euro brutto
abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 13.039,00 Euro netto
zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz aus 21.941,00 Euro ab dem 1. Oktober 2011 zu bezahlen;
3. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an die Klägerin 1.404,00 Euro nebst Zinsen
hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
10 Die Beklagte zu 1. hat Klageabweisung beantragt.
11 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin, vertreten durch
ihren damaligen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt P, Rechtsanwalt in Athen,
fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift war nicht nur von Rechtsanwalt P,
sondern darüber hinaus von dem auf dem Briefkopf aufgeführten Rechtsanwalt R, H,
unterzeichnet. Rechtsanwalt P hat versucht, die Berufung am letzten Tag der bis zum
Donnerstag, dem 11. August 2011, verlängerten Begründungsfrist per Telefax zu
begründen. Ob bis zum Ablauf der Frist die technischen Signale dieses Faxes im
Telefaxgerät des Berufungsgerichts vollständig gespeichert waren, hat das
Landesarbeitsgericht nicht aufgeklärt. Es hat der Berufung stattgegeben, ohne sich mit der
Zulässigkeit der Berufung näher zu befassen. Es hat die Kündigung für unwirksam
gehalten, weil der Betriebsrat das Anhörungsschreiben nach § 174 BGB analog wirksam
zurückgewiesen habe und deshalb keine wirksame Anhörung zur beabsichtigten
Kündigung der Klägerin erfolgt sei. Für die Beklagte zu 1. hat es die Revision zugelassen.
Die Beklagte zu 1. begehrt mit ihrer Revision die Bestätigung der erstinstanzlichen
Abweisung der Kündigungsschutzklage.
12 Mit Verfügung vom 26. November 2012 hat der Senat auf Bedenken hinsichtlich der
Zulässigkeit der Berufung hingewiesen. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom
3. Dezember 2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der
Berufungsbegründungsfrist und vorsorglich wegen der Versäumung der
Wiedereinsetzungsfrist beantragt und einen gleichlautenden Wiedereinsetzungsantrag
beim Landesarbeitsgericht gestellt. Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2012 hat sie
Rechtsanwalt P den Streit verkündet. Dieser ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten.
Entscheidungsgründe
13 Die Revision der Beklagten zu 1. ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache
an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom Landesarbeitsgericht
gegebenen Begründung, die Kündigung sei nach § 102 BetrVG unwirksam, weil der
Betriebsrat das Anhörungsschreiben wirksam nach § 174 BGB analog zurückgewiesen
habe, konnte der Berufung nicht stattgegeben werden. Im Rahmen seiner weiteren
Prüfung wird das Landesarbeitsgericht zunächst aufzuklären haben, ob die Klägerin ihre
Berufung fristgerecht begründet hat.
14 A. Der Senat hat bei der Prüfung der Revision der Beklagten zu 1. zugunsten der Klägerin
die Zulässigkeit ihrer Berufung unterstellt. Gleichwohl ist die Revision begründet. Die
Kündigung vom 29. Dezember 2009 war nicht nach § 102 BetrVG unwirksam.
15 I. Die deutschen Gerichte sind auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des
Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung
und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) für die
Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig. Die Beklagte zu 1. als
Schuldnerin ist, vertreten durch die E S.A. als Sonderliquidatorin, passivlegitimiert. Die
Bestellung der E S.A. zur Liquidatorin sowie ihre Befugnisse und ihre Rechtsstellung
beurteilen sich unabhängig davon, ob das Sonderliquidationsverfahren ein
Insolvenzverfahren iSv. Art. 2 Buchst. a EuInsVO darstellt, nach griechischem Recht. Einer
Vorlage nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung
dieser Frage bedarf es darum nicht. Dies hat der Senat im Verfahren - 6 AZR 752/11 - mit
Urteil vom 13. Dezember 2012 unter A und B der Gründe ausführlich dargelegt und nimmt
darauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
16 II. Die Klägerin hat ungeachtet der von ihr gewählten Parteibezeichnung mit ihrer Klage
die Beklagte zu 1. und damit die richtige Beklagte in Anspruch genommen. Nach den
Grundsätzen zur Auslegung der Parteibezeichnung (dazu ausführlich BAG 13. Dezember
2012 - 6 AZR 752/11 - zu D I der Gründe) ist die unrichtige Bezeichnung der Beklagten
zu 1. in der Klageschrift dahin auszulegen, dass sich die Klage von vornherein gegen die
O S.A. unter Sonderliquidation, vertreten durch die Liquidatorin E S.A., gerichtet hat. Für
die Beklagte zu 1. war erkennbar, dass die Kündigungsschutzklage gegen sie erhoben
werden sollte. Dafür spricht insbesondere das der Klageschrift beigefügte
Kündigungsschreiben. Daraus ist ersichtlich, dass die Kündigung unter dem Betreff
„O S.A. ./. … hier: Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ erfolgt ist und der Unterzeichner
die E S.A. „als Sonderliquidator“ über das Vermögen der O S.A. vertritt. Damit konnten bei
objektiver Würdigung keine berechtigten Zweifel bestehen, dass sich die Klage von
Anfang an gegen die Beklagte zu 1. und nicht gegen die E S.A., die die Kündigung nur als
Vertreterin hat erklären lassen, richten sollte. Der Senat hat deshalb die ungenaue
Parteibezeichnung richtiggestellt.
17 III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Kündigung sei nach
§ 102 BetrVG unwirksam. § 174 BGB findet auf die Betriebsratsanhörung auch dann
weder unmittelbar noch analog Anwendung, wenn wie im vorliegenden Fall die Anhörung
durch einen betriebsfremden Rechtsanwalt erfolgt. Das hat der Senat im Verfahren -
6 AZR 348/11 - mit Urteil vom 13. Dezember 2012 ausführlich begründet und nimmt darauf
Bezug.
18 B. Wegen des Rechtsfehlers ist das angegriffene Urteil aufzuheben. Der Rechtsstreit ist
nicht zur Entscheidung reif. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung. Ihr
Vorliegen ist deshalb von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. nur BAG 19. Oktober 2010
- 6 AZR 118/10 - Rn. 6, EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 8). Das gilt auch dann, wenn das
Landesarbeitsgericht die Berufung als zulässig angesehen hat (BAG 5. Februar 2004 -
8 AZR 112/03 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 109, 265). Der Senat kann nicht selbst
beurteilen, ob die Berufung der Klägerin zulässig war. Der Rechtsstreit war deshalb zur
weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Abhängig vom
Ausgang der Prüfung über den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung wird das
Berufungsgericht die Wiedereinsetzungsanträge der Klägerin zu bescheiden haben und
gegebenenfalls die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Gründe, die nach deren
Auffassung zur Unwirksamkeit der Kündigung führen sollen, sowie die geltend gemachten
Zahlungsansprüche zu prüfen haben.
19 I. Die Zulässigkeit der Berufung bestimmt sich nach deutschem Prozessrecht. Nach den
Regeln des deutschen internationalen Prozessrechts richtet sich das Verfahren auch in
Fällen mit Auslandsberührung nach der lex fori, also nach dem Recht des angerufenen
Gerichts und damit nach den inländischen Prozessvorschriften (vgl. BGH 14. Oktober
1981 - IVb ZB 718/80 - BGHZ 82, 34; 21. Dezember 1976 - III ZR 83/74 - WM 1977, 332).
20 II. Die Zulässigkeit der Berufung scheitert nicht daran, dass dem damaligen
Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Postulationsfähigkeit gefehlt hätte.
21 1. Rechtsanwalt P tritt in Deutschland mit dem Zusatz „Rechtsanwalt in Athen“ und damit
als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt nach §§ 25 ff. des Gesetzes über die
Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) auf. Gemäß § 28 EuRAG
darf er in gerichtlichen Verfahren mit Anwalts- und Vertretungszwang als Vertreter seines
Mandanten nur im Einvernehmen mit einem zugelassenen Rechtsanwalt
(Einvernehmensanwalt) handeln. Das Vorliegen dieses Einvernehmens ist gemäß § 29
Abs. 1 EuRAG bei der ersten Handlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen.
Dem dienstleistenden europäischen Anwalt fehlt ohne diesen Nachweis die
Postulationsfähigkeit. Seine Handlungen sind gemäß § 29 Abs. 3 EuRAG auf Dauer
unwirksam (Henssler/Prütting/Kilian 3. Aufl. § 29 EuRAG Rn. 3).
22 2. Der nach § 29 Abs. 1 EuRAG erforderliche Nachweis ist zwar gegenüber dem
Berufungsgericht nicht durch ein gesondertes Schreiben eines Einvernehmensanwalts
erfolgt. Für den Nachweis reicht es jedoch aus, dass die Berufungsschrift nicht nur von
Rechtsanwalt P, sondern zusätzlich auch noch von Rechtsanwalt R unterzeichnet worden
ist. Damit hat ein in Deutschland zugelassener Anwalt die Gewähr dafür übernommen,
dass die nach dem deutschen Prozessrecht einzuhaltenden Vorschriften sowie die
geltenden Berufs- und Standesregeln beachtet werden (vgl. EuGH 25. Februar 1988 - C-
427/85 - [Kommission/Deutschland] Rn. 23, Slg. 1988, 1123). Das Verlangen, ein
separates Schreiben vorzulegen, aus dem sich das Einvernehmen ergibt, wäre eine bloße
Förmelei, die mit dem Zweck des EuRAG, auch dem europäischen dienstleistenden
Anwalt im Interesse des freien Dienstleistungsverkehrs für Rechtsanwälte eine Tätigkeit in
anderen Mitgliedstaaten der Union zu ermöglichen, nicht im Einklang stünde.
23 3. Aus der Akte ist nicht ersichtlich, dass der Tätigkeitsschwerpunkt von Rechtsanwalt P in
der Zeit seiner Bevollmächtigung durch die Klägerin nicht mehr außerhalb Deutschlands
gelegen hätte und dieser deshalb seine Tätigkeit in Deutschland nicht nur vorübergehend
iSv. § 25 Abs. 1 EuRAG erbracht hätte (zu den Anforderungen der vorübergehenden
Tätigkeit Henssler/Prütting/Kilian 3. Aufl. § 25 EuRAG Rn. 2).
24 III. Der Senat kann nicht selbst feststellen, ob die Klägerin ihre Berufung innerhalb der Frist
des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG begründet hat. Die nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG
verlängerte Frist ist am 11. August 2011 um 24:00 Uhr abgelaufen. Erst am 15. August
2011 ist per Post die Berufungsbegründung beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Der
damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat jedoch am letzten Tag der Frist
versucht, die Berufungsbegründung per Telefax an das Landesarbeitsgericht zu
übermitteln. Ob bis zum Fristablauf auf diesem Wege ein Schriftsatz beim
Landesarbeitsgericht eingegangen ist, der den an eine ordnungsgemäße
Berufungsbegründung zu stellenden formellen und inhaltlichen Anforderungen entsprach,
hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Dies lässt sich aus dem Akteninhalt nicht
mit der erforderlichen Sicherheit ermitteln.
25 1. Ein per Telefax übersandter Schriftsatz ist rechtzeitig bei Gericht eingegangen, wenn
vor Ablauf des letzten Tages der Frist die gesendeten technischen Signale im
Telefaxgerät des Gerichts vollständig gespeichert waren (BGH 25. April 2006 - IV ZB
20/05 - Rn. 15 ff., BGHZ 167, 214; vgl. bereits BVerfG 1. August 1996 - 1 BvR 121/95 - zu
B I der Gründe, AP ZPO 1977 § 233 Nr. 47 = EzA ZPO § 233 Nr. 37; BAG 19. Januar 1999
- 9 AZR 679/97 - zu I der Gründe, BAGE 90, 329).
26 2. Nach dem Akteninhalt spricht viel dafür, dass es dem damaligen
Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Rechtsanwalt P, nicht gelungen ist, bis zum
Fristablauf eine vollständige, von ihm und Rechtsanwalt R unterschriebene
Berufungsbegründung zu übermitteln.
27 a) Am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist, dem 11. August 2011, ist ausweislich
der Vorakten erstmals um 23:47 Uhr ein 11-seitiges Fax beim Landesarbeitsgericht
eingegangen. Dabei handelte es sich um die ersten 11 Seiten der Berufungsbegründung.
Auf dem in der Akte befindlichen Faxausdruck ist in der Kopfzeile ein Aufdruck durch das
Faxgerät des Landesarbeitsgerichts angebracht. Dort findet sich auf allen 11 Seiten links
der Aufdruck „11.08.2011 23:47“, anschließend der Name und die Faxnummer von
Rechtsanwalt P sowie rechts eine fortlaufende Nummerierung der 11 Seiten von „Seite:
001 von 011“ bis „Seite: 011 von 011“. Eine Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin befand sich weder auf der elften noch einer der vorhergehenden 10 Seiten. Die
Seiten 1 bis 11 der Berufungsbegründung setzen sich ausschließlich mit den
Ausführungen des Arbeitsgerichts zu einem Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2.
auseinander.
28 Anschließend findet sich in der Akte ein Faxvorblatt mit dem Briefkopf von Rechtsanwalt
P, der Anschrift des Landesarbeitsgerichts und dem Kurzrubrum des Verfahrens
einschließlich Aktenzeichen. In der Kopfzeile dieses Vorblattes ist links der Aufdruck
„12.08.2011 00:06“, anschließend wieder der Name und die Faxnummer von
Rechtsanwalt P und der Zusatz „Seite: 001 von 029“ angebracht. Sodann folgen die
Seiten 12 bis 16 der Berufungsbegründung, die ausweislich des Aufdrucks in der
Kopfzeile am 12. August 2011 um 0:24 Uhr beim Landesarbeitsgericht eingegangen sind.
Daran schließt sich ein Fehlerbericht vom 12. August 2011 um 0:28 Uhr an, wonach
Seite 6 nicht empfangen sei. Als Folgeseite ist die nur unvollständig übermittelte Seite 17
der Berufungsbegründung (dh. die sechste Seite des Faxes, das um 0:24 Uhr beim
Landesarbeitsgericht, beginnend mit Seite 12 der Begründung, eingegangen ist)
abgeheftet. Die Seiten 12 bis 16 sowie die unvollständig übermittelte Seite 17 der
Begründung sind fortlaufend mit „Seite: 001 von 019“ bis „Seite: 006 von 019“
überschrieben. Um 0:36 Uhr ist ein weiteres 14-seitiges Fax beim Landesarbeitsgericht
eingegangen. Dabei handelt es sich um die Seiten 17 bis 20 der Berufungsbegründung
mit Unterschriften von Rechtsanwalt P und Rechtsanwalt R sowie 10 Seiten Anlagen
(Anlage K 14 bis K 20). Diese 14 Seiten sind per Faxaufdruck fortlaufend von „Seite: 001
von 014“ bis „Seite: 014 von 014“ nummeriert. Anschließend ist ein weiterer Fehlerbericht
vom 12. August 2011 um 0:04 Uhr eingeheftet, wonach Seite 1 nicht empfangen worden
sei. Um 0:53 Uhr ist schließlich ein 30-seitiges Fax beim Landesarbeitsgericht
eingegangen, bei dem es sich um die vollständige Berufungsbegründung nebst den
Anlagen K 14 bis K 20 handelt. Dieses Fax ist fortlaufend mit dem Faxaufdruck „Seite: 001
von 030“ bis „Seite: 030 von 030“ sowie der Zeitangabe „00:53“ überschrieben.
29 b) Dieser Akteninhalt lässt darauf schließen, dass das Faxgerät des Landesarbeitsgerichts
so eingestellt war, dass der Ausdruck nicht während des fortlaufenden Empfangs der
technischen Signale, sondern jeweils nach vollständigem Empfang des zu übermittelnden
Dokuments erfolgte bzw. nach Feststellung eines Übertragungsfehlers und bis dahin die
gesendeten Daten im Faxgerät gespeichert wurden (vgl. dazu BGH 25. April 2006 - IV ZB
20/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 214). Der Zeitpunkt des vollständigen Empfangs der
übermittelten Signale ist in der Kopfzeile des ausgedruckten Dokuments ausgewiesen.
Anders dürfte es schwerlich zu erklären sein, dass die 11 ersten Seiten der
Berufungsbegründung ebenso wie die 14 Seiten von Seite 17 der Berufungsbegründung
bis zur Anlage K 20 sowie schließlich die 30 Seiten der vollständigen Begründung nebst
Anlagen jeweils eine einheitliche Uhrzeit, nämlich 23:47 bzw. 0:36 bzw. 0:53 Uhr, als
Empfangszeit ausweisen.
30 c) Bei Zugrundelegen dieses Akteninhalts wären bis zum Fristablauf die Seiten 12 bis 20,
die die Berufung gegen die Beklagte zu 1. betreffen, nicht beim Faxgerät des
Landesarbeitsgerichts eingegangen. Eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen
des Arbeitsgerichts, soweit sie die Wirksamkeit der von der Beklagten zu 1. erklärten
Kündigung betrafen, wäre damit innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht erfolgt (vgl.
zu diesen Anforderungen BAG 19. Oktober 2010 - 6 AZR 118/10 - Rn. 7, EzA ZPO 2002
§ 520 Nr. 8). Darüber hinaus fehlte es an der gemäß § 130 Nr. 6 ZPO iVm. § 520 Abs. 5
ZPO erforderlichen eigenhändigen Unterschrift durch einen zur Vertretung bei dem
Berufungsgericht berechtigten Rechtsanwalt unter der Berufungsbegründung als
bestimmendem Schriftsatz (zu dieser nach st. Rspr. zu stellenden Anforderung zuletzt
BAG 5. August 2009 - 10 AZR 692/08 - Rn. 17 ff., AP ZPO § 130a Nr. 1 = EzA ZPO 2002
§ 130 Nr. 1; BGH 26. Oktober 2011 - IV ZB 9/11 - Rn. 6). Die Seite 20 der
Berufungsbegründung, auf der sich die Unterschriften befinden, ist nach dem Akteninhalt
erst nach 24:00 Uhr und damit nach Fristablauf auf dem Gerät des Landesarbeitsgerichts
eingegangen. Ohne die Übermittlung der letzten Seite mit der Unterschrift des
Prozessbevollmächtigten ist eine per Telefax übersandte Berufungsbegründung nicht
vollständig (BAG 27. Juni 2002 - 2 AZR 427/01 - zu 2 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 66
Nr. 25 = EzA ZPO § 236 Nr. 6).
31 3. Die Klägerin hat jedoch auf den Hinweis des Senats vom 26. November 2012, nach
dem Akteninhalt bestünden Zweifel, ob die Berufungsbegründung per Telefax vor
Fristablauf eingegangen sei, geltend gemacht, die Berufungsbegründung sei noch am
11. August 2011 per Telefax vollständig beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
32 a) Sie hat mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2012 vorgetragen, dem damaligen
Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei auf dessen telefonische Nachfrage am Folgetag
von der Mitarbeiterin „der“ Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts versichert worden,
das Telefax sei fristwahrend eingegangen. Auch sei auf dem Fax der Vermerk „1-fach“
angebracht. Dies erfolge nach der Praxis „der“ Geschäftsstelle nur bei vollständig
übermittelten Telefaxen. Das sei dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am
27. November 2012 von der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle M mitgeteilt worden. Die
Klägerin hat weiter geltend gemacht, etwa um 22:45 Uhr sei am 11. August 2011 die
Berufungsbegründung vollständig übermittelt worden, nur einige Seiten Anlagen hätten
noch gefehlt, als die Übermittlung abgebrochen sei. Schließlich seien die übermittelten
Seiten nicht so zur Gerichtsakte gelangt, wie sie am 11. August 2011 eingegangen seien.
Die chronologische Reihenfolge des Faxeingangs sei offensichtlich nicht gewahrt. Es
erscheine denkbar, dass die Geschäftsstelle der Übersichtlichkeit halber nur einen
vollständigen Satz des Schriftsatzes zusammengestellt habe und die weiteren
Faxsendungen nicht zur Akte genommen worden seien.
33 b) Die Klägerin beruft sich zum Beleg ihrer Behauptung, sie habe die
Berufungsbegründungsfrist nicht versäumt, demnach auf Gerichtsinterna, die der Senat
allein über die Einholung dienstlicher Äußerungen der Gerichtsverwaltung und der
Bediensteten der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts und gegebenenfalls deren
Vernehmung als Zeugen verifizieren könnte. Er sieht von derartigen Ermittlungen jedoch
ab, weil das sachnähere Landesarbeitsgericht die erforderlichen Feststellungen,
insbesondere die Prüfung, ob es denkbar ist, dass nicht alle per Fax übermittelten Seiten
zur Akte gelangt sind, weitaus besser treffen kann. Der Klägerin darf zudem nicht die
Möglichkeit genommen werden, dass das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner größeren
Sachnähe für die Klägerin günstigere Tatsachen ermittelt, als dies dem Senat möglich
wäre, und die Frage, ob überhaupt eine Fristsäumnis vorliegt, günstiger beurteilt, als dies
der Senat täte.
34 IV. Die Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat die Versäumung
der Berufungsbegründungsfrist unterstellen und der Klägerin Wiedereinsetzung in den
Lauf dieser Frist bewilligen könnte. Dem Senat fehlt die Kompetenz, über die begehrte
Wiedereinsetzung zu entscheiden.
35 1. Nach § 237 ZPO ist für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand das Gericht zuständig, dem die Entscheidung über die nachgeholte
Prozesshandlung, hier also die Berufungsbegründung, zusteht. Das ist hier das
Landesarbeitsgericht. Diese Zuständigkeit gilt sowohl für einen ausdrücklich gestellten
Wiedereinsetzungsantrag als auch eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236
Abs. 2 Satz 2 ZPO (BGH 4. November 1981 - IVb ZR 625/80 - NJW 1982, 1873). Zwar ist,
wie ausgeführt, die Zulässigkeit der Berufung als Prozessfortführungsvoraussetzung vom
Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Daraus folgt jedoch nicht, dass das
Revisionsgericht die Prüfung der Wiedereinsetzung uneingeschränkt an sich ziehen
könnte. Dem steht entgegen, dass nach § 238 Abs. 3 ZPO eine vom Berufungsgericht
gewährte Wiedereinsetzung unanfechtbar und damit auch für das Revisionsgericht
bindend ist. Mit der Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts ist für die
fristsäumige Partei die Chance verbunden, mit bindender Wirkung Wiedereinsetzung
bewilligt zu erhalten (BAG 4. Juni 2003 - 10 AZR 586/02 - AP InsO § 209 Nr. 2 = EzA InsO
§ 209 Nr. 1; BGH 12. Dezember 2000 - X ZB 17/00 -; 22. September 1992 - VI ZB 22/92 -
AP ZPO 1977 § 233 Nr. 24). Diese Chance darf ihr durch eine Entscheidung des
Revisionsgerichts über die Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht genommen werden.
36 2. Eine Prüfung der Wiedereinsetzung durch das Revisionsgericht in einem bei ihm
anhängigen Rechtsmittelverfahren kommt angesichts der grundlegenden
Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts nur in Ausnahmefällen in Betracht.
37 a) Einen solchen Ausnahmefall hat die Rechtsprechung angenommen, wenn nach
Aktenlage ohne Weiteres Wiedereinsetzung zu gewähren ist (BGH 22. September 1992 -
VI ZB 22/92 - AP ZPO 1977 § 233 Nr. 24), über das Vorliegen von
Wiedereinsetzungsgründen also kein Zweifel besteht. Das ist hier nicht der Fall. Die von
der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 3. Dezember 2012 sowie von Rechtsanwalt P in
seiner eidesstattlichen Versicherung vom 30. November 2012 behaupteten Versuche, mit
dem technisch intakten Telefaxgerät von Rechtsanwalt P die Berufungsbegründung am
11. August 2011 bereits ab 21:00 Uhr zu übermitteln, ergeben sich aus der Akte nicht.
Insbesondere fehlt es an Fax-Sendeberichten, die diese Behauptung bestätigen würden.
Rechtsanwalt P hat in seiner eidesstattlichen Versicherung vielmehr angegeben, sein
Computer-Fax dokumentiere erfolglose Übermittlungsversuche nicht. Auch
Fehlermeldungen des Faxgeräts des Landesarbeitsgerichts vom 11. August 2011 finden
sich nicht in der Akte. Der behauptete Anruf von Rechtsanwalt P bei der Geschäftsstelle
des Landesarbeitsgerichts am 12. August 2011 ist nicht dokumentiert.
38 b) Das Revisionsgericht kann außerdem selbst über die Wiedereinsetzung entscheiden,
wenn das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft eine Entscheidung über den bei ihm
gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung unterlassen hat (BGH 29. September 1993 -
XII ZB 49/93 - NJW-RR 1994, 127) oder die Berufung verworfen und dabei den
Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt hat (BGH 12. Dezember 2000 - X ZB 17/00 -). Auch
diese Konstellationen liegen nicht vor.
39 c) Schließlich kann das Revisionsgericht ausnahmsweise selbst entscheiden, wenn die
Entscheidung über die Revision materiell-rechtlich zum selben Ergebnis wie eine
Versagung der Wiedereinsetzung führt. Dann kann die Wiedereinsetzung zugunsten der
fristsäumigen Partei unterstellt werden (vgl. BAG 4. Juni 2003 - 10 AZR 586/02 - AP InsO
§ 209 Nr. 2 = EzA InsO § 209 Nr. 1). Ob die Klage unbegründet ist, kann der Senat nicht
entscheiden, ohne in Beurteilungsspielräume des Landesarbeitsgerichts einzugreifen, die
hinsichtlich der von der Klägerin gerügten Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung
vorliegen, insbesondere hinsichtlich der zwischen den Parteien streitigen Unverzüglichkeit
der Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB.
40 C. Sollte das Landesarbeitsgericht zu der Erkenntnis gelangen, dass die
Berufungsbegründungsfrist versäumt worden ist, wird es bei seiner dann erforderlichen
Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den Lauf dieser Frist Folgendes zu beachten
haben:
41 I. Der Wiedereinsetzungsantrag ist grundsätzlich unzulässig, weil in dem Zeitpunkt, in dem
er gestellt worden ist, die Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO verstrichen war.
42 1. Allerdings ist nach der Rechtsprechung § 234 Abs. 3 ZPO ungeachtet des absoluten
Charakters dieser Bestimmung nicht anzuwenden, wenn die Überschreitung der Frist
allein dem Gericht zuzurechnen ist. Das ist bejaht worden, wenn das Berufungsgericht
innerhalb der Jahresfrist über ein Prozesskostenhilfegesuch nicht entschieden hat (BGH
20. Februar 2008 - XII ZB 179/07 - Rn. 15, MDR 2008, 642), wenn das Revisionsgericht
erst nach mehr als einem Jahr bemerkt hat, dass die Revisionsbegründung nicht
unterschrieben und die Revision deshalb unzulässig war (BAG 2. Juli 1981 - 2 AZR
324/79 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 35, 364), oder wenn das Landesarbeitsgericht nicht
bemerkt hat, dass die Berufungsbegründungsfrist aufgrund der Übergangsvorschrift des
§ 26 EGZPO noch nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht zu berechnen
war und einen ausdrücklichen Hinweis erteilt hatte, dass es die Berufung für zulässig halte
(BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu II 1 d bb der Gründe, BAGE 109, 265).
43 2. Das Landesarbeitsgericht wird nach den von ihm anzustellenden weiteren Ermittlungen
zu entscheiden haben, ob auch im vorliegenden Fall das Verstreichen der Jahresfrist
allein in die Sphäre des Berufungsgerichts fiele. Das käme insbesondere in Betracht,
wenn der Klägerin der Nachweis gelänge, dass ihr damaliger Prozessbevollmächtigter bei
einer telefonischen Nachfrage eine unzutreffende Auskunft der Geschäftsstelle, die
Berufungsbegründung sei fristgerecht vollständig per Telefax eingegangen, erhalten hat.
Hat er dagegen eine solche Nachfrage, die sich angesichts der von ihm behaupteten
vielfachen vergeblichen Versuche, den Schriftsatz zu übermitteln, aufgedrängt hätte,
unterlassen, gereichte ihm dies zum Vorwurf (vgl. BGH 15. März 2000 - VIII ZR 217/99 - zu
II 2 a der Gründe, NJW-RR 2000, 1591).
44 II. Die von der Klägerin vorsorglich beantragte Wiedereinsetzung gegen die Versäumung
der Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO kommt grundsätzlich nicht in Betracht (BGH
24. September 1986 - VIII ZB 42/86 - VersR 1987, 256). Dies steht im Einklang mit der
Verfassung (BVerfG 18. Dezember 1972 - 2 BvR 756/71 - nv., zitiert nach BGH
24. September 1986 - VIII ZB 42/86 -).
45 III. Hält das Landesarbeitsgericht den Wiedereinsetzungsantrag für verfristet, wird es eine
amtswegige Wiedereinsetzung prüfen müssen.
46 1. Ist wie im vorliegenden Fall die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist
des § 234 Abs. 1 ZPO nachgeholt worden, kann Wiedereinsetzung gemäß § 236 Abs. 2
Satz 2 ZPO auch ohne Antrag gewährt werden. Das setzt jedoch voraus, dass innerhalb
der Antragsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen
aktenkundig oder angegeben und glaubhaft gemacht worden sind (BAG 27. Juni 2002 -
2 AZR 427/01 - zu 4 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 66 Nr. 25 = EzA ZPO § 236 Nr. 6;
BGH 19. Mai 1978 - IV ZB 90/77 - VersR 1978, 825; 20. Januar 1983 - IX ZR 19/82 -
VersR 1983, 376). Auch im Anwendungsbereich des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO müssen
also die Wiedereinsetzungstatsachen nach § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO innerhalb
der Antragsfrist dargelegt werden oder sich aus der Akte unmittelbar ergeben. Das ergibt
sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der Gesetzgeber wollte lediglich das
Erfordernis des Wiedereinsetzungsantrags entfallen lassen. Auch wenn eine
Wiedereinsetzung von Amts wegen möglich ist, hat das Gericht nicht von Amts wegen
Wiedereinsetzungsgründe zu ermitteln. Der Amtsermittlungsgrundsatz ist dem Zivilprozess
fremd (BAG 6. Dezember 1979 - 2 AZB 9/79 - zu C II 2 der Gründe, AP ZPO § 236 Nr. 1 =
EzA ZPO § 233 Nr. 1).
47 2. Das Landesarbeitsgericht wird prüfen müssen, ob unter Beachtung des Vortrags der
Klägerin im Schriftsatz vom 3. Dezember 2012 Wiedereinsetzungstatsachen aktenkundig
waren, etwa durch den handschriftlichen Zusatz „zwischendurch Seiten unvollst., dann
doppelt“ auf dem ersten Blatt der per Fax übermittelten Berufungsbegründung. Es wird
weiter prüfen müssen, ob von dem Erfordernis, dass Wiedereinsetzungstatsachen
aktenkundig sein müssen, eine Ausnahme zu machen ist, wenn Rechtsanwalt P auf eine
telefonische Nachfrage durch Mitarbeiter der Geschäftsstelle die Auskunft erteilt worden
sein sollte, die Berufungsbegründung sei fristgerecht eingegangen, so dass die
Fristsäumnis durch die Klägerin erst durch den Hinweis des Senats vom 26. November
2012 erkennbar geworden wäre (vgl. dazu BAG 6. Dezember 1979 - 2 AZB 9/79 - zu
C II 3 c der Gründe, AP ZPO § 236 Nr. 1 = EzA ZPO § 233 Nr. 1; Zöller/Greger ZPO
29. Aufl. § 236 Rn. 5).
48 3. Erschiene nach den weiteren Feststellungen des Landesarbeitsgerichts eine
unverschuldete Fristsäumnis lediglich als möglich, könnte Wiedereinsetzung nicht
gewährt werden (BGH 26. Juli 2004 - VIII ZR 10/04 - zu II A 2 d der Gründe, NJW-RR
2005, 143).
Fischermeier
Gallner
Spelge
Schäferkord
Reiner
Koch