Urteil des BAG vom 12.11.2013

Mitbestimmung des Betriebsrats bei Umkleidezeiten

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 12.11.2013, 1 ABR
59/12
Mitbestimmung des Betriebsrats bei Umkleidezeiten
Leitsätze
Bei dem An- und Ablegen einer auffälligen Dienstkleidung innerhalb des Betriebs handelt es
sich um eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit des tragepflichtigen Personenkreises und
damit um Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerden der Beteiligten und unter
Zurückweisung ihrer weitergehenden Rechtsbeschwerden
wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
vom 20. April 2012 - 14 TaBV 102/11 - teilweise aufgehoben
und zur Klarstellung neu gefasst:
Auf die Beschwerden der Beteiligten und unter
Zurückweisung ihrer weitergehenden
Beschwerden wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Hannover vom 7. Juli 2011 - 5 BV
16/10 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung
neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass der Spruch der
Einigungsstelle vom 3. Dezember 2010 gemäß der
Spruchvorlage „Regelung über Übergangszeiten
beim Fahrpersonal des Wahlbetriebes 4.2 S-Bahn
Hannover“ unwirksam ist.
2. Es wird festgestellt, dass die Zeiten für das An-
und das Ablegen der Unternehmensbekleidung der
Mitarbeiter/innen des Fahrpersonals des
Wahlbetriebs R 4.2 S-Bahn Hannover außerhalb
der Betriebsräume der Arbeitgeberin nicht dem
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der
Festlegung von Beginn und Ende der Arbeitszeit
im Schichtplan unterliegen.
3. Es wird festgestellt, dass der Betriebsrat bei der
Festlegung der Zeitvorgaben für das An- und das
Ablegen der Unternehmensbekleidung der
Mitarbeiter/innen des Fahrpersonals des
Wahlbetriebs R 4.2 S-Bahn Hannover nicht
mitzubestimmen hat.
4. Es wird festgestellt, dass das Empfangen und
Abgeben des ausschließlich dienstlich nutzbaren
Mobiltelefons, des mobilen Terminals, des
Zangendruckers, der unbedruckten Fahrscheine
sowie der Zahlungsmittel ebenso wie das
Einschalten des ausschließlich dienstlich
nutzbaren Mobiltelefons und des mobilen
Terminals als betriebliche Arbeitszeit bei der
Dienstplangestaltung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2
BetrVG zu berücksichtigen sind.
5. Die weitergehenden Anträge der Beteiligten
werden abgewiesen.
II. Die Rechtshängigkeit des von der Arbeitgeberin im
Schriftsatz vom 25. Oktober 2011 erhobenen Antrags hat am
10. Juni 2012 geendet.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten über das Bestehen von Mitbestimmungsrechten in
Arbeitszeitfragen.
2 Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen des Personennahverkehrs. Der Betriebsrat ist die
für den Wahlbetrieb R.4.2 (S-Bahn Hannover) nach § 3 Abs. 1 BetrVG gebildete
Arbeitnehmervertretung.
3 Für die bei der Arbeitgeberin beschäftigten Triebfahrzeugführer gilt der Tarifvertrag für die
Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen (LfTV). In §§ 53, 78 LfTV heißt es:
§ 53
Beginn und Ende der Arbeitszeit
(1) Die Arbeitszeit beginnt und endet am vorgeschriebenen Arbeitsplatz. Durch
betriebliche Regelungsabrede kann festgelegt werden, dass ein
Zeitverwaltungssystem durch ein Daten-Terminal zu bedienen ist.
...
§ 78
Unternehmensbekleidung
Unternehmensbekleidung sind im Eigentum des Arbeitnehmers stehende
Kleidungsstücke, die zur Sicherstellung eines einheitlichen und gepflegten
Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit an Stelle anderer Kleidung während der
Arbeit getragen werden müssen. Einzelheiten werden durch Betriebsvereinbarung
und/oder Konzernrichtlinie geregelt.“
4 Für die bei der Arbeitgeberin im Zugbegleitdienst eingesetzten Kundenbetreuer gilt der
funktionsgruppenspezifische Tarifvertrag für Tätigkeiten der Funktionsgruppe 5 -
Bahnservice und Vertrieb - (FGr 5-TV), der in § 43 Abs. 1, § 48 FGr 5-TV inhaltsgleiche
Regelungen über die Arbeitszeit sowie das Tragen von Unternehmensbekleidung enthält.
5 Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 iVm. Anlage 1 der Konzernbetriebsvereinbarung über die
Ausstattung mit Unternehmensbekleidung (KBV Ubk) vom 30. November 2011 ist das
Fahrpersonal der Arbeitgeberin (Kundenbetreuer und Triebfahrzeugführer) zum Tragen
von besonderer Dienstkleidung verpflichtet. Den Arbeitnehmern ist die Nutzung dieser
Kleidungsstücke auch außerhalb des Dienstes gestattet. Die Arbeitgeberin verlangt von
ihnen, dass sie bereits vollständig umgekleidet zum Dienstantritt in der Meldestelle
erscheinen.
6 Die Arbeitgeberin hat ihrem Fahrpersonal für dienstliche Zwecke Mobiltelefone
überlassen. Diese können mit einer zweiten SIM-Karte von den Arbeitnehmern für
Privatgespräche genutzt werden. Die Kundenbetreuer müssen für die Fahrscheinkontrolle
und den -verkauf ein mobiles Terminal, einen Zangendrucker, Zahlungsmittel sowie
unbedruckte Fahrscheine mit sich führen. Dem Fahrpersonal steht es frei, ob sie die
Arbeitsmittel nach Dienstende mit nach Hause nehmen oder an die Arbeitgeberin
zurückgeben.
7 Im November 2010 lehnte der Betriebsrat die von der Arbeitgeberin vorgelegten Entwürfe
für die Dienstpläne des Jahresfahrplans 2010/2011 ab. Eine zwischen den Beteiligten
gebildete Einigungsstelle endete durch eine als Spruchvorlage „Regelung über
Übergangszeiten beim Fahrpersonal des Wahlbetriebes 4.2 S-Bahn Hannover“
bezeichnete Entscheidung vom 3. Dezember 2010 (SV 2010). In §§ 1, 2 SV 2010 ist
bestimmt:
„§ 1 Geltungsbereich
Diese Regelung gilt für sämtliche Mitarbeiter/innen des Fahrpersonals, die in vom
Arbeitgeber vorgegebenen Schichten eingesetzt und zum Tragen der UBK
verpflichtet sind. Diese Regelung findet auch dann Anwendung, wenn prinzipiell
zum Tragen der UBK verpflichtete Mitarbeiter in einzelnen Schichten
ausnahmsweise keine UBK tragen müssen (Fahrgeldsicherer).
§ 2 Übergangszeit
Jeder von dieser Regelung erfasste Mitarbeiter erhält vor und nach jeder Schicht
eine pauschale Übergangszeit von 7 Minuten Länge. Diese Übergangszeit dient
der Herstellung der Dienstfähigkeit u.a. durch Empfangen, Bereitmachen und
Abgeben der elektronischen Arbeits- und Kommunikationsmittel (wie MT, Handy,
SD-Card, geschäftliche Zahlungsmittel, unbedruckte Fahrscheine, Zangendrucker
usw.), Umkleiden, etc. Diese Übergangszeit stellt keine vergütungspflichtige
Arbeitszeit und auch keine Arbeitszeit im Sinne der arbeitsschutzrechtlichen
Vorschriften (ArbZG) dar, sie wird jedoch nicht auf die einzuhaltenden Ruhezeiten
angerechnet. Die Ruhezeit beginnt nach Ende der Übergangszeit und endet vor
Beginn der Übergangszeit.
Tarifliche Vorschriften bleiben von dieser Regelung unberührt.“
8 Mit einer am 17. Dezember 2010 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift hat die
Arbeitgeberin den Spruch der Einigungsstelle angefochten. Sie hat die Auffassung
vertreten, Umkleide- und Rüstzeiten gehörten nicht zur Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2
BetrVG. Ein etwaiges Mitbestimmungsrecht sei durch die tarifvertraglichen Vorschriften
ausgeschlossen. Die im Einigungsstellenspruch vorgesehene „Übergangszeit“ lasse sich
keiner gesetzlichen Arbeitszeitform zuordnen. Die Einigungsstelle habe mit der
vorgesehenen Pauschalierung der Übergangszeit das ihr zustehende Ermessen
überschritten.
9 Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt
1. festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 3. Dezember 2010 gemäß der
Spruchvorlage „Regelung über Übergangszeiten beim Fahrpersonal des Wahlbetriebes
4.2 S-Bahn Hannover“ unwirksam ist,
2. festzustellen, dass hinsichtlich der zeitlichen Lage der Umkleidezeiten der
Triebfahrzeugführer/innen, Kundenbetreuer/-innen im Nahverkehr (Mitarbeiter/innen des
Fahrpersonals) des Wahlbetriebs R 4.2 S-Bahn Hannover kein Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrat besteht,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2. festzustellen,
dass hinsichtlich der Zeitvorgaben für die Dauer der Umkleidezeiten der Mitarbeiter/innen
des Fahrpersonals des Wahlbetriebs R 4.2 S-Bahn Hannover kein Mitbestimmungsrecht
des Betriebsrats besteht,
3. festzustellen, dass hinsichtlich der Zeitvorgaben für die Dauer der Umkleidezeiten (dh.
der Zeiten für die Herstellung der Dienstfähigkeit durch Empfangen, Bereitmachen und
Abgeben der elektronischen Arbeits- und Kommunikationsmittel) der Mitarbeiter/innen des
Fahrpersonals des Wahlbetriebs R 4.2 S-Bahn Hannover kein Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats besteht.
10 Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge der Arbeitgeberin abzuweisen, sowie im Wege
des Widerantrags
1. festzustellen, dass dem Betriebsrat bei der zeitlichen Lage der Umkleide- und
Bereitmachzeiten der Arbeitnehmer des Wahlbetriebs R 4.2 S-Bahn Hannover ein
Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zusteht,
2. festzustellen, dass § 2 Satz 3 des Spruchs der Einigungsstelle der Regelung über
Übergangszeiten beim Fahrpersonal des Wahlbetriebs 4.2 S-Bahn Hannover vom
3. Dezember 2010, namentlich die Passage: „Diese Übergangszeit stellt keine
vergütungspflichtige Arbeitszeit und auch keine Arbeitszeit im Sinne der
arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften (ArbZG) dar, sie wird jedoch nicht auf die
einzuhaltenden Ruhezeiten angerechnet.“ unwirksam ist.
11 Der Betriebsrat hat geltend gemacht, wegen der besonderen Auffälligkeit der
vorgeschriebenen Dienstkleidung sei die Zeit für deren An- und Ablegen Arbeitszeit, die in
den Dienstplänen zu berücksichtigen sei. Dies gelte gleichermaßen für die Zeit der
Entgegennahme, Abgabe sowie das Bereitmachen der notwendigen Arbeits- und
Kommunikationsmittel. Für die in § 2 Satz 3 SV 2010 getroffene Regelung sei die
Einigungsstelle nicht zuständig.
12 Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Wideranträge beantragt.
13 Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlich noch anders formulierten Feststellungsanträgen
der Arbeitgeberin teilweise entsprochen. Es hat die Unwirksamkeit des
Einigungsstellenspruchs festgestellt und ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei
den Zeitvorgaben für die Umkleidezeiten verneint. Dem zu 1. gestellten Widerantrag des
Betriebsrats hat es stattgegeben und im Übrigen die Anträge abgewiesen. Das
Landesarbeitsgericht hat der Beschwerde der Arbeitgeberin teilweise entsprochen und
nach dem zuletzt zu 2. gestellten Hauptantrag erkannt. Im Übrigen hat es die
Beschwerden der Arbeitgeberin und des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der
Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten ihre Anträge im Umfang ihres
zweitinstanzlichen Unterliegens weiter.
14 B. Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten sind nur teilweise begründet.
15 I. Der von der Arbeitgeberin in der Beschwerdeinstanz antragserweiternd erhobene Antrag
zu 3. ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Mit ihm wollte die Arbeitgeberin die
negative Feststellung erreichen, dass die Zeitvorgaben für die Rüstzeiten nicht dem
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen. Das Landesarbeitsgericht hat den
Antrag zu 3. zwar im Tatbestand wiedergegeben, über ihn jedoch nicht entschieden. Die
Arbeitgeberin hätte danach gemäß dem auch in Beschlussverfahren anwendbaren § 321
Abs. 1 ZPO einen Ergänzungsbeschluss beantragen müssen. Dies ist unterblieben. Mit
Ablauf der zweiwöchigen Antragsfrist des § 321 Abs. 2 ZPO ist damit die Rechtshängigkeit
des Antrags zu 3. entfallen (BAG 15. März 2011 - 1 ABR 97/09 - Rn. 41, BAGE 137, 203).
Diese Feststellung hat der Senat klarstellend in den Entscheidungsausspruch
aufgenommen.
16 II. Die Anträge der Arbeitgeberin sind nur teilweise begründet. Der Einigungsstellenspruch
vom 3. Dezember 2010 ist unwirksam. Hingegen gehören die Zeiten für das An- und
Ablegen der Dienstkleidung zur Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, wenn das
Umkleiden in den Betriebsräumen erfolgt. Der Betriebsrat hat deshalb bei der Festlegung
der Lage dieser Umkleidezeiten mitzubestimmen. Hingegen besteht bei der Festlegung
der Dauer für das Umkleiden kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
17 1. Der auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vom 3. Dezember
2010 gerichtete Antrag zu 1. ist begründet.
18 a) Mit ihrem zutreffend im Wege eines Feststellungsantrags (BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR
19/12 - Rn. 11) verfolgten Begehren macht die Arbeitgeberin die Unwirksamkeit des von
ihr in der Frist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG angefochtenen Einigungsstellenspruchs vom
3. Dezember 2010 geltend. Dies umfasst die Prüfung, ob der Einigungsstellenspruch aus
den von ihr angeführten Gründen ganz oder teilweise unwirksam ist.
19 b) Der Einigungsstellenspruch ist unwirksam. Die Einigungsstelle hat bei der
Ausgestaltung der Grundsätze über die Umkleidezeiten ihre Regelungskompetenz
überschritten. Dies führt zur vollständigen Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs
vom 3. Dezember 2010.
20 aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Festlegung
von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der
Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Beteiligungsrecht nach
dieser Bestimmung dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der
Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur
Geltung zu bringen. Das Mitbestimmungsrecht betrifft die Lage der täglichen „Arbeitszeit“
iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dies ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von
ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung
tatsächlich zu erbringen hat. Es geht um die Festlegung des Zeitraums, während dessen
der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen
Hauptleistungspflichten verlangen und dieser sie ihm ggf. mit der Folge des § 293 BGB
anbieten kann. Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist deshalb die Zeit, in welcher der
Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu
leisten (BAG 14. November 2006 - 1 ABR 5/06 - Rn. 27, BAGE 120, 162).
21 bb) Die Einigungsstelle hat mit der Regelung in § 2 Satz 1 SV 2010 ihre
Regelungskompetenz überschritten.
22 Der Einigungsstellenspruch nimmt keine Verteilung der tariflich vorgegebenen Arbeitszeit
vor. Er regelt nicht ihren Beginn und ihr Ende. Diese Zeitpunkte ergeben sich vielmehr aus
den Dienstplänen des Fahrpersonals. § 2 Satz 1 SV 2010 beschränkt sich auf die
Gewährung einer siebenminütigen Zeitgutschrift für Umkleide- und Rüstzeiten ohne
Rücksicht darauf, ob diese Zeiten überhaupt im Betrieb anfallen. Nach dem
Einigungsstellenspruch erhalten Angehörige des Fahrpersonals die Zeitgutschrift für
Umkleide- und Bereitmachzeiten auch dann, wenn sie eine besondere Dienstkleidung
nicht tragen müssen (§ 1 Satz 2 SV 2010), ein Wechsel von Privat- in Dienstkleidung nicht
im Betrieb stattfindet oder die Arbeitsmittel in den dienstfreien Zeiten nicht an die
Arbeitgeberin zurückgegeben werden.
23 cc) Die Unwirksamkeit von § 2 SV 2010 führt nach dem § 139 BGB zugrunde liegenden
Rechtsgedanken zur Unwirksamkeit des gesamten Einigungsstellenspruchs. Der
verbleibende Teil enthält ohne die unwirksamen Bestimmungen keine sinnvolle und in
sich geschlossene Regelung (vgl. BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 19/12 - Rn. 39).
24 2. Der zu 2. als Hauptantrag erhobene negative Feststellungsantrag über die Zuordnung
der Umkleidezeiten zur betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist nur
teilweise begründet.
25 a) Der Hauptantrag zu 2. ist zulässig.
26 aa) Der Antrag ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO
gerichtet. Mit ihm möchte die Arbeitgeberin die Feststellung erreichen, dass es sich bei
den Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung nicht um solche handelt, die als
betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Dienstplangestaltung des
Fahrpersonals zu berücksichtigen sind.
27 bb) Für die Klärung der aufgeworfenen Frage besteht ein Feststellungsinteresse iSd.
§ 256 Abs. 1 ZPO.
28 (1) Das besondere Feststellungsinteresse für den Antrag der Arbeitgeberin folgt aus den
unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten über die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu
verteilende betriebliche Arbeitszeit und ihrer Berücksichtigung in den Dienstplänen.
Dieser Streit wird durch den Hauptantrag zu 2. einer umfassenden Klärung zugeführt.
29 (2) Das Feststellungsinteresse für ihren Antrag ist entgegen der Auffassung des
Betriebsrats nicht deshalb entfallen, weil dieser nach Rechtshängigkeit des negativen
Feststellungsantrags einen auf das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts nach § 87
Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gerichteten Feststellungsantrag erhoben hat. Das setzte voraus, dass
trotz § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Bescheidung
des spiegelbildlich erhobenen und auf eine positive Feststellung gerichteten Widerantrags
wegen ansonsten drohender Rechtsverluste besteht. Hiervon ist beispielsweise
auszugehen, wenn allein eine positive gerichtliche Feststellung für nachgelagerte
Leistungsansprüche verjährungshemmend iSd. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wirkt (vgl. BGH
8. Juni 1978 - VII ZR 54/76 - zu II 3 e der Gründe, BGHZ 72, 23). Ein solches Interesse des
Betriebsrats besteht vorliegend aber nicht. Soweit dieser einen positiven
Entscheidungsausspruch aus Gründen der Transparenz für vorzugswürdig erachtet, ist
dieses Interesse rechtlich nicht geschützt. Dem vom Betriebsrat gestellten Widerantrag
zu 1. steht deshalb das auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu
beachtende Hindernis der doppelten Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO
entgegen, soweit der Antrag das Fahrpersonal und die Zuordnung der Umkleidezeiten zur
betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG betrifft.
30 cc) Der Streit über das Ausmaß des Mitbestimmungsrechts bei der Verteilung der
tariflichen Arbeitszeit kann sich auch zukünftig jederzeit wiederholen. Er wird durch eine
Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle vom 3. Dezember
2010 nicht notwendig beigelegt. Die Feststellung der Unwirksamkeit des
Einigungsstellenspruchs ist aus Gründen erfolgt, die den Umfang des
Mitbestimmungsrechts nicht abschließend klären. Das begründet ein entsprechendes
Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BAG 8. November 2011 - 1 ABR 37/10 - Rn. 13, BAGE 139,
369).
31 b) Der Hauptantrag zu 2. der Arbeitgeberin ist nur teilweise begründet. Die Zeiten für das
An- und Ablegen der Dienstkleidung außerhalb der Betriebsräume der Arbeitgeberin
gehören zwar nicht zur Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Kleiden sich die
Arbeitnehmer hingegen innerhalb des Betriebs um, handelt es sich um Arbeitszeit, die in
den Dienstplänen für das Fahrpersonal zu berücksichtigen ist. Das Mitbestimmungsrecht
wird nicht durch den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG
ausgeschlossen.
32 aa) Bei dem An- und Ablegen der Dienstkleidung innerhalb des Betriebs handelt es sich
um eine fremdnützige Tätigkeit des tragepflichtigen Personenkreises und damit um
Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
33 (1) Nach der Senatsrechtsprechung gehören Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten
Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich
ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht
lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und - ohne
besonders auffällig zu sein - auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann
(BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 15). An der ausschließlichen
Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich
auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen und er sich entscheidet,
diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden auch einem eigenen
Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg
einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und
Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet.
34 (2) Danach handelt es sich bei dem An- und Ablegen der vorgeschriebenen
Dienstkleidung im Betrieb um Arbeitszeiten des Fahrpersonals.
35 Das bei der Arbeitgeberin beschäftigte Fahrpersonal ist nach § 78 LfTV, § 48 FGr 5-TV
iVm. § 1 Abs. 1 Satz 2, Anlage 1 KBV Ubk zum Tragen der Dienstkleidung verpflichtet.
Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit. Die zu tragenden Kleidungsstücke sind
aufgrund ihrer Farbgebung und ihres Zuschnitts besonders auffällig. Sie haben
Uniformcharakter und dienen nach den tariflichen Vorschriften zur Herstellung eines
einheitlichen Erscheinungsbilds des Fahrpersonals in der Öffentlichkeit. Bahnreisenden
soll die schnelle und sichere Identifizierung der Mitarbeiter als Bordpersonal ermöglicht
werden. Diesen Zweck hat die Arbeitgeberin selbst in Nr. 1 Abs. 3 der Konzernrichtlinie
Nr. 110.0001 „Unternehmensbekleidung bestellen und tragen“ zugrunde gelegt. Entgegen
der Auffassung der Arbeitgeberin fehlt es an einem auffälligen Erscheinungsbild nicht
schon deshalb, weil die Unternehmensbekleidung in dezenten Farben gehalten ist. An
den Kleidungsstücken ist das von den Konzerngesellschaften des Personennah- und -
fernverkehrs verwandte Emblem angebracht. Dieses weist einen in der Bevölkerung
überaus hohen Bekanntheitsgrad auf und ermöglicht eine leichte Zuordnung des
Dienstkleidungsträgers zu einem Rechtsträger des Unternehmensverbunds der DB AG.
An einer derartigen Offenlegung ihres Arbeitgebers gegenüber Dritten besteht außerhalb
ihrer Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse der Arbeitnehmer (vgl. BAG
17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 32, BAGE 140, 223).
36 bb) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Berücksichtigung der
Umkleidezeiten in den Dienstplänen ist nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG
ausgeschlossen.
37 (1) Die Mitbestimmungsrechte im Bereich der sozialen Mitbestimmung können im Betrieb
eines tarifgebundenen Arbeitgebers allerdings durch den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1
Eingangshalbs. BetrVG eingeschränkt oder ausgeschlossen sein.
38 (a) Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer
durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Angelegenheiten (BAG
3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 a der Gründe, BAGE 69, 134). § 87 Abs. 1 BetrVG
beschränkt wegen der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und im Hinblick auf
den Teilhabegedanken die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei der
Vertragsgestaltung und der Ausübung seines Direktionsrechts (Wiese GK-BetrVG 10. Aufl.
§ 87 Rn. 56). Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht dabei auf der Erwägung,
dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr besteht, wenn eine
den Arbeitgeber bindende Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag bereits vorliegt. In
diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung den
berechtigten Interessen und Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer hinreichend Rechnung
getragen worden ist (BAG 18. Oktober 2011 - 1 ABR 25/10 - Rn. 19, BAGE 139, 332).
39 (b) Der Ausschluss des Mitbestimmungsrechts durch den Tarifvorbehalt erfordert, dass die
Tarifvertragsparteien selbst über die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eine
zwingende und abschließende inhaltliche Regelung getroffen und damit dem
Schutzzweck des verdrängten Mitbestimmungsrechts Genüge getan haben (BAG
3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 b der Gründe, BAGE 69, 134). Die
Tarifvertragsparteien dürfen das Mitbestimmungsrecht nicht ausschließen oder
einschränken, ohne die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst zu regeln (BAG
9. November 2010 - 1 ABR 75/09 - Rn. 17).
40 (2) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin wird das Mitbestimmungsrecht nach § 87
Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in Bezug auf die Zeiten für das An- und Ablegen der
Unternehmensbekleidung nicht durch § 53 Abs. 1 LfTV, § 43 Abs. 1 FGr 5-TV
ausgeschlossen.
41 (a) Der Wortlaut der Vorschriften ist allerdings nicht eindeutig. Nach § 53 Abs. 1 LfTV, § 43
Abs. 1 FGr 5-TV beginnt und endet die Arbeitszeit am vorgeschriebenen Arbeitsplatz. Dies
ist der Platz, der entweder vertraglich festgelegt oder dem Arbeitnehmer im Wege des
Direktionsrechts zugewiesen worden ist und an dem er tatsächlich arbeitet (vgl. BAG
29. April 1982 - 6 ABR 54/79 - zu III 1 der Gründe). Die Tarifnormen knüpfen bei der
Bestimmung des Arbeitszeitbeginns nicht an das Betriebsgelände, einzelne
Betriebsgebäude oder Abteilungen des Betriebs an. Die Arbeitszeit der von den tariflichen
Vorschriften erfassten Arbeitnehmer ist vielmehr an das Erreichen und Verlassen des
ihnen zugewiesenen Arbeitsplatzes gebunden. Zeiten vom Betreten des Betriebsgeländes
bis zur Aufnahme der zugewiesenen Tätigkeit bleiben bei der Berechnung der Arbeitszeit
außer Betracht. Damit haben die Tarifvertragsparteien die Wegezeit bis zum Erreichen
bzw. Verlassen des Arbeitsplatzes nicht der betrieblichen Arbeitszeit zugewiesen, sondern
der privaten Sphäre des Arbeitnehmers zugeordnet. Der Wortlaut der Tarifbestimmungen
lässt aber nicht erkennen, ob der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung vertragsgerecht nur
in Dienstkleidung anbieten kann oder es sich beim Umkleiden um Arbeitszeit handelt.
42 (b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sprechen für die von ihm
vertretene Sichtweise nicht die tariflichen Vorschriften über die Unternehmensbekleidung.
Zwar enthalten § 78 LfTV, § 48 FGr 5-TV eine Regelung über Kleidungsstücke, die zur
Sicherstellung eines einheitlichen und gepflegten Erscheinungsbilds in der Öffentlichkeit
an Stelle anderer Kleidung während der Arbeit getragen werden müssen. Hierdurch wird
aber nicht bestimmt, ob die tarifliche Arbeitszeit die Zeiten für das An- und Ablegen dieser
Kleidungsstücke umfasst. Die Tarifvorschriften beschränken sich auf eine Normierung der
Tragepflicht von besonderer Dienstkleidung, die ihrerseits durch betriebliche Regelungen
auszugestalten ist.
43 (c) Für die Sichtweise des Beschwerdegerichts spricht auch nicht der Umstand, dass die
Tarifvertragsparteien keine ausdrückliche Regelung über Beginn und Ende der Arbeitszeit
getroffen haben. Das Gegenteil ist der Fall.
44 Die Tarifvertragsparteien verwenden keinen eigenständigen Arbeitszeitbegriff. Sie haben
in § 42 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2, 6 und 9 FGr 5-TV von der Möglichkeit Gebrauch gemacht,
durch tarifliche Regelungen von den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes abzuweichen.
Damit ist davon auszugehen, dass sie ihren Regelungen den gesetzlichen
Arbeitszeitbegriff zugrunde gelegt haben. In § 2 Abs. 1 ArbZG wird die Arbeitszeit als die
Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen definiert. Zur Arbeit iSd.
genannten Vorschrift gehört auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn das Tragen einer
besonderen Dienstkleidung vorgeschrieben ist und betrieblichen Belangen dient (vgl.
BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23). Gerade weil das An- und Ablegen der
Dienstkleidung für den tragepflichtigen Personenkreis wegen seiner ausschließlichen
Fremdnützigkeit zur Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, § 2 Abs. 1 ArbZG gehört,
hätte es eines hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Regelungswillens bedurft,
um eine das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließende Regelung zu treffen.
§ 53 Abs. 1 LfTV, § 43 Abs. 1 FGr 5-TV ist eine solche eindeutige Regelungsabsicht nicht
zu entnehmen.
45 c) Aufgrund der teilweisen Abweisung des Hauptantrags zu 2. der Arbeitgeberin fällt dem
Senat der hilfsweise erhobene negative Feststellungsantrag zur Entscheidung an. Der
Hilfsantrag ist begründet. Bei der Festlegung von Zeitvorgaben für das An- und Ablegen
der Dienstkleidung hat der Betriebsrat nicht mitzubestimmen.
46 aa) Der Hilfsantrag ist zulässig. Hiermit möchte die Arbeitgeberin die (negative)
Feststellung erreichen, dass der Betriebsrat bei einer Festlegung von individualrechtlichen
Vorgaben für die Umkleidezeiten nicht mitzubestimmen hat. Er ist auf ein
feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Es soll eine
gerichtliche Entscheidung über das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts für eine
Festsetzung der in den Dienstplänen zu berücksichtigenden Zeiten für das An- und
Ablegen der Dienstkleidung ergehen. Die Beteiligungspflicht für diese Maßnahme der
Arbeitgeberin ist zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat umstritten.
47 bb) Der Hilfsantrag ist begründet.
48 (1) In welchem zeitlichen Umfang Umkleidezeiten zur Arbeitszeit rechnen, ergibt sich -
soweit eine anderweitige Regelung nicht besteht - nach allgemeinen Grundsätzen. Der
Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht willkürlich selbst bestimmen, er muss
vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit
arbeiten. Dieser modifizierte subjektive Maßstab gilt auch für das fremdnützige An- und
Ablegen von Dienstkleidung. Nur die Zeitspanne, die dazu für den einzelnen
Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist,
zählt zur Arbeitszeit (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 24).
49 (2) Es kann dahinstehen, welche Verbindlichkeit der von der Arbeitgeberin in ihren
internen Richtlinien vorgegebenen Planzeiten für die Umkleidevorgänge des
Fahrpersonals im Betrieb zukommt. Jedenfalls hat der Betriebsrat bei ihrer Bemessung
kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Diese Tätigkeiten gehören zwar
zur betriebsüblichen Arbeitszeit. Bei der Festlegung der Zeiten, die ein im Zeitlohn
beschäftigter Arbeitnehmer für die Erledigung einzelner Arbeitsaufgaben voraussichtlich
benötigt, handelt es sich aber nicht um eine Regelung von Beginn und Ende der
Arbeitszeit (vgl. BAG 22. Juli 2003 - 1 ABR 28/02 - Rn. 45, BAGE 107, 78).
50 III. Der Widerantrag zu 1. des Betriebsrats ist im Umfang seiner Zulässigkeit überwiegend
begründet. Der zweite Widerantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.
51 1. Der erste Widerantrag des Betriebsrats ist nur teilweise zulässig.
52 a) Der Widerantrag zu 1. des Betriebsrats ist aus den bereits dargelegten Gründen
(Rn. 29) unzulässig, soweit sein Antragsziel die positive Feststellung eines
Mitbestimmungsrechts bei der Berücksichtigung der Umkleidezeiten des Fahrpersonals
als betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist. Ihm steht das
Verfahrenshindernis der doppelten Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) entgegen.
53 b) Der Widerantrag des Betriebsrats zu 1. ist zulässig, soweit er auf die
„Bereitmachungszeiten“ gerichtet ist.
54 aa) In der gebotenen Auslegung ist Gegenstand des Widerantrags zu 1. die Feststellung,
dass die Zeiten für das Empfangen, Abgeben und Aufrüsten der notwendigen Arbeitsmittel
betriebliche Arbeitszeiten iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darstellen, die von den Beteiligten
bei der Dienstplangestaltung zu berücksichtigen sind. Von dem Antrag umfasste
Arbeitsmittel sind nach dem Vorbringen der Beteiligten in den Vorinstanzen bei den
Triebfahrzeugführern das ihnen von der Arbeitgeberin überlassene Mobiltelefon und bei
den Kundenbetreuern zusätzlich das mobile Terminal, der Zangendrucker, die
Zahlungsmittel sowie unbedruckte Fahrscheine. Das Aufrüsten von Arbeitsmitteln
beschränkt sich auf das Einschalten des Mobiltelefons und des mobilen Terminals.
Hinsichtlich des erfassten Personenkreises bedarf der Antrag der Einschränkung. Nach
seinem Wortlaut betrifft er sämtliche im Wahlbetrieb der Arbeitgeberin beschäftigten
Arbeitnehmer. Die Beteiligten streiten aber lediglich um die notwendigen Arbeitsmittel des
Fahrpersonals. Dies hat auch das Landesarbeitsgericht, wie die Rechtsbeschwerde zu
Recht rügt, bei seiner Entscheidung übersehen.
55 bb) Der so verstandene Widerantrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
und auf ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis gerichtet. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO
erforderliche Feststellungsinteresse liegt wegen der unterschiedlichen Rechtspositionen
der Beteiligten vor.
56 c) In dem zulässigen Umfang ist der Widerantrag zu 1. überwiegend begründet. Das
Empfangen, Bereitmachen und Abgeben der notwendigen Arbeitsmittel stellt Arbeitszeit
iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar, deren Lage von den Betriebsparteien festzulegen ist. Zu
diesen Arbeitsmitteln gehört das nicht ausschließlich dienstlich nutzbare Mobiltelefon
jedoch nicht.
57 aa) Die Entgegennahme und Abgabe von arbeitsnotwendigen Betriebsmitteln stellt
Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar, wenn diese Tätigkeiten einem fremden
Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllen. In
diesem Fall handelt es sich auch um Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG (ErfK/Wank
13. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 16). Diese umfasst auch die Zeiten für die Herstellung der
Einsatzfähigkeit der Arbeitsmittel.
58 bb) Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG wird nicht durch eine tarifliche
Regelung ausgeschlossen. § 53 Abs. 1 LfTV, § 43 Abs. 1 FGr 5-TV liegt aus den bereits
dargelegten Gründen (Rn. 40 - 44) kein eigenständiger Arbeitszeitbegriff zugrunde.
59 cc) Danach ist der Widerantrag zu 1. bis auf das nicht ausschließlich dienstlich nutzbare
Mobiltelefon begründet.
60 (1) Bei den ausschließlich von den Kundenbetreuern verwandten Gegenständen (mobiles
Terminal, Zangendrucker, Zahlungsmittel sowie unbedruckte Fahrscheine) handelt es sich
um notwendige Arbeitsmittel. Deren Empfang und Abgabe sowie das Bereitmachen des
mobilen Terminals stellen Arbeitszeit dar. Die Arbeitgeberin erlaubt ihren
Kundenbetreuern zwar die Verwahrung dieser Arbeitsmittel außerhalb des Dienstes.
Entscheiden sich die Arbeitnehmer jedoch zu deren Rückgabe nach Dienstende, sind die
Abgabe und die erneute Entgegennahme dieser Arbeitsmittel bei Dienstbeginn
ausschließlich fremdnützig und damit Arbeitszeit. Arbeitnehmer sind regelmäßig nicht
verpflichtet, Arbeitsmittel, die sie in der dienstfreien Zeit nicht nutzen, nach Beendigung
ihrer Arbeitszeit für den Arbeitgeber zu verwahren. Eine solche Tätigkeit dient nicht ihrem
eigenen Bedürfnis.
61 (2) Die vorstehenden Grundsätze gelten gleichermaßen für ein dem Fahrpersonal
überlassenes Mobiltelefon. Seine Zugehörigkeit zu den notwendigen Arbeitsmitteln folgt
aus der erforderlichen durchgängigen Erreichbarkeit des Fahrpersonals während ihres
Dienstes. Die Zeiten für die Aushändigung und Abgabe sowie für die Herstellung der
Funktionsfähigkeit eines solchen Geräts gehören daher zur Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1
Nr. 2 BetrVG. Kann das Mobiltelefon dagegen mit einer zweiten SIM-Karte auch privat
genutzt werden, liegt seine Verwendung auch im eigenen Interesse der Arbeitnehmer, was
vorliegend die Fremdnützigkeit und damit die Zuordnung dieser Zeiten zur Arbeitszeit
ausschließt.
62 2. Der vom Betriebsrat zu 2. erhobene Widerantrag, mit dem dieser die Unwirksamkeit von
§ 2 Satz 3 SV 2010 festgestellt wissen will, fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er
ist nur für den Fall gestellt, dass der von der Arbeitgeberin zu 1. gestellte
Feststellungsantrag ganz oder teilweise erfolglos bleibt. Nur in diesem Fall bestünde
überhaupt Raum für eine isolierte Anfechtung des vom Betriebsrat als unwirksam
angesehenen Teils des Einigungsstellenspruchs. Dieses Antragsverständnis hat der
Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Da dem Antrag zu 1. der
Arbeitgeberin in vollem Umfang entsprochen wird, tritt die vom Betriebsrat mit dem
Widerantrag zu 2. verbundene innerprozessuale Bedingung nicht ein.
Linck
Spelge
Koch
Klebe
Hann