Urteil des BAG vom 19.06.2012

Tarifvorbehalt - Gesamtzusage - Abfindung bei Wiedereinstellungszusage - Auslegung von § 4 TV SozSich

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 19.6.2012, 1 AZR 137/11
Tarifvorbehalt - Gesamtzusage - Abfindung bei Wiedereinstellungszusage - Auslegung von § 4
TV SozSich
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Thüringer
Landesarbeitsgerichts vom 15. Februar 2011 - 1 Sa 353/10 - wird auf ihre
Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über eine Abfindung.
2 Die Klägerin war bei der Beklagten seit Juni 1991 als Ingenieurin beschäftigt. Auf das
Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst jedenfalls kraft
arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung.
3 Die Beklagte vereinbarte mit ihrem Personalrat am 9. April 2008 eine Dienstvereinbarung
zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen im Rahmen der
Verwaltungsstrukturreform (DV 2008). Diese sah die Zahlung einer Abfindung bei
Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Auflösungsvertrag aus betriebsbedingten
Gründen vor (Nr. 7 Satz 1 DV 2008). Die Abfindungshöhe beträgt nach Nr. 7 Satz 2
DV 2008 bei einer Beschäftigungszeit von bis zu 20 Jahren 35 vH des letzten
Monatsentgelts.
4 Am 8. Mai 2009 schlossen die Beklagte, deren Personalrat, der Kommunale
Arbeitgeberverband Thüringen e.V. (KAV) sowie ver.di eine Vereinbarung zur
beteiligungsorientierten Begleitung der Verwaltungs- und Personalstrukturreform (VE
2009), in der bestimmt ist:
„III.
Beschäftigungssicherung
3.
Vor diesem Hintergrund erkennen die Tarifvertragsparteien ver.di
und KAV Thüringen die in der „Dienstvereinbarung zur Vermeidung
betriebsbedingter Kündigungen im Rahmen der
Verwaltungsstrukturreform“ vom 21. April 2008 vereinbarten
Regelungen zur Beschäftigungssicherung trotz der nach wie vor
bestehenden rechtlichen Einschränkungen hinsichtlich ihrer
Wirksamkeitsvoraussetzung als wirksame Maßnahmen an.
...
V.
2.
Die Stadt, die Personalvertretung, ver.di und der KAV sind sich
darüber einig, dass es sich bei dieser Vereinbarung nicht um einen
Tarifvertrag handelt. Die getroffenen Vereinbarungen gelten jedoch
für die Unterzeichner als bindende Verpflichtung.
...“
5 Bis zum 31. Dezember 2009 galt für die Beschäftigten im Tarifgebiet Ost des TVöD der
Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 13. September 2005 (TV SozSich), dessen § 4
lautet:
„Abfindungen
(1) Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis aus Gründen des Personalabbaus
entweder gekündigt oder durch Auflösungsvertrag beendet wird, erhalten
eine Abfindung.
(2)
1
Die Abfindung beträgt für jedes volle Jahr der Beschäftigungszeit (§ 34
Abs. 3 TVöD) ¼ des letzten Tabellenentgelts, mindestens aber die Hälfte
und höchstens das Fünffache dieses Entgelts.
2
Abweichend von Satz 1
kann, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag beendet wird, die
Abfindung auf bis zum Sieben-fachen des in Satz 1 genannten
Tabellenentgelts festgelegt werden.
…“
6 Ende 2008 beschloss die Beklagte, die bislang in einem Eigenbetrieb erfolgte Verwaltung,
Verpachtung und Bewirtschaftung von städtischen Immobilien zukünftig von der E GmbH
als Dienstleister wahrnehmen zu lassen. Die Klägerin, die als Projektleiterin in diesem
Eigenbetrieb beschäftigt war, schloss mit der Beklagten am 26. August 2009 einen
Aufhebungsvertrag, nach dem das Arbeitsverhältnis am 31. August 2009 endete. In Nr. 2
des Aufhebungsvertrags bot die Beklagte der Klägerin unwiderruflich die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen an, sofern ihr Arbeitsverhältnis mit
der E GmbH bis zum 31. August 2019 aus betriebsbedingten Gründen enden sollte.
7 In dem am 26. August 2009 zwischen der Klägerin und der E GmbH abgeschlossenen
Arbeitsvertrag war ua. die Anwendung der für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft
geltenden Tarifverträge, die Anerkennung der bei der Beklagten zurückgelegten
Betriebszugehörigkeitszeit, die Fortführung der von der Beklagten abgeschlossenen
betrieblichen Altersversorgung sowie ein Ausschluss der ordentlichen betriebsbedingten
Arbeitgeberkündigung bis zum 31. August 2019 vereinbart. Im Jahr 2009 überstieg die
Vergütung der Klägerin bei ihrem neuen Arbeitgeber bei einer geringeren regelmäßigen
Wochenarbeitszeit die zuvor bei der Beklagten bezogene Gesamtvergütung.
8 Mit Schreiben vom 28. September 2009 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten
erfolglos die Zahlung einer Abfindung nach Nr. 7 DV 2008 geltend.
9
9 Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von
23.856,71 Euro brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13. Oktober 2009 zu zahlen.
10 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
11 Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die
Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die
Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
12 Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu
Recht abgewiesen. Der Klägerin steht wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses
zum 31. August 2009 kein Abfindungsanspruch zu.
13 I. Ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach Nr. 7 Satz 1 DV 2008 besteht nicht.
Soweit diese Vorschrift einen Abfindungsanspruch bei der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags aus betriebsbedingten
Gründen vorsieht, verstößt die DV 2008 gegen den Tarifvorbehalt in § 72 Abs. 1 Satz 1,
§ 74 Abs. 2 Eingangshalbs. PersVG Th. In diesem Umfang ist sie unwirksam.
14 1. Nach § 72 Abs. 1 Satz 1 PersVG Th sind Dienstvereinbarungen zulässig, soweit sie im
PersVG Th ausdrücklich vorgesehen sind. § 74 Abs. 2 Eingangshalbs. PersVG Th sieht
den Abschluss von Dienstvereinbarungen nur bei Bestehen eines Beteiligungsrechts aus
den dort enumerativ aufgezählten Katalogtatbeständen vor. Nach § 74 Abs. 2 Nr. 7
PersVG Th hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Aufstellung eines Sozialplans
einschließlich Plänen für Umschulungen zum Ausgleich oder zur Milderung von
wirtschaftlichen Nachteilen, die dem Beschäftigten infolge von
Rationalisierungsmaßnahmen entstehen. Eine Rationalisierungsmaßnahme iSd. § 74
Abs. 2 Nr. 7 PersVG Th setzt voraus, dass durch sie die Leistungen des Betriebes bzw.
der Dienststelle durch eine zweckmäßige Gestaltung von Arbeitsabläufen verbessert
werden sollen, indem der menschliche Aufwand an Arbeit oder auch an Zeit, Energie,
Material und Kapital herabgesetzt wird (vgl. BVerwG 17. Juni 1992 - 6 P 17/91 - zu II der
Gründe, BVerwGE 90, 228).
15 2. Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats aus § 74 Abs. 2 Nr. 7 PersVG Th wird in
Dienststellen eines tarifgebundenen Arbeitgebers durch den Tarifvorbehalt des § 74
Abs. 2 Eingangshalbs. PersVG Th ausgeschlossen, soweit die
Rationalisierungsmaßnahme zu einem Personalabbau iSd. § 4 Abs. 1 TV SozSich führt.
Eine Dienstvereinbarung, in der die Voraussetzungen geregelt sind, unter denen bei
Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen eine Abfindung
gezahlt wird, ist danach unzulässig.
16 a) Nach § 74 Abs. 2 Eingangshalbs. PersVG Th steht das Mitbestimmungsrecht des
Personalrats in den dort aufgeführten Tatbeständen unter dem Vorbehalt einer
gesetzlichen oder tariflichen Regelung. Der Eingangshalbs. in § 74 Abs. 2 PersVG Th
beruht dabei - wie die gleichlautende Regelung in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG -
auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr
besteht, wenn eine die Dienststelle bindende Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag
bereits vorliegt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass hierdurch den
berechtigten Interessen und Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer hinreichend Rechnung
getragen worden ist. Für einen weiteren Schutz durch Mitbestimmungsrechte besteht dann
kein Raum mehr. Der Ausschluss des Beteiligungsrechts durch den Tarifvorbehalt
erfordert allerdings, dass die Tarifvertragsparteien selbst über die
mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eine zwingende und abschließende inhaltliche
Regelung getroffen und damit dem Schutzzweck des verdrängten Mitbestimmungsrechts
Genüge getan haben (vgl. BAG 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 a, b der Gründe,
BAGE 69, 134). Die Tarifvertragsparteien dürfen das Mitbestimmungsrecht nicht
ausschließen oder einschränken, ohne die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst
zu regeln (BAG 18. Oktober 2010 - 1 ABR 25/10 - Rn. 20, EzA BetrVG 2001 § 87
Betriebliche Lohngestaltung Nr. 26).
17 b) § 4 Abs. 1 TV SozSich enthält eine solche abschließende Regelung über die
Voraussetzungen, unter denen die den Arbeitnehmern bei einem Personalabbau
entstehenden Nachteile ausgeglichen oder gemildert werden. Danach erhalten
Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis aus Gründen des Personalabbaus entweder
gekündigt oder durch Auflösungsvertrag beendet wird, eine Abfindung nach Maßgabe der
in § 4 TV SozSich bestimmten Voraussetzungen. Nach der Rechtsprechung des Sechsten
Senats des Bundesarbeitsgerichts bedeutet Personalabbau das Ausscheiden einer
Mehrzahl von Arbeitnehmern aus betriebsbedingten Gründen aufgrund einer
Arbeitgeberkündigung oder aufgrund sonstiger Beendigungstatbestände (BAG
30. Oktober 2008 - 6 AZR 738/07 - Rn. 12, NZA-RR 2009, 280). Im Geltungsbereich des
§ 4 Abs. 1 TV SozSich besteht danach kein Beteiligungsrecht für Regelungen zwischen
Dienststellenleiter und Personalrat über die Voraussetzungen, unter denen bei der
Beendigung aus betriebsbedingten Gründen ein Abfindungsanspruch entsteht.
18 c) Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt § 4 Abs. 2 Satz 2 TV SozSich nicht den
Abschluss von Dienstvereinbarungen zu, in denen ein Abfindungsanspruch bei der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag geregelt wird. Die
Tarifnorm erlaubt lediglich eine von § 4 Abs. 2 Satz 1 TV SozSich abweichende
Festlegung der Abfindungshöhe, wenn das Arbeitsverhältnis unter den Voraussetzungen
des § 4 Abs. 1 TV SozSich nicht durch Kündigung, sondern durch einen
Aufhebungsvertrag beendet wird. Selbst wenn es sich bei § 4 Abs. 2 Satz 2 TV SozSich -
anders als bei § 4 Abs. 1 TV SozSich - nicht um eine abschließende Regelung iSd. § 74
Abs. 2 Eingangshalbs. PersVG Th handeln würde, bestünde eine
Normsetzungskompetenz nach § 74 Abs. 2 Nr. 7 PersVG Th nur hinsichtlich der
Abfindungshöhe.
19 3. Nach diesen Grundsätzen ist Nr. 7 Satz 1 DV 2008, der die Zahlung einer Abfindung bei
Abschluss eines Auflösungsvertrags aus betriebsbedingten Gründen vorsieht, unwirksam.
Der Abschluss einer solchen Dienstvereinbarung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es kann
zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass der in Nr. 7 Satz 1 DV 2008 verwandte
Begriff „betriebsbedingte Gründe“ von dem der Rationalisierungsmaßnahme iSd. § 74
Abs. 2 Nr. 7 PersVG Th umfasst ist. Es kann weiter zu ihren Gunsten unterstellt werden,
dass das PersVG Th auch die Aufstellung eines Sozialplans für noch nicht konkret
absehbare Rationalisierungsmaßnahmen zulässt, obwohl § 74 Abs. 2 Nr. 7 PersVG Th -
anders als § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG - das Merkmal „geplanten“ nicht enthält. Für die
Regelung der Voraussetzungen, unter denen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
aus betriebsbedingten Gründen eine Abfindung zu zahlen ist, waren jedoch im zeitlichen
Geltungsbereich des TV SozSich wegen der Regelungssperre in § 74 Abs. 2
Eingangshalbs. PersVG Th Dienstvereinbarungen über Sozialplanansprüche nach § 74
Abs. 2 Nr. 7 PersVG Th unwirksam. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die durch
§ 4 Abs. 1 TV SozSich bewirkte Regelungssperre in § 74 Abs. 2 Eingangshalbs.
PersVG Th nicht durch Nr. III 3 VE 2009 aufgehoben worden. Bei der VE 2009 handelt es
sich nicht um einen Tarifvertrag, worüber zwischen den an der VE 2009 beteiligten
tariffähigen Parteien ausdrücklich Einigkeit bestanden hat (Nr. V 2 VE 2009).
20 II. Eine Gesamtzusage, die DV 2008 unabhängig von ihrer Wirksamkeit anzuwenden, hat
die Beklagte nicht erteilt.
21 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es nicht ausgeschlossen, eine
unwirksame Betriebsvereinbarung entsprechend § 140 BGB in eine vertragliche
Einheitsregelung (Gesamtzusage oder gebündelte Vertragsangebote) umzudeuten. Eine
solche Umdeutung kommt allerdings nur in Betracht, wenn besondere Umstände die
Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der
Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die in
dieser vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Dabei ist insbesondere zu
berücksichtigen, dass sich der Arbeitgeber von einer Betriebsvereinbarung durch
Kündigung jederzeit lösen kann, während eine Änderung der Arbeitsverträge, zu deren
Inhalt eine Gesamtzusage wird, nur einvernehmlich oder durch gerichtlich überprüfbare
Änderungskündigung möglich ist. Ein hypothetischer Wille des Arbeitgebers, sich
unabhängig von der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung auf Dauer einzelvertraglich
zu binden, kann daher nur in Ausnahmefällen angenommen werden (BAG 30. Mai 2006 -
1 AZR 111/05 - Rn. 34, BAGE 118, 211).
22 2. Hiernach hat sich die Beklagte nicht gegenüber ihren Arbeitnehmern durch eine
Gesamtzusage verpflichtet, die DV 2008 anzuwenden.
23 Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt eine solche Erklärung insbesondere nicht aus
Nr. III 2 VE 2009. Diese ist nicht gegenüber den Arbeitnehmern der Beklagten abgeben,
sondern in einer zwischen ihr, ihrem Personalrat, dem KAV und ver.di abgeschlossenen
Vereinbarung enthalten. Darüber hinaus enthält dieser Teil der VE 2009 nur Erklärungen
des KAV und ver.di. Die Beklagte hat in der VE 2009 die Wirksamkeit der mit ihrem
Personalrat abgeschlossenen DV 2008 nicht in Zweifel gezogen. Von einer Erklärung, die
Beklagte werde die in Nr. 7 DV 2008 zugesagten Abfindungen unabhängig von ihrem
kollektivrechtlichen Geltungsgrund erfüllen, konnten die Arbeitnehmer der Beklagten
daher nicht ausgehen.
24 III. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass der Klägerin nach
den Vorschriften des TV SozSich kein Abfindungsanspruch zusteht.
25 1. Nach § 4 Abs. 1 TV SozSich erhalten Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis aus
Gründen des Personalabbaus entweder gekündigt oder durch Auflösungsvertrag beendet
wird, eine Abfindung.
26 2. Die Tarifnorm ist dahingehend auszulegen, dass kein Abfindungsanspruch entsteht,
wenn die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufheben und
zugleich ein unwiderrufliches Rückkehrrecht zu den bisherigen Arbeitsbedingungen
vereinbaren, sofern ein sich unmittelbar anschließendes Arbeitsverhältnis zu einem
anderen Arbeitgeber betriebsbedingt endet. In einem solchen Fall ist das Arbeitsverhältnis
im Tarifsinn nicht beendet.
27 a) Der Wortlaut von § 4 Abs. 1 TV SozSich lässt ein derartiges Verständnis zu. Zwar hat
das Arbeitsverhältnis durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags in dem Sinn geendet,
dass die wechselseitigen Haupt- und Nebenpflichten nicht mehr bestehen. Die rechtlichen
Beziehungen sind - soweit der Bestand des Arbeitsverhältnisses betroffen ist - jedoch
nicht vollständig erloschen. Aufgrund der vom bisherigen Arbeitgeber erteilten
unwiderruflichen Zusage zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei einer
betriebsbedingten Beendigung des neuen Arbeitsverhältnisses besteht zwischen den
Arbeitsvertragsparteien weiterhin ein auf dem vorherigen Arbeitsvertrag beruhendes
Schuldverhältnis. Das zwischen ihnen bestehende „Band“ des zunächst beendeten
Arbeitsverhältnisses ist wegen der Verpflichtung des bisherigen Arbeitgebers zur
Wiedereinstellung des Arbeitnehmers noch nicht endgültig gelöst.
28 b) Nach der Systematik des § 4 TV SozSich sind die Tarifvertragsparteien bei der
Normierung der dort enthaltenen Abfindungsregelungen aber von einer endgültigen
Beendigung der den Bestand des Arbeitsverhältnisses begründenden rechtlichen
Beziehungen der Parteien ausgegangen. Die Vorschrift enthält keine Bestimmungen über
die Wiedereinstellung von zuvor aus betriebsbedingten Gründen ausgeschiedenen
Beschäftigten. Ebenso fehlt es an einer § 4 Abs. 6 TV SozSich vergleichbaren Regelung
über eine anteilige Rückzahlung der Abfindung bei der Wiedereinstellung eines
entlassenen Arbeitnehmers.
29 c) Auch der Normzweck von § 4 TV SozSich verlangt nicht die Zuerkennung eines
Abfindungsanspruchs bei der Gewährleistung eines Rückkehrrechts.
30 aa) Das Regelungsziel des TV SozSich besteht in der Gewährleistung einer dauerhaften
Beschäftigungsmöglichkeit für die von einem Arbeitsplatzwegfall betroffenen
Beschäftigten. Dies folgt aus der vorangestellten Vorbemerkung. Danach hat bei
erforderlichen Umstrukturierungen die Sicherung von Beschäftigungsmöglichkeiten
Vorrang gegenüber Entlassungen und den damit verbundenen Maßnahmen zur
sozialverträglichen Abfederung.
31 bb) Die vom TV SozSich angestrebte Gewährleistung einer dauerhaften Beschäftigung
wird erreicht, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem öffentlichen Arbeitgeber zwar aus
betriebsbedingten Gründen beendet wird, dieser sich aber bei der Beendigung des neuen
Arbeitsverhältnisses aufgrund von betriebsbedingten Gründen unwiderruflich zur
Wiedereinstellung zu unveränderten Arbeitsbedingungen verpflichtet. Hierdurch wird eine
rechtlich abgesicherte Beschäftigungsmöglichkeit für den entlassenen Arbeitnehmer
entweder beim neuen oder dem bisherigen Arbeitgeber sichergestellt.
32 cc) Hat der öffentliche Arbeitgeber anlässlich einer betriebsbedingten Beendigung des
Arbeitsverhältnisses eine Wiedereinstellungszusage erteilt, bedarf es auch keines
Ausgleichs oder einer Milderung der durch die Entlassung verbundenen wirtschaftlichen
Nachteile durch eine Abfindung. In einem solchen Fall stünde der Arbeitnehmer besser,
als wenn er beim gleichen Arbeitgeber eine ihm angebotene anderweitige Beschäftigung
auf einem niedriger bewerteten Arbeitsplatz annimmt. Auch dieser Arbeitnehmer erhält
keinen Ausgleich seines hierdurch entstehenden Minderverdienstes. Vielmehr ist er
lediglich für die Dauer eines Jahres vor einer Reduzierung seiner Arbeitszeit geschützt
und erhält einen besonderen Kündigungsschutz (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 TV SozSich).
33 3. Danach hat die Klägerin keinen Abfindungsanspruch wegen der Beendigung ihres
Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2009. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 TV
SozSich liegen nicht vor. Es fehlt an der dort vorausgesetzten Beendigung des
Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte hat der Klägerin in Nr. 2 des Aufhebungsvertrags vom
26. August 2009 eine unwiderrufliche Wiedereinstellungszusage erteilt.
34 IV. Der Zahlungsantrag ist unzulässig, soweit er erstmals in der Revisionsbegründung auf
eine Anpassung des Aufhebungsvertrags, einen Schadensersatzanspruch, eine in der
Pressemitteilung des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 21. Februar 2011 enthaltene
Zusage sowie auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt wird.
Diese Streitgegenstände sind nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.
Insoweit liegt eine in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO unzulässige
Klageerweiterung vor (BAG 13. Dezember 2011 - 1 AZR 508/10 - Rn. 23, NZA 2012, 876).
Schmidt
Linck
Koch
Hayen
Benrath