Urteil des BAG vom 14.03.2017

Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes - Kleinbetrieb

Siehe auch:
Pressemitteilung Nr. 83/10
Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes - Kleinbetriebsklausel
Nach § 23 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes genießen Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der
Regel nur zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind, keinen Kündigungsschutz. Die darin
liegende Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern größerer und kleinerer Betriebe verstößt nicht
gegen Art. 3 GG. Sie ist sachlich gerechtfertigt, weil Kleinbetriebe typischerweise durch enge persönliche
Zusammenarbeit, geringere Finanzausstattung und einen Mangel an Verwaltungskapazität geprägt sind.
Auch wenn ein Unternehmer mehrere Kleinbetriebe unterhält, werden die Zahlen der dort Beschäftigten
nicht automatisch zusammengerechnet, wenn es sich tatsächlich um organisatorisch hinreichend
verselbständigte Einheiten und deshalb um selbständige Betriebe handelt. Es ist aber sicherzustellen,
dass damit aus dem Geltungsbereich des Gesetzes nicht auch Einheiten größerer Unternehmen
herausfallen, auf die die typischen Merkmale des Kleinbetriebs (enge persönliche Zusammenarbeit etc.)
nicht zutreffen. Das wiederum ist nicht stets schon dann der Fall, wenn dem Betrieb auch nur eines
dieser typischen Merkmale fehlt. Maßgebend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.
Die Beklagte beschäftigte an ihrem Sitz in Leipzig mindestens acht, an ihrem Standort Hamburg sechs
Arbeitnehmer. Im Januar 2006 setzte sie in Hamburg einen vor Ort mitarbeitenden Betriebsleiter ein, den
sie - wie sie behauptet hat - bevollmächtigte, dort Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen. Der
Kläger war in der Betriebsstätte Hamburg seit 1990 als Hausmeister und Haustechniker tätig. Ein
vergleichbarer Arbeitnehmer wurde im Jahr 2003 eingestellt, ist deutlich jünger als der Kläger und -
anders als dieser - keiner Person zum Unterhalt verpflichtet. Im März 2006 kündigte die Beklagte das
Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Berufung auf betriebliche Gründe. Die Vorinstanzen haben der
Klage wegen unzureichender Sozialauswahl stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das
Kündigungsschutzgesetz für anwendbar gehalten, weil die Kapitalausstattung der Beklagten nicht gering
gewesen sei und ihr Geschäftsführer in Hamburg nicht mitgearbeitet habe.
Die Revision der Beklagten war vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich. Sie führte
zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Entgegen der Auffassung der
Vorinstanzen ist es im Streitfall nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, beide Betriebstätten
auch dann als einheitlichen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne anzusehen, wenn sie
organisatorisch selbständig sind. Ob dies zutrifft, bedarf weiterer Feststellungen durch das
Landesarbeitsgericht.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 17. Januar 2008 - 7 Sa 41/07 -