Urteil des BAG vom 18.03.2014

Betriebliche Altersversorgung - Anpassung - Ausgleich des Kaufkraftverlustes - reallohnbezogene Obergrenze

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 18.3.2014, 3 AZR 460/12
Betriebliche Altersversorgung - Anpassung - Ausgleich des Kaufkraftverlustes -
reallohnbezogene Obergrenze
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 22. März 2012
- 5 Sa 371/11 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2009.
2 Der Kläger war bis zum 31. Dezember 2005 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt.
Seit dem 1. Januar 2006 zahlt die Beklagte an ihn eine Betriebsrente. Diese belief sich
zunächst auf monatlich 2.187,00 Euro brutto. Die Beklagte, die die Anpassungsprüfungen
nach § 16 BetrAVG jeweils zum 1. Juli eines jeden Kalenderjahres bündelt, passte die
Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2009 um 2,91 % auf 2.251,00 Euro brutto an. Dieser
Anpassung lag die Entwicklung des durchschnittlichen Nettojahreseinkommens der in
einem Großteil der Unternehmen des I-Konzerns in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter -
mit Ausnahme der sog. „Executives“ - in den Kalenderjahren 2005 bis 2008 zugrunde.
3 Mit seiner der Beklagten am 7. März 2011 zugestellten Klage hat der Kläger eine Erhöhung
seiner Betriebsrente um den seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust von 6,04 %
begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, einen Anspruch auf Anpassung seiner
Ausgangsrente entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für
Deutschland im Zeitraum von Dezember 2005 bis Juni 2009 zu haben. Die
Anpassungsentscheidung der Beklagten sei bereits deshalb zu beanstanden, weil diese für
die Ermittlung der sog. reallohnbezogenen Obergrenze von einem unzutreffenden
Prüfungszeitraum ausgegangen sei. Auch bei der Ermittlung der reallohnbezogenen
Obergrenze sei auf den Zeitraum vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag
abzustellen. Die Beklagte habe zudem keine ermessensfehlerfreie
Vergleichsgruppenbildung vorgenommen.
4 Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab
dem 1. Juli 2009 eine monatliche Betriebsrente von
2.319,09 Euro zu zahlen.
5 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, mit der
Anhebung der Betriebsrente des Klägers um 2,91 % ab dem 1. Juli 2009 ihrer
Anpassungsverpflichtung ausreichend nachgekommen zu sein. Sie sei berechtigt, die
Anpassung entsprechend der Entwicklung des durchschnittlichen Nettojahreseinkommens
der in einem Großteil der Unternehmen des I-Konzerns in Deutschland beschäftigten
Mitarbeiter mit Ausnahme der sog. „Executives“ in den Kalenderjahren 2005 bis 2008
vorzunehmen. Es sei auf die Nettolohnentwicklung der Arbeitnehmer in denjenigen
Konzernunternehmen abgestellt worden, in denen die für den Kläger maßgebliche
Versorgungsordnung gelte. Selbst wenn man für die Ermittlung der reallohnbezogenen
Obergrenze auf den Zeitraum vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag abstelle,
entspreche eine unter dem vollen Kaufkraftausgleich liegende Anpassung billigem
Ermessen. Bei der Nettolohnentwicklung könne auch berücksichtigt werden, dass die
Arbeitnehmer durch die Beiträge des Arbeitgebers zur betrieblichen Altersversorgung
Anwartschaften auf Versorgungsleistungen erwerben und dadurch einen
Vermögenszuwachs erhielten. Dieser Vermögenswert - das sog. bAV-Lohnäquivalent - sei
als Versorgungslohn dem Barlohn hinzuzurechnen. Dementsprechend sei die
Nettogesamtvergütung einschließlich des bAV-Lohnäquivalents der in einem Großteil der
Konzernunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer in den letzten zwölf Monaten vor dem
Rentenbeginn des Klägers und den letzten zwölf Monaten vor dem Anpassungsstichtag
durchschnittlich um 2,41 % gestiegen.
6 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung
der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf
Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
7 Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht
stattgegeben. Die Beklagte schuldet dem Kläger ab dem 1. Juli 2009 eine monatliche
Betriebsrente iHv. 2.319,09 Euro brutto.
8 I. Die Klage ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO liegen vor.
9 1. Der Klageantrag ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses iSd.
§ 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Zwar können nach dieser Bestimmung nur Rechtsverhältnisse
Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht hingegen bloße Elemente oder Vorfragen
eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig
auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne
Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder
Verpflichtungen sowie auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (BAG 15. Mai
2012 - 3 AZR 11/10 - Rn. 19, BAGE 141, 259). Dies ist vorliegend der Fall. Die Parteien
streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente des Klägers ab dem
1. Juli 2009 um 6,04 % auf 2.319,09 Euro anzupassen.
10 2. Da die Beklagte die vom Kläger begehrte Verpflichtung zur Zahlung einer höheren
Betriebsrente leugnet, steht dem Kläger auch ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1
ZPO zur Seite. Der Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit des
Feststellungsantrags nicht entgegen. Ein Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn auf
diesem Weg eine sachgemäße, einfache Erledigung der auftretenden Streitpunkte zu
erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur
Leistungsklage sprechen (vgl. BAG 23. August 2011 - 3 AZR 650/09 - Rn. 31, BAGE 139,
69; 28. Juni 2011 - 3 AZR 286/09 - Rn. 17). Dies ist vorliegend der Fall.
11 II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG
verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2009 anzupassen und ihm ab dem
1. Juli 2009 eine Betriebsrente iHv. 2.319,09 Euro brutto zu zahlen. Der
Anpassungsbedarf des Klägers besteht in dem vom Rentenbeginn am 1. Januar 2006 bis
zum Anpassungsstichtag 1. Juli 2009 eingetretenen Kaufkraftverlust von 6,04 %. Die
reallohnbezogene Obergrenze rechtfertigt keine die Teuerungsrate unterschreitende
Anpassung. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass ihre wirtschaftliche Lage der
Anpassung entgegensteht.
12 1. Nach § 16 Abs. 1 Halbs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung
der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach
billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei hat er insbesondere die Belange des
Versorgungsempfängers und seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Die
Belange des Versorgungsempfängers bestehen in erster Linie in der Erhaltung des
wirtschaftlichen Wertes der ihm zugesagten Versorgungsleistungen. Nach § 16 Abs. 2
BetrAVG gilt die Verpflichtung nach Abs. 1 als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer
ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland (Nr. 1) oder der
Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens (Nr. 2) im
Prüfungszeitraum. Der Prüfungszeitraum ist die Zeit vom Rentenbeginn bis zum
Anpassungsstichtag. Dies gilt sowohl für den Anstieg des Kaufkraftverlustes als auch der
Nettolöhne. Der Prüfungszeitraum steht nicht zur Disposition des Arbeitgebers.
13 2. Danach entspricht die Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers zum
1. Juli 2009 um 2,91 % anzupassen, nicht billigem Ermessen. Die Beklagte konnte zwar
die Anpassungsprüfung erst zum 1. Juli 2009 vornehmen, obwohl der Kläger bereits seit
dem 1. Januar 2006 Versorgungsleistungen bezieht. Ihre Entscheidung, die Betriebsrente
des Klägers nicht an den Kaufkraftverlust, sondern an die Nettolohnentwicklung der in
einem Großteil der Unternehmen des I-Konzerns in Deutschland beschäftigten
Arbeitnehmer mit Ausnahme der sog. „Executives“ anzupassen, entspricht jedoch nicht
billigem Ermessen. Die Beklagte kann sich - unabhängig von der Frage, ob sie damit eine
sachgerechte Vergleichsgruppenbildung vorgenommen hat - auf eine Begrenzung des
dem Kaufkraftverlust entsprechenden Anpassungsbedarfs des Klägers bereits deshalb
nicht mit Erfolg berufen, weil sie lediglich auf die Nettolohnentwicklung in den
Kalenderjahren 2005 bis 2008 abgestellt hat. Damit hat sie entgegen § 16 Abs. 1 und
Abs. 2 BetrAVG bei der Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze nicht den
zutreffenden Prüfungszeitraum vom individuellen Rentenbeginn bis zum
Anpassungsstichtag zugrunde gelegt.
14 a) Die Beklagte war nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, zum 1. Juli 2009 zu prüfen, ob
eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers an den Kaufkraftverlust zu erfolgen hatte.
15 aa) Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine
Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und
hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen
Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die
Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Dies war - ausgehend vom Rentenbeginn des
Klägers am 1. Januar 2006 - der 1. Januar 2009.
16 bb) Allerdings hat die Beklagte alle in ihrem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine
zum 1. Juli eines Jahres gebündelt. Damit ergab sich für den Kläger der 1. Juli 2009 als
Prüfungstermin.
17 (1) Der gesetzlich vorgeschriebene Drei-Jahres-Rhythmus zwingt nicht zu starren,
individuellen Prüfungsterminen; die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden
Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin ist zulässig. Sie vermeidet
unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und beeinträchtigt die Interessen der
Betriebsrentner nur geringfügig. Für diese verzögert sich allenfalls die erste
Anpassungsprüfung. Die den Versorgungsempfängern daraus entstehenden Nachteile
werden regelmäßig dadurch abgemildert, dass ein entsprechend angewachsener höherer
Teuerungsausgleich zu berücksichtigen ist. In der Folgezeit muss der Drei-Jahres-
Zeitraum allerdings eingehalten sein. Zudem darf sich durch den gemeinsamen
Anpassungsstichtag die erste Anpassung um nicht mehr als sechs Monate verzögern (vgl.
BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 464/11 - Rn. 18, BAGE 142, 116; 30. November 2010 - 3 AZR
754/08 - Rn. 49 mwN).
18 (2) Der Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2006 eine Betriebsrente. Durch den
gemeinsamen Anpassungsstichtag 1. Juli 2009 verzögert sich die erste Anpassung um
nicht mehr als sechs Monate.
19 b) Die Beklagte, deren wirtschaftliche Lage der Anpassung nicht entgegensteht, hat bei
ihrer Anpassungsentscheidung die Belange des Klägers als Versorgungsempfänger nicht
ausreichend berücksichtigt.
20 aa) Die Belange des Versorgungsempfängers werden durch den Anpassungsbedarf und
die sog. reallohnbezogene Obergrenze bestimmt. Ausgangspunkt der
Anpassungsentscheidung ist der Anpassungsbedarf des Versorgungsempfängers. Er
richtet sich nach dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust. Dies hat der
Gesetzgeber in § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG nunmehr ausdrücklich klargestellt. Nach dieser
Bestimmung, die durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung
(Rentenreformgesetz 1999 - RRG 1999) mit dem 1. Januar 1999 in § 16 BetrAVG
eingefügt und durch das Gesetz zur Änderung von Fristen und Bezeichnungen im
Neunten Buch Sozialgesetzbuch und zur Änderung anderer Gesetze mit Wirkung vom
1. Januar 2003 neu gefasst wurde, gilt die Verpflichtung nach Abs. 1 als erfüllt, wenn die
Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für
Deutschland im Prüfungszeitraum. Der so ermittelte Anpassungsbedarf der
Versorgungsempfänger wird durch die Nettoverdienstentwicklung bei den aktiven
Arbeitnehmern begrenzt. Dies wird durch die in § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG getroffene
Regelung bestätigt, wonach die Verpflichtung nach Abs. 1 auch dann als erfüllt gilt, wenn
die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer
Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum. Der Billigkeit widerspricht
es nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebsrente nur bis zur durchschnittlichen Steigerung
der Nettoverdienste der aktiven Arbeitnehmer anpasst. Soweit die Entwicklung der
Nettoverdienste der aktiven Arbeitnehmer hinter dem Kaufkraftverlust zurückbleibt,
müssen sich auch die Betriebsrentner mit einer entsprechend geringeren Rentenerhöhung
begnügen. Damit wird das Versorgungsniveau in demselben Umfang aufrechterhalten wie
das Einkommensniveau der Aktiven (vgl. BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 464/11 - Rn. 21
mwN, BAGE 142, 116).
21 bb) Da die reallohnbezogene Obergrenze den auf der Grundlage des zwischenzeitlich
eingetretenen Kaufkraftverlustes ermittelten Anpassungsbedarf begrenzt und damit die
Belange der Versorgungsempfänger ebenso betrifft wie der Kaufkraftverlust, gilt nach
ständiger Rechtsprechung des Senats für beide derselbe Prüfungszeitraum. Dieser reicht
vom individuellen Rentenbeginn bis zum jeweiligen Anpassungsstichtag (vgl. ausführlich
dazu BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 464/11 - Rn. 22 ff. mwN, BAGE 142, 116).
22 cc) Demnach entspricht die Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers an
die Entwicklung des durchschnittlichen Nettojahreseinkommens der in einem Großteil der
Unternehmen des I-Konzerns in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter - mit Ausnahme der
sog. „Executives“ - in den Kalenderjahren 2005 bis 2008 anzupassen, nicht billigem
Ermessen, da die Beklagte nicht die Nettolohnentwicklung vom Rentenbeginn des
Klägers am 1. Januar 2006 bis zum 1. Juli 2009 zugrunde gelegt hat (vgl. bereits BAG
19. Juni 2012 - 3 AZR 464/11 - Rn. 44, BAGE 142, 116).
23 c) Die Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2009 um
2,91 % anzuheben, entspricht auch nicht deshalb billigem Ermessen, weil die aus dem
Bar- und dem Versorgungslohn - dem sog. bAV-Lohnäquivalent - zusammengesetzte
Nettogesamtvergütung der von der Beklagten in den Vergleich einbezogenen Mitarbeiter
in den jeweils letzten zwölf Monaten vor dem Rentenbeginn des Klägers (1. Januar 2006)
und vor dem Anpassungsstichtag (1. Juli 2009) durchschnittlich nur um 2,41 % gestiegen
ist.
24 Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Beklagte zwar nicht gehindert, sich zur
Begründung ihrer Anpassungsentscheidung auch auf weitere Berechnungen zur
Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze zu stützen; entscheidend ist, dass ihre
Leistungsbestimmung - trotz etwaiger, zunächst unterlaufener Fehler bei der Ermittlung
einer reallohnbezogenen Obergrenze - im Ergebnis der Billigkeit entspricht (vgl. dazu BAG
30. August 2005 - 3 AZR 395/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 353; 20. Mai 2003 -
3 AZR 179/02 - zu II 8 der Gründe; 23. Mai 2000 - 3 AZR 103/99 - zu 2 b der Gründe). Die
Anpassungsentscheidung der Beklagten entspricht jedoch auch bei Zugrundelegung der
geänderten Berechnung nicht billigem Ermessen, da auch hierbei die Belange des
Klägers als Versorgungsempfänger nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die Beklagte
hat entgegen den Vorgaben des § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG bei der Ermittlung der
reallohnbezogenen Obergrenze ein sog. bAV-Lohnäquivalent berücksichtigt.
25 aa) Der die Belange des Versorgungsempfängers bestimmende Anpassungsbedarf wird
durch die reallohnbezogene Obergrenze begrenzt. Sinn und Zweck der
reallohnbezogenen Obergrenze ist es, das Versorgungsniveau der
Versorgungsempfänger in demselben Umfang aufrechtzuerhalten wie das
Einkommensniveau der Aktiven. Deshalb sind grundsätzlich sämtliche
Vergütungsbestandteile der maßgeblichen Beschäftigten zu berücksichtigen. Die
reallohnbezogene Obergrenze stellt allerdings nur auf den Teil des Arbeitsverdienstes ab,
der den aktiven Beschäftigten nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsabgaben
üblicherweise verbleibt. Damit geht es um die Aufrechterhaltung eines bestimmten
Lebensstandards. Dieser hängt vom verfügbaren Einkommen ab (BAG 20. Mai 2003 -
3 AZR 179/02 - zu II 6 a der Gründe; 10. September 2002 - 3 AZR 593/01 - zu III 2 a cc (1)
der Gründe; 23. Mai 2000 - 3 AZR 103/99 - zu 2 d bb der Gründe).
Betriebsrentenanwartschaften, die auf einer vom Arbeitgeber finanzierten betrieblichen
Altersversorgung beruhen und deren Wertentwicklung die Beklagte mit dem sog. bAV-
Lohnäquivalent berücksichtigen möchte, gehören indes nicht zu dem verfügbaren
Arbeitseinkommen der aktiv Beschäftigten (vgl. bereits BAG 18. September 2012 - 3 AZN
952/12 - Rn. 9). Damit unterscheiden sie sich entgegen der Ansicht der Revision auch von
einem vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen; dieser
Sachbezug steht dem Arbeitnehmer bereits während seiner aktiven Dienstzeit zur
Verfügung. Durch den Erwerb von Betriebsrentenanwartschaften wird das verfügbare
Nettoeinkommen der aktiven Beschäftigten auch nicht deshalb erhöht, weil sie
Aufwendungen für eine private Altersvorsorge einsparen. Es obliegt der Disposition der
aktiven Beschäftigten, wie sie ihr Einkommen verwenden und ob und ggf. in welchem
Umfang sie dieses zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge nutzen.
26 bb) Die Beklagte kann das sog. bAV-Lohnäquivalent auch nicht als sonstigen Aspekt im
Rahmen der nach § 16 Abs. 1 BetrAVG vorzunehmenden Ermessensentscheidung
berücksichtigen. Die Anpassungsentscheidung widerspricht nicht billigem Ermessen im
Sinne des § 16 Abs. 1 BetrAVG, wenn der Arbeitgeber eine die reallohnbezogene
Obergrenze überschreitende Anpassung ablehnt. Dies galt nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats schon vor der Einfügung von § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG
durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz
1999 RRG 1999) zum 1. Januar 1999 (vgl. etwa BAG 14. Februar 1989 - 3 AZR 313/87 -
zu II 2 der Gründe, BAGE 61, 102; 11. August 1981 - 3 AZR 395/80 - zu III 3 der Gründe,
BAGE 36, 39). Der Gesetzgeber hat dies mit der Regelung in § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG
nunmehr ausdrücklich anerkannt. Dies schließt es aus, den Wert einer für die Ermittlung
der reallohnbezogenen Obergrenze unmaßgeblichen Betriebsrentenanwartschaft als
sonstigen Aspekt im Rahmen von § 16 Abs. 1 BetrAVG zu berücksichtigen.
27 3. Die Beklagte ist daher verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers an den in der Zeit vom
Rentenbeginn (1. Januar 2006) bis zum Anpassungsstichtag (1. Juli 2009) eingetretenen
Kaufkraftverlust anzupassen. Der Kaufkraftverlust in diesem Zeitraum beträgt 6,04 %. Eine
Begrenzung des dem Kaufkraftverlust entsprechenden Anpassungsbedarfs im Rahmen
der nach § 315 Abs. 3 BGB durch Urteil zu treffenden Leistungsbestimmung kommt nicht
in Betracht. Zwar macht die Revision geltend, dass auf Grundlage der vorgetragenen
Berechnungen auch ohne Berücksichtigung des sog. bAV-Lohnäquivalents die
Nettoeinkommen der in den Vergleich einbezogenen Mitarbeiter in den jeweils letzten
zwölf Monaten vor dem Rentenbeginn des Klägers (1. Januar 2006) und vor dem
Anpassungsstichtag (1. Juli 2009) im Durchschnitt nur um 3,92 % gestiegen seien. Eine
Begrenzung des Anpassungsbedarfs auf 3,92 % würde die Belange des Klägers als
Versorgungsempfänger allerdings nicht ausreichend berücksichtigen und damit nicht
billigem Ermessen entsprechen. Daher steht dem Kläger der volle Teuerungsausgleich zu.
Demzufolge war die Ausgangsrente des Klägers iHv 2.187,00 Euro zum 1. Juli 2009 auf
2.319,09 Euro zu erhöhen.
28 a) Der Kaufkraftverlust in der Zeit vom Rentenbeginn des Klägers (1. Januar 2006) bis zum
Anpassungsstichtag (1. Juli 2009) beläuft sich auf 6,04 %.
29 aa) Zur Ermittlung des Kaufkraftverlustes ist auf den Verbraucherpreisindex für
Deutschland Basis: 2005 abzustellen. Da die Anpassung jeweils zu einem bestimmten
Stichtag zu prüfen und ggf. vorzunehmen ist, kommt es aus Gründen der Rechtssicherheit
auf die aktuelle statistische Grundlage an, die zum maßgeblichen Anpassungszeitpunkt
vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht war (BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 464/11 -
Rn. 45, BAGE 142, 116; 28. Juni 2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 28 und 29, BAGE 138, 213).
Dies ist der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis: 2005. Dieser wurde am
29. Februar 2008 veröffentlicht. Für die Ermittlung des Anpassungsbedarfs sind die
Indexwerte der Monate maßgeblich, die dem Rentenbeginn und dem aktuellen
Anpassungsstichtag unmittelbar vorausgehen.
30 bb) Danach beläuft sich die Teuerungsrate vom Rentenbeginn (1. Januar 2006) bis zum
aktuellen Anpassungsstichtag (1. Juli 2009) auf 6,04 %. Der Verbraucherpreisindex für
Deutschland Basis: 2005 betrug im Dezember 2005 101,0 und im Juni 2009 107,1. Daraus
errechnet sich eine Preissteigerung von 6,04 % [(107,1 ./. 101,0 - 1) x 100].
31 b) Der Anpassungsbedarf des Klägers wird nicht durch die von der Beklagten ermittelte
reallohnbezogene Obergrenze auf 3,92 % begrenzt. Die Beklagte hat bei der Ermittlung
dieser reallohnbezogenen Obergrenze entgegen den Vorgaben des § 16 Abs. 1 und
Abs. 2 BetrAVG nicht auf die Realeinkommen der Arbeitnehmer im jeweiligen Monat vor
dem Rentenbeginn des Klägers und dem Anpassungsprüfungsstichtag, sondern auf die
Einkommen in den jeweils zwölf Monaten vor diesen Zeitpunkten abgestellt. Damit ist der
gebotene Gleichlauf der Prüfungszeiträume für den Kaufkraftverlust und die
reallohnbezogene Obergrenze nicht gewahrt.
32 Der Prüfungszeitraum für den die Belange des Versorgungsempfängers bestimmenden
Anpassungsbedarf und dessen Begrenzung durch die reallohnbezogene Obergrenze
reicht vom individuellen Rentenbeginn bis zum jeweiligen Anpassungsstichtag. Zur
Ermittlung des für den Anpassungsbedarf maßgeblichen Kaufkraftverlustes ist nach
ständiger Rechtsprechung des Senats auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland für
die dem Rentenbeginn und dem jeweiligen Anpassungsstichtag unmittelbar
vorausgehenden Monate abzustellen (vgl. etwa BAG 20. August 2013 - 3 AZR 750/11 -
Rn. 23; 28. Mai 2013 - 3 AZR 125/11 - Rn. 29; 27. März 2012 - 3 AZR 218/10 - Rn. 21;
11. Oktober 2011 - 3 AZR 527/09 - Rn. 25, BAGE 139, 252). Nur auf diesem Weg ist der
gebotene volle Kaufkraftausgleich sichergestellt (ausführlich dazu BAG 30. August 2005 -
3 AZR 395/04 - zu II 1 c bb der Gründe, BAGE 115, 353). Der nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2
BetrAVG erforderliche Gleichlauf der Prüfungszeiträume für den Kaufkraftverlust und die
reallohnbezogene Obergrenze gebietet es, auch bei der Ermittlung der Nettoeinkommen
auf die Verhältnisse in den jeweiligen Monaten vor dem Rentenbeginn und dem
Anpassungsprüfungszeitpunkt abzustellen (vgl. BAG 12. Februar 2013 - 3 AZN 2341/12 -
Rn. 5; 20. Mai 2003 - 3 AZR 179/02 - zu II 6 c aa der Gründe). Etwaige jahresbezogene
Einmalzahlungen können anteilig berücksichtigt werden. Soweit es sich um variable
jahresbezogene Vergütungsbestandteile handelt, deren Höhe zum Zeitpunkt der
Anpassungsprüfung noch nicht feststeht, spricht nichts dagegen, die jeweils zuletzt vor
Rentenbeginn und Anpassungsprüfungsstichtag erfolgten Zahlungen anteilig mit in die
Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze einzubeziehen, da dadurch die
Realeinkommen der aktiven Arbeitnehmer vor Rentenbeginn und vor dem jeweiligen
Anpassungsstichtag beeinflusst werden. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, bei den
monatlich festen Vergütungsbestandteilen eine Jahresvergütung zugrunde zu legen.
33 III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gräfl
Schlewing
Ahrendt
Wischnath
Brunke