Urteil des BAG vom 23.04.2008

BAG: Sonderzahlung, auszahlung, vergütung, kündigung, dienstverhältnis, rückwirkung, arbeitsgericht, gehalt, apotheke, ausschluss

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 23.4.2008, 10 AZR 258/07
Sonderzahlung
Leitsätze
Der Anspruch auf die in § 18 des Bundesrahmentarifvertrages für Apothekenmitarbeiter (BRTV)
geregelte Sonderzahlung entsteht nicht ratierlich für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat, sondern im
Falle des Ausscheidens zu diesem Zeitpunkt und ist mit der Zahlung des letzten Gehalts fällig.
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln
vom 6. Dezember 2006 - 7 Sa 999/06 - teilweise aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen
vom 16. Juni 2006 - 2 Ca 188/06 - insoweit abgeändert, als der Klägerin mehr
als 1.013,80 Euro brutto nebst Zinsen zugesprochen worden sind. Im Übrigen
wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über eine tarifliche Sonderzahlung für das Jahr 2005.
2 Der Beklagte ist Inhaber einer Apotheke. Die Klägerin trat am 1. Oktober 2004 als pharmazeutisch-
kaufmännische Angestellte in seine Dienste. Sie bezog ein Gehalt von 1.492,80 Euro brutto bei
einer Arbeitsverpflichtung von 38,5 Wochenstunden. Das entsprechende Tarifgehalt hätte
1.386,99 Euro brutto bei 39,5 Wochenstunden betragen.
3 Am 5. September 2005 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin, wie zuvor
mündlich angekündigt, schriftlich zum 15. Oktober 2005. Am 24. September 2005 trat die Klägerin
der Apothekengewerkschaft ADEXA bei. Der Beklagte war und ist Mitglied der Tarifgemeinschaft
der Apothekenleiter Nordrhein.
4 Dieser Arbeitgeberverband und die Apothekengewerkschaft ADEXA schlossen am 2. November
2004 den Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter (BRTV). § 18 regelt unter der
Überschrift “Sonderzahlung” Folgendes:
“1. Jeder Mitarbeiter erhält jährlich eine Sonderzahlung in Höhe von 100 % seines
tariflichen Monatsverdienstes. Bei Änderungen der Gehaltshöhe im Laufe des
Kalenderjahres ist der tarifliche Jahresdurchschnitt zugrunde zu legen. Das gilt nicht für
Änderungen durch Neufestsetzung des Tarifgehaltes oder Einstufung in eine andere
Berufsjahrgruppe. Für Pharmaziepraktikanten errechnet sich die Sonderzahlung aus
dem Durchschnitt der während des Ausbildungsverhältnisses tariflich vorgesehenen
Ausbildungsvergütung.
2. Dem Apothekeninhaber bleibt die Festsetzung des Auszahlungszeitpunktes
einschließlich Auszahlung in Teilbeträgen vorbehalten. Die Auszahlung erfolgt jedoch
spätestens mit dem Novembergehalt.
3. Den vollen oder gekürzten Betrag nach Absatz 1 oder 6 erhalten alle Mitarbeiter, deren
Arbeitsverhältnis im Jahr der Auszahlung mindestens 12 Monate besteht. Bei einer
geringeren Betriebszugehörigkeit besteht ein Anspruch in Höhe von 1/12 des vollen
oder gekürzten Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat. Hat der
Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt, besteht ein Anspruch in
Höhe von 1/12 des vollen Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat.
Mitarbeiter, deren Dienstverhältnis nicht länger als 6 Monate besteht, haben keinen
Anspruch auf Sonderzahlung. Hat ein Mitarbeiter Elternzeit (§§ 15, 16 BErzGG)
erhalten, ermäßigt sich die Sonderzahlung um ein 1/12 für jeden vollen Monat der
genommenen Zeit. Der Anspruch verringert sich ferner zeitanteilig für die Dauer eines
unbezahlten Urlaubs sowie für krankheitsbedingte Fehlzeiten, für die nach § 9
Gehaltsfortzahlung nicht zu leisten ist. Ausscheidende Mitarbeiter haben Anspruch auf
1/12 des vollen oder gekürzten Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat
des laufenden Kalenderjahres. In Abweichung von Absatz 2 ist die Zahlung mit dem
letzten Gehalt zu leisten. Soweit ein ausscheidender Mitarbeiter zuviel erhalten hat, ist
er zur Rückzahlung verpflichtet.
4. Soweit Ansprüche irgendwelcher Art von der Höhe des Arbeitsentgelts abhängig sind,
werden Zahlungen nach § 18 nicht mitgerechnet.
5. Während des Kalenderjahres aufgrund betrieblicher, einseitig vom Apothekeninhaber
festgelegter oder vereinbarter Regelungen bereits gezahlte oder noch zu zahlende
Sondervergütungen, insbesondere Weihnachts- und Urlaubsgeld, Gratifikationen,
Jahresabschlussvergütungen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen und dergleichen,
können auf die Sonderzahlung nach § 18 angerechnet werden.
6. Der Apothekeninhaber ist für jedes Jahr berechtigt, die Sonderzahlung auf bis zu 50 %
des tariflichen Monatsverdienstes zu kürzen, sofern sich dies dem Apothekeninhaber
aus wirtschaftlichen Gründen als notwendig darstellt. Die Sonderzahlung ist
nachträglich ungekürzt zu zahlen, sofern der Apothekenleiter binnen einer Frist von 6
Monaten nach der Zahlung eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht und mit
Ausspruch der Kündigung zur Zahlung fällig. Die Frist beginnt mit dem Monat, in dem
die Zahlung oder - bei Teilzahlungen - der letzte Teil der Zahlung bewirkt wurde.”
5 Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe für das Kalenderjahr 2005 einen Anspruch auf die tarifliche
Sonderzahlung in Höhe von 9/12 ihres Gehalts. Diese Zahlung sei nach den tarifvertraglichen
Vorschriften fällig bei ihrem Ausscheiden. Zu diesem Zeitpunkt sei sie tarifgebunden gewesen. Die
Klägerin hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.025,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Oktober 2005 zu zahlen.
6 Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die Klägerin erfülle die tariflichen
Voraussetzungen nicht, da sie vom Zeitpunkt ihres Gewerkschaftsbeitritts am 24. September 2005
bis zu ihrem Ausscheiden am 15. Oktober 2005 weniger als einen vollen Kalendermonat bei ihm
beschäftigt gewesen sei. Der Gewerkschaftsbeitritt wirke nicht zurück. Es handele sich um eine
zeitanteilig entstandene Leistung, wobei der Fälligkeitszeitpunkt keine Rolle spiele. Jedenfalls sei die
Leistung zu berechnen auf ein für die Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden umgerechnetes
Tarifgehalt.
7 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit
ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils, während
der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
8 Die Revision der Klägerin ist überwiegend begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war
teilweise aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des
Arbeitsgerichts insoweit zurückzuweisen, als es der Klägerin einen Betrag von 1.013,80 Euro
brutto als Sonderzahlung zugesprochen hat. In Höhe des Differenzbetrags zu 1.025,24 Euro war
die Revision zurückzuweisen.
9 I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass zum Zeitpunkt des Gewerkschaftsbeitritts der
Klägerin am 24. September 2005 und der damit eintretenden Tarifbindung die anteiligen Ansprüche
auf Sonderleistung Monat für Monat bereits entstanden seien, so dass es keine Rolle spiele, dass
sie erst bei Ausscheiden fällig geworden seien. Es handele sich bei der Leistung um ein echtes
dreizehntes Monatsgehalt und nicht um eine Gratifikation mit Mischcharakter. Der Bestand an
einem bestimmten Stichtag sei nicht Voraussetzung. Es gebe auch keine Rückzahlungsklausel.
Auch der Umstand, dass für Zeiten ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt keine Sonderzahlung
geleistet werde, spreche für eine echte arbeitsleistungsbezogene Vergütung. Dass im ersten
halben Jahr der Beschäftigung kein Anspruch auf eine Sonderzahlung erworben werde, spreche
nicht dagegen. Hierbei handele es sich um eine Parallele zu der im Arbeitsleben üblichen
Gepflogenheit, dass nur kurzfristig beschäftigte Aushilfskräfte eine geringere Vergütung erhielten
als eingearbeitete Stammkräfte. Da die Klägerin zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens am
15. Oktober 2005 noch keinen vollen Monat tarifgebunden beschäftigt gewesen sei, entfalle ein
Anspruch.
10 II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Der Klägerin steht ein
anteiliger Anspruch auf die Jahressonderzahlung von neun Zwölfteln des Tarifentgelts zu, das
allerdings auf die vereinbarte Arbeitszeit von 38,5 im Verhältnis zur tariflichen Arbeitszeit von 39,5
Stunden umzurechnen war.
11 1. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Klägerin keinen arbeitsvertraglichen
Anspruch auf eine Sonderzahlung hat. Weder ist eine solche ausdrücklich vereinbart, noch wird im
Arbeitsvertrag auf den BRTV Bezug genommen. Andererseits kann der - unstreitig -
arbeitsvertraglich vorgesehene Ausschluss einer Sonderzahlung für den Fall der Kündigung den
Anspruch nicht hindern, wenn ein tarifvertraglicher Anspruch besteht. Dies ist der Fall.
12 2. Der Anspruch der Klägerin auf eine anteilige Jahressonderzahlung für das Jahr 2005 ergibt sich
aus § 18 Abs. 3 Satz 7 BRTV.
13 a) Dem Landesarbeitsgericht ist insoweit zu folgen, als ein Anspruch nur dann bestehen kann,
wenn er nach dem 24. September 2005, dem Zeitpunkt des Gewerkschaftsbeitritts der Klägerin,
entstanden ist. Die Wirkungen eines Tarifvertrags erwachsen erst mit dem Beitritt zu einem der
vertragsschließenden Verbände (Däubler/Lorenz TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 19; Wiedemann/ Oetker
7. Aufl. § 3 TVG Rn. 130; Oetker in Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 6 Rn. 24) . Es
kommt nicht darauf an, wann der Anspruch fällig geworden ist, sondern wann er entstanden ist.
Hätten die Arbeitsvertragsparteien beispielsweise eine untertarifliche Monatsvergütung vereinbart,
so hätte die Klägerin erst ab dem Zeitpunkt ihrer Tarifgebundenheit Anspruch auf die höhere
tarifliche Vergütung. Entsteht der Anspruch hingegen erst nach Eintritt der Tarifgebundenheit, ist er
zu erfüllen, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Eine Rückwirkung der Tarifgebundenheit auf
einen Zeitpunkt vor Beginn der Gewerkschaftsmitgliedschaft kommt nicht in Betracht (vgl. BAG
22. November 2000 - 4 AZR 688/99 - AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 20 = EzA TVG § 3
Nr. 20) . Auf eine solche Rückwirkung beruft sich die Klägerin aber auch nicht.
14 b) Welchen Charakter die Sonderleistung bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis hat, ist
durch Auslegung zu ermitteln.
15 aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist
zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen
ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille
der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen
Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil
dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn
und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie
Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine
Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die
praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer
Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der
Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren
Regelung führt (st. Rspr. zB BAG 19. Januar 2000 - 4 AZR 814/98 - BAGE 93, 229, zu 3 a der
Gründe) .
16 bb) Danach ergibt sich, dass die Sonderleistung für ausscheidende Mitarbeiter erst im Zeitpunkt
des Ausscheidens entsteht. Sie entsteht nicht anteilig Monat für Monat.
17 (1) Zunächst spricht bereits der Wortlaut der Grundregel in § 18 Abs. 1 BRTV, wonach jeder
Mitarbeiter “jährlich” eine Sonderzahlung erhält, dafür, dass es sich um eine einmalig entstehende
Leistung handelt. Dafür spricht auch der Wortlaut des § 18 Abs. 2 BRTV, der dem
Apothekeninhaber die Auszahlung in “Teilbeträgen” ermöglicht, also Anteilen einer grundsätzlich
einheitlichen, ganzen Leistung. Ein Hinweis auf einen Zeitraum - etwa monatlich entstandene
Ansprüche - findet sich nicht. Diese Vorschrift regelt damit nicht das Entstehen von ratierlichen
Ansprüchen, sondern lässt dem Arbeitgeber Raum, den Zeitpunkt der Auszahlung teilweise
vorzuverlegen, regelt also eine mögliche Vorfälligkeit. Der späteste Fälligkeitszeitpunkt wird
sodann mit der Auszahlung des Novembergehalts festgelegt. Auch die Regeln, wonach sich der
Anspruch unter den in § 18 Abs. 3 S. 5 und 6 BRTV genannten Voraussetzungen “ermäßigt” bzw.
“verringert”, sprechen eher für eine grundsätzlich einheitlich entstehende Sonderzahlung.
18 (2) Weiterhin lassen auch die Regeln zur Höhe der Sonderzahlung in § 18 Abs. 1 BRTV auf das
Entstehen eines einheitlichen Anspruchs schließen. Danach ist bei Änderungen der Gehaltshöhe
im Laufe des Kalenderjahres der tarifliche Jahresdurchschnitt zugrunde zu legen und dies gilt nicht
für Änderungen durch Neufestsetzung des Tarifgehalts oder bei Einstufung in eine andere
Berufsjahresgruppe. Eine Durchschnittsberechnung ist nur dann möglich, wenn es sich um eine
einheitlich zu berechnende Leistung handelt. Anderenfalls würde sich die Höhe unmittelbar aus
den Verhältnissen der jeweiligen Monate ergeben, in denen der Anspruch entstanden ist.
Tarifentgelterhöhungen sollen sich hingegen auf den gesamten “jährlich” entstehenden Anspruch
auswirken.
19 (3) Zwar ist dem Landesarbeitsgericht insoweit zu folgen, als ein wesentlicher Zweck der Leistung
darin besteht, tatsächlich geleistete Arbeit zusätzlich zu honorieren. Dies ergibt sich aus § 18
Abs. 3 Satz 2 BRTV, wonach bei einer geringeren Betriebszugehörigkeit als den in Abs. 1
geforderten zwölf Monaten ein Anspruch in Höhe von einem Zwölftel des vollen oder gekürzten
Betrags für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat besteht, also lediglich die Erfüllung der
Arbeitsleistung Voraussetzung für einen anteiligen Anspruch ist ebenso wie dies die
Nichtberücksichtigung nicht entgeltfortzahlungsverpflichtender Zeiten anzeigt.
20 Dass aber nicht ausschließlich geleistete Arbeit mit der Sonderzahlung vergütet werden soll, folgt
aus § 18 Abs. 3 Satz 4 BRTV, wonach Mitarbeiter, deren Dienstverhältnis nicht länger als sechs
Monate besteht, keinen Anspruch auf Sonderzahlung haben. Damit wird ein gewisses Maß an
Betriebstreue verlangt, um den Anspruch entstehen zu lassen und damit ein weiter gehender
Zweck verfolgt als die bloße Honorierung geleisteter Arbeit. Trotz der Quotelungsregel in § 18
Abs. 3 Satz 2 BRTV würden Mitarbeiter, die nach fünf Monaten ausscheiden, keinen Anspruch
erwerben, obwohl sie tatsächlich gearbeitet haben. Es kann sich dabei nicht, wie das
Landesarbeitsgericht angenommen hat, lediglich um eine Parallele zu einer im Arbeitsleben
üblichen Gepflogenheit handeln, dass nur kurzfristig beschäftigte Aushilfskräfte eine geringere
Vergütung erhalten als eingearbeitete Stammkräfte. Die Regelung bezieht sich nicht auf
Aushilfskräfte, sondern erfasst auch auf Dauer angestellte Kräfte, die aber - aus welchen Gründen
auch immer - vor Ablauf von sechs Monaten ausscheiden. Im Übrigen verstieße ein solches
Verständnis auch gegen das Diskriminierungsverbot Teilzeitbeschäftigter.
21 Auch § 18 Abs. 4 BRTV spricht dafür, dass die Sonderzahlung nicht eine pro-rata-temporis
erworbene Entgeltleistung ist, denn Zahlungen nach § 18 sollen bei solchen Ansprüchen nicht
mitgerechnet werden, die von der Höhe des Arbeitsentgelts abhängig sind. Dies sind zB die in § 11
Abs. 9 BRTV geregelte Urlaubsvergütung, der in § 12 BRTV geregelte Bildungsurlaub unter
Fortzahlung des Gehalts und die in § 17 Abs. 7 BRTV behandelte Vergütung bei Schulungen. Dies
ist für einen rein arbeitsleistungsbezogenen Entgeltanspruch eher untypisch. Weiterhin kann die
Leistung nach § 18 Abs. 5 BRTV anrechenbar sein auf sonstige Sondervergütungen, deren
genannte Beispiele sämtlich einmaligen Charakter haben.
22 (4) Schließlich folgt dieses Auslegungsergebnis auch aus § 18 Abs. 3 BRTV. Diese Vorschrift
enthält Regelungen für ausscheidende Mitarbeiter.
23 § 18 Abs. 3 Satz 3 BRTV regelt allerdings bezüglich betriebsbedingt ausgesprochener
Kündigungen lediglich die Höhe des Anspruchs. In § 18 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BRTV ist jeweils
die Rede davon, dass die Arbeitnehmer unter den genannten Voraussetzungen den “vollen oder
gekürzten” Betrag erhalten sollen. Wird das Arbeitsverhältnis aber betriebsbedingt gekündigt,
besteht ein Anspruch in Höhe von einem Zwölftel des “vollen” Betrags für jeden vollendeten
Beschäftigungsmonat. Das bedeutet, dass in solchen Fällen der Arbeitgeber keinen Gebrauch von
der Kürzungsmöglichkeit in Abs. 6 machen darf. Andernfalls wäre auch das Verhältnis zu Satz 7
nicht erklärlich, wonach ausscheidende Mitarbeiter einen Anspruch auf ein Zwölftel des vollen oder
gekürzten Betrags für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat des laufenden Kalenderjahrs
haben.
24 Die Klägerin kann sich jedenfalls unabhängig vom Grund der Kündigung auf § 18 Abs. 3 Satz 7
BRTV berufen. Darin ist nicht die Fälligkeit bereits entstandener Ansprüche geregelt, sondern
ebenfalls das Entstehen des Anspruchs selbst. Der Fall des Ausscheidens wird gesondert
erwähnt, wobei bereits Abs. 3 Satz 2 bestimmt, dass bei einer geringeren Betriebszugehörigkeit
als zwölf Monaten ein Anspruch in Höhe von einem Zwölftel des vollen oder gekürzten Betrags für
jeden vollendeten Beschäftigungsmonat besteht. Schon diese Vorschrift erfasst ausscheidende
Mitarbeiter ohne weiteres. In Satz 7 ist nicht gefordert, dass ausscheidende Mitarbeiter einen
Anspruch auf ein Zwölftel des vollen oder gekürzten Betrags für jeden vollendeten
Beschäftigungsmonat des laufenden Kalenderjahrs haben, in dem Tarifbindung bestand.
25 Die Klägerin ist erst ausgeschieden, als sie bereits tarifgebunden war. Danach hat sie Anspruch
auf ein Zwölftel des vollen Betrags für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat des laufenden
Kalenderjahrs 2005. Von der Kürzungsmöglichkeit des Absatzes 6 hat der Beklagte keinen
Gebrauch gemacht.
26 3. Die Höhe des Anspruchs ist, wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat, auf die tarifliche
Vergütung beschränkt. Diese beträgt 1.386,99 Euro bei 39,5 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit.
Da die Klägerin nur zu 38,5 Stunden wöchentlich beschäftigt war, ergibt sich ein hierauf
entfallender Jahresbetrag von 1.351,74 Euro, von dem neun Zwölftel 1.013,80 Euro betragen.
27 III. Dem Beklagten sind die gesamten Kosten der Berufung und der Revision aufzuerlegen, weil die
Zuvielforderung der Klägerin verhältnismäßig geringfügig ist und keine besonderen Kosten
verursacht hat (§ 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO).
Dr. Freitag
Marquardt
Brühler
Schwitzer
Mehnert