Urteil des BAG vom 24.03.2011

Vergütung der Rufbereitschaft II nach dem TV-Ärzte-KF

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 24.3.2011, 6 AZR 684/09
Vergütung der Rufbereitschaft II nach dem TV-Ärzte-KF
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Düsseldorf vom 19. August 2009 - 4 Sa 80/09 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten, soweit für die Revision von Bedeutung, über die Frage der Vergütung der von
der Klägerin von Juli 2007 bis Juni 2008 geleisteten Rufbereitschaftszeiten.
2 Die Klägerin ist bei der Beklagten als Ärztin tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft
arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-
KF) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Mit Beschluss der Arbeitsrechtlichen
Schiedskommission vom 22. Oktober 2007 wurde der BAT-KF rückwirkend zum 1. Juli 2007 neu
gefasst und in der Fassung der redaktionellen Überarbeitung vom 21. November 2007 (BAT-KF
nF) am 15. Januar 2008 im Kirchlichen Amtsblatt der Evangelischen Kirche im Rheinland bekannt
gemacht. Gemäß § 1 BAT-KF nF richten sich die Arbeitsverhältnisse der Ärztinnen und Ärzte
ausschließlich nach der Anlage 6 zum BAT-KF - Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte - Kirchliche
Fassung (TV-Ärzte-KF).
3 Der TV-Ärzte-KF lautete bis zum 31. März 2009 auszugsweise wie folgt:
㤠6
Sonderformen der Arbeit
...
(6)
1
Die Ärztin/Der Arzt hat sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der
regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten, um
auf Abruf die Arbeit aufzunehmen (Rufbereitschaft I und Rufbereitschaft II). …
3
Durch
tatsächliche Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft kann die tägliche
Höchstarbeitszeit von zehn Stunden überschritten werden (§§ 3, 7 Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 4
Arbeitszeitgesetz).
...
§ 8
Ausgleich für Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst
(1)
1
Der Arbeitgeber darf Rufbereitschaft I nur anordnen, wenn erfahrungsgemäß lediglich in
Ausnahmefällen Arbeit anfällt.
2
Für die Rufbereitschaft I wird eine tägliche Pauschale je
Entgeltgruppe gezahlt.
3
Für eine Rufbereitschaft I von mindestens zwölf Stunden wird für
die Tage Montag bis Freitag das Zweifache, für Samstag, Sonntag sowie für Feiertage das
Vierfache des tariflichen Stundenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe
(individuelles Stundenentgelt) gezahlt. …
5
Für Rufbereitschaften I von weniger als zwölf
Stunden werden für jede angefangene Stunde 12,5 v. H. des individuellen Stundenentgelts
nach der Entgelttabelle gezahlt.
6
Hinsichtlich der Arbeitsleistung wird jede einzelne
Inanspruchnahme innerhalb der Rufbereitschaft I mit einem Einsatz im Krankenhaus
einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten auf eine volle Stunde gerundet.
7
Für alle
Inanspruchnahmen wird das Entgelt für Überstunden sowie etwaiger Zeitzuschläge bezahlt.
8
Für die Zeit der Rufbereitschaft I werden Zeitzuschläge nicht gezahlt.
...
(2)
1
Der Arbeitgeber darf Rufbereitschaft II nur anordnen, wenn erfahrungsgemäß eine
durchschnittliche Arbeitsbelastung von höchstens 25 % der Zeit der angeordneten
Rufbereitschaft zu erwarten ist.
2
Die Zeit der Rufbereitschaft II wird zu 50 % als Arbeitszeit
gewertet und dafür 50 % des tariflichen Stundenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und
Stufe (individuelles Stundenentgelt) gezahlt.
…“
4 § 6 Abs. 6 und § 8 Abs. 2 TV-Ärzte-KF sind aufgrund eines Spruchs der Arbeitsrechtlichen
Schiedskommission Rheinland-Westfalen-Lippe (ARS RWL) vom 5. Dezember 2008 mit Wirkung
zum 1. April 2009 neu gefasst worden.
5 § 6 Abs. 6 TV-Ärzte-KF ist um folgende Sätze 4 bis 6 ergänzt worden:
„Unter den Voraussetzungen des Absatzes 4 Satz 4 Ziffer 1 bis 3 kann im Rahmen des § 7
Absatz 2 a Arbeitszeitgesetz eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit durch tatsächliche
Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft II auch ohne Ausgleich erfolgen. Dabei ist eine
wöchentliche Arbeitszeit von maximal durchschnittlich 60 Stunden zulässig. Für die
Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von einem
Jahr zugrunde zu legen.“
6 § 8 Abs. 2 TV-Ärzte-KF ist in Satz 2 geändert und um Satz 3 und 4 ergänzt worden:
2
Für die Zeit der Rufbereitschaft II wird ein Entgelt in Höhe von 25 v. H. des tariflichen
Stundenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe (individuelles Stundenentgelt)
gezahlt.
3
Für die Zeit der Rufbereitschaft II werden Zeitzuschläge nicht gezahlt.
4
Zusätzlich
wird für die Zeiten der Inanspruchnahme einschließlich der hierfür erforderlichen
Wegezeiten, höchstens für 25 v. H. der Zeit der Rufbereitschaft II, das Entgelt für
Überstunden sowie etwaige Zeitzuschläge gezahlt.“
7 Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis bis einschließlich Januar 2008 auf Basis des BAT-KF
aF ab. Im Februar 2008 berechnete sie die Vergütung für die von der Klägerin geleisteten
Rufbereitschaftszeiten rückwirkend seit Juli 2007 auf Basis des § 8 Abs. 2 TV-Ärzte-KF aF als
Rufbereitschaft II neu. Dabei legte sie ebenso wie in der Folgezeit pro Stunde ein Entgelt von 25 %
des individuellen Stundenentgelts zugrunde. Dies führte von Juli 2007 bis Juni 2008 zu einer
Gesamtvergütung für die Rufbereitschaft II von 17.077,75 Euro.
8 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe für die geleistete Rufbereitschaft II pro Stunde
ein Entgelt von 50 % des individuellen Stundenentgelts zu. Das Wort „dafür“ in dieser Bestimmung
müsse sich auf die Rufbereitschaft II beziehen. Jede andere Auslegung sei sinnwidrig, da die
Vergütung dann niedriger als bei der weniger belastenden Rufbereitschaft I sei, obwohl die Klägerin
in ihrer Gestaltungsfreiheit stärker eingeschränkt sei.
9 Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 17.077,75 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank von
16.647,65 Euro seit dem 30. April 2008 und von 430,10 Euro seit dem 4. August 2008 zu
zahlen.
10 Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag auf den eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 2
TV-Ärzte-KF aF gestützt.
11 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht geltend, § 8 Abs. 2 TV-Ärzte-KF aF
sei offenbar unbillig und unwirksam gewesen. Dies ergebe sich vor allem aus dem Fehlen einer
sog. „Opt-out-Klausel“, die erst zum 1. April 2009 in den TV-Ärzte-KF eingefügt worden sei.
Rufbereitschaft II habe darum erst seit dem 1. April 2009 angeordnet werden können. Dass die
Änderung des § 8 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte-KF aus pragmatischen Gründen nicht rückwirkend zum
1. Juli 2007 vorgenommen worden sei, sei ebenfalls unbillig. Die Beklagte bestreitet den Vortrag
der Klägerin zum Rechtssetzungswillen der Rheinisch-Westfälisch-Lippischen Arbeitsrechtlichen
Kommission (ARK RWL) mit Nichtwissen.
Entscheidungsgründe
12 Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht die Klage abgewiesen. Nach § 8
Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte-KF aF war die Rufbereitschaft II mit 25 % des individuellen
Stundenentgelts zu vergüten. Diese Regelung hält einer Rechtskontrolle stand.
13 I. 1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass nach dem eindeutigen Wortlaut
des § 8 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte-KF aF der Klägerin für jede von ihr geleistete Stunde einer
Rufbereitschaft II nur ein Entgelt von 25 % und nicht von 50 % des individuellen Stundenentgelts
zustand. Das stellt auch die Klägerin letztlich nicht in Abrede, wenn sie damit argumentiert, die
Vergütungsregelung sei sinnwidrig, führe zu einem zu geringen Abstand zwischen der
Rufbereitschaft I und II und beruhe auf einem Redaktionsversehen der ARK RWL.
14 Die Zeit der Rufbereitschaft II war zum Zwecke der Vergütungsberechnung nach § 8 Abs. 2 Satz 2
TV-Ärzte-KF aF zu 50 % als Arbeitszeit zu werten. „Dafür“, also für diese nur zu 50 % zu
berücksichtigende Zeit, waren 50 % des individuellen Stundenentgelts zu zahlen. Dies führte im
Ergebnis dazu, dass die Rufbereitschaft II nur mit 25 % des Stundenentgelts vergütet wurde. Hätte
die ARK RWL, wie von der Klägerin angenommen, für die Rufbereitschaft II eine Vergütung von
50 % des individuellen Stundenentgelts festlegen wollen, so hätte sie dies mit Formulierungen wie
„eine Vergütung von 50 % des individuellen Stundenentgelts“ oder „eine Vergütung in Höhe des
individuellen Stundenentgelts wird für 50 % der Arbeitszeit der angeordneten Rufbereitschaft
gezahlt“ zum Ausdruck bringen müssen.
15 2. Selbst wenn man annähme, dass der Wortlaut nicht eindeutig sei, sprächen systematische
Gesichtspunkte gegen die Auslegung der Klägerin. Ihre Annahme, der Begriff „dafür“ beziehe sich
auf die Rufbereitschaft II, führte zu keinem sinnvollen Regelungsinhalt des § 8 Abs. 2 Satz 2 TV-
Ärzte-KF aF. Dann wäre § 8 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte-KF aF wie folgt zu lesen:
„Die Zeit der Rufbereitschaft II wird zu 50 % als Arbeitszeit gewertet und für die
Rufbereitschaft II (werden) 50 % des tariflichen Stundenentgelts der jeweiligen
Entgeltgruppe und Stufe (individuelles Stundenentgelt) gezahlt.“
16 In dieser Lesart hätte die erste Gewichtung ausschließlich arbeitszeitrechtliche Bedeutung und
wäre so zu verstehen, dass auch ohne Heranziehung zur Arbeitsleistung die Zeit der
Rufbereitschaft II zu 50 % auf die Arbeitszeit anzurechnen wäre. Die vergütungsrechtliche
Komponente wäre allein vom zweiten Satzteil abgedeckt. Vor dem Hintergrund, dass die Zeit der
Rufbereitschaft keine Arbeitszeit ist (Senat 20. Mai 2010 - 6 AZR 1015/08 - Rn. 15, AP TVG § 1
Tarifverträge: Deutsche Bahn Nr. 36), gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die ARK RWL
§ 8 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte-KF aF einen grundlegend vom herkömmlichen arbeitszeitrechtlichen
Verständnis der Rufbereitschaft abweichenden Inhalt geben wollte, zumal dies zu erheblichen,
wenn nicht sogar unüberwindlichen Problemen für die Dienstgeberseite geführt hätte, die
arbeitszeitrechtlichen Vorschriften einzuhalten. Es kann jedoch der ARK RWL ebenso wenig wie
Tarifvertragsparteien unterstellt werden, dass sie eine überflüssige, verwirrende und sinnlose
Regelung treffen wollte (zu diesem Auslegungsgrundsatz BAG 8. August 2002 - 8 AZR 476/01 -
zu II 4 b bb (1) der Gründe, ZTR 2003, 239).
17 3. Entgegen der Auffassung der Klägerin war von der ARK RWL auch nicht entgegen dem
eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte-KF aF eine Vergütung der Rufbereitschaft II
mit einem Entgelt von 50 % des individuellen Stundensatzes gewollt. Ein solcher Wille hat in § 8
Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte-KF aF keinerlei Anklang gefunden. Tatsächlich zeigt die
Entstehungsgeschichte der Norm und ihre Neufassung mit Wirkung zum 1. April 2009, dass es
den von der Klägerin behaupteten übereinstimmenden Willen der ARK RWL nicht gab.
18 a) Die Klägerin stützt sich für ihre Annahme auf die vom Landesarbeitsgericht eingeholte Auskunft
des Marburger Bundes als Vertreter der Dienstnehmer vom 29. Juli 2009. Daraus ergibt sich,
dass die Formulierung des § 8 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte-KF aF auf einem Vorschlag der
Dienstnehmervertreter der ARK RWL beruhte. Die Vertreter der Dienstnehmer wollten sich dabei
an der für den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte in Einrichtungen der Vereinigung
Berufsgenossenschaftlicher Kliniken (TV-Ärzte VBGK) vom 14. Juni 2007 vorgesehenen
Regelung orientieren. Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 dieses Tarifvertrags wird für jede Stunde der
Rufbereitschaft II 50 vH des individuellen Stundenentgelts gezahlt. Im Zeitpunkt des Vorschlags
der Dienstnehmervertreter stand der Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte VBGK, wie er
Eingang in diesen Tarifvertrag gefunden hat, jedoch noch nicht fest. Es standen noch
unterschiedliche Formulierungen im Raum, nämlich Rufbereitschaft II entweder mit „50 % des
individuellen Stundenentgelts“ oder alternativ „mit 50 % der Arbeitszeit der angeordneten
Rufbereitschaftszeit“ zu bewerten. Nach Darstellung in der Auskunft des Marburger Bundes haben
die Dienstnehmervertreter versehentlich in ihrem Formulierungsvorschlag beide
Vergütungsalternativen des § 9 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte VBGK kumuliert, statt eine Alternative zu
streichen. Diese aus Sicht der Dienstnehmerseite fehlerhafte Formulierung hat dann unverändert
Eingang in den TV-Ärzte-KF gefunden.
19 b) Zwischen Dienstnehmer- und Dienstgeberseite der ARK RWL konnte kein Einverständnis
darüber erzielt werden, dass ein redaktionelles Versehen vorlag. Das deswegen angestrengte
Schiedsverfahren vor der ARS RWL führte zu einem Beschluss vom 5. Dezember 2008, der
wegen „Unwuchten in der Relation der einzelnen Belastungsstufen von Bereitschaftsdienst mit
höchstmöglicher Auslastung bis zur Rufbereitschaft, bei der erfahrungsgemäß lediglich in
Ausnahmefällen Arbeit anfällt“ anregte, für die Zukunft die unterschiedlichen Wertigkeiten innerhalb
des derzeit geltenden Systems durch eine Neuordnung der Vergütungsregeln mit konsistenter
Systematik auszugleichen.
20 Die ARK RWL hat aufgrund dieser Anregung die Vergütung für die Rufbereitschaft II mit Wirkung
zum 1. April 2009 grundlegend neu gestaltet. Ein übereinstimmender Wille der Dienstgeber- und
Dienstnehmerseite, bereits für die Zeit vor der Neuregelung die Rufbereitschaft II mit mehr als
25 % eines Stundenentgelts zu vergüten, lässt sich damit nicht feststellen.
21 II. § 8 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte-KF aF war auch mit höherrangigem Recht vereinbar.
22 1. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Bestimmungen zur Rufbereitschaft II im TV-Ärzte-
KF seien rückwirkend zum 1. Juli 2007 in Kraft getreten, wird von der Klägerin in der Revision
nicht mehr in Frage gestellt. Im Gegenteil stützt sie den in die Revision gelangten Anspruch auch
für die Zeit vor Januar 2008 gerade auf den TV-Ärzte-KF.
23 2. Entgegen der Auffassung der Revision war die Vergütungsregelung in § 8 Abs. 2 Satz 2 TV-
Ärzte-KF aF nicht unbillig iSv. §§ 317, 319 BGB.
24 a) Die Rüge der Klägerin, die ARK RWL habe in rechtsmissbräuchlicher Weise allein aus
pragmatischen Gründen davon abgesehen, die Neufassung des § 8 Abs. 2 TV-Ärzte-KF
rückwirkend in Kraft zu setzen, was gemäß § 319 BGB zu korrigieren sei, ist als bestrittener neuer
Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren unbeachtlich. Ohnehin hatte die ARS RWL nur eine
Neuregelung für die Zukunft angeregt.
25 b) § 8 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte-KF aF war nicht wegen des Fehlens einer „Opt-out-Regelung“ und
eines darin liegenden etwaigen Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz unwirksam. Diese
Bestimmung war auch nicht gleichheitswidrig. Die Klägerin hält unter Berufung auf den
Prüfungsmaßstab der §§ 317 ff. BGB die Änderung der Vergütung der Rufbereitschaft im BAT-KF
durch den TV-Ärzte-KF aF für unbillig. Änderungen und Ergänzungen kirchlich-diakonischer
Arbeitsvertragsregelungen sind jedoch am Maßstab der §§ 305 ff. BGB zu prüfen, wobei als im
Arbeitsrecht geltende Besonderheit (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) angemessen zu berücksichtigen
ist, dass diese auf dem Dritten Weg entstanden sind und von einer paritätisch mit
weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen
worden sind. Dies führt dazu, dass solche Arbeitsvertragsregelungen unabhängig davon, ob sie
tarifvertragliche Regelungen des öffentlichen Dienstes ganz oder mit im Wesentlichen gleichen
Inhalten übernehmen, grundsätzlich wie Tarifverträge nur auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem
Recht und Verstöße gegen die guten Sitten zu prüfen sind (Senat 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 -
Rn. 26 ff., ZTR 2010, 658). Einer solchen Kontrolle hält § 8 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte-KF aF stand.
26 aa) Auf den von ihr gerügten Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz kann die Klägerin die begehrte
Vergütung nicht stützen.
27 (1) Die Klägerin argumentiert widersprüchlich. Wäre die Vergütungsregelung der Rufbereitschaft
im TV-Ärzte-KF wegen Verstößen gegen das Arbeitszeitrecht unwirksam gewesen, führte dies
nicht zu dem von der Klägerin angestrebten Entgelt, das sie gerade aus § 8 Abs. 2 Satz 2 TV-
Ärzte-KF aF herleitet. Vielmehr wäre dann die Vergütung der Rufbereitschaft II iSv. § 612 Abs. 2
BGB nicht bestimmt, so dass die in dem vergleichbaren Wirtschaftskreis verkehrsübliche
Vergütung zu zahlen wäre (BAG 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 26, BAGE 118, 66). Zur Höhe
dieser Vergütung trägt die Klägerin nichts vor.
28 (2) Darüber hinaus betrifft die von der Klägerin angesprochene Frage der Notwendigkeit einer
„Opt-out-Klausel“ für die Anordnung der Rufbereitschaft II die arbeitszeitrechtliche Zulässigkeit des
Umfangs der Inanspruchnahme während dieser und nicht die für die Rufbereitschaft als solche zu
zahlende Vergütung. Selbst wenn arbeitszeitrechtlich eine Anordnung der Rufbereitschaft II wegen
der damit verbundenen Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nicht hätte erfolgen
dürfen, wie die Klägerin annimmt, führte dies nicht zu dem von der Klägerin erhobenen
Vergütungsanspruch. Dem Arbeitszeitgesetz lässt sich keine Anspruchsgrundlage für
Vergütungsansprüche bei Verstößen gegen die dort geregelten Arbeitszeitschutzvorschriften
entnehmen (zuletzt Senat 17. Dezember 2009 - 6 AZR 729/08 - Rn. 45, AP TVöD § 6 Nr. 1 =
EzTöD 100 TVöD-AT Anhang zu § 9 A. Hausmeister Nr. 3). Auch die Richtlinie 2003/88/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der
Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) enthält keine Sanktion bei einem Verstoß gegen die
Mindestvorschriften hinsichtlich der Arbeitszeit (EuGH 25. November 2010 - C-429/09 - [Fuß]
Rn. 44, NZA 2011, 53). Die Beklagte ist auch kein öffentlicher Arbeitgeber, gegen den
möglicherweise ein Schadensersatzanspruch bei Verletzungen der Vorgabe aus der Richtlinie
bestehen könnte (dazu vgl. EuGH 25. November 2010 - C-429/09 - [Fuß] Rn. 45 ff., aaO).
29 Daher kann dahinstehen, ob bereits vor dem 1. April 2009 eine „Opt-out-Klausel“ für die Anordnung
der Rufbereitschaft II erforderlich war.
30 bb) Die Klägerin rügt eine gleichheitswidrige Bevorzugung der Arbeitnehmer, bei denen
Rufbereitschaft I angeordnet wird, wenn sie darauf hinweist, dass bei einer Vergütung der
Rufbereitschaft II mit nur 25 % der individuellen Stundenvergütung die Rufbereitschaft I besser
vergütet worden sei, obwohl die Ärzte dabei wesentlich weniger beansprucht worden seien. Zwar
verbietet Art. 3 Abs. 1 GG auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss (Senat
16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Ein solcher ist jedoch nicht erfolgt.
31 (1) Bereits die Annahme der Klägerin, die Rufbereitschaft I sei besser vergütet worden als die
Rufbereitschaft II, trifft so nicht zu. Bei Rufbereitschaften von Montag bis Freitag, für die lediglich
ein Stundenentgelt für zwei Stunden für die Rufbereitschaft I gezahlt wurde, war die
Rufbereitschaft II finanziell günstiger für die Arbeitnehmer, solange im Rahmen der
Rufbereitschaft I keine oder nur geringfügige Inanspruchnahmen erfolgten. Bei Rufbereitschaft I
von weniger als zwölf Stunden war mit 12,5 % des individuellen Stundenentgelts eine geringere
Vergütung als für die Rufbereitschaft II geschuldet.
32 (2) Die ARK RWL hat mit der Regelung der Vergütung der Rufbereitschaft II in § 8 Abs. 2 Satz 2
TV-Ärzte-KF aF die Grenzen ihrer Regelungsmacht noch nicht überschritten. Arbeit in ihren
unterschiedlichen Ausgestaltungsformen wie Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst
und Rufbereitschaft I oder II kann vergütungsrechtlich unterschiedlich behandelt werden. Die
Vergütungsregelung muss lediglich den Verlust an Freizeit angemessen berücksichtigen und darf
dem Arbeitnehmer keine erheblichen Leistungen ohne Vergütung abverlangen. Hinsichtlich der
Einschätzung, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Freizeit vorliegt und ob und in welchem
Umfang diese ausgeglichen werden soll, kommt der ARK dabei eine Einschätzungsprärogative zu
(vgl. für Tarifverträge Senat 27. November 2008 - 6 AZR 765/07 - Rn. 27, ZTR 2009, 198;
5. Februar 2009 - 6 AZR 114/08 - Rn. 25, BAGE 129, 284). § 8 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte-KF aF hielt
sich noch innerhalb dieses Spielraums. Die Anordnung der Rufbereitschaft I führte nicht
typischerweise zu finanziellen Vorteilen gegenüber der Rufbereitschaft II, sondern insbesondere
dann, wenn es zu Inanspruchnahmen während der Rufbereitschaft I kam. Eine solche
Inanspruchnahme ist nach den tatbestandlichen Voraussetzungen zu ihrer Anordnung aber die
Ausnahme.
33 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fischermeier
Brühler
Spelge
M. Jostes
Sieberts