Urteil des BAG vom 22.10.2008

BAG: einer jährlichen Zuwendung für einen Teilzeitbeschäftigten nach § 2 des TV Zuwendung Ang-O i.V.m. § 3 des Tarifvertrags zur Übernahme des Anwendungs-TV Land Berlin, geldwerte leistung, vergütung

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 22.10.2008, 10 AZR 842/07
Höhe einer jährlichen Zuwendung für einen Teilzeitbeschäftigten nach § 2 des TV Zuwendung Ang-O
i.V.m. § 3 des Tarifvertrags zur Übernahme des Anwendungs-TV Land Berlin - Gleichbehandlung
entsprechend dem Pro-rata-temporis-Grundsatz
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-
Brandenburg vom 27. Juli 2007 - 8 Sa 1161/07 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Höhe einer tariflichen Zuwendung für das Jahr 2005.
2 Die Klägerin war ab Januar 1991 beim Land Berlin als Angestellte im Schreibdienst beschäftigt. Im
Arbeitsvertrag ist geregelt, dass das Arbeitsverhältnis sich nach den Vorschriften des BAT-O und
den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der
Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung richtet und außerdem die mit
dem Land Berlin bzw. dem Arbeitgeberverband, dem das Land Berlin angehört, bisher vereinbarten,
noch geltenden und künftig abzuschließenden Tarifverträge über Arbeitsbedingungen der
Angestellten, deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet
begründet sind, Anwendung finden. Seit dem 21. August 1995 war die Klägerin bei der Berliner
Stadtbibliothek beschäftigt. Mit Wirkung zum 1. Oktober 1995 wurde das Arbeitsverhältnis auf die
Beklagte übergeleitet. Seit dem 1. Januar 1997 ist die Klägerin in Vergütungsgruppe VIb BAT-O
eingruppiert. Am 15. Juli 2002 vereinbarten die Parteien zum 1. Oktober 2002 eine Umwandlung
des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis und die Reduzierung der Arbeitszeit
auf die Hälfte der regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit. Die Beklagte schloss am
4. Mai 2005 mit der Gewerkschaft ver.di einen Tarifvertrag (ÜTV) zur Übernahme des Tarifvertrags
zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-TV Land Berlin) vom
31. Juli 2003 mit verschiedenen Abweichungen. Im ÜTV heißt es ua.:
㤠1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmerinnen
1
und Auszubildenden der Zentral-
und Landesbibliothek Berlin.
1
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass die Bezeichnung
‚Arbeitnehmerinnen’ auch die Arbeitnehmer mit einschließt.
§ 2
Übernahmebestimmungen
Auf die Arbeits- und Berufsausbildungsverhältnisse der von § 1 erfassten
Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden finden der Tarifvertrag zur Anwendung von
Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-TV Land Berlin) vom 31. Juli
2003 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vom 25. August 2004
Anwendung sowie die Vereinbarung zur Umsetzung des § 9 Anwendungs-TV Land
Berlin vom 15. Juli 2004, soweit nicht in den nachstehenden Vorschriften etwas
Abweichendes vereinbart ist.
§ 3
Abweichungen vom Anwendungs-TV Land Berlin
I. Maßgaben zum Anwendungs-TV Land Berlin
...
2. § 3 gilt in folgender Fassung:
⤠3
Maßgaben zur Arbeitszeit
Die durchschnittliche besondere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Sinne
des § 15 Abs. 1 BAT/BAT-O, der Nummer 3 Absatz 1 SR 2r BAT/BAT-O und des
§ 14 Abs. 1 BMT-G/BMT-G-O beträgt unter Einbeziehung der in Arbeitszeit
umgerechneten Anteile der Absenkung der Zuwendung und des Urlaubsgeldes
ausschließlich der Pausen
für Angestellte der Vergütungsgruppen X bis VI b und
VI a und für Arbeiterinnen
2
der Lohngruppen 1 bis 6 a
94 v. H.,
für Angestellte der Vergütungsgruppen V c bis III und
für Arbeiterinnen der Lohngruppen 7 bis 9
92 v. H.,
für Angestellte der Vergütungsgruppen II b und höher
90 v. H.
der nach den vorstehend genannten manteltarifvertraglichen Vorschriften
maßgebenden Arbeitszeit.
Die vorstehenden Regelungen gelten für nichtvollbeschäftigte Angestellte und
Arbeiterinnen entsprechend (§ 34 BAT/BAT-O, § 25 Abs. 1 BMT-G/BMT-G-O),
soweit nicht § 5 Anwendungs-TV Land Berlin i. V. m. der nachstehenden Nr. 4 eine
abweichende Regelung enthält.
...
2
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass die Bezeichnung ‚Arbeiterinnen’
auch die Arbeiter mit einschließt.
3.
§ 4 gilt in folgender Fassung:
⤠4
Maßgaben zur Höhe der Bezüge
A. Angestellte
Die Höhe der Grundvergütung, des Ortszuschlages, der allgemeinen Zulage nach
§ 2 des Tarifvertrages über Zulagen an Angestellte vom 17. Mai 1982 ggf. i. V. m.
dem Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte (TV Zulagen Ang-O) vom 8. Mai 1991
beträgt für
Angestellte der
Vergütungsgruppen
98 v. H.,
X bis VI b und VI a
für Angestellte der
Vergütungsgruppen V c
bis III
96 v. H.,
für Angestellte der
Vergütungsgruppen II b und
höher
94 v. H.
der tarifvertraglich - ggf. unter Berücksichtigung des
Einkommensangleichungsgesetzes in der jeweiligen Fassung - vorgesehenen
Beträge. ...
B. Arbeiterinnen
(1) Die Höhe des Monatstabellenlohnes und des Sozialzuschlages beträgt für
Arbeiterinnen der
Lohngruppen 1 bis 6 a
98 v. H.,
Arbeiterinnen der
Lohngruppen 7 bis 9
96 v. H.
der tarifvertraglich - ggf. unter Berücksichtigung des
Einkommensangleichungsgesetzes in der jeweiligen Fassung - vorgesehenen
Beträge. …
II. Maßgaben zu den nach dem Anwendungs-TV Land Berlin anzuwendenden
Tarifverträgen (Abweichungen von § 2)
(1) Die Zahlung aus den Zuwendungs- und Urlaubsgeldtarifverträgen wird für
vollbeschäftigte Angestellte der Vergütungsgruppe X bis VI b und VI a und
vollbeschäftigte Arbeiterinnen der Lohngruppen 1 bis 6 a auf 740 EUR begrenzt, bei
den vollbeschäftigten Arbeitnehmerinnen der anderen Vergütungs- und
Lohngruppen auf 640 EUR. Der Betrag wird in einer Summe nach den Regelungen
des jeweils maßgebenden Zuwendungstarifvertrages gewährt. Abweichend von § 2
Absatz 1 Unterabsatz 1 der Zuwendungstarifverträge erhalten Nichtvollbeschäftigte
von dem genannten Betrag den Teil, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten
durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Hierfür sind die Verhältnisse am 1. des
jeweiligen Bemessungsmonats maßgebend.
(2) Zum weiteren Ausgleich der Differenz zwischen der hier vereinbarten
Zahlungshöhe und der sich aus dem jeweiligen Urlaubs- und
Zuwendungstarifvertrag in der Fassung vom 1. Januar 2003 jeweils ergebenden
Höhe werden in jedem Kalenderjahr folgende zusätzliche freie Tage
(Freistellungstage) unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26 BAT/BAT-O) und der in
Monatsbeträgen festgelegten Zulagen bzw. des Monatsgrundlohnes und der
ständigen Lohnzuschläge (§ 67 Nr. 40 Abs. 1 Buchst. b BMT-G/BMT-G-O) - jeweils
ggf. unter Berücksichtigung des Einkommensangleichungsgesetzes in der
jeweiligen Fassung - gewährt:
Angestellten der Vergütungsgruppen X bis VI b und VI a und
Arbeiterinnen der Lohngruppen 1 bis 6 a
2 Tage
Angestellten der Vergütungsgruppen V c und höher und
Arbeiterinnen der Lohngruppen 7 und höher
3 Tage.
Die Dauer der Freistellung beträgt an jedem Freistellungstag höchstens ein Fünftel
der für die Arbeitnehmerin geltenden durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit.
...“
3 § 5 des Anwendungs-TV Land Berlin vom 31. Juli 2003 enthält folgende Regelung:
㤠5
Besondere Regelungen für Nichtvollbeschäftigte
(1)
Die Arbeitszeit von Nichtvollbeschäftigten, deren individuelle besondere regelmäßige
wöchentliche Arbeitszeit aufgrund der Regelung in § 3 auf weniger als die Hälfte der in
der jeweiligen manteltariflichen Vorschrift (BAT/BAT-O, BMT-G/BMT-G-O) genannten
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sinken würde, wird nur soweit vermindert,
dass die individuelle besondere Arbeitszeit (§ 3 Abschnitte A bis C Abs. 1) die Hälfte
der in der jeweiligen manteltariflichen Vorschrift (BAT/BAT-O, BMT-G/BMT-G-O)
genannten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt; die zu erbringende
Arbeitszeit ist entsprechend zu errechnen. Abweichend von § 4 werden die dort
genannten Bezüge um denselben Vom-Hundert-Satz vermindert, um den die
besondere Arbeitszeit vermindert wurde.
(2)
§§ 3 und 4 gelten nicht
a) für Nichtvollbeschäftigte, deren Arbeitszeit höchstens die Hälfte der in der
jeweiligen manteltariflichen Vorschrift (BAT/BAT-O, BMT-G/BMT-G-O)
genannten regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt,
...
c) für Arbeitnehmer, die Altersteilzeitarbeit leisten. Bei Altersteilzeitarbeitnehmern
gilt als bisherige wöchentliche Arbeitszeit im Sinne des § 3 Abs. 1 des
Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) die Hälfte der in
den manteltariflichen Vorschriften (BAT/BAT-O, BMT-G/BMT-G-O) jeweils
genannten regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit.
…“
4 Der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 10. Dezember 1990 idF vom 31. Januar
2003 (TV Zuwendung Ang-O) lautet in seinen hier maßgeblichen Bestimmungen wie folgt:
㤠1
Anspruchsvoraussetzungen
(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er
1. am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und nicht für den ganzen Monat Dezember
ohne Vergütung zur Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit
beurlaubt ist
und
2. seit dem 1. Oktober ununterbrochen als Angestellter, Arbeiter, Beamter, Richter,
Soldat auf Zeit, Berufssoldat, Arzt im Praktikum, Auszubildender, Praktikant,
Schüler/Schülerin in der Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Krankenpflegehilfe
oder Hebammenschülerin/Schüler in der Entbindungspflege im öffentlichen Dienst
gestanden hat
oder
im laufenden Kalenderjahr insgesamt sechs Monate bei demselben Arbeitgeber im
Arbeitsverhältnis gestanden hat oder steht
und
3. nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem
Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.
...
§ 2
Höhe der Zuwendung
(1) Die Zuwendung beträgt - unbeschadet des Absatzes 2 - 75 v. H. der Urlaubsvergütung
nach § 47 Abs. 2 BAT-O, die dem Angestellten zugestanden hätte, wenn er während des
ganzen Monats September Erholungsurlaub gehabt hätte. ...
Protokollnotizen:
1. Wegen der am ... vereinbarten Festschreibung der Zuwendung beträgt abweichend von
Absatz 1 Unterabs. 1 Satz 1 der Bemessungssatz für die Zuwendung vom … 1. Mai 2004
an 61,60 v. H.
...“
5 Die Beklagte zahlte der Klägerin für das Jahr 2005 eine Zuwendung iHv. 370,00 Euro.
6 Die Klägerin hat gemeint, sie habe gemäß § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 TV Zuwendung Ang-O für
das Jahr 2005 Anspruch auf eine Zuwendung iHv. 61,60 % der ihr für den Monat September 2005
gezahlten Vergütung und somit auf eine tarifliche Zuwendung iHv. 737,83 Euro. Bei Anrechnung der
geleisteten Zahlung iHv. 370,00 Euro habe die Beklagte noch die restliche Zuwendung für das Jahr
2005 iHv. 367,83 Euro an sie zu zahlen. Bei der Fassung von § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV handele es
sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen. Aus § 5 Abs. 2 Anwendungs-TV Land Berlin
ergebe sich, dass eine Absenkung des Einkommens den Nichtvollbeschäftigten, deren Arbeitszeit
nicht mehr als die Hälfte der für Vollzeitbeschäftigte tariflich festgesetzten Arbeitszeit beträgt, nicht
zuzumuten sei. Die Tarifvertragsparteien hätten den mit mehr als der Hälfte der regelmäßigen
tariflichen Arbeitszeit Beschäftigten keine höhere Vergütung zubilligen wollen, sondern nur die
Verminderung der Vergütung sozialverträglicher als im Anwendungs-TV Land Berlin gestalten
wollen. Es sei nicht gerechtfertigt, den mit höchstens der Hälfte der regelmäßigen tariflichen
Arbeitszeit Beschäftigten pro Arbeitsstunde ein geringeres Arbeitsentgelt zu zahlen. Es habe
zwischen den Tarifvertragsparteien Einigkeit bestanden, dass die Halbtagsbeschäftigten insgesamt
- wie auch im Anwendungs-TV Land Berlin - von Arbeitszeit- und Vergütungsabsenkungen
verschont werden sollten. Der ÜTV sei daher nach Entstehungsgeschichte sowie nach Sinn und
Zweck dahingehend auszulegen, dass Halbtagsbeschäftigte gänzlich von der Herabsetzung der
Arbeitszeit und der Verminderung der Vergütung, des Urlaubsgeldes und der jährlichen Zuwendung
ausgenommen sein sollten. Es sei eine Auslegung dahingehend möglich, dass mit
„Nichtvollbeschäftigten“ in § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV nur solche Beschäftigte gemeint seien, die zwar
weniger als die tarifliche volle Arbeitszeit beschäftigt seien, aber doch mehr als halbtags.
7 Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 367,83 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit
dem 1. Dezember 2005 zu zahlen.
8 Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, ein
Redaktionsversehen der Tarifvertragsparteien bei der eindeutigen Regelung in § 3 II Abs. 1 Satz 3
ÜTV und eine Benachteiligung der Klägerin gegenüber den mit mehr als der Hälfte der
regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit Beschäftigten lägen nicht vor.
9
9 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der
Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen
Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der
Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
10 Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht
abgewiesen.
11 I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Klägerin nicht nach § 2 Abs. 1
Unterabs. 1 Satz 1 TV Zuwendung Ang-O für das Jahr 2005 eine Zuwendung iHv. 737,83 Euro
zusteht, sondern die Beklagte mit der Zahlung von 370,00 Euro den Anspruch der Klägerin aus § 3
II Abs. 1 Satz 3 ÜTV auf eine Zuwendung für dieses Jahr erfüllt hat.
12 1. § 3 II Abs. 1 Satz 1 ÜTV bestimmt ua., dass die Zahlung aus den Zuwendungs- und
Urlaubsgeldtarifverträgen für vollbeschäftigte Angestellte der Vergütungsgruppe X bis VIb und VIa
auf 740,00 Euro begrenzt wird. Gemäß § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV erhalten Nichtvollbeschäftigte
abweichend von § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zuwendungstarifverträge von dem genannten Betrag
den Teil, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Diese
gegenüber § 2 TV Zuwendung Ang-O spezielleren Regelungen des ÜTV zur Höhe der Zuwendung
haben nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz Vorrang, auch wenn sie zu Lasten der
Arbeitnehmer der Beklagten Regelungen des TV Zuwendung Ang-O verdrängen (vgl. zum
Vorrang des Firmentarifvertrags gegenüber dem Verbandstarifvertrag BAG 4. April 2001 - 4 AZR
237/00 - BAGE 97, 263, 269) .
13 2. Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei der Regelung in § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV
weder um ein Redaktionsversehen der Tarifvertragsparteien, noch lässt der Wortlaut dieser
Tarifvorschrift die Auslegung zu, dass sie § 2 TV Zuwendung Ang-O nur dann verdrängt, wenn die
Arbeitszeit des Teilzeitbeschäftigten mehr als die Hälfte der für Vollzeitbeschäftigte tariflich
festgelegten Arbeitszeit beträgt.
14 a) Wenn nach § 2 ÜTV iVm. § 5 Abs. 2 Buchst. a Anwendungs-TV Land Berlin die Maßgaben zur
Arbeitszeit und zur Höhe der Grundvergütung, des Ortszuschlags sowie der allgemeinen Zulage
(§ 3 I Nr. 2 und Nr. 3 ÜTV) nicht für Nichtvollbeschäftigte gelten, deren Arbeitszeit höchstens die
Hälfte der in der jeweiligen manteltariflichen Vorschrift (BAT/BAT-O, BMT-G/BMT-G-O) genannten
regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt, kann daraus nicht abgeleitet
werden, dass auch § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV auf solche Nichtvollbeschäftigte keine Anwendung
findet. Die Tarifvertragsparteien des ÜTV haben in § 2 dieses Tarifvertrags vereinbart, dass die
Vorschriften des Anwendungs-TV Land Berlin für die Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und
Auszubildenden der Beklagten gelten, soweit nicht in den nachstehenden Vorschriften etwas
Abweichendes vereinbart ist. In § 3 II Abs. 1 Satz 1 ÜTV haben sie unter der Überschrift
„Maßgaben zu den nach dem Anwendungs-TV Land Berlin anzuwendenden Tarifverträgen
(Abweichungen von § 2)“ die Höhe der nach den Zuwendungstarifverträgen zu zahlenden
jährlichen Zuwendung abweichend geregelt und für vollbeschäftigte Angestellte der
Vergütungsgruppen X bis VIb und VIa auf 740,00 Euro begrenzt. In § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV haben
sie vereinbart, dass abweichend von § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zuwendungstarifverträge
Nichtvollbeschäftigte von dem genannten Betrag den Teil erhalten, der dem Maß der mit ihnen
vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Damit haben die Tarifvertragsparteien
Nichtvollbeschäftigte, deren Arbeitszeit höchstens die Hälfte der in der jeweiligen manteltariflichen
Vorschrift genannten regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt, nicht
ausgenommen.
15 b) Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV, auf den es bei der Auslegung
des normativen Teils eines Tarifvertrags nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zunächst ankommt (BAG 27. April 2006 - 6 AZR 437/05 - BAGE 118, 123,
125 mwN) . Dieser ist eindeutig. § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV spricht von „Nichtvollbeschäftigten“, § 3
II Abs. 1 Satz 1 ÜTV demgegenüber von „vollbeschäftigten Angestellten“. § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV
regelt damit die Höhe der Zuwendung für alle Angestellten, die nicht vollbeschäftigt sind. Ein Wille
der Tarifvertragsparteien, dass nach ihrem Verständnis Angestellte nur dann Nichtvollbeschäftigte
iSv. § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV sind, wenn ihre Arbeitszeit mehr als die Hälfte der für vollbeschäftigte
Angestellte tariflich festgesetzten Arbeitszeit beträgt, hat anders als in § 5 Abs. 2 Buchst. a
Anwendungs-TV Land Berlin im Wortlaut des § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV keinen Niederschlag
gefunden.
16 II. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die in § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV geregelte
anteilige Zahlung der tariflichen Zuwendung an Nichtvollbeschäftigte nicht gegen das Verbot der
Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter in § 4 Abs. 1 TzBfG.
17 1. Mit dieser Regelung haben die Tarifvertragsparteien des ÜTV vielmehr für die Höhe der
jährlichen tariflichen Zuwendung ebenso wie die Tarifvertragsparteien des BAT in § 34 Abs. 1
Satz 1 BAT für die Höhe der monatlichen Vergütung eine Gleichbehandlung Nichtvollbeschäftigter
und Vollbeschäftigter nach Maßgabe des in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG gesetzlich normierten sog.
Pro-rata-temporis-Grundsatzes angeordnet. Danach ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer
Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu
gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren
vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Dieser Grundsatz findet sich in vielen
Tarifverträgen und entspricht dem allgemeinen Prinzip, dass die Höhe des Entgelts bei
Teilzeitbeschäftigten quantitativ vom Umfang der Beschäftigung abhängt (BAG 24. September
2008 - 10 AZR 634/07 - mwN) . Teilzeitarbeit unterscheidet sich von der Vollzeitarbeit nur in
quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Eine geringere Arbeitszeit darf daher grundsätzlich auch
nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders abgegolten werden als Vollzeitarbeit. Der Pro-rata-
temporis-Grundsatz verbietet allerdings nicht nur eine unterschiedliche Abgeltung von Teilzeit- und
Vollzeitarbeit in qualitativer Hinsicht. Er erlaubt den Tarifvertragsparteien auch eine
unterschiedliche Abgeltung von Teilzeit- und Vollzeitarbeit in quantitativer Hinsicht, indem er es
gestattet, das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung - wie eine jährliche
Zuwendung - für Teilzeitbeschäftigte entsprechend ihrer gegenüber vergleichbaren
Vollzeitbeschäftigten verringerten Arbeitsleistung anteilig zu kürzen (vgl. BAG 24. September 2008
- 10 AZR 634/07 - mwN) .
18 2. Allerdings weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Regelungen in § 3 I Nr. 2 und Nr. 3
ÜTV zur Arbeitszeit und zur Höhe der laufenden Bezüge von dem in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG
gesetzlich normierten Pro-rata-temporis-Grundsatz abweichen, soweit sie Nichtvollbeschäftigte,
deren Arbeitszeit höchstens die Hälfte der in der jeweiligen manteltariflichen Vorschrift genannten
regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt, von der Erhöhung ihrer
Vergütung pro Arbeitsstunde ausnehmen.
19 a) Auch tarifliche Regelungen müssen mit § 4 TzBfG vereinbar sein. Die in dieser Vorschrift
geregelten Diskriminierungsverbote stehen nach § 22 TzBfG nicht zur Disposition der
Tarifvertragsparteien (BAG 24. September 2008 - 10 AZR 634/07 -; 11. Dezember 2003 - 6 AZR
64/03 - BAGE 109, 110, 113 mwN) . Nach § 22 Abs. 1 TzBfG sind von diesem Gesetz
abweichende Vereinbarungen, außer in den dort genannten Ausnahmen, zu denen § 4 nicht
gehört, nur zugunsten der Arbeitnehmer möglich (BAG 24. September 2003 - 10 AZR 675/02 -
BAGE 108, 17, 21) .
20 b) Die Klägerin, für die die Maßgaben zur Arbeitszeit in § 3 I Nr. 2 ÜTV und zur Höhe der laufenden
Bezüge in § 3 I Nr. 3 ÜTV nicht gelten, erhält die Grundvergütung, den Ortszuschlag und die
allgemeine Zulage nicht mindestens in dem Umfang, der dem Anteil ihrer Arbeitszeit an der
Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollbeschäftigten entspricht. Sie wird damit gegenüber
Beschäftigten, für die diese Maßgaben gelten, benachteiligt. Mit Recht macht die Klägerin geltend,
dass die Herabsetzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach § 3 I Nr. 2 ÜTV und die
nach § 3 I Nr. 3 ÜTV nicht im gleichen Umfang erfolgte Verminderung der laufenden Bezüge bei
Vollbeschäftigten und den mit mehr als der Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit
Teilzeitbeschäftigten zu einer Erhöhung des Arbeitsentgelts pro Arbeitsstunde führt und ein
teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer an einer Erhöhung der Vergütung für vergleichbare Vollzeitkräfte
grundsätzlich entsprechend zu beteiligen ist (BAG 16. Januar 2003 - 6 AZR 222/01 - BAGE 104,
250, 254 mwN) .
21 c) § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG regelt allerdings kein absolutes Benachteiligungsverbot beim Entgelt
(BAG 15. Juli 2004 - 6 AZR 25/03 -; 5. November 2003 - 5 AZR 8/03 - AP TzBfG § 4 Nr. 6 = EzA
TzBfG § 4 Nr. 6; 24. September 2003 - 10 AZR 675/02 - BAGE 118, 17; 16. Januar 2003 - 6 AZR
222/01 - BAGE 104, 250) . Eine Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten ist bei Vorliegen eines
sachlichen Grundes auch im Entgeltbereich zulässig. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG konkretisiert das
allgemeine Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG für den Bereich des
Arbeitsentgelts oder einer anderen teilbaren geldwerten Leistung. Die Vorschrift schließt eine nach
§ 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG beim Vorliegen sachlicher Gründe erlaubte unterschiedliche Behandlung
aber nicht aus (vgl. BAG 15. Juli 2004 - 6 AZR 25/03 -) . Allein das unterschiedliche
Arbeitspensum berechtigt jedoch nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit- und
Teilzeitkräften. Gesetzlich zulässige Rechtfertigungsgründe müssen anderer Art sein.
22 d) Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf die Frage, ob sachliche Gründe ihre
Benachteiligung bei der laufenden Monatsvergütung rechtfertigen, hier keiner Entscheidung.
23 Selbst wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass sachliche Gründe für die
Ungleichbehandlung fehlen, führt dies nicht zu einem Anspruch der Klägerin auf eine tarifliche
Zuwendung für das Jahr 2005 in der von ihr beanspruchten Höhe. Die Beklagte hat der Klägerin,
deren Arbeitszeit die Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit beträgt, für das Jahr 2005 eine
tarifliche Zuwendung iHv. 370,00 Euro gezahlt und damit die Hälfte des für vollbeschäftigte
Angestellte ihrer Vergütungsgruppe auf 740,00 Euro begrenzten Betrags. Die Klägerin hätte
deshalb nach § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV auch dann keinen Anspruch auf eine höhere tarifliche
Zuwendung, wenn sie keine geringere Vergütung pro Arbeitsstunde erhielte als vergleichbare
Vollbeschäftigte. Eine Benachteiligung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer bei der Zahlung der
laufenden Vergütung begründet keinen Anspruch auf eine Besserstellung bei Sonderzahlungen.
Dr. Freitag
Marquardt
Brühler
Züfle
Trümner