Urteil des BAG vom 13.03.2007
BAG: Verlagerung einer Betriebsabteilung, Wirksamkeit von Versetzungen, treu und glauben, sozialplan, rechnungswesen, allgemeine geschäftsbedingungen, ordentliche kündigung, fra, besondere härte
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 13.3.2007, 9 AZR 433/06
Verlagerung einer Betriebsabteilung - Wirksamkeit von Versetzungen
Tenor
Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Hessischen
Landesarbeitsgerichts vom 13. Januar 2006 - 17/13 Sa 220/05 - aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die
Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht
zurückverwiesen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Versetzungen.
2 Die sechs Kläger (Kläger zu 1), 6), 8), 9), 10) und 11)) waren in der Abteilung Rechnungswesen
(FRA RE) der Beklagten, einer Fluggesellschaft, in Frankfurt am Main beschäftigt.
3 Die Beklagte beschloss im Jahre 2002, ihr bisher dezentrales Rechnungswesen in Köln zu
zentralisieren und damit alle in der Abteilung Rechnungswesen in Frankfurt am Main anfallenden
Tätigkeiten nach Köln zu verlagern.
4 Am 16. Januar 2004 schloss die Beklagte mit ihrem örtlichen Betriebsrat einen
“Interessenausgleich für Mitarbeiter der Abteilung FRA RE” (im Folgenden: BV Redesign). Dieser
lautet auszugsweise:
“…
wird in Ausgestaltung des Interessenausgleiches/Sozialplanes vom 20.11.1992 in der
Fassung vom 01.01.2001 im Rahmen des Projektes Redesign Rechnungswesen und
Informationsprozesse bezüglich der Teilmaßnahme Verlagerung von FRA RE nach CGN
folgende Betriebsvereinbarung geschlossen:
§ 1 Geltungsbereich
Der Interessenausgleich gilt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung FRA RE.
§ 2 Verlagerung der Abteilung FRA RE
Im Rahmen des o.g. Projektes werden die Aufgaben und Arbeitsplätze der Abteilung FRA
RE zum 01.04.2004 von Frankfurt nach Köln verlagert. Dies hat Auswirkungen für diejenigen
Mitarbeiter, die zu diesem Zeitpunkt in der Abteilung FRA RE beschäftigt sind.
§ 3 Umgang mit den betroffenen Mitarbeitern
Mit dem Verschieben der Verlagerung von dem angedachten Termin 01.11.03 auf den
01.04.04 soll den betroffenen Mitarbeitern Gelegenheit gegeben werden, sich hinsichtlich
anderer freier Stellen zu orientieren.
Darüber hinaus ist nach Absprache zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem die Aufstockung
einer Teilzeittätigkeit auf Vollzeit möglich bzw. eine Verteilung der Teilzeitarbeit in andere
Arbeitszeitmodelle.
...
§ 5 Bordverkaufsabrechnung
Der Bereich der Bordverkaufsabrechnung (7 BJ) verbleibt unter der bisherigen
Gruppenleiterin in FRA. Die Auswahl der übrigen Mitarbeiter für die in FRA verbleibenden
Arbeitsplätze erfolgt nach den Gesichtspunkten der Sozialauswahl.
...
§ 7 Schlußvorschriften
Die Betriebsvereinbarungen Stellenausschreibung und Auswahlrichtlinien bleiben von dieser
Vereinbarung unberührt.”
5 “(7BJ)” ist die Abkürzung für sieben Beschäftigungsjahre und bedeutet nach dem Sprachgebrauch
der Beteiligten “sieben Vollzeitstellen”.
6 Bei dem in der Präambel zur BV Redesign erwähnten “Interessenausgleich/Sozialplan vom
20.11.1992 in der Fassung vom 01.01.2001” handelt es sich um eine von der Beklagten mit ihrem
Gesamtbetriebsrat abgeschlossene, bis 31. Dezember 1994 befristete Betriebsvereinbarung.
Durch Vereinbarung mit dem Konzernbetriebsrat wurde diese Betriebsvereinbarung ab 1. Januar
2001 auf unbestimmte Zeit wieder in Kraft gesetzt. Der “Interessenausgleich/Sozialplan” vom
20. November 1992 (im Folgenden: KBV-Interessenausgleich und KBV-Sozialplan) lautet, soweit
hier von Interesse:
“Interessenausgleich
§ 1 Präambel
Zwischen GBR und Geschäftsleitung besteht Einvernehmen, daß die Auswirkungen der
geplanten Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen auf die einzelnen Betriebe
noch nicht abschließend feststellbar sind, so daß der vorliegende Interessenausgleich nur
eine Rahmenvereinbarung darstellt. Sobald detaillierte Konzepte über Art und Ausmaß der
Betriebsänderungen vorliegen, wird auf Wunsch des örtlichen Betriebsrates ein örtlicher
Interessenausgleich ergänzend verhandelt.
...
§ 3 Neubesetzung freier Arbeitsplätze
Die durch eine der o. g. Maßnahmen freiwerdenden Stellen werden in Bereichen, die vom
Personalabbau betroffen sind, nur dann neu besetzt, wenn dies zur Aufrechterhaltung des
ordnungsgemäßen [zu ergänzen wohl: Geschäftsbetriebes] unerläßlich ist.
§ 4 Vermittlung freier Arbeitsplätze
Gemäß § 3 zu besetzende, freie Arbeitsplätze werden auf der Grundlage der BetrVbgen
‚Stellenausschreibung’ und ‚Auswahlrichtlinien’ ausgeschrieben, sofern sie nicht durch
Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter besetzt werden können, deren Arbeitsplatz entfallen ist.
Vorrangig sollen Arbeitsplätze am gleichen Ort, im selben Betrieb, einem anderen
Unternehmensbetrieb oder bei anderen Konzerngesellschaften, nachrangig überörtlich im
Unternehmens- und Konzernbereich angeboten und vermittelt werden.
Die Auswahl unter mehreren Bewerberinnen und Bewerbern, die örtlich zu vermitteln wären,
erfolgt unter Beachtung ihrer sozialen Schutzwürdigkeit; dabei sind die vom BAG
entwickelten Grundsätze zur sozialen Auswahl bei betriebsbedingten Kündigungen
entsprechend anzuwenden. Alles weitere regelt die BetrVbg Soziale Auswahlrichtlinien
(Anlage 3).
…
Sozialplan
§ 1 Ziel des Sozialplanes
Der Sozialplan dient dem Ausgleich und der Milderung wirtschaftlicher Nachteile und sozialer
Härten, die aus Anlaß der Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen entstehen
und durch die im Interessenausgleich vereinbarten Regelungen nicht vermieden werden
können.
§ 2 Geltungsbereich
(1) Der Sozialplan wird auf der Grundlage der geltenden Tarifverträge, insbesondere des
Tarifvertrages Schutzabkommen vom 18.04.1980, abgeschlossen. Dieser Sozialplan gilt für
alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lufthansa-Bodenpersonals, deren Arbeitsplatz bzw.
Stelle/Funktion infolge des Personalabbaus entfallen wird und die am 01.11.1992 in einem
ungekündigten Arbeitsverhältnis gestanden haben, mit Ausnahme derjenigen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die
-
in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen;
-
eine Betriebszugehörigkeit von weniger als 6 Monaten aufweisen;
-
leitende Angestellte gemäß § 5 BetrVerfG sind;
-
die Voraussetzungen der jeweils geltenden Regelung zur Frühpensionierung
erfüllen oder zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vereinbarung bereits einen
Aufhebungsvertrag geschlossen haben;
-
die ihr Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen aufheben;
-
aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen oder gemäß § 626 BGB
gekündigt wurden;
-
ohne entsprechende Absprache mit Lufthansa ohne Einhaltung der vertraglichen
Kündigungsfrist ausscheiden.
(2) Aufgrund dieses Sozialplanes ergeben sich Ansprüche für Mitarbeiter,
-
die aus betriebsbedingten Gründen ordentlich oder außerordentlich gekündigt
werden;
-
die umgesetzt, versetzt oder umgeschult werden;
-
deren Arbeitsbedingungen in sonstiger Weise wesentlich verändert werden.
§ 3 Arbeitsplatzangebot
(1) Lufthansa bietet Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, deren Tätigkeit in Qualität und/oder
Quantität ganz oder teilweise entfällt, die Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien
Arbeitsplatz an. Vorrangig werden Arbeitsplätze am gleichen Ort im selben Betrieb, im
selben Unternehmen oder im Konzern, nachrangig überörtlich im Unternehmens- und
Konzernbereich angeboten.
(2) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, deren Arbeitsplätze entfallen, werden geeignete und
zumutbare freie Arbeitsplätze angeboten. Das Angebot enthält die gemäß § 3 BetrVbg
‚Stellenausschreibung’ erforderlichen Angaben, sowie den Hinweis auf evtl. erforderliche
Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen.
(3) Der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter wird sodann eine Entscheidungsfrist zur Annahme
des Angebots gegenüber dem zuständigen Personaldienst von 14 Tagen bzw. bei
überörtlicher Versetzung von 4 Wochen eingeräumt. Innerhalb dieser Frist wird
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, sich über den Arbeitsplatz zu
informieren und/oder ihn zu besichtigen. Evtl. anfallende notwendige Kosten übernimmt
Lufthansa im Rahmen der geltenden Bestimmungen (Handbuch Personal).
Werden Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter unter veränderten Vertragsbedingungen
weiterbeschäftigt, gilt für die Festsetzung der Vergütung § 7 TV Schutzabkommen.
§ 4 Zumutbare Arbeitsplätze
(1) Lufthansa wird der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter nur Arbeitsplätze anbieten, die in
funktioneller, regionaler, zeitlicher und sozialer Hinsicht zumutbar sind.
(2) Die funktionelle Zumutbarkeit ist gegeben, wenn die Anforderungen des neuen
Arbeitsplatzes der Qualifikation (Ausbildung, Erfahrung, bisherige Tätigkeit) der Mitarbeiterin
oder des Mitarbeiters entsprechen oder die erforderliche Qualifikation durch eine
sachgerechte und zumutbare Umschulungsmaßnahme erworben werden kann.
(3) Bei Beurteilung der regionalen Zumutbarkeit sind insbesondere die Dauer der bisherigen
Beschäftigung am selben Ort, die familiären Bindungen sowie das Mobilitätserfordernis des
bisherigen Arbeitsplatzes zu berücksichtigen. Bis zu einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren
wird ein anderer Arbeitsplatz in Deutschland in der Regel als regional zumutbar angesehen.
(4) Bei Beurteilung der zeitlichen Zumutbarkeit sind Dauer und Lage der Arbeitszeit des
angebotenen Arbeitsplatzes mit der des bisherigen Arbeitsplatzes zu vergleichen. Kann
bisher vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern nur ein Teilzeitarbeitsplatz
angeboten werden, haben diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Wahlmöglichkeit, ob
sie den Arbeitsplatz annehmen oder das Unternehmen unter Zahlung der Abfindung gemäß §
6 verlassen möchten. Abs. (6) findet keine Anwendung.
(5) Bei Beurteilung der sozialen Zumutbarkeit werden insbesondere soziale Härten
berücksichtigt. Ein besonderer Härtefall liegt insbesondere vor, wenn die Versetzung
-
die aktuelle und in Zukunft erforderliche Betreuung und Versorgung
pflegebedürftiger Ehegatten, Eltern oder Lebenspartner sowie pflegebedürftiger
unterhaltsberechtigter Kinder unmöglich macht;
-
aufgrund einer schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung eine
besondere Belastung für die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter beinhaltet.
Der Abbruch einer begonnenen Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme kann im
Einzelfall ebenfalls eine besondere Härte darstellen. In diesem Fall findet die Regelung des
Abs. (4) Satz 2 und 3 entsprechende Anwendung.
(6) Lehnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen zumutbaren Arbeitsplatz ab, so entfallen
alle Ansprüche aus diesem Sozialplan.”
7 Darüber hinaus besteht bei der Beklagten eine Betriebsvereinbarung über soziale
Auswahlrichtlinien vom 20. November 1992 (im Folgenden: BV Sozialauswahl), die ua. folgende
Regelungen enthält:
“Präambel
Veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen erfordern eine Anpassung der
Arbeitsstrukturen bei Lufthansa. Arbeitsplätze werden entfallen und den betroffenen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müssen neue Arbeitsplätze zugewiesen werden. Soweit
keine neuen Arbeitsplätze vorhanden sind, können betriebsbedingte Kündigungen nicht
ausgeschlossen werden. Soweit bei Auswahlentscheidungen soziale Gesichtspunkte zu
berücksichtigen sind, gelten die nachfolgenden sozialen Auswahlrichtlinien.
§ 1
Geltungsbereich
Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lufthansa-
Bodenpersonals in Deutschland.
§ 2
Grundsätze
(1)
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genießen Kündigungsschutz im Rahmen sozialer Kriterien,
die in einem ersten Schritt durch ein Punkteschema gewichtet werden. Mitarbeiterinnen oder
Mitarbeiter, die die höchste Punktezahl erreichen, genießen den höchsten Schutz.
(2)
Im Rahmen einer abschließenden Prüfung erfolgt eine Begutachtung unter sozialen
Gesichtspunkten. Zur Vermeidung unbilliger Härten werden hierbei soziale Kriterien, die nicht
in § 3 erfaßt sind, in einer angemessenen Gewichtung zusätzlich berücksichtigt.
(3)
Bei insgesamt gleich zu bewertender Schutzwürdigkeit genießen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter mit der längsten Betriebszugehörigkeit den höchsten Schutz.
(4)
Sind bei der Zuweisung neuer Arbeitsplätze soziale Kriterien zu berücksichtigen, haben
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei denen aufgrund der Dauer der Beschäftigungszeit die
ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, absoluten Vorrang.
§ 3
Punkteschema
-
Pro Lebensjahr über 20
1 Punkt max. 30 Punkte
-
Pro begonnenes Jahr Betriebszugehörigkeit
2 Punkte max. 30 Punkte
-
Je unterhaltsabhängiges Kind
5 Punkte max. 30 Punkte
-
Schwerbehinderung (GdB 50)
10 Punkte;
für jeweils weitere 10 GdB
1 Punkt
insgesamt max. 15 Punkte
§ 4
Zuweisung anderer angemessener Aufgaben
(1)
Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei denen aufgrund der Dauer der Betriebszugehörigkeit
die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, wird die Punktezahl, sofern hinsichtlich der
Zuweisung anderer angemessener Aufgaben eine soziale Auswahl innerhalb dieses
Mitarbeiterkreises erforderlich wird, abweichend vom Punkteschema des § 3, nach
folgendem Schema ermittelt:
-
Pro Lebensjahr über 40
1 Punkt
-
Pro Jahr Betriebszugehörigkeit
ab 15 Jahre 1 Punkt
(2)
Im Rahmen einer abschließenden Prüfung erfolgt eine Begutachtung unter weiteren sozialen
Gesichtspunkten. Diese Kriterien werden, abgesehen von den Fällen besonderer
Behinderungen der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters, jedoch nur dann berücksichtigt, wenn
die Zuweisung an einen anderen Ort, oder eine Veränderung der Dauer der Arbeitszeit
erfolgen soll.”
8 Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 20. Februar 2004 bei ihrem örtlichen Betriebsrat die
Zustimmung zu den Versetzungen von 20 Arbeitnehmern der Abteilung FRA RE von Frankfurt am
Main nach Köln zum 1. April 2004. Unter diesen Arbeitnehmern befanden sich auch die Kläger.
Nachdem der Betriebsrat die Zustimmung verweigert hatte, teilte ihm die Beklagte mit Schreiben
vom 11. März 2004 mit, sie werde die Maßnahmen vorläufig durchführen. Dem widersprach der
Betriebsrat. Daraufhin leitete die Beklagte beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main ein
Beschlussverfahren gemäß § 99 Abs. 4, § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ein.
9 Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt und festgestellt, dass die
Versetzungen der Arbeitnehmer als vorläufige personelle Maßnahmen dringend erforderlich seien.
Die vom Betriebsrat eingelegte Beschwerde blieb vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos. Das
Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen die
Zustimmungsersetzung zurückgewiesen und das Beschlussverfahren im Übrigen eingestellt.
10 Mit Schreiben vom 25. März 2004 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass beabsichtigt sei, sie
vorläufig mit Wirkung zum 1. April 2004 nach Köln zu versetzen. Sie bat die Kläger, ihr die
Sozialdaten mitzuteilen, die bei der sozialen Auswahl berücksichtigt werden könnten. Nach
entsprechender Überprüfung kam die Beklagte zu dem Ergebnis, dass die Kläger keine sozialen
Gesichtspunkte angegeben hätten, die eine Abweichung von dem Punkteschema der BV
Sozialauswahl rechtfertigen würden. Außerdem sprach sie gegenüber den Klägern zu 1), 6), 9),
10) und 11) mit Schreiben vom 17. Juni 2004 außerordentliche Änderungskündigungen mit
Auslauffristen bis 31. Dezember 2004 aus. Gegenüber der Klägerin zu 8) sprach sie mit Schreiben
vom 20. September 2004 eine ordentliche Änderungskündigung zum 31. März 2005 aus. Alle
Kläger haben das Änderungsangebot (sc. Weiterbeschäftigung in Köln ab dem 1. Januar 2005
bzw. 1. April 2005) unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklagen erhoben. Über
diese ist bislang noch nicht rechtskräftig entschieden.
11 Der Kläger zu 1) ist seit 1. Januar 1986 bei der Beklagten in Frankfurt am Main beschäftigt, seit
1992 als Sachbearbeiter im Rechnungswesen. Er wurde am 12. Januar 1964 geboren, ist
verheiratet und zwei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig. Seine Ehefrau ist mit einem Grad
von 30 behindert. Sie ist berufstätig und arbeitet in Wechselschicht. Der im Zeitpunkt der
Klageerhebung neunjährige Sohn des Klägers zu 1) befand sich auf Grund von Geburt an
bestehender grob- und feinmotorischer Probleme von seinem 3. bis 6. Lebensjahr in Ergotherapie
und wurde auf Grund eines Schulunfalles im Jahre 2003 wieder zur Ergotherapie angemeldet. Die
Schwiegereltern des Klägers zu 1) leben zeitweise in Spanien. Während deren Abwesenheit
versorgen der Kläger zu 1) und seine Ehefrau deren Post und pflegen die am Wohnort befindlichen
Gräber. Während der Abwesenheit der Schwiegereltern betreut der Kläger zu 1) ferner die
schwerbehinderte Tante der Ehefrau und deren schwerbehinderten Lebensgefährten, die ebenfalls
in unmittelbarer Nähe wohnen. Der Kläger zu 1) verfügt über eine vermietete Eigentumswohnung,
deren Finanzierung noch ca. 15 Jahre läuft und erledigt Verwaltungsangelegenheiten hinsichtlich
dieser Wohnung.
12 Der Kläger zu 6) ist seit 1. Mai 1985 bei der Beklagten in Frankfurt am Main als kaufmännischer
Sachbearbeiter im Rechnungswesen beschäftigt. Seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt
15 Stunden und zwar mittwochs und donnerstags jeweils 7,5 Stunden. Er wurde am 5. März 1959
geboren, ist verheiratet und einer sechsjährigen Tochter unterhaltspflichtig. Die Tochter wurde im
Jahre 2003 eingeschult, ist morgens um 8.00 Uhr zur Schule zu bringen und spätestens gegen
17.30 Uhr aus der Betreuung abzuholen. Der Kläger hat gesundheitliche Probleme, ua. mit der
Halswirbelsäule, mit Herz-Kreislauf sowie mit dem Blutdruck.
13 Die Klägerin zu 8) ist seit 1. Februar 1991 bei der Beklagten in Frankfurt am Main als
kaufmännische Sachbearbeiterin im Rechnungswesen tätig. Sie wurde am 18. Juli 1954 geboren,
ist verheiratet und keinen Kindern mehr unterhaltspflichtig. Sie leidet an
Bandscheibenbeschwerden und ist mit einem Grad von 30 behindert. Durch Bescheid der
Bundesagentur für Arbeit vom 18. Juni 2004 ist sie einem schwerbehinderten Menschen
gleichgestellt. Ihr Ehemann ist herzkrank und musste sich im März 2004 einer Herzoperation
unterziehen. Eine weitere Herzoperation steht bevor. Die Eheleute verfügen über Hauseigentum,
das zur Zeit noch mit ca. 176.000,00 Euro belastet ist. Neben dem Darlehen für das Haus müssen
noch weitere Verbindlichkeiten mit ca. 400,00 Euro monatlich abgetragen werden.
14 Der Kläger zu 9) ist seit 1. Mai 1988 bei der Beklagten in Frankfurt am Main als kaufmännischer
Angestellter, zuletzt im Rechnungswesen, beschäftigt. Er wurde am 10. Februar 1963 geboren, ist
verheiratet und zwei Kindern unterhaltspflichtig.
15 Die Klägerin zu 10) ist seit 1986 bei der Beklagten in Frankfurt am Main als kaufmännische
Sachbearbeiterin im Rechnungswesen tätig. Gemäß ihrem Arbeitsvertrag wird für sie der
1. September 1984 als sog. “technisches Eintrittsdatum” zugrunde gelegt. Sie arbeitete zuletzt
27,5 Stunden in der Woche. Bis Frühjahr 2003 war sie mit “Bordverkaufsabrechnungen”
beschäftigt, danach mit Abrechnungstätigkeiten für “miles and more”. Sie wurde am 5. Januar
1965 geboren, ist verheiratet und drei Kindern unterhaltspflichtig.
16 Die Klägerin zu 11) ist nach ihren Angaben seit 22. Mai 1987 und nach Angaben der Beklagten seit
21. März 1988 bei der Beklagten in Frankfurt am Main als kaufmännische Sachbearbeiterin im
Rechnungswesen beschäftigt. Sie wurde am 6. August 1953 geboren und ist mit einem Grad von
20 behindert. Sie erwarb vor ca. zwei Jahren eine Eigentumswohnung und betreut ihre
pflegebedürftige und gehbehinderte Mutter.
17 Die vorformulierten Arbeitsverträge der Kläger zu 1), 6), 9), 10) und 11) enthalten folgende
Klauseln: “Beschäftigungsort ist Frankfurt” bzw. “Arbeitsort ist Frankfurt”. Weiter war vereinbart,
dass sich die Rechte und Pflichten des jeweiligen Mitarbeiters aus den jeweils gültigen
Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der DLH ergeben. Die DLH
behielt sich vor, die Mitarbeiter entsprechend ihren Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen
im Interesse des Unternehmens liegenden Tätigkeit zu betrauen. Der Vorbehalt erstreckte sich
auch auf eine Beschäftigung an einem anderen Ort als Frankfurt oder bei einer Tochtergesellschaft
der DLH.
18 Im Arbeitsvertrag der Klägerin zu 8) heißt es ua.:
“
1. Beginn und Ort der Beschäftigung
(1)
Frau ... wird ab ... bei FRA RE 8 in Frankfurt beschäftigt.
(2)
Lufthansa kann Frau ... entsprechend ihren Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im
Interesse der Lufthansa liegenden Aufgabe betrauen, sie an einem anderen Ort sowie
vorübergehend auch bei einem anderen Unternehmen einsetzen.
2. Rechte und Pflichten
Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Gesetz, den Tarifverträgen
und Betriebsvereinbarungen der Lufthansa in ihrer jeweils geltenden Fassung und aus den
Bestimmungen dieses Vertrages.”
19 Vor Ausspruch der Versetzungen hatte die Beklagte für alle Beschäftigten der Abteilung
Rechnungswesen in Frankfurt am Main (FRA RE) die ihnen entsprechend § 3 BV Sozialauswahl
zustehenden Punkte errechnet und eine Punktetabelle erstellt.
20 Nachdem, wie in der BV Redesign geregelt, insgesamt acht Arbeitsplätze im Bereich
“Bordverkaufsabrechnung” in Frankfurt am Main verbleiben sollten, wählte die Beklagte die acht
Arbeitnehmer mit der höchsten Punktzahl für diesen Verbleib aus.
21 Die Arbeitnehmerin mit der höchsten Punktzahl, F, schied zum 1. August 2004 mit Erreichen des
Rentenalters aus dem Betrieb aus. Der Arbeitnehmer mit der zweithöchsten Punktzahl, B, ist
langfristig arbeitsunfähig erkrankt. Die Arbeitnehmerinnen K, N und P wurden nicht versetzt. Deren
Tätigkeiten (Arbeitnehmerinnen K und N im Kassenbereich und Arbeitnehmerin P in der
Sachanlagenverwaltung) wurden nicht nach Köln verlagert.
22 Die Kläger meinen, ihre Versetzungen seien nicht durch das Weisungsrecht der Beklagten
gedeckt. So habe sich ihr Arbeitsvertrag dahingehend konkretisiert, dass sie ihre Arbeitsleistung
nur in Frankfurt am Main erbringen müssten. Des Weiteren habe die Beklagte bei der Auswahl der
Mitarbeiter, die im Bereich “Bordverkaufsabrechnung” in Frankfurt am Main weiterbeschäftigt
würden, die Bestimmungen der BV Sozialauswahl nicht hinreichend beachtet. Außerdem
verstießen die Versetzungen gegen § 4 KBV-Sozialplan, da ihnen eine Beschäftigung in Köln auf
Grund der langen Wegezeiten und ihrer jeweiligen persönlichen Situationen nicht zumutbar sei. Es
habe für eine Verlagerung ihrer Arbeitsplätze im Bereich Rechnungswesen von Frankfurt am Main
nach Köln keine wirtschaftliche und organisatorische Notwendigkeit bestanden.
23 Die Kläger haben beantragt,
1. festzustellen, dass die mit Schreiben vom 25. März 2004 ausgesprochenen vorläufigen
Versetzungen zur Abteilung CGN RE/A mit Dienstort Köln/Deutz mit Wirkung ab dem 1. April
2004 unwirksam sind;
2. die Beklagte zu verurteilen, sie mit den bisherigen Aufgaben als kaufmännischer
Sachbearbeiter bzw. kaufmännische Sachbearbeiterin im Rechnungswesen am Dienstort
Frankfurt, Lufthansa-Basis, zu beschäftigen.
24 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Ansicht, auf Grund ihres Weisungsrechtes
zur Versetzung der Kläger berechtigt zu sein. So habe sie sich aus wirtschaftlichen,
kundenbezogenen und operationellen Gründen entschieden, das bisher an zehn Standorten
durchgeführte Rechnungswesen in Köln zu zentralisieren. Dort seien neben dem Finanzvorstand
die Bereichsleitung Rechnungswesen, die Abteilung Konzernbilanz und Konzernsteuerung, die
Hauptabteilung externes Rechnungswesen Deutschland und die zentrale Geschäftsbuchhaltung
sowie die Kreditkartenabteilung angesiedelt. Die Versetzungen entsprächen auch billigem
Ermessen und seien insbesondere entsprechend den Bestimmungen der BV Redesign, der BV
Sozialauswahl und der KBV erfolgt.
25 Das Arbeitsgericht hat den ursprünglich einzeln erhobenen Klagen stattgegeben. Das
Landesarbeitsgericht hat die von der Beklagten angestrengten Berufungsverfahren zur
gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen abgewiesen sowie die
Revision zugelassen. Mit ihren Revisionen verfolgen die Kläger ihre Klagebegehren weiter,
während die Beklagte die Zurückweisung der Revisionen beantragt.
Entscheidungsgründe
26 Die zulässigen Revisionen sind begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts hält einer
revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, soweit es zu dem Ergebnis gelangt ist, die
Versetzungen verstießen nicht gegen Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung. Da der Senat
mangels tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ob die von der
Beklagten mit Schreiben vom 25. März 2004 ausgesprochenen Versetzungen durch ihr
Weisungsrecht nach § 106 GewO gedeckt sind, war die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
27 I. Die streitgegenständlichen Versetzungen waren bereits Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen
Beschlussverfahrens zwischen der Beklagten und ihrem örtlichen Betriebsrat in Frankfurt am
Main.
28 Die rechtskräftige Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu den
Versetzungen der Kläger entfaltet keine präjudizielle Wirkung zu Lasten der von den personellen
Maßnahmen iSd. § 99 Abs. 1 BetrVG betroffenen Arbeitnehmer (BAG 3. Mai 1994 - 1 ABR 58/93 -
BAGE 77, 1; 22. März 1983 - 1 ABR 49/81 - BAGE 42, 121; für den Fall der Versetzung
ausdrücklich: Sächs. LAG 17. Januar 2001 - 2 Sa 408/00 - NZA-RR 2001, 641) .
29 Deshalb hatte der Senat die Rechtswirksamkeit der streitgegenständlichen Versetzungen ohne
Bindung an das rechtskräftig entschiedene Zustimmungsersetzungsverfahren zu beurteilen.
30 II. Ob die Beklagte berechtigt ist, den den Klägern zunächst zugewiesenen Arbeitsort zu ändern,
ist anhand § 106 Satz 1 GewO zu beurteilen.
31 1. Nach § 106 Satz 1 GewO darf der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem
Ermessen näher bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer
Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt
ist.
32 a) Arbeitsvertraglich haben die Parteien keine verbindliche Festlegung dahingehend getroffen,
dass die Kläger ihre Arbeitsleistung ausschließlich in Frankfurt am Main erbringen müssen. Zwar
enthalten alle Arbeitsverträge den Vermerk, dass die Beschäftigung der Kläger in Frankfurt am
Main erfolgt. Damit war zunächst als Ort der Arbeitsleistung Frankfurt am Main vereinbart, so
dass insoweit die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes auf Grund des § 106 Satz 1 GewO
ausscheiden würde. Alle Arbeitsverträge enthalten darüber hinaus jedoch die Vereinbarung, dass
die Beklagte das Recht hat, den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin entsprechend ihren Leistungen
und Fähigkeiten mit anderen Aufgaben und Tätigkeiten zu betrauen und dass dies auch den
Einsatz an einem anderen Ort beinhaltet. Damit haben die Parteien eine Erweiterung des
Weisungsrechtes der Beklagten bezüglich des Ortes der Arbeitsleistung vereinbart.
33 b) Diese Erweiterung des Weisungsrechtes hält einer Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB
stand.
34 aa) Die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine
Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes finden Kraft
geänderter Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 BGB auch auf das Arbeitsrecht Anwendung. Für
sie gilt die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB. Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf
Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das bis zu diesem Zeitpunkt
geltende Recht weiter anzuwenden. Das gilt nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auch für
“Dauerschuldverhältnisse” mit der Maßgabe, dass ab dem 1. Januar 2003 das neue Recht
Anwendung findet. Seitdem sind die neugefassten §§ 305 bis 310 BGB anzuwenden.
Vertrauensschutz hat der Gesetzgeber damit nur bis zum 31. Dezember 2002 eingeräumt.
35 Die Arbeitsverträge der Parteien wurden vor dem 1. Januar 2002 geschlossen. Die Regelungen
über das Recht zur Zuweisung eines anderen Arbeitsortes unterfielen damit bis zum
31. Dezember 2002 dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Recht. Seit dem
1. Januar 2003 sind die von der Beklagten vorformulierten Klauseln (auch bei nur einmaliger
Verwendung) am Maßstab der §§ 305 ff. BGB zu überprüfen, § 310 Abs. 3 Nr. 2 iVm. § 13 BGB
(BVerfG 23. November 2006 - 1 BvR 1909/06 - NZA 2007, 85) .
36 bb) Die vorformulierten Klauseln, mit der die Beklagte ihr Direktionsrecht erweitert hat, sind weder
gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam noch benachteiligen sie die Kläger iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB unangemessen. Sie verstoßen auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1
Satz 2 BGB.
37 (1) Nach § 308 Nr. 4 BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung eines
Rechtes des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn
nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des
Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist, unwirksam. Die Vorschrift erfasst nur
einseitige Bestimmungsrechte hinsichtlich der Leistung des Verwenders. Das folgt auch aus den
Gesetzesmaterialien zum AGB-Gesetz, die ausschließlich Beispiele für Änderungen der
Verwenderleistungen nennen (BT-Drucks. 7/3919 S. 25). Sie ist damit nicht auf das
Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers als Verwender im Hinblick auf die Arbeitsleistung
des Arbeitnehmers anzuwenden (Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - AP BGB § 307 Nr. 17 =
EZA BGB 2002 § 308 Nr. 5) .
38 (2) Die Direktionsrechtsklausel hält der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Sie benachteiligt
die Kläger nicht unangemessen.
39 Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen
benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der
Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten
seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange
hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die
Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung
und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem
Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der
Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen.
Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart
des jeweiligen Geschäftes zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede
stehenden Art des Rechtsgeschäftes generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen
der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt
(Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - AP BGB § 307 Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 5) .
40 Unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB)
werden die Kläger durch die Vorbehalte in ihren Arbeitsverträgen nicht unangemessen
benachteiligt. Das vereinbarte Recht zur Zuweisung eines anderen Arbeitsortes wird den
Interessen beider Vertragsparteien gerecht. Im Rahmen der Kontrolle von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen sind nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Besonderheiten des
Arbeitslebens zu berücksichtigen. Gefordert ist die Beachtung aller dem Arbeitsverhältnis
innewohnenden Besonderheiten (Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - aaO) .
41 Die arbeitsvertraglichen Zuweisungsklauseln entsprechen materiell der Regelung in § 106 Satz 1
GewO. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem
Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag,
Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche
Vorschriften festgelegt sind. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die
wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen
berücksichtigt worden sind. Nichts anderes bestimmen die Zuweisungsklauseln der
Arbeitsverträge. Danach steht das Direktionsrecht der Beklagten nur unter dem Vorbehalt auch
der Beachtung der Interessen der Kläger zu. Die Zuweisung darf nämlich nur entsprechend den
“Leistungen und Fähigkeiten” der Kläger erfolgen. Somit kann sich die Beklagte, wie es auch § 106
Satz 1 GewO verlangt, bei der Ausübung ihres Direktionsrechtes auf Grund der
arbeitsvertraglichen Zuweisungsklausel nicht allein von ihren Interessen leiten lassen. Sie hat
einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Versetzungsklauseln
tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis
Rechnung. Der Arbeitsvertrag bedarf als Dauerschuldverhältnis einer ständigen, bei
Vertragsschluss gedanklich nicht vorwegnehmbaren Anpassung. Die Einflussfaktoren sind im
Arbeitsrecht so zahlreich und vielgestaltig, dass gesicherte Prognosen kaum möglich sind.
42 Der Arbeitnehmer erhält zudem für die von ihm abverlangte Flexibilität eine entsprechende
stärkere Sicherung seines Arbeitsverhältnisses im Falle betriebsbedingter Kündigungen. Durch
eine weite Versetzungsklausel erweitert sich der Kreis der Sozialauswahl, da die Arbeitnehmer auf
allen in Frage kommenden Arbeitsplätzen einzubeziehen sind. Im Umfange der
Versetzungsmöglichkeiten hat der Arbeitgeber zudem zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze zur
Verfügung stehen. Diese Kompensation beruht auf den Besonderheiten des
Kündigungsschutzrechtes und ist daher eine Besonderheit des Arbeitsrechtes, die einer
weitergehenden AGB-Kontrolle entgegensteht (Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - AP BGB
§ 307 Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 5).
43 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellen die hier zu beurteilenden Klauseln keine
unangemessene Benachteiligung der Kläger dar.
44 cc) Die Vertragsregelungen werden auch den formellen Anforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB gerecht, obwohl keine konkreten Zuweisungsgründe vereinbart worden sind.
45 Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend
den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner
möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine
Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen insoweit erkennen lassen, wie
dies nach den Umständen gefordert werden kann. Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte
können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als
Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht
entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben (BGH
19. Oktober 1999 - XI ZR 8/99 - NJW 2000, 651) .
46 Nach diesen Grundsätzen war es nicht notwendig, die Gründe für eine Änderung des
Beschäftigungsortes in die Vertragsklauseln aufzunehmen. Eine Konkretisierungsverpflichtung
würde dem Bedürfnis des Arbeitgebers, auf im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht
vorhersehbare Veränderungen reagieren zu können, nicht gerecht. Die Aufzählung aller in einer
möglicherweise fernen Zukunft einmal in Betracht kommenden Gründe stößt auf Schwierigkeiten
und die Zusammenfassung unter einen Oberbegriff wie “sachlicher Grund” führt zu Leerformeln,
die nicht mehr Klarheit verschaffen würden. Im Übrigen erfährt der Arbeitnehmer auch bei einer
konkreteren Fassung nicht mehr, als er ohnehin weiß, nämlich dass die tatsächlichen Umstände
aus der Sphäre des Arbeitgebers (wirtschaftliche oder betriebliche Gründe) oder aus seiner
eigenen Sphäre (in der Person oder im Verhalten) resultieren können. Offen bliebe immer noch,
welche konkreten wirtschaftlichen, betrieblichen und persönlichen Gründe eine Änderung des
Arbeitsortes rechtfertigen (Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - AP BGB § 307 Nr. 17 = EzA
BGB 2002 § 308 Nr. 5) .
47 Auch in diesem Zusammenhang ist von maßgebender Bedeutung, dass das Gesetz dem
Arbeitgeber ein sehr weitgehendes Bestimmungsrecht einräumt. Nach § 106 Satz 1 GewO kann
er Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese
Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung,
eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Die Regelung in
§ 106 Satz 1 GewO trägt damit der Gegebenheit Rechnung, dass Arbeitsverträge nur eine
rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht festlegen können.
48 dd) Die Zulässigkeit einer, auf Grund eines im Arbeitsvertrag zulässig vereinbarten
Versetzungsvorbehaltes, angeordneten konkreten Versetzung unterliegt dann der sog.
Ausübungskontrolle, dh. es ist zu überprüfen, ob sie billigem Ermessen entspricht, § 106 Satz 1
GewO (vgl. unten).
49 c) Der Ort, an dem die Kläger ihre Arbeitsleistungen erbringen müssen, hat sich nicht auf Frankfurt
am Main konkretisiert. Das Weisungsrecht der Beklagten ist deshalb nicht auf Frankfurt am Main
als Arbeitsort beschränkt.
50 Arbeitspflichten können sich nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren
(vgl. BAG 3. Juni 2004 - 2 AZR 577/03 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141 = EzA KSchG § 1 Soziale
Auswahl Nr. 55) . Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen
besondere Umstände hinzutreten, auf Grund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und vertrauen
darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll (vgl. Senat 11. April 2006 - 9 AZR
557/05 - AP BGB § 307 Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 5) .
51 Zwar sind die Kläger bereits langjährig in der Abteilung Rechnungswesen in Frankfurt am Main
beschäftigt worden. Es fehlt jedoch an besonderen Umständen, denen sie hätten entnehmen
können, dass sie künftig nicht an einem anderen Arbeitsort eingesetzt würden. Dass ein
Arbeitnehmer sich im Laufe der Zeit bezüglich der Gestaltung seines persönlichen Umfeldes an
der ausgeübten Tätigkeit und insbesondere am Ort seiner Arbeitsleistung ausrichtet, ist nur eine
Folge der langjährigen Tätigkeit und begründet, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, keine
Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsort.
52 Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht solche besonderen Umstände auch nicht darin gesehen,
dass die Beklagte in der Vergangenheit auf die arbeitsvertraglich vorbehaltene örtliche
Versetzungsbefugnis nicht hingewiesen hatte. Allein daraus, dass ein Vertragspartner auf das
Bestehen eines vertraglich vereinbarten Rechtes über einen längeren Zeitraum nicht hinweist, darf
der andere Vertragspartner nicht den Schluss ziehen, sein Vertragspartner werde von seinem
Recht keinen Gebrauch mehr machen. Es kann nicht im Interesse einer vertrauensvollen und
gedeihlichen Zusammenarbeit in einem Arbeitsverhältnis liegen, dass der Arbeitgeber in
bestimmten zeitlichen Abständen den Arbeitnehmer darauf hinweist, dass er weiterhin
beabsichtige, von seinem Recht, auch einen anderen Arbeitsort zuzuweisen, Gebrauch zu
machen, sobald er es für erforderlich halten werde.
53 Eine Konkretisierung der Arbeitsverpflichtung auf den Arbeitsort Frankfurt am Main trat auch nicht
auf Grund des § 41 Abs. 3 Unterabs. 1 des Manteltarifvertrages Nr. 14 für das Bodenpersonal der
Deutschen Lufthansa AG (DLH), der Lufthansa Service GmbH (LSG) und der Condor Flugdienst
GmbH (CFG) ein. Diese Tarifnorm schließt zwar nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren
das Recht zur ordentlichen Kündigung einschließlich der ordentlichen Änderungskündigung durch
den Arbeitgeber aus. § 41 Abs. 3 Unterabs. 2 MTV Nr. 14 bestimmt aber ausdrücklich: “Das
Recht von DLH/LSG/CFG, dem unkündbaren Mitarbeiter aus gerechtfertigtem Grunde andere
Aufgaben zu übertragen, bleibt hiervon unberührt. DLH/LSG/CFG sind zur Übertragung anderer
angemessener Aufgaben verpflichtet, wenn der bisherige Arbeitsplatz des unkündbaren
Mitarbeiters wegfällt.” Damit stellt der MTV Nr. 14 ausdrücklich klar, dass die Übertragung anderer
Aufgaben durch den Arbeitgeber im Wege des Weisungsrechtes aus “gerechtfertigtem Grunde”,
wozu insbesondere der Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes zählt, durch den Ausschluss der
Änderungskündigung nicht berührt werden soll. Das Recht zur Übertragung anderer Aufgaben
umfasst aber zwangsläufig auch das Recht des Arbeitgebers, diese Aufgaben an einem anderen
Ort als dem bisherigen vom Arbeitnehmer erledigen zu lassen. Für eine gegenteilige Annahme
ergeben sich aus der Tarifnorm keine Anhaltspunkte.
54 Den Revisionsklägern kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die KBV zu einer
Konkretisierung der Arbeitsverhältnisse der Kläger auf den Arbeitsort Frankfurt am Main geführt
habe. Unabhängig von seiner Unanwendbarkeit auf den Streitfall (vgl. unten) zeigt auch § 4 Abs. 3
KBV-Sozialplan, dass im Falle des Wegfalles des Arbeitsplatzes eines Arbeitnehmers für diesen
ein anderer Arbeitsplatz in Deutschland bis zu einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren in der
Regel als regional zumutbar anzusehen ist und im Übrigen bei der Beurteilung der regionalen
Zumutbarkeit insbesondere die Dauer der bisherigen Beschäftigung am selben Ort, die familiären
Bindungen sowie das Mobilitätserfordernis des bisherigen Arbeitsplatzes zu berücksichtigen sind.
Damit geht auch diese Bestimmung der KBV nicht davon aus, dass nach einer 15-jährigen
Beschäftigung die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes auf Grund des Zeitablaufes
ausgeschlossen ist.
55 2. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass die Versetzungen mit den Festlegungen
der einschlägigen Betriebsvereinbarungen vereinbar und vom Weisungsrecht des Arbeitgebers
nach § 106 GewO gedeckt seien. Die bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen
Feststellungen tragen dieses Ergebnis nicht.
56 a) Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, dass kein Verstoß gegen die KBV vorliegt.
Dabei kann dahinstehen, ob der Konzernbetriebsrat für die in der KBV geregelten Angelegenheiten
- sei es auf Grund zwingender, sei es auf Grund freiwilliger Mitbestimmung - nach Maßgabe von
§ 58 BetrVG überhaupt zuständig war. Selbst wenn dies anzunehmen und die KBV zumindest als
freiwillige Betriebsvereinbarung ein wirksames Regelungswerk sein sollte, hat die Beklagte gegen
deren Bestimmungen nicht verstoßen.
57 aa) Durch die Versetzungen der Kläger nach Köln wird insbesondere § 4 KBV-Interessenausgleich
nicht verletzt. Diese Bestimmung betrifft die Ausschreibung und Besetzung derjenigen freien
Arbeitsplätze, die “gemäß § 3” zu besetzen sind. § 3 KBV-Interessenausgleich sieht vor, dass
Stellen, die durch Maßnahmen nach § 2 KBV-Interessenausgleich in Bereichen frei wurden, die
durch Personalabbau betroffen sind, nur dann neu besetzt werden, wenn dies zur
Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes unerlässlich ist. Die solchermaßen
frei gewordenen und neu zu besetzenden Stellen sind gemäß § 4 KBV-Interessenausgleich
auszuschreiben, “sofern sie nicht durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besetzt werden können,
deren Arbeitsplatz entfallen ist.”
58 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 4 KBV-Interessenausgleich wäre damit, dass die
Arbeitsplätze der nach Köln zu versetzenden Arbeitnehmer “entfallen” wären. Dies ist jedoch nicht
der Fall. Das “Entfallen” eines Arbeitsplatzes setzt voraus, dass dieser in Fortfall gerät und nicht
mehr besetzt wird. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Arbeitsplatz als solcher, dh. die zu einer
Stelle gebündelten Arbeitsaufgaben und Funktionen gerade nicht aufgegeben, sondern nur verlegt
werden sollen. Dies gilt besonders dann, wenn der bisherige Arbeitsplatzinhaber weiterhin mit
dieser Aufgabe betraut bleiben soll. Ein solcher Ortswechsel führt dann nicht zum “Entfallen”,
sondern zur Verlagerung des Arbeitsplatzes. Im Übrigen haben die Vertragspartner der BV
Redesign dies ebenso gesehen. Dies zeigt § 2 dieser Betriebsvereinbarung. Dort heißt es unter
der Überschrift “Verlagerung der Abteilung FRA RE”: “Im Rahmen des o.g. Projektes werden die
Aufgaben und Arbeitsplätze der Abteilung FRA RE zum 01.04.2004 von Frankfurt nach Köln
verlagert.” (so im Ergebnis auch: BAG 16. Januar 2007 - 1 ABR 16/06 -) .
59 Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die KBV-Interessenausgleich auch die Arbeitnehmer
beträfe, deren Arbeitsplätze im Frankfurter Betrieb der Beklagten entfallen. Auf diese Arbeitnehmer
stellt § 4 KBV jedoch nicht ab. Diese Vorschrift spricht von Mitarbeitern, “deren Arbeitsplatz
entfallen ist” und nicht von solchen, “deren Arbeitsplatz im Betrieb entfallen ist”. Damit bezieht sich
die Regelung auf den Wegfall der Möglichkeit, die Mitarbeiter überhaupt mit ihren bisherigen
Aufgaben und Tätigkeiten weiterzubeschäftigen. Diese Möglichkeit besteht auch dann noch, wenn
die Beschäftigung an einem anderen Ort als dem bisherigen erfolgen soll.
60 Hinzu kommt, dass Regelungsinhalt des § 4 KBV-Interessenausgleich das Verfahren zur
Besetzung bestimmter, nach § 3 KBV-Interessenausgleich zu besetzender freier Stellen ist. Seine
Nichtbeachtung durch die Beklagte vermag somit möglicherweise die Zustimmungsverweigerung
des Betriebsrats zur Einstellung eines bestimmten Stellenbewerbers nach § 99 Abs. 2 Nr. 1
BetrVG zu rechtfertigen. § 4 KBV begründet jedoch keinen Anspruch eines bestimmten
Bewerbers auf einen freien, nach § 3 KBV zu besetzenden Arbeitsplatz.
61 bb) Die Versetzungen verstoßen nicht gegen § 4 KBV-Sozialplan. Auch diese Vorschrift findet auf
die Verlagerung von Arbeitsplätzen keine Anwendung. Sie setzt vielmehr den (bevorstehenden)
Verlust des Arbeitsplatzes für den betreffenden Arbeitnehmer voraus. Dies folgt bereits aus dem
Wortlaut des § 4 Abs. 1 KBV-Sozialplan. Dort heißt es: “Lufthansa wird der Mitarbeiterin oder dem
Mitarbeiter nur Arbeitsplätze anbieten, die in funktioneller, regionaler, zeitlicher und sozialer
Hinsicht zumutbar sind.” Damit bezieht sich diese Bestimmung auf Fälle, in denen den
Mitarbeitern andere als die bisherigen, weggefallenen Arbeitsplätze angeboten werden.
Anderenfalls würde die von § 4 KBV-Sozialplan geforderte Überprüfung des angebotenen
Arbeitsplatzes auf seine “funktionelle” und “zeitliche” Zumutbarkeit keinen Sinn machen.
62 Den Klägern wurde von der Beklagten kein “funktional” anderer Arbeitsplatz oder ein solcher mit
einem zeitlich veränderten Arbeitsumfang angeboten. Vielmehr sollte ihr bisheriger Arbeitsplatz nur
örtlich verlagert werden. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit dem Gesamtzusammenhang
der KBV-Sozialplan. § 4 KBV-Sozialplan bezieht sich inhaltlich auf § 3 KBV-Sozialplan. Dort heißt
es, die Arbeitgeberin werde Mitarbeitern, “deren Tätigkeit in Qualität und/oder Quantität ganz oder
teilweise entfällt, die Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz” und Mitarbeitern,
“deren Arbeitsplätze entfallen, ... geeignete und zumutbare freie Arbeitsplätze” anbieten. Beide
Alternativen setzen den Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes und der damit verbundenen
Arbeitsaufgabe voraus. Daran fehlt es bei einer lediglich räumlichen Verlagerung von
Arbeitsplätzen.
63 Auch ändert § 4 Abs. 5 KBV-Sozialplan daran nichts. Dieser enthält eine Härtefallregelung. Er
nimmt einen solchen Härtefall ua. für den Fall an, dass die “Versetzung” die Betreuung und
Versorgung von pflegebedürftigen Ehegatten, Eltern, Lebenspartnern oder unterhaltsberechtigten
Kindern unmöglich macht. Mit “Versetzung” ist auch hier der Wechsel auf einen neuen Arbeitsplatz
gemeint. Ein solcher setzt nach dem KBV-Sozialplan jedoch den Verlust des bisherigen
Arbeitsplatzes voraus. Dies stellt § 2 Abs. 1 Satz 2 KBV-Sozialplan ausdrücklich klar, indem er
bestimmt: “Dieser Sozialplan gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lufthansa-
Bodenpersonals, deren Arbeitsplatz bzw. Stelle/Funktion infolge des Personalabbaus entfallen wird
...” (vgl. BAG 16. Januar 2007 - 1 ABR 16/06 -) .
64 b) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann nicht festgestellt werden, dass die
Beklagte bei den Versetzungen der Kläger die Sozialauswahlbestimmungen der BV Redesign
iVm. der BV Sozialauswahl eingehalten hat.
65 aa) Nach § 5 BV Redesign verbleibt der Bereich der “Bordverkaufsabrechnung” (7 BJ) unter der
bisherigen Gruppenleiterin in Frankfurt am Main. Die Auswahl der übrigen Mitarbeiter für die in
Frankfurt am Main verbleibenden Arbeitsplätze soll nach den Gesichtspunkten der Sozialauswahl
erfolgen.
66 Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts betrifft dies acht Arbeitnehmer, die in der
“Bordverkaufsabrechnung” in Frankfurt am Main verbleiben.
67 bb) Mit der Formulierung in § 5 Satz 2 BV Redesign: “Die Auswahl ... erfolgt nach den
Gesichtspunkten der Sozialauswahl” bezieht sich die BV Redesign auch auf die BV
Sozialauswahl, in deren Präambel es heißt: “Soweit bei Auswahlentscheidungen soziale
Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, gelten die nachfolgenden sozialen Auswahlrichtlinien.”
68 Dieses Verständnis des § 5 Satz 2 BV Redesign ist sowohl unter den Betriebspartnern als auch
unter den Parteien des Rechtsstreits unstreitig. Obwohl die Regelungen der BV Sozialauswahl auf
die soziale Auswahl im Rahmen des Ausspruches betriebsbedingter Kündigungen zugeschnitten
sind, ist es den Parteien der BV Redesign unbenommen, eine Vereinbarung zu treffen, durch die
sie diese sozialen Auswahlgesichtspunkte auch für die Auswahl der im Bereich
“Bordverkaufsabrechnung” in Frankfurt am Main verbleibenden Mitarbeiter zugrunde legen.
69 cc) Nach § 2 BV Sozialauswahl werden die sozialen Kriterien in einem ersten Schritt durch ein
Punkteschema gewichtet. Dieses ist nach den Vorgaben der §§ 3, 4 BV Sozialauswahl zu
erstellen. Mitarbeiter, welche die höchste Punktzahl erreichen, genießen den höchsten Schutz, § 2
Abs. 1 Satz 2 BV Sozialauswahl. “Im Rahmen einer abschließenden Prüfung” hat dann “eine
Begutachtung unter sozialen Gesichtspunkten” zu erfolgen. “Zur Vermeidung unbilliger Härten
werden hierbei soziale Kriterien, die nicht in § 3 erfasst sind, in einer angemessenen Gewichtung
zusätzlich berücksichtigt” (§ 2 Abs. 2 Satz 2 BV Sozialauswahl).
70 Die Beklagte hat die acht Arbeitnehmer, die im Bereich “Bordverkaufsabrechnung” in Frankfurt am
Main verbleiben und damit nicht wie die Kläger nach Köln versetzt werden sollten, entsprechend
der von ihr erstellten Punktetabelle ausgewählt, indem sie die Mitarbeiter mit den höchsten
Punktzahlen dieser Abteilung zugeordnet hat. Das hat das Landesarbeitsgericht festgestellt.
71 Die inhaltliche Richtigkeit der von der Beklagten erstellten Punktetabelle ist zwischen den Parteien
nicht streitig. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht daher davon aus, dass die Auswahl § 5 BV
Redesign entspricht. Danach sollen die bisherige Gruppenleiterin der “Bordverkaufsabrechnung” in
Frankfurt am Main verbleiben und die anderen Mitarbeiter dieser Abteilung nach sozialen
Gesichtspunkten ausgewählt werden. Da nach § 2 Abs. 1 Satz 2 der anzuwendenden BV
Sozialauswahl Mitarbeiter mit der höchsten Punktzahl den höchsten Schutz genießen, steht diese
Auswahlentscheidung im Einklang mit den Regelungen der BV Redesign und der BV
Sozialauswahl.
72 Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte hätte die sozial
schutzwürdigste Arbeitnehmerin F (Nr. 1 der Punktetabelle) deshalb nicht der Abteilung
“Bordverkaufsabrechnung” zuordnen dürfen, sondern nach Köln versetzen müssen, weil deren
baldiges Ausscheiden aus Altersgründen zum Zeitpunkt der Versetzungsentscheidung
festgestanden habe.
73 Eine solche Nichtberücksichtigung der durch § 5 BV Redesign vorgeschriebenen Gesichtspunkte
der Sozialauswahl hätte dazu geführt, dass sich die Arbeitnehmerin F mit besten
Erfolgsaussichten gegen eine Versetzung nach Köln hätte zur Wehr setzen können. Der
Beklagten war es nicht zumutbar, sich dem Risiko eines Rechtsstreits mit dieser Arbeitnehmerin
auszusetzen, in dem sie sich mit ungewissen Erfolgsaussichten auf das Argument hätte stützen
müssen, eine Versetzung dieser Arbeitnehmerin entspreche deshalb sozialen Gesichtspunkten,
weil diese alsbald aus Altersgründen ausscheiden werde.
74 Es stellt auch keinen Verstoß gegen § 5 BV Redesign dar, dass die Beklagte den für ungewisse
Dauer erkrankten Arbeitnehmer B (Nr. 2 der Punktetabelle) der Abteilung
“Bordverkaufsabrechnung” zugeordnet und nicht nach Köln versetzt hat. Dessen Versetzung hätte
ebenso wie diejenige der Arbeitnehmerin F den Gesichtspunkten der Sozialauswahl
widersprochen, so dass insoweit das oben Ausgeführte entsprechend gilt.
75 Dass die Beklagte die Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze von der Verlegung der Abteilung
Rechnungswesen nach Köln nicht betroffen waren, nämlich die in der Kasse tätigen
Arbeitnehmerinnen K und N sowie die in der Sachanlagenverwaltung beschäftigte Arbeitnehmerin
P, nicht nach Köln versetzt hat, stellt keinen Verstoß gegen die BV Redesign iVm. der BV
Sozialauswahl dar.
76 Nach § 5 BV Redesign hatte die Beklagte lediglich eine Sozialauswahl bezüglich der Entscheidung
vorzunehmen, welche Arbeitnehmer im Bereich “Bordverkaufsabrechnung” in Frankfurt am Main
verbleiben sollten. Diese Auswahl hat die Beklagte ordnungsgemäß entsprechend der BV
Sozialauswahl durchgeführt. Im Übrigen verblieb es bei dem Recht der Beklagten, die
Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze nach Köln verlegt wurden, nach Köln zu versetzen, und die,
deren Arbeitsplätze in Frankfurt am Main verblieben (sc. Kasse- und Sachanlagenverwaltung), in
Frankfurt am Main weiterarbeiten zu lassen.
77 Hätte die BV Redesign auch diese Mitarbeiter bei der Entscheidung, wer nach Köln versetzt
werden muss, mit berücksichtigen wollen, hätte dies in der Betriebsvereinbarung geregelt werden
müssen.
78 dd) Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht allerdings einen Verstoß der Beklagten gegen § 2
Abs. 2 BV Sozialauswahl verneint.
79 Die Kläger hatten der Beklagten vor dem Ausspruch der streitgegenständlichen Versetzungen auf
deren Aufforderung hin ihre sozialen Daten und Kriterien übermittelt, einschließlich der jetzt im
Rechtsstreit geltend gemachten. Diese hatte die Beklagte nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BV
Sozialauswahl im Rahmen einer abschließenden Prüfung zu begutachten. Um unbillige Härten zu
vermeiden, waren diese sozialen Kriterien, soweit es sich um andere als die in § 3 BV
Sozialauswahl genannten (Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, unterhaltsabhängige Kinder und
Schwerbehinderung) handelte, “in einer angemessenen Gewichtung zusätzlich” zu
berücksichtigen, § 2 Abs. 2 Satz 2 BV Sozialauswahl.
80 Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe die von den Klägern mitgeteilten Daten und Kriterien zur
Kenntnis genommen und sei zum Ergebnis gekommen, dass auf Grund derselben eine Korrektur
des anhand des § 3 BV Sozialauswahl erstellten Punkteschemas nicht erforderlich gewesen sei.
81 Damit hat die Beklagte der ihr im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO obliegenden Darlegungslast
nicht genügt. Der Arbeitgeber, der sich auf die Wirksamkeit einer Versetzung beruft, trägt die
Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 106 GewO
für eine Versetzung. Dazu gehört nicht nur, dass er darlegt und ggf. beweist, dass seine
Entscheidung billigem Ermessen entspricht (Senat 17. Januar 2006 - 9 AZR 226/05 - AP BAT-O
§ 24 Nr. 6) , sondern auch, dass die Versetzung im Rahmen der gesetzlichen, arbeitsvertraglichen
und kollektiv-rechtlichen Grenzen erfolgt ist (vgl. HWK/Lembke 2. Aufl. § 106 GewO Rn. 132
mwN) . Nachdem die Kläger die Richtigkeit der von der Beklagten nach § 5 Satz 2 BV Redesign
iVm. § 2 BV Sozialauswahl vorzunehmenden sozialen Auswahl bestritten hatten, hätte die
Beklagte für die Kläger und für das Gericht in nachvollziehbarer Weise darlegen müssen, wie sie
bei ihren Versetzungsentscheidungen die Vorgaben des § 2 Abs. 2 BV Sozialauswahl
berücksichtigt und gewichtet hat. Dazu hätte sie im Einzelnen erläutern müssen, auf Grund
welcher Abwägungsgesichtspunkte die von den Klägern genannten, nicht unter § 3 BV
Sozialauswahl fallenden sozialen Kriterien im Vergleich mit den entsprechenden sozialen Kriterien
der nicht versetzten Mitarbeiter zu keiner Abweichung vom Punkteschema geführt haben. Nur
dann wäre es den Klägern möglich gewesen, zu diesen Erwägungen der Beklagten konkret
Stellung zu nehmen und diese tatrichterlich überprüfen zu lassen.
82 III. Dieser rechtliche Gesichtspunkt ist neu. Er ist in den Vorinstanzen nicht beachtet worden. Da
nach § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Beklagte auf diesen erkennbar übersehenen Gesichtspunkt
hätte hingewiesen werden müssen (vgl. BGH 30. Juni 2006 - V ZR 148/05 - BB 2006, 1707) , war
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an
das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
83 IV. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden
haben.
Düwell
Krasshöfer
Böck
B. Lang
S. Neumann