Urteil des BAG vom 13.11.2013
Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 28.08.2013, 10 AZR 569/12.
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 13.11.2013, 10 AZR
1082/12
Versetzung - billiges Ermessen
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. November 2012 -
16 Sa 1329/12 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
Tatbestand
1 Die Klägerin hat die Beschäftigung an ihrem bisherigen Einsatzort in München verlangt
und die Unwirksamkeit einer Versetzung geltend gemacht.
2 Die Beklagte ist ein Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in Düsseldorf, das neben
Flugkapitänen und Copiloten ca. 100 Flugbegleiter beschäftigt.
3 Die 1978 geborene Klägerin steht als Flugbegleiterin in den Diensten der Beklagten. Sie
war zuletzt bei einem monatlichen Bruttogehalt von rund 2.500,00 Euro von München aus
tätig.
4 In Ziff. 1 des Arbeitsvertrags der Klägerin vom 13. Oktober 1999 heißt es ua.:
„Es besteht Einvernehmen darüber, dass eine Mindestverweildauer an dem o. a.
dienstlichen Wohnsitz [Nürnberg] von mindestens einem Jahr vereinbart wird.
Die Regularien des MTV § 4 Ziffer 6 bleiben jedoch unberührt, das heißt konkret,
dass bei betrieblichen Erfordernissen eine Versetzung an einen anderen
dienstlichen Wohnsitz erfolgen kann.“
5 In Ziff. 2 des Arbeitsvertrags ist ua. Folgendes geregelt:
„Die Rechte und Pflichten eines Mitarbeiters ergeben sich aus den einschlägigen
Gesetzen, dem MTV Nr. 1 für das Bordpersonal und der Vergütungsvereinbarung,
die in der sogenannten Betriebsvereinbarung Nr. 1 enthalten sind, sowie den
Dienstvorschriften der Eurowings Luftverkehrs AG.“
6 In Ziff. 6 („Sonstiges“) ist ua. Folgendes geregelt:
„Mündliche Nebenabreden sind nicht getroffen worden. Änderungen und
Ergänzungen bedürfen der Schriftform.“
7 Die Betriebsvereinbarung Nr. 1 für das Bordpersonal der Eurowings vom 15. September
1993 (im Folgenden: BV Nr. 1) ist seinerzeit von der Arbeitgeberin und einer informell
eingerichteten „Bordvertretung“ geschlossen worden. § 3 Abs. 8 der BV Nr. 1 lautet:
„Der Mitarbeiter kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten je
nach betrieblichen Erfordernissen an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt
werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der
Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Dies gilt auch
bei vorübergehendem oder aushilfsweisem Einsatz in Zusammenhang mit dem
Flug- und Verkehrsbetrieb.“
8 Der Manteltarifvertrag Nr. 2 für die Beschäftigten des Kabinenpersonals der Eurowings
Luftverkehrs AG vom 15. März 2006 (im Folgenden: MTV Nr. 2), den die Beklagte
anwendet, enthält in § 4 Abs. 6 ua. die nachfolgenden Regelungen:
„a) Der Beschäftigte kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und
Fähigkeiten, je nach den betrieblichen Erfordernissen, an einen anderen
Einsatzort versetzt werden und mit anderen im Rahmen der
Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im
In- und Ausland betraut werden. Bei Schwangerschaft ist EW berechtigt, die
Beschäftigte für eine Diensttätigkeit am Boden einzusetzen, sofern auch die
Zustimmung des örtlich zuständigen Bodenbetriebsrates vorliegt. Hierbei
sind die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu beachten.“
9 Unter dem 24. Januar 2011 schlossen die Arbeitgeberin und die bei ihr auf der Basis des
Tarifvertrags Personalvertretung Nr. 1 vom 19. März/7. April 2008 gebildete
Personalvertretung für die Kabinenmitarbeiter (im Folgenden: PV Kabine) einen
Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. Aus Ziff. 2 des Interessenausgleichs ergibt
sich, dass von den dienstlichen Einsatzorten Köln, Dortmund, Münster/Osnabrück,
Hannover, München, Nürnberg, Paderborn, Stuttgart und Berlin aus keine Einsätze von
Mitarbeitern mehr erfolgen und daher die diesen Einsatzorten zugeordneten Arbeitsplätze
gestrichen werden. Nach Ziff. 1 des Interessenausgleichs wird der Einsatz der Mitarbeiter
ausschließlich ab Düsseldorf oder Hamburg erfolgen. Die Versetzungen sollen zum
1. Juni bzw. 1. August 2011 durchgeführt werden. In Härtefällen können Arbeitnehmer bis
zum 31. März 2014 an ihren bisherigen Einsatzorten bleiben (Ziff. 3 Buchst. e des
Interessenausgleichs). Im Sozialplan vom 24. Januar 2011 sind unter bestimmten
Voraussetzungen verschiedene Kompensationszahlungen an von Versetzungen
betroffene Arbeitnehmer vorgesehen.
10 Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin in einem Telefonat am 12. September
2011 einer Versetzung nach Düsseldorf zugestimmt hat. Mit Schreiben vom 20. September
2011 bat die Beklagte die Klägerin, hinsichtlich ihrer Versetzung schriftlich ihre
Stationswahl mitzuteilen. Die Klägerin bewarb sich zwar entsprechend der auch in diesem
Schreiben enthaltenen Aufforderung auf eine Vollzeitstelle, teilte jedoch keine
Wunschstation mit.
11 Mit Schreiben vom 4. November 2011 teilte die Beklagte den Termin einer Schulung mit.
Weiterhin teilte sie mit, dass gemäß der Aussage in einem Telefonat der dienstliche
Einsatzort ab dem 11. November 2011 Düsseldorf sei. Mit Schreiben vom 9. November
2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass gemäß einem mit der Mitarbeiterin S
geführten Telefonat der dienstliche Einsatzort ab dem 11. November 2011 Düsseldorf sei.
Weiterhin kündigte die Beklagte die Auszahlung einer Versetzungsprämie an. Die
Klägerin bat mit Schreiben vom 21. November 2011, diese nicht im November
auszuzahlen.
12 Die Klägerin hat bestritten, sich am 12. September 2011 mit der Beklagten über eine
Versetzung geeinigt zu haben. Die arbeitgeberseitige Maßnahme sei unwirksam. Es fehle
bereits an einer rechtlichen Versetzungsgrundlage. Der Dienstort sei vertraglich vereinbart
und könne nicht einseitig geändert werden. Die Versetzung entspreche zudem nicht
billigem Ermessen. Sie sei nicht durch betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt und treffe
die Klägerin in ihren persönlichen Belangen übermäßig hart. Die Personalvertretung sei
nicht ordnungsgemäß über die Versetzung unterrichtet worden.
13 Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, sie über den 11. November 2011 hinaus zu
unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugbegleiterin mit Stationierungsort
München zu beschäftigen,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie zu unveränderten
Arbeitsbedingungen als Flugbegleiterin mit Stationierungsort München zu
beschäftigen.
14 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, über die
streitbefangene Versetzung sei bereits Einvernehmen erzielt worden. Die Klägerin selbst
habe der Mitarbeiterin S in einem Telefonat am 12. September 2011 erklärt, sie wolle nach
Düsseldorf. Als die Klägerin dann von bisher 90 % Teilzeit auf Vollzeit aufstocken wollte,
habe man beides mit Schreiben vom 9. November 2011 zusammengefasst. Man habe
zwar diese Einigung entgegen dem Arbeitsvertrag nicht schriftlich niedergelegt, das
Schriftformerfordernis sei jedoch konkludent abbedungen worden. Die Klägerin habe auch
in einem Telefonat in der Woche vom 22. - 28. November 2011 gegenüber der Leiterin
Kabine K erklärt, mit dem Einsatzort Düsseldorf sei alles in Ordnung, sie könne nahe Köln
bei ihren Schwiegereltern unterkommen. Zudem habe ihr Mann zur Zeit Elternzeit. Die
Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Versetzung sei nicht bereits nach dem
Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Der Vertrag lege den Arbeitsort nicht fest. Die Versetzung
entspreche billigem Ermessen. Ihr liege die durch den Interessenausgleich
festgeschriebene unternehmerische Entscheidung zugrunde, in Zukunft die Flugbegleiter
nur noch von Düsseldorf und Hamburg aus einzusetzen, wo die Umläufe hauptsächlich
begönnen. Ohne Versetzung müssten die nicht in Düsseldorf oder Hamburg stationierten
Flugbegleiter - wie bisher schon in erheblichem Umfang - zu den Abflugorten gebracht
werden, was unproduktive Kosten verursache. Diese Flugbegleiter stünden dann aufgrund
der tarifvertraglichen Regelungen über die Flugdienstzeit nur noch mit geringeren
Stundenzahlen zum Einsatz zur Verfügung. Durch die Verlagerung könne deshalb das
Arbeitszeitpotenzial der Flugbegleiter besser genutzt werden. Die Versetzung halte einer
Interessenabwägung stand, zumal die Klägerin mit anderen betroffenen
Flugbegleiterinnen gemeinsam eine Wohnung am neuen Einsatzort anmieten und die sie
treffenden Nachteile steuerlich geltend machen könne. Auch sehe der Sozialplan einen
gewissen Ausgleich vor. Die Personalvertretung Kabine sei mit Schreiben vom
4. November 2011 zur Versetzung angehört worden. Diese habe ihre Zustimmung am
8. November 2011 erteilt.
15 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung
der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
16 Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben richtig entschieden. Die Klage ist
unbegründet.
17 A. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Beschäftigung in München (zu I). Die von der
Beklagten ausgesprochene Versetzung ist wirksam (zu II). Die Versetzung bedurfte nicht
der Schriftform (zu II 1). Die Beklagte war nach dem Arbeitsvertrag nicht daran gehindert,
der Klägerin in Ausübung des Direktionsrechts einen anderen als den ursprünglichen
Arbeitsort zuzuweisen (zu II 2). Die Versetzung hält auch der erforderlichen
Ausübungskontrolle stand (§ 106 GewO). Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene
Abwägung der beiderseitigen Interessen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden
(zu II 3). Die Personalvertretung ist ordnungsgemäß unterrichtet worden und hat der
Versetzung zugestimmt (zu II 4).
18 I. Der auf Beschäftigung in München gerichtete Antrag ist unbegründet, weil sich die
Klägerin, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, bis Sommer 2014 in Elternzeit
befindet. Sie kann schon deswegen nicht arbeiten. Bei dieser Lage hat sie gegenwärtig
keinen Anspruch auf Beschäftigung.
19 II. Die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung ist wirksam.
20 1. Die Versetzung bedurfte nicht der Schriftform.
21 a) Die Parteien haben entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung keine
wirksame Vereinbarung dahingehend getroffen, der neue Arbeitsort der Klägerin sei
nunmehr Düsseldorf. Ob die Parteien, wie von der Beklagten behauptet, insoweit eine
mündliche Einigung erzielt haben, kann dahinstehen. Die Wirksamkeit der Abrede würde,
da sie nicht schriftlich getroffen wurde, jedenfalls an dem in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags
vereinbarten Schriftformerfordernis iVm. § 125 BGB scheitern.
22 b) Die mit Schreiben vom 9. November 2011 von der Beklagten erklärte Versetzung von
München nach Düsseldorf ist dagegen nicht mangels schriftlichen Vertragsschlusses
unwirksam. Nach Ziff. 6 des Arbeitsvertrags gilt das Schriftformerfordernis nur für
vereinbarte Änderungen und Ergänzungen des Vertrags. Die Versetzung war jedoch keine
solche Vereinbarung, sondern eine einseitige Erklärung.
23 2. Die Beklagte war nach dem Arbeitsvertrag nicht daran gehindert, der Klägerin in
Ausübung des Direktionsrechts einen anderen als den ursprünglichen Arbeitsort
zuzuweisen.
24 a) Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach
Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen (vgl.
für einen gleich gelagerten Fall: BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 -).
25 aa) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der
Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff.,
BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort
vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter
Versetzungsvorbehalt hat (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 16; 19. Januar
2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12).
26 bb) Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im
Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten
Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag
genannten Ort der Arbeitsleistung (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 18;
19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27). Es
macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der
Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO
vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der
Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt,
dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte
bestehen soll.
27 cc) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im
Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106
GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts
kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen
Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315
Abs. 3 BGB (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 19).
28 b) Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht
vertraglich festgelegt ist.
29 aa) Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich schon nach dem äußeren
Erscheinungsbild um Allgemeine Geschäftsbedingungen, auf die Vorschriften des § 305 ff.
BGB zur Anwendung kommen.
30 bb) Der Arbeitsvertrag enthält keine das Direktionsrecht beschränkende Festlegung des
Arbeitsorts.
31 (1) Unter Ziff. 1 des Arbeitsvertrags ist vorgesehen, dass die Klägerin am
Beschäftigungsort Nürnberg „eingestellt“ wird. Darin liegt keine vertragliche Beschränkung
des Direktionsrechts auf Nürnberg als Arbeitsort. Die betreffende Passage des Vertrags ist
mit „Beginn ... der Tätigkeit“ überschrieben und legt lediglich fest, wo die Arbeitnehmerin
bei Vertragsbeginn ihre Arbeit aufnehmen soll. Die Regelung bestimmt nicht den Inhalt der
geschuldeten Arbeitsleistung, sondern den Ort ihrer erstmaligen Ausübung. Die Regelung
in § 3 Abs. 8 BV Nr. 1, nach der der Mitarbeiter unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse
und Fähigkeiten an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden kann,
beschreibt den Umfang des Weisungsrechts, der ausdrücklich auch die Arbeitsleistung an
anderen Orten einschließt.
32 (2) Außerdem ist in Ziff. 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrags festgehalten, „dass bei betrieblichen
Erfordernissen eine Versetzung an einen anderen dienstlichen Wohnsitz erfolgen kann“.
Diese Klausel ist hinreichend eindeutig, transparent und angemessen. Sie knüpft die
Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort an betriebliche Erfordernisse
und enthält damit jedenfalls nicht weniger strenge Voraussetzungen als das Gesetz.
33 cc) Zusätzlich ist die Versetzungsbefugnis durch § 4 Abs. 6 Buchst. a MTV Nr. 2, auf den
der Arbeitsvertrag Bezug nimmt und der ebenfalls eine Versetzungsmöglichkeit bei
betrieblichen Erfordernissen vorsieht, gegeben.
34 dd) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den im Bereich der Luftfahrt geltenden
Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten. Nach § 20 ArbZG iVm. § 5 Abs. 1 der
Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (2. DV LuftBO)
bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG)
Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist
die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus
diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis
arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer
Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht
aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des
Direktionsrechts die Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu
benennt.
35 ee) Die Arbeitspflicht der Klägerin hat sich nicht dadurch auf den letzten Einsatzort
räumlich konkretisiert, dass die Klägerin seit dem Jahr 2003 im Wesentlichen von dort aus
tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien
nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.
36 (1) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass
darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf
bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR
202/10 - Rn. 19 mwN). Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren
Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der
Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft
keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen
Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der
Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll,
kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung
des Direktionsrechts kommen (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - aaO).
37 (2) Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie sind auch
ansonsten nicht ersichtlich. Allein die lange Verweildauer am letzten Einsatzort lässt
keinen Rückschluss darauf zu, die Parteien hätten - in Abänderung ihres Vertrags -
nunmehr den bisherigen Ort zum vertraglich vereinbarten Arbeitsort bestimmt.
Gegenteiliges ergibt sich nicht aus § 4 Abs. 6 MTV Nr. 2. Das Rückkehrrecht nach dessen
Buchst. b sagt nichts darüber aus, ob die vorangegangene Bestimmung des Einsatzorts
auf einer Vertragsänderung oder der Ausübung des Weisungsrechts beruhte.
38 ff) Die Auffassung der Revision, es handele sich bei der Maßnahme der Beklagten
deshalb um eine nur durch Änderungskündigung durchsetzbare Vertragsänderung, weil
die Versetzung mit einem beträchtlichen Eingriff in das Verhältnis von Leistung und
Gegenleistung sowie in weitere maßgebliche Interessen der Klägerin verbunden sei, greift
nicht durch.
39 (1) Mit der Versetzung greift die Beklagte nicht in das vom Vertrag festgelegte Verhältnis
von Leistung und Gegenleistung ein. Die Dauer der Arbeitszeit hat sich ebenso wenig
geändert wie die Höhe der für die Arbeit zu leistenden Vergütung. Geändert hat sich zu
einem gewissen Teil die von der Klägerin während der Arbeitszeit zu erbringende
Tätigkeit. Sie besteht im Wesentlichen nur noch aus der an Bord verbrachten Zeit. Einen
Anspruch, die Arbeitszeit nicht mit der Arbeit an Bord zu verbringen, hat die Klägerin nicht.
Sie muss jetzt erheblich höhere Reisekosten für die Wege zwischen Wohnung und
Arbeitsort tragen. Dies erhöht die mit der Berufsausübung verbundenen Belastungen,
verringert jedoch nicht die vertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung.
40 (2) Auch die weiteren Beeinträchtigungen des persönlichen Lebens der Klägerin führen
nicht dazu, dass die Ausübung des Weisungsrechts allein um deswillen die rechtliche
Qualität einer Vertragsänderung aufwiese. Diese Umstände sind vielmehr, ebenso wie die
Erhöhung der finanziellen Belastungen, bei der Ausübungskontrolle im Rahmen der
Prüfung, ob die Beklagte bei der Versetzung billiges Ermessen gewahrt hat, zu
berücksichtigen.
41 3. Die Versetzung hält auch der umfassenden Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1
GewO, § 315 BGB stand. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315
Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende
Leistungsbestimmung ein - hier freilich auf betriebliche Gründe beschränkter - nach
billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem
Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als
Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat (vgl. BAG 13. Juni 2012 -
10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).
42 a) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB)
verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und
gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der
Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In
die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die
Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die
beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und
Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und
Unterhaltsverpflichtungen (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 21. Juli 2009 -
9 AZR 404/08 - Rn. 22; bereits auch: 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der
Gründe, BAGE 63, 267).
43 aa) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser
besonderes Gewicht zu. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass
die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre
und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die
unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Das
unternehmerische Konzept ist zwar nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die
Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte
Organisationsentscheidungen zu treffen. Wohl aber kann die Abwägung mit den Belangen
des Arbeitnehmers ergeben, dass ein Konzept auch unter Verzicht auf die Versetzung
durchsetzbar war.
44 bb) Die gegenteilige Auffassung, nach der bei Vorliegen einer unternehmerischen
Entscheidung eine Interessenabwägung weitestgehend entbehrlich sein soll, findet im
Gesetz keine Stütze; § 106 GewO verlangt eine umfassende und offene Abwägung aller in
Betracht kommenden Belange (BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 28 ff.). Die
unternehmerische Entscheidung ist dabei ein wichtiger, aber nicht der alleinige, sondern
regelmäßig nur einer unter mehreren Abwägungsgesichtspunkten. Im Einzelfall können
besonders schwerwiegende, zB auch verfassungsrechtlich geschützte Interessen des
Arbeitnehmers entgegenstehen (vgl. BeckOK ArbR/Tillmanns Stand 1. März 2013 GewO
§ 106 Rn. 52 mit zahlreichen Nachweisen). Es kommt darauf an, ob das Interesse des
Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall
die Weisung rechtfertigt (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 31). Das ist der Fall,
wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch
angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht
willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (BAG 26. September 2012 - 10 AZR
412/11 - Rn. 37).
45 cc) Eine soziale Auswahl wie im Fall des § 1 Abs. 3 KSchG findet nicht statt. Soweit es auf
die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den
sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer
Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1
GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden (vgl. BAG 17. August 2011 -
10 AZR 202/10 - Rn. 22, 25).
46 b) Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den Streitfall ergibt, dass die Versetzung der
Klägerin billigem Ermessen entspricht. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene
Würdigung, die Beklagte habe bei der Ausübung ihres Weisungsrechts billiges Ermessen
(§ 106 GewO, § 315 BGB) gewahrt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
47 aa) Zutreffend ist die Würdigung, dass auf Seiten der Beklagten die unternehmerische
Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung der Flugbegleiter zu berücksichtigen ist.
Die Zweckmäßigkeit dieser Neuordnung war auch keiner Kontrolle zu unterziehen. Es
sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die Neuordnung sei etwa nur vorgeschoben,
um lästig gewordene Vertragspflichten abzuschütteln. Anzeichen für Missbräuchlichkeit
der Reorganisation als solcher sind nicht erkennbar. Angesichts des Umstands, dass die
Beklagte seit dem Juni 2010 ihre Flugumläufe nahezu ausschließlich von Düsseldorf und
Hamburg beginnen ließ, ist die Entscheidung, dort auch die Flugbegleiter zu stationieren,
naheliegend. Auch die von der Beklagten vorgelegten Aufstellungen über die Auslastung
des Personals mit Flugarbeitszeit zeigen, dass die getroffenen Entscheidungen
einleuchtend sind. Das gilt selbst dann, wenn die Beklagte nicht aus jeder einzelnen
Versetzung finanziellen Nutzen zieht. Einer durch viele Einzelmaßnahmen umgesetzten
Neuordnung kann die Plausibilität nicht mit der Begründung abgesprochen werden, einer
oder mehrere Teilakte seien für sich genommen nicht gewinnbringend. Für die Beurteilung
der unternehmerischen Entscheidung ist vielmehr ihr Gesamtkonzept maßgeblich. Die
Entscheidung ist ersichtlich nicht etwa nur für einen kurzen Zeitraum oder unter dem
Vorbehalt alsbaldiger Änderung getroffen worden. Vielmehr zeugen die umfangreichen
Reorganisationen der Beklagten von dem anhaltend, ernsthaft und nachdrücklich
verfolgten Bestreben, ihre Tätigkeit auf die beiden Orte Hamburg und Düsseldorf zu
konzentrieren. Auch der Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan sowie
insbesondere die Zusage, bis zum Jahr 2015 keine betriebsbedingten Kündigungen
auszusprechen, zeigen, dass die Entscheidung der Beklagten auf langfristigen
Überlegungen und Berechnungen beruht.
48 bb) Das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres bisherigen Einsatzorts muss
demgegenüber zurücktreten. Unzumutbare persönliche, familiäre oder sonstige
außervertraglich entstandene Belastungen hat die Klägerin nicht dargetan. Von
Bedeutung ist dabei, dass der Tätigkeit einer Flugbegleiterin eine gewisse Volatilität stets
innewohnt und die Erwartung der sozialen und sonstigen Vorteile eines ortsfesten
Arbeitseinsatzes zu dauerhaft unveränderten Zeiten vom Vertragszweck von vornherein
nicht gedeckt sein kann. Die Versetzung unterstreicht diese Besonderheiten, verursacht
sie aber nicht. Die zweifellos auftretenden Unbequemlichkeiten und zusätzlich
entstehenden Kosten muss die Klägerin hinnehmen, wie das Landesarbeitsgericht
nachvollziehbar angenommen hat. Sie gehen im Grundsatz nicht über das hinaus, was
Arbeitnehmern regelmäßig zugemutet wird, nämlich die Belastungen des Wegs zur und
von der Arbeit zu tragen. Aufgrund des abgeschlossenen Sozialplans gewährt die
Beklagte einen nicht unbeachtlichen finanziellen Ausgleich. Dass sich die Organisation
der Kinderbetreuung für Arbeitnehmer im Falle von Maßnahmen wie im vorliegenden Fall
schwieriger gestaltet, weil die Klägerin längere Abwesenheiten von zu Hause in Kauf
nehmen muss und diese nicht mehr im gleichen Umfang wie bisher von ihrem Mann
abgefedert werden können, ist ohne Zweifel eine Beeinträchtigung. Indes musste die
Klägerin auch bisher längere Abwesenheiten von zu Hause hinnehmen. Sie sind in dem
von ihr ausgeübten Beruf nicht vermeidbar. Dass die nun eintretende zusätzliche
Erschwernis derart einschneidend wäre, dass sie vom Landesarbeitsgericht hätte
entscheidend zugunsten der Klägerin in die Waagschale geworfen werden müssen, ist
nicht ersichtlich.
49 4. Die Versetzung ist nicht nach § 117 Abs. 2, § 99 BetrVG unwirksam. Die PV Kabine hat
die Zustimmung zur Versetzung am 8. November 2011 erteilt. Inwiefern die Unterrichtung
nicht ausreichend gewesen sein soll, ist nicht erkennbar. Der angegebene
Versetzungsgrund war die Reduzierung der Einsatzorte auf zwei. Damit war nicht
ausgeschlossen, dass übergangsweise noch einzelne Umläufe von anderen Einsatzorten
aus stattfanden. Insbesondere sieht die im Interessenausgleich vorgesehene
Härtefallregelung eine zeitliche Übergangsphase für die Versetzungen ausdrücklich vor.
All dies ändert nichts an der für die Versetzung maßgeblichen Grundentscheidung. Dass
die Beklagte ihr bekannte und wesentliche Umstände gegenüber der PV Kabine
verschwiegen hätte, ist nicht ersichtlich. Die Personalvertretung hat auch keine
Nachfragen angebracht. Inwiefern es sich um eine „Vorratsanhörung“ oder
„Vorratszustimmung“ gehandelt haben soll, ist nicht nachvollziehbar.
50 B. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
Mikosch
Mestwerdt
Schmitz-
Scholemann
R. Baschnagel
Petri