Urteil des BAG vom 19.03.2014
Betriebsratstätigkeit - Freizeitausgleich
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 19.3.2014, 7 AZR 480/12
Betriebsratstätigkeit - Freizeitausgleich
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Köln vom 3. Februar 2012 - 4 Sa
888/11 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob der teilzeitbeschäftigte Kläger an Tagen, an denen er von
seiner persönlichen Arbeitszeit zur Erfüllung von Freizeitansprüchen nach § 37 Abs. 3
BetrVG freigestellt ist, einen Anspruch auf Freizeitausgleich erwirbt, wenn er außerhalb
seiner persönlichen Arbeitszeit Betriebsratstätigkeit verrichtet oder an Seminaren teilnimmt.
2 Die Beklagte beschäftigt in ihrem Zeitungszustellungsbetrieb ca. 450 Arbeitnehmer, deren
tägliche Arbeitszeit zu weiten Teilen in den frühen Morgenstunden liegt. Der Kläger, der als
Zeitungszusteller bei der Beklagten angestellt ist, gehört dem elfköpfigen Betriebsrat an.
Seine Arbeitszeit liegt täglich zwischen 04:00 Uhr und 06:30 Uhr und beträgt bei einer
Sechs-Tage-Woche 15 Stunden wöchentlich.
3 Die Betriebsratsarbeit findet regelmäßig nicht in den Zustellungsstunden, sondern zu den
üblichen Bürozeiten statt, die ab 07:00 Uhr beginnen. Über diese Praxis besteht
Einvernehmen zwischen den Betriebsparteien. Der Kläger wird an Tagen, an denen er an
Betriebsratssitzungen oder Schulungen teilnimmt, von der Beklagten nicht im Zustelldienst
eingesetzt. Auch nachdem die Beklagte dem Kläger während seiner persönlichen
Arbeitszeit in den frühen Morgenstunden Freizeitausgleich für Betriebsratsarbeit erteilt hat,
verrichtet er während der normalen Bürostunden Betriebsratsarbeit oder nimmt an
Schulungen teil. Für diese Zeiten verlangt er Zeitgutschriften auf seinem Stundenkonto.
Dem kommt die Beklagte nicht nach. Wegen dieser Rechtsfrage streiten die Parteien um
Freizeitausgleich für 238 Stunden. Die Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeiten und
Berechnung der dafür angefallenen Stunden befindet sich nicht mehr im Streit.
4 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass erforderliche Betriebsratsarbeit an Tagen, an
denen der Arbeitgeber ihn zum Freizeitausgleich von der Arbeit freistelle, seinem
Arbeitszeitkonto gutzuschreiben sei. Durch die Freistellung vom Zustelldienst würde sich
das Arbeitszeitkonto zwar ab-, durch die am selben Tage erforderlichen
Betriebsratstätigkeiten aber wieder aufbauen. Anderenfalls bliebe ihm an Tagen, an denen
die Beklagte Freizeitausgleich gewährt habe, nur die Wahl, entweder nicht zu Sitzungen
des Betriebsrats zu erscheinen oder „kostenlos“ Betriebsratsarbeiten zu verrichten. Dies
würde die Betriebsratsarbeit unzulässig erschweren.
5 Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm Freizeitausgleich für geleistete Betriebsratsarbeit in
den Monaten Juli 2010 bis April 2011 im Umfang von 238 Stunden zu gewähren.
6 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
7 Die Beklagte hat den Standpunkt eingenommen, an Tagen, an denen der Kläger bereits
wegen vorausgegangener Betriebsratstätigkeit nach § 37 Abs. 3 BetrVG freigestellt
gewesen sei, stünde ihm kein erneuter Freizeitausgleich zu. Betriebsratsarbeit sei an
diesen Tagen nicht aus „betriebsbedingten Gründen“ außerhalb der Arbeitszeit
durchgeführt worden, sondern aus persönlichen Gründen. Betriebsratsarbeit sei auch
während des Urlaubs und der Elternzeit nicht zu vergüten.
8 Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung -
stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt die
Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der
Revision.
Entscheidungsgründe
9 Die zulässige Revision ist unbegründet.
10 I. Der Antrag, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Freizeitausgleich für geleistete
Betriebsratsarbeit in den Monaten Juli 2010 bis April 2011 im Umfang von 238 Stunden zu
gewähren, ist nach gebotener Auslegung zulässig. Er ist insbesondere hinreichend
bestimmt.
11 1. Bei einer Leistungsklage muss der Klageantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2
Nr. 2 ZPO sein. Die Klageschrift muss die bestimmte Angabe des Gegenstands und des
Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Aus dem
Klageantrag, der gegebenenfalls durch Heranziehung des Sachvortrags des Klägers
auszulegen ist, muss sich ergeben, welche Leistung begehrt wird. Er hat den
Streitgegenstand dazu so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen
Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche
Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322
ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden
Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden
hat. Bei mehreren Ansprüchen, die im Wege einer objektiven Klagehäufung nach § 260
ZPO in einer Klage verbunden sind, muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen
sich die „Gesamtklage“ zusammensetzt (vgl. BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 -
Rn. 11 mwN; 24. März 2011 - 6 AZR 691/09 - Rn. 21 mwN; 27. Juli 2011 - 7 AZR 412/10 -
Rn. 20, BAGE 138, 360).
12 2. Hiervon ausgehend ist der Streitgegenstand im Antrag hinreichend bestimmt, um über
den Streit der Parteien mit Rechtskraftwirkung zu entscheiden. Der in der Revision noch
angefallene Antrag ist darauf gerichtet, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger
Freizeitausgleich für geleistete Betriebsratsarbeit in den Monaten Juli 2010 bis April 2011
im Umfang von 238 Stunden zu gewähren. Dabei ist zwischen den Parteien unstreitig,
dass ein zu gewährender Zeitausgleich dem Arbeitszeitkonto des Klägers gutzuschreiben
ist (vgl. auch BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 774/10 -).
13 Zwar setzt sich der Antrag auf Erteilung von Freizeitausgleich aus einer Reihe von
Teilforderungen über mehrere Monate zusammen. Zwischen den Parteien ist aber nicht
mehr im Streit, dass der Kläger im Zeitraum Juli 2010 bis April 2011 insgesamt 238
Stunden erforderliche Betriebsratsarbeit geleistet hat oder an Schulungs- und
Bildungsveranstaltungen teilgenommen hat, auf denen erforderliche Kenntnisse für die
Arbeit des Betriebsrats vermittelt wurden. Die Zeiten sowie deren Berechnung sind in der
angefochtenen Entscheidung im Einzelnen festgestellt. Die Entscheidung des Senats
hängt allein noch von der Rechtsfrage ab, ob einem Mitglied des Betriebsrats
Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit an dem Tag zusteht, an dem ihm wegen
vorangegangener Betriebsratstätigkeit gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG bzw. Teilnahme
an Schulungen nach § 37 Abs. 6 Satz 1 iVm. § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG Freizeitausgleich
gewährt wurde. Darüber kann der Senat mit Rechtskraftwirkung entscheiden. Würde die
Frage bejaht, wäre dem Antrag insgesamt stattzugeben, sodass die Beklagte dem
Arbeitszeitkonto des Klägers 238 Stunden gutzuschreiben hätte. Würde der Senat die
streitige Rechtsfrage verneinen, stünden dem Kläger für den bezeichneten Zeitraum
überhaupt keine weiteren Ansprüche auf Freizeitausgleich zu. Die Klage wäre insoweit
insgesamt abzuweisen, ohne dass Unsicherheiten zum Umfang der Rechtskraft
aufgeworfen würden.
14 II. Die Klage ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend
entschieden, dass der Kläger zum Ausgleich von Betriebsratstätigkeiten, die außerhalb
seiner persönlichen Arbeitszeit als Zeitungszusteller stattfinden, Anspruch auf Befreiung
von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts hat, § 37 Abs. 3 Satz 1
BetrVG. Dies gilt auch an Tagen, an denen er frühmorgens vom Zustelldienst freigestellt
wurde. Nicht durch die von der Beklagten bereits gewährte Freizeit ausgeglichen ist die an
diesen Tagen entstandene Zeitdifferenz durch die Betriebsratstätigkeit, die nach
übereinstimmender Handhabung der Parteien stets außerhalb der Arbeitszeit stattfindet
und deshalb aus betriebsbedingten Gründen nicht in die Arbeitszeit des Klägers fällt.
15 1. Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für
Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit
durchzuführen ist, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des
Arbeitsentgelts. Die Arbeitsbefreiung ist nach § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG vor Ablauf eines
Monats zu gewähren. Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG gelten § 37 Abs. 2 und Abs. 3
BetrVG entsprechend für die Teilnahme an Schulungen und Bildungsveranstaltungen,
soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.
16 a) Die Regelungen in § 37 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG gewährleisten, dass den
Betriebsratsmitgliedern durch ihre Betriebsratstätigkeit keine Vermögensnachteile
entstehen. Dementsprechend sind Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 2 BetrVG im
erforderlichen Umfang ohne Minderung des Arbeitsentgelts von ihrer beruflichen Tätigkeit
zu befreien. Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied Anspruch auf
entsprechend bezahlte Arbeitsbefreiung, wenn es Betriebsratstätigkeit aus
betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen hat. Mitglieder des
Betriebsrats erhalten dadurch weder eine Amtsvergütung noch ist die Betriebsratstätigkeit
eine zu vergütende Arbeitsleistung. Vielmehr gilt das Lohnausfallprinzip. Dieses wird
durch § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht durchbrochen. Der dort geregelte Freizeitausgleich
für die außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit betrifft lediglich die
Folgen einer aus betriebsbedingten Gründen notwendigen Abweichung von dem
Grundsatz, dass Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit stattzufinden hat. Es handelt
sich im Ergebnis um ein zeitlich verschobenes Arbeitsentgelt für eine sonst in der
persönlichen Arbeitszeit anfallende Betriebsratstätigkeit, die nur infolge eines dem
Arbeitgeber zuzurechnenden Umstands in die Freizeit verlegt worden ist (BAG 5. Mai
2010 - 7 AZR 728/08 - Rn. 29, BAGE 134, 233).
17 b) Betriebsbedingte Gründe iSd. § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG liegen vor, wenn betriebliche
Gegebenheiten und Sachzwänge innerhalb der Betriebssphäre dazu geführt haben, dass
die Betriebsratstätigkeit nicht während der Arbeitszeit durchgeführt werden konnte. Der
Arbeitnehmer muss dadurch zur Betriebsratstätigkeit außerhalb seiner Arbeitszeit
gezwungen sein. Zu betriebsbedingten Gründen im Sinne des § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG,
die einen Freizeitausgleich begründen, gehören solche aus der Sphäre des Betriebs, nicht
des Betriebsrats. Dazu müssen bestimmte Gegebenheiten und Sachzwänge des Betriebs
die Undurchführbarkeit der Betriebsratstätigkeit während der individuellen Arbeitszeit des
Betriebsratsmitglieds bedingen (vgl. Weber GK-BetrVG 10. Aufl. § 37 Rn. 77; ErfK/Koch
14. Aufl. § 37 BetrVG Rn. 7; Fitting 27. Aufl. § 37 Rn. 79 f.; Thüsing in Richardi 14. Aufl.
§ 37 Rn. 42 ff.). § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG erfasst die unterschiedliche Lage und Dauer der
Arbeitszeit (Weber GK-BetrVG § 37 Rn. 80; Fitting § 37 Rn. 83; Thüsing in Richardi § 37
Rn. 48a). Betriebsbedingte Gründe können vorliegen, wenn Zeitungszusteller ihre Arbeit
in den frühen Morgenstunden zu erledigen haben und Betriebsratstätigkeit in der
Normalarbeitszeit auszuüben ist. Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG steht dem
Betriebsratsmitglied in diesen Fällen ein Ausgleichsanspruch in dem Umfang der von ihm
aufgewendeten Zeit zu, wenn das Betriebsratsmitglied seinen Anspruch innerhalb der
gesetzlichen Monatsfrist gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht (vgl. BAG 25. August
1999 - 7 AZR 713/97 - zu II der Gründe, BAGE 92, 241).
18 c) Die Erfüllung des Anspruchs nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfolgt durch Freistellung
des Arbeitnehmers von seiner Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen ohne Minderung der
Vergütung.
19 aa) Wie bereits der Wortlaut des § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG ausdrückt („ist … zu
gewähren“), bedarf die Freistellung keiner Einigung, sondern einer empfangsbedürftigen
gestaltenden Erklärung des Arbeitgebers, mit der er zum Zweck der Erfüllung des
Arbeitsbefreiungsanspruchs nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG auf sein vertragliches Recht
auf Leistung der geschuldeten Dienste in einem bestimmten Umfang verzichtet und die
Arbeitspflicht des Betriebsratsmitglieds zum Erlöschen bringt. Es handelt sich damit um
eine Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit iSv. § 106 Satz 1 GewO. Mit der Bestimmung
der Zeit der Arbeitsleistung wird zugleich auch die Zeit bestimmt, während derer ein
Arbeitnehmer keine Arbeit zu leisten hat. Beide Festlegungen unterliegen dem
Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO. Das ermöglicht es dem
Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im
Einzelnen nach Zeit, Art und Ort nach billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 3 BGB zu
bestimmen (vgl. BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 774/10 - Rn. 25).
20 bb) Die Bestimmungen zum Arbeitsbefreiungsanspruch nach § 37 Abs. 3 Satz 1, Satz 3
Halbs. 1 BetrVG enthalten keine den Grundsätzen der Urlaubsgewährung nach § 7 Abs. 1
Satz 1 BUrlG entsprechenden Vorgaben zu seiner zeitlichen Festlegung (vgl. BAG
15. Februar 2012 - 7 AZR 774/10 - Rn. 28 ff.). Der Arbeitgeber muss nicht bevorzugt die
Wünsche des Arbeitnehmers entsprechend § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG berücksichtigen (vgl.
BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 774/10 - Rn. 26). Ihm steht bei der Gewährung der
Arbeitsbefreiung vielmehr das Gestaltungsrecht zu, über zusammenhängende oder
ratenweise Gewährung der Arbeitsbefreiung zu entscheiden und deren zeitliche Lage
festzusetzen. Hierbei gibt es keinen generellen Vorrang der Interessen des Arbeitnehmers,
wie ihn § 7 Abs. 1 BUrlG vorsieht. Damit ist andererseits nicht ausgeschlossen, dass der
Arbeitgeber ein von dem Betriebsratsmitglied geäußertes Anliegen der zeitlichen Lage der
Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 Halbs. 1 BetrVG bei der Freistellung
berücksichtigen muss. Dies ist aber nur ein Aspekt der nach billigem Ermessen iSv. § 106
Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB festzulegenden zeitlichen Lage der Arbeitsbefreiung zur
Erfüllung des Anspruchs nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (vgl. BAG 15. Februar 2012 -
7 AZR 774/10 - Rn. 31).
21 cc) Die Gewährung von Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfasst nur die
persönliche Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds. Sie hindert das Betriebsratsmitglied
nicht, sein Ehrenamt als Betriebsrat außerhalb seiner individuellen Arbeitszeit
wahrzunehmen. Findet diese Betriebsratstätigkeit wiederum betriebsbedingt außerhalb
der individuellen Arbeitszeit statt, erwirbt das Betriebsratsmitglied erneut einen Anspruch
auf Freizeitausgleich für diese Betriebsratstätigkeiten. Im Extremfall kann dadurch ein -
insbesondere mit wenigen Stunden teilzeitbeschäftigtes - Mitglied des Betriebsrats, das
stets betriebsbedingt außerhalb seiner Arbeitszeit erforderliche Betriebsratsarbeit leistet,
über einen längeren Zeitraum vollständig von seiner Arbeitsleistung freizustellen sein.
22 dd) Der unter den Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG entstandene Anspruch
auf Arbeitsbefreiung ist gemäß § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG vor Ablauf eines
Monats zu erfüllen. Allerdings ist der Arbeitgeber an die gesetzliche Monatsfrist nicht im
Sinne einer Ausschlussfrist gebunden. Er kann umfangreiche
Freizeitausgleichsansprüche auch zeitlich nachfolgend erfüllen. Beachten die
Betriebspartner diese gesetzlichen Vorgaben, so kann es zu einer Ansammlung von
Ausgleichsansprüchen wie im Streitfall regelmäßig nicht kommen, sondern allenfalls zu
lang andauernden Arbeitsbefreiungen ähnlich einer Freistellung nach § 38 BetrVG (vgl.
BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 774/10 - Rn. 22).
23 2. Danach kann der Kläger von der Beklagten verlangen, dass ihm Freizeitausgleich im
beantragten Umfang gewährt wird und die geltend gemachten Stunden dem
Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden.
24 Die Beklagte konnte den Kläger zum Ausgleich von Freizeitansprüchen nach § 37 Abs. 3
Satz 1 BetrVG nur für von ihr bestimmte Zeiten von seiner persönlichen Arbeitszeit
zwischen 04:00 Uhr und 06:30 Uhr freistellen. Die Freistellung erfolgt stunden-, nicht
tagesbezogen. Der Umstand, dass Betriebsratstätigkeiten generell während der üblichen
Bürozeiten täglich ab 07:00 Uhr und nicht zu Zeiten der individuellen Arbeitszeit bis
06:30 Uhr stattfinden, ermöglicht es dem Kläger somit, unabhängig von einem gewährten
Freizeitausgleich außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit Betriebsratsarbeit zu leisten
und an Schulungen teilzunehmen.
25 Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und für den Senat bindenden
Feststellungen (§ 559 Abs. 2 ZPO) hat der Kläger in der Zeit zwischen Juli 2010 und April
2011 an Tagen, an denen er von der Arbeitspflicht nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG
freigestellt war, für Betriebsratsarbeit sowie durch Teilnahme an Schulungen und
Bildungsveranstaltungen Freizeitansprüche über 238 Stunden erworben, die noch
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts
zur Erforderlichkeit der Betriebsratsarbeit bzw. der vermittelten Kenntnisse sind nicht mit
Revisionsrügen angegriffen.
26 Soweit sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hat, die
einvernehmliche Handhabung, dass Betriebsratsarbeit generell außerhalb der
Zustellzeiten stattfindet, sei nicht mit dem Vorliegen betrieblicher Gründe gleichzusetzen,
kann sie damit nicht mit Erfolg gehört werden. Vielmehr liegen für die Dauer dieser
einvernehmlichen Handhabung der Betriebsparteien betriebsbedingte Gründe iSd. § 37
Abs. 3 Satz 3 BetrVG vor; jedenfalls ist die Beklagte gehindert, Gegenteiliges geltend zu
machen. Die vom Kläger für erforderliche Betriebsratstätigkeit aufgewendete Zeit ist damit
dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.
27 III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Zwanziger
Schmidt
Kiel
Peter Klenter
Glock