Urteil des BAG vom 21.11.2012

Ausgliederung im Wege der Spaltung - Festlegung der Vertragspartei eines Haustarifvertrages - AGB-Kontrolle einer Tarifwechselklausel

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 21.11.2012, 4 AZR 85/11
Haustarifvertrag - Ausgliederung im Wege der Spaltung
Leitsätze
Bei einer Ausgliederung eines Betriebs im Wege der Spaltung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG ist
aufgrund der damit verbundenen partiellen Gesamtrechtsnachfolge im Spaltungs- und
Übernahmevertrag gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG festzulegen, welcher der beiden
Rechtsträger in die Rechtsstellung als Vertragspartei eines Haustarifvertrages eintritt. Fehlt es an
einer solchen Regelung, verbleibt der übertragende Rechtsträger in dieser Rechtsstellung.
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Baden-Württemberg vom 21. Dezember 2010 - 6 Sa 90/10 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über
die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über Entgeltansprüche des Klägers und in diesem Zusammenhang
über die Ablösung vormaliger tariflicher Regelungen infolge eines Betriebsübergangs.
2 Der Kläger, Mitglied der Gewerkschaft ver.di, ist bei der Beklagten und deren
Rechtsvorgängerinnen seit dem 31. August 1989 beschäftigt. Aus dem Geschäftsbereich,
in dem er als Fernmeldetechniker zunächst bei der Deutschen Bundespost tätig gewesen
war, entstand kraft Gesetzes die Deutsche Telekom AG (nachfolgend DT AG), auf die sein
Arbeitsverhältnis zum 1. Januar 1995 übergeleitet wurde. Im Jahre 1999 wechselte der
Kläger in den Bereich Auslandsauskunft der DT AG, der mit Wirkung zum 1. Januar 2004
auf die V C S GmbH & Co. KG im Wege des Betriebsübergangs übertragen wurde.
3 Nach deren Umwandlung in die V C S GmbH (VCS) schloss der Kläger mit dieser einen
Arbeitsvertrag, nach dem er als Call Center Agent in S tätig ist. Weiterhin heißt es in dem
Arbeitsvertrag ua.:
§ 3 Anwendbarkeit von Tarifverträgen
Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Betrieb oder Betriebsteil, in dem der
Arbeitnehmer beschäftigt ist, betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen
Tarifverträge
1
in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit sich nicht aus
den nachfolgenden Regelungen etwas anderes ergibt.
...
§ 5 Entgelt
Der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers richtet sich nach den jeweils geltenden
tarifvertraglichen Bestimmungen.
_______________________________________
1
Zurzeit sind dies die mit ver.di abgeschlossenen Tarifverträge.“
4 Aufgrund der bei der VCS bestehenden tariflichen Regelungen erhielt der Kläger zuletzt
ein Bruttomonatsentgelt iHv. 2.592,56 Euro.
5 Der Betrieb, in dem der Kläger bei der VCS tätig war, ging im Wege eines weiteren
Betriebsübergangs am 1. Mai 2007 auf die nicht tarifgebundene a s S GmbH (asS GmbH),
ein Konzernunternehmen der B AG, über.
6 Zum 1. Januar 2008 wurde die asS GmbH im Wege der Umwandlung mit der jetzigen
Beklagten, der a d s S GmbH, verschmolzen. Deren direkte Rechtsvorgängerin war die R
M GmbH. Diese hatte mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV)
und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) Haustarifverträge geschlossen,
darunter am 2. Juli 1998 einen Tarifvertrag „für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
einschließlich der Auszubildenden des Betriebes S der R M GmbH“ (TV Betrieb S). Am
15. Dezember 1999 vereinbarten dieselben Tarifvertragsparteien einen
„Eingruppierungstarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen der R M GmbH, Betrieb Marketing
Service Süd-West“ (ETV). Die R M GmbH gliederte im Mai 2001 den Betrieb in S auf die M
GmbH (M) aus. Bei der M handelte es sich um einen sog. vorgehaltenen Firmenmantel. Im
Jahr 2002 firmierte die M in die jetzige Beklagte um.
7 Mit Schreiben vom 14. Januar 2008 unterrichtete die Beklagte den Kläger darüber, dass:
„…
mit der Verschmelzung der Betriebe der a s S GmbH mit der a d s S GmbH in K ...
für Sie ab dem 01.01.2008 ausschließlich die Tarifverträge,
Betriebsvereinbarungen und Regelungen der a d s S GmbH in K [gelten].
Dazu gehört u.a. auch der Tarifvertrag vom 02.07.1998, der
Eingruppierungstarifvertrag vom 15.12.1999 und die Betriebsvereinbarung zur
tariflichen Sonderleistung vom 01.09.2003 der a d s S GmbH in K. Entsprechend
der dort bestehenden Regelungen werden Sie neu eingruppiert.
…“
8 Der Kläger erhielt bis zum 31. Dezember 2008 das in dem Schreiben vom 14. Januar 2008
mitgeteilte Entgelt einschließlich einer Besitzstandszulage iHv. 2.592,56 Euro. Ab dem
Juli 2008 verrechnete die Beklagte eine Entgelterhöhung nach den von ihr angewendeten
Haustarifverträgen von 44,00 Euro brutto monatlich mit der Besitzstandszulage. In der Zeit
vom 1. Januar 2009 bis zum 30. April 2009 wurde dem Kläger ein monatliches Entgelt von
1.956,50 Euro brutto und ab dem 1. Mai 2009 von 1.985,50 Euro brutto gezahlt. Mit der
Abrechnung für November 2009 leistete die Beklagte eine Erfolgsbeteiligung iHv.
1.040,00 Euro brutto und im Dezember 2009 eine Aufstockungszahlung iHv. 110,00 Euro
brutto, um ein festgelegtes Mindestjahresgehalt von 25.000,00 Euro zu erreichen.
9 Nach erfolgloser Geltendmachung hat der Kläger mit seiner Klage für das Jahr 2008 eine
siebenmonatige Differenz von jeweils 44,00 Euro brutto, für die Monate Januar 2009 bis
April 2009 eine Entgeltdifferenz von jeweils 636,06 Euro brutto und für die Zeit von Mai
2009 bis Februar 2010 eine iHv. 607,06 Euro brutto monatlich verlangt. Er hat die
Auffassung vertreten, die Beklagte habe sein Entgelt ohne Grundlage gekürzt. Die Klausel
in § 3 des Arbeitsvertrages könne nicht als sog. Tarifwechselklausel ausgelegt werden. Es
seien vielmehr die für die VCS geltenden betrieblichen Tarifverträge maßgebend. Die
Bezugnahmeklausel halte auch einer AGB-Kontrolle nicht stand. Daher verbleibe es bei
der ehemaligen „Tarifbindung vor dem Tarifwechsel“.
10 Der Kläger hat zuletzt in der Sache beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 308,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit 1. Januar 2009 zu zahlen
(Gehaltsdifferenz 2008),
2.-
15.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.614,84 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins nach bestimmter zeitlicher
Staffelung zu zahlen (Gehaltsdifferenz Januar 2009 - Februar 2010).
11 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe aufgrund der
anzuwendenden Haustarifverträge lediglich einen Entgeltanspruch iHv. 1.985,50 Euro.
Auf das Arbeitsverhältnis seien die 1998 und 1999 geschlossenen Haustarifverträge
aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit anzuwenden. Die bei der VCS geltenden
Tarifregelungen seien nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst worden. Die
Anwendbarkeit der Haustarifverträge ergebe sich auch aus der Auslegung der
arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung.
12 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos
geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
sein Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
13 Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht konnte die
Klage nicht mit der von ihm gegebenen Begründung abweisen. Die Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts tragen nicht dessen Ergebnis, dass die Beklagte Vertragspartei des
TV Betrieb S und des ETV ist und diese kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das
zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gelten sollen. Ob die Klage
begründet ist, kann der Senat mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht
abschließend entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1
ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen
Verhandlung und Entscheidung (§ 563 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO).
14 I. Es steht derzeit noch nicht fest, dass die vormals bei der VCS geltenden und nach
§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis des Klägers transformierten
Tarifbestimmungen durch die des TV Betrieb S und des ETV nach § 613a Abs. 1 Satz 3
BGB abgelöst worden sind. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, bei dem TV
Betrieb S und dem ETV handele es sich um die nach § 5 des Arbeitsvertrages
maßgebenden, für die Beklagte „geltenden“ Tarifverträge oder die betrieblich oder fachlich
einschlägigen iSd. § 3 des Arbeitsvertrages, die allein von den Bezugnahmeregelungen
erfasst werden.
15 1. Eine Tarifgebundenheit der Beklagten an den TV Betrieb S und den ETV als
Voraussetzung einer Ablösung der früher bei der VCS geltenden und nach § 613a Abs. 1
Satz 2 BGB transformierten Tarifregelungen nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB kann auf
Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht angenommen
werden.
16 a) Die Rechtsnormen der bei der VCS geltenden Haustarifverträge, in denen ua. das
Entgelt des Klägers geregelt war, sind zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 1. Mai
2007 Inhalt des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten
iSd. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB geworden, da beide normativ tarifgebunden waren, § 3
Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG. Die tariflich geregelten Rechte und Pflichten sind infolge des
Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des mit der nicht
tarifgebundenen asS GmbH bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden (vgl. nur BAG
22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 20 ff., BAGE 130, 237).
17 b) Eine mögliche Ablösung dieser den Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmenden
Rechtsnormen der bei der VCS geltenden Tarifbestimmungen nach § 324 UmwG, § 613a
Abs. 1 Satz 3 BGB kann nur bei einer unmittelbaren und zwingenden Geltung des TV
Betrieb S und des ETV für die Parteien stattfinden. Eine solche kongruente
Tarifgebundenheit (zu diesem Erfordernis s. nur BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08 - Rn. 36
mwN, BAGE 135, 80) hat das Landesarbeitsgericht bisher nicht festgestellt.
18 aa) Der Kläger ist aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di an die 1998
und 1999 von der Gewerkschaft HBV und der DAG mit der R M GmbH für den S Betrieb
geschlossenen Haustarifverträge gebunden (vgl. BAG 11. Mai 2005 - 4 AZR 315/04 - zu I
2 c der Gründe, BAGE 114, 332; 24. Juni 1998 - 4 AZR 208/97 - zu 2 a der Gründe, BAGE
89, 193), wenn das Arbeitsverhältnis vom Anwendungsbereich dieser Tarifverträge erfasst
wird.
19 bb) Die für die Beklagten geltenden Tarifverträge würden (unter Beachtung ihres
Geltungsbereichs) nach der Verschmelzung der asS GmbH auf die Beklagte grundsätzlich
auch für die Arbeitnehmer der nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG erloschenen asS
GmbH gelten (BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 38 ff., BAGE 123, 213).
20 cc) Offen ist aber, ob die Beklagte überhaupt an diese Tarifverträge gebunden ist.
21 (1) Die beiden Tarifverträge wurden auf Arbeitgeberseite ursprünglich von der R M GmbH
für deren Betrieb in S abgeschlossen.
22 (2) Allein aufgrund der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Spaltung der R M GmbH
im Wege der Ausgliederung auf einen bestehenden Rechtsträger iSd. § 123 Abs. 3 Nr. 1
UmwG ist die Beklagte jedenfalls nicht Partei des TV Betrieb S und des ETV geworden.
23 (aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die M sei als aufnehmender
Rechtsträger in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers - der R M GmbH -
einrückt. Dies folge aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, auf den § 125 UmwG im Fall der
Spaltung durch Ausgliederung verweise.
24 (bb) Das ist rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, dass die Verweisung
in § 125 Satz 1 UmwG ua. auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG nur eingreift, soweit sich aus dem
Dritten Buch des UmwG nichts anderes ergibt. Das ist bei einer zu beurteilenden
Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG aber schon deshalb der Fall, weil der
übertragende Rechtsträger, die R M GmbH, anders als in § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG
vorgesehen, nicht erloschen ist. Deshalb kann auch nicht von einer
Gesamtrechtsnachfolge, die § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG regelt, ausgegangen werden.
25 (cc) Kommt es zu einer Ausgliederung im Wege der Spaltung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1
UmwG, ist vielmehr im Spaltungs- und Übernahmevertrag nach § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG
festzulegen, welcher der beiden Rechtsträger in die Rechtsstellung als Vertragspartei
eines Haustarifvertrages eintritt (Boecken Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht
Rn. 207 f.; Thüsing/Braun/Heise Tarifrecht 11. Kap. Rn. 78; Bonanni/Mehrens ZIP 2012,
1217, 1219 f.; Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung
von Unternehmen 4. Aufl. E 100 f.; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 2 Rn. 381;
Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 197; Sieg/Maschmann
Unternehmensumstrukturierung aus arbeitsrechtlicher Sicht 2. Aufl. Rn. 276; anders
Sagan RdA 2011, 163, 165, der § 613a Abs. 1 BGB bei Firmentarifverträgen gegenüber
den Bestimmungen des UmwG für vorrangig erachtet; ebenso ErfK/Preis 12. Aufl. § 613a
BGB Rn. 186). Es erfolgt lediglich eine partielle Gesamtrechtsnachfolge, wie es auch
§ 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG festlegt (ausdrücklich für den Fall eines Haustarifvertrages
Teichmann in Lutter UmwG 4. Aufl. § 131 Rn. 43). Fehlt es an einer Regelung, verbleibt
der übertragende Rechtsträger in seiner Stellung als Vertragspartei. Eine „Duplizierung“
der Vertragsparteien, durch die auch der übernehmende Rechtsträger in die Position einer
- zusätzlichen - Partei eines Haustarifvertrages gelangt und nunmehr mehrere
Tarifverträge bestehen (so Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin Arbeitsrecht bei
Unternehmensumwandlung und Betriebsübergang 4. Aufl. § 5 Rn. 104; Däubler/Lorenz
TVG 3. Aufl. § 3 Rn. 186, der aber eine abweichende Regelung im Spaltungs- und
Übernahmevertrag für möglich hält; Wellenhofer-Klein ZfA 1999, 239, 262), entspricht nicht
der gesetzgeberischen Konzeption einer Spaltung. Bei dieser ist die - partielle -
Gesamtrechtsnachfolge und die damit verbundene Zuordnung von Rechten und Pflichten
im Spaltungs- und Übernahmevertrag zu regeln. Dieser gesetzlichen Regelung kann
entnommen werden, dass es nicht zu einer „Vervielfachung“ von Rechtspositionen
kommen soll, weil dies den Grundsätzen einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge
widerspricht (s. nur Löwisch/Rieble § 2 Rn. 381). Das unterscheidet die Situation von
derjenigen einer Verschmelzung, bei der der verschmolzene Rechtsträger erlischt.
26 (dd) Ob eine Regelung durch Zuordnung in einem Spaltungs- und Übernahmevertrag
anlässlich der Ausgliederung im Jahre 2001 getroffen worden ist, hat das
Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Von einer kongruenten Tarifgebundenheit der
Parteien an den TV Betrieb S und den ETV kann deshalb nicht ohne Weiteres
ausgegangen werden.
27 (3) Eine Rechtsnachfolge der M kann auch nicht allein aus dem Umstand gefolgert
werden, die 1998 und 1999 geschlossenen Tarifverträge beanspruchten allein für den
Betrieb in S als dem ausgegliederten Teil des Vermögens der R M GmbH Geltung. Selbst
wenn dies zutreffen sollte, bedarf es aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit
einer verbindlichen - und zudem ohne Weiteres möglichen - Festlegung iSd. § 126 Abs. 1
Nr. 9 UmwG. Nur so lässt sich verbindlich bestimmen, wer zukünftig auf Arbeitgeberseite
Vertragspartner eines Haustarifvertrages ist und für welche tarifgebundenen Arbeitnehmer
der Tarifvertrag noch unmittelbare und zwingende Geltung hat (zu dieser Funktion BAG
18. November 2009 - 4 AZR 491/08 - Rn. 16, BAGE 132, 268).
28 II. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur
Zurückverweisung. Eine Stattgabe der Klage ist nicht aus anderen Gründen möglich. Im
Falle einer kongruenten Tarifgebundenheit der Parteien kommt es zu einer Ablösung der
vormaligen, bei der VCS geltenden tariflichen Regelungen, die allein den Anspruch des
Klägers begründen können. Zugleich wären dann der TV Betrieb S und der ETV aufgrund
der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden. Der
Arbeitsvertrag des Klägers enthält eine wirksame sog. Tarifwechselklausel.
29 1. Der Kläger hat im Arbeitsvertrag mit der VCS eine sog. Tarifwechselklausel vereinbart
(zu den Maßstäben der Auslegung BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 21 mwN, BAGE
138, 269), die zur Anwendbarkeit der geltenden Haustarifverträge der Beklagten führt.
30 a) Die im Vertrag mit der VCS enthaltene Bezugnahmeklausel in § 3 und ihre
Konkretisierung in § 5 erfassen kein bestimmtes Bezugnahmeobjekt. Sie verweisen weder
auf einen konkreten Tarifvertrag oder auf Tarifverträge eines bestimmten Arbeitgebers,
noch benennen sie eine (bestimmte) Branche, Fläche oder Region (vgl. auch BAG 16. Mai
2012 - 4 AZR 321/10 - Rn. 45, NZA 2012, 923). Nach § 5 des Arbeitsvertrages sind
hinsichtlich des Entgelts die für den Arbeitgeber „jeweils geltenden tariflichen
Bestimmungen“ anzuwenden, also diejenigen, an die der Arbeitgeber gebunden ist (vgl.
ähnlich zu einer sog. Tarifwechselklausel BAG 16. Oktober 2002 - 4 AZR 467/01 -
BAGE 103, 141). Fehlt es an einer solchen Tarifgebundenheit, greift hinsichtlich des
Entgelts die Regelung in § 3 des Arbeitsvertrages ein, wonach die „betrieblich/fachlich
jeweils einschlägigen Tarifverträge“ maßgebend sein sollen. Das sind diejenigen, die von
ihrem fachlichen oder betrieblichen Geltungsbereich (zur Terminologie etwa
Däubler/Lorenz § 3 Rn. 230 ff.), den die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer
Tarifzuständigkeit autonom festlegen, den Betrieb oder das Unternehmen, in dem der
Kläger jeweils tätig ist, erfassen.
31 b) Entgegen der Auffassung des Klägers finden aufgrund der Bezugnahmeklausel nicht
ausschließlich die Tarifverträge der VCS Anwendung. Weder aus dem Wortlaut noch aus
den Begleitumständen des Vertragsschlusses ergeben sich für diese Auffassung
Anhaltspunkte. Ein bestimmter Arbeitgeber ist nicht genannt. Er kann auch nicht in die
Bezugnahmeregelungen „hineingelesen“ werden, indem der Name des
vertragschließenden ehemaligen Arbeitgebers als Klauselbestandteil „mitgedacht“ wird
(BAG 20. Juni 2012 - 4 AZR 658/10 - Rn. 24).
32 2. Die Bezugnahmeregelungen sind auch wirksam in den Vertrag einbezogen worden.
33 a) Die Verweisungsklauseln in § 3 und § 5 des Arbeitsvertrages sind weder von ihrer
äußeren Form noch aufgrund ihrer inhaltlichen Gestaltung überraschend iSv. § 305c
Abs. 1 BGB (zu den Maßstäben s. nur BAG 19. August 2010 - 8 AZR 645/09 - Rn. 54, AP
BGB § 307 Nr. 49) und damit Vertragsbestandteil geworden. Ein Arbeitnehmer muss damit
rechnen, dass ein Arbeitgeber auf die für ihn geltenden oder die betrieblich und fachlich
einschlägigen Tarifverträge verweist (vgl. BAG 10. Dezember 2008 - 4 AZR 801/07 -
Rn. 42, BAGE 129, 1 zur Bezugnahme von AVR). Das gilt auch, wenn nur auf einzelne
Regelungsbereiche wie in § 5 des Arbeitsvertrages hinsichtlich der Entgeltbestimmungen
verwiesen wird (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 26, AP TVG § 1 Bezugnahme
auf Tarifvertrag Nr. 88) oder wenn eine sog. Tarifwechselklausel im Falle eines
Branchenwechsels zur Anwendbarkeit der dort geschlossenen Tarifverträge führt. Zwar
darf die Auslegung einer vertraglichen Verweisung nicht so weit ausgedehnt werden, dass
für die Parteien des Rechtsgeschäfts zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses deren
Tragweite nicht mehr vorhersehbar ist (BVerfG 23. April 1986 - 2 BvR 487/80 - zu B III 1 b
der Gründe, BVerfGE 73, 261). Das ist vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil die
Bezugnahmeregelungen schon von ihrem Wortlaut her auch Fälle eines
„Branchenwechsels“ eindeutig erfassen.
34 b) Die streitgegenständliche Klausel ist auch nicht intransparent, § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm.
Abs. 1 Satz 2 BGB.
35 aa) Eine dynamische Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelungswerkes führt
für sich genommen noch nicht zur Intransparenz. Bezugnahmeklauseln, auch dynamische,
sind im Arbeitsrecht weit verbreitet. Sie entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und
dienen den Interessen beider Parteien eines auf die Zukunft gerichteten
Arbeitsverhältnisses. Dass bei Vertragsabschluss noch nicht absehbar ist, welchen
zukünftigen Inhalt die in Bezug genommenen Tarifregelungen haben werden, ist
unerheblich. Die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung geltenden, in Bezug
genommenen Regelungen sind bestimmbar. Das ist zur Wahrung des
Transparenzgebotes ausreichend (ausf. BAG 10. Dezember 2008 - 4 AZR 801/07 -
Rn. 49 ff., BAGE 129, 1; weiterhin 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 30 ff. mwN, AP
TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 88; 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 -
Rn. 31 f., BAGE 128, 73; 15. April 2008 - 9 AZR 159/07 - Rn. 78, AP TVG § 1 Altersteilzeit
Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21; 14. März 2007 - 5 AZR 630/06 - Rn. 26 ff.,
BAGE 122, 12).
36 bb) Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus dem Umstand, dass die auf den TV Betrieb S
verweisende Klausel wegen des dortigen Verweises auf die Entgelte des herstellenden
Buchhandels letztlich diese Tarifverträge zur Anwendung bringt. Auch mehrstufige
Verweisungen sind im Arbeitsrecht üblich. Ein Tarifvertrag, der einzelvertraglich
dynamisch in Bezug genommen worden ist, kann seinerseits auf weitere, nicht statische
Rechtsquellen verweisen (BAG 18. November 2009 - 4 AZR 493/08 - Rn. 26, AP BGB
§ 611 Kirchendienst Nr. 54 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 13).
37 c) Einer weitergehenden Inhaltskontrolle unterliegen die streitgegenständlichen Klauseln
nicht, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.
38 aa) Nach dieser Vorschrift unterfallen Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nur dann, wenn durch sie
von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart
werden.
39 (1) Dazu gehören nicht solche Klauseln, die wie § 5 des Arbeitsvertrages (nur) den
Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung festlegen. Im
Arbeitsverhältnis sind das vor allem die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt (BAG
23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 30 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag
Nr. 88; 27. August 2008 - 5 AZR 820/07 - Rn. 22, BAGE 127, 319; 14. März 2007 - 5 AZR
630/06 - Rn. 24, BAGE 122, 12). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, über die Kontrolle
allgemeiner Geschäftsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB den „gerechten Preis“ zu
ermitteln (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 115, 372).
40 (2) Die Bezugnahmeklausel in § 3 des Arbeitsvertrages unterliegt gleichfalls nicht einer
uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Sie enthält keine von
Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen. Die Revision
verkennt, dass Klauseln wie die vorliegende über das Transparenzgebot hinaus mangels
einem eigenen kontrollfähigen Inhalt keiner weitergehenden Inhaltskontrolle unterliegen.
Ihr Regelungsgehalt beschränkt sich auf die Verweisung als solche. Der Inhalt des
Arbeitsverhältnisses wird nahezu ausschließlich durch die Regelungen des
Bezugnahmeobjekts bestimmt, ggf. unter Einbeziehung der in § 5 benannten
Tarifregelungen, die bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers mit denjenigen Tarifverträgen
nach § 3 des Vertrages in einem Zusammenhang stehen. Eine Abweichung von
Rechtsvorschriften kann sich daher lediglich aus den in Bezug genommenen Regelungen,
nicht jedoch aus der Verweisungsklausel selbst ergeben (vgl. ausf. BAG 10. Dezember
2008 - 4 AZR 801/07 - Rn. 43 ff. mwN, BAGE 129, 1).
41 (3) Soweit die Revision anführt, die Klausel verweise auf einen fachfremden Tarifvertrag
und sei deshalb unangemessen, ist dies unzutreffend. Der Kläger übersieht, dass nicht die
Bezugnahmeregelung, sondern erst der Haustarifvertrag, auf den ggf. - aber dann als
einschlägigen Tarifvertrag, weil die Beklagte an ihn gebunden ist - verwiesen wird, auf die
Entgeltbestimmungen für den herstellenden Buchhandel verweist.
42 bb) Da die Klauseln nicht intransparent sind (oben II 2 b), kann dahinstehen, ob in einem
solchen Fall eine unangemessene Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2
BGBgesondert geprüft werden müsste (vgl. dazu BAG 24. September 2008 - 6 AZR
76/07 - Rn. 33 mwN, BAGE 128, 73).
43 cc) Die Bezugnahmeklauseln sind nach den vorstehenden Ausführungen schließlich nicht
anhand des Klauselverbots nach § 308 Nr. 4 BGB zu überprüfen. Die dynamische
Verweisung auf ein anderes tarifliches Regelungswerk enthält keinen Änderungsvorbehalt
iSd. § 308 Nr. 4 BGB. Weder der VCS war noch der Beklagten ist damit ein Recht
vorbehalten, diesen Vereinbarungsinhalt einseitig abzuändern (vgl. BAG 26. Januar 2005
- 4 AZR 509/03 - zu II 2 c aa der Gründe; 10. Dezember 2008 - 4 AZR 801/07 - Rn. 47
mwN, BAGE 129, 1). Eine Änderung des Inhalts des Arbeitsvertrages kann sich ohne
Zustimmung des Klägers nur durch eine Änderung der in Bezug genommenen
Tarifregelungen ergeben, für die wiederum eine Einigung mit der zuständigen
Gewerkschaft erforderlich ist.
44 3. Mit diesem vertraglichen Inhalt ist das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a Abs. 1
Satz 1 BGB auf die asS GmbH und später auf die Beklagte übergegangen. An dem Inhalt
der vertraglichen Vereinbarung hat sich durch den Betriebsübergang nichts geändert (st.
Rspr., ua. BAG 17. November 2010 - 4 AZR 391/09 - Rn. 19 mwN, BAGE 136, 184). Der
Erwerber steht hinsichtlich der Vertragsklauseln so, als hätte er sie selbst abgeschlossen.
Aufgrund der geltenden vertraglichen Bezugnahmeklauseln finden nach § 5 die „jeweils
geltenden“ Tarifverträge und weiterhin nach § 3 die „betrieblich/fachlich“ jeweils
einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
45 III. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht darüber
hinaus zu beachten haben, ob die beiden Haustarifverträge selbst bei einer
Tarifgebundenheit der Beklagten überhaupt für den Kläger unmittelbar und zwingend
gelten können. Dies ist deshalb erforderlich, weil sich der Geltungsbereich des TV Betrieb
S wie auch des ETV auf eine bestimmte bestehende betriebliche Organisationseinheit -
den damaligen Betrieb der R M GmbH in S - bezogen hat. Ob die Haustarifverträge auch
für denjenigen Betrieb, in dem der Kläger jetzt beschäftigt ist, Geltung beanspruchen
können, wird das Landesarbeitsgericht deshalb zu prüfen haben.
46 Unabhängig von der beiderseitigen Tarifgebundenheit der Parteien an den TV Betrieb S
und den ETV wird das Landesarbeitsgericht hinsichtlich des Antrages zu 1) weiter zu
prüfen haben, inwieweit die Beklagte berechtigt war, eine sich aus dem 1998
geschlossenen Tarifvertrag ergebende Entgelterhöhung iHv. 44,00 Euro auf das von ihr zu
leistende Entgelt anzurechnen und die für den Dezember 2009 geleistete Einmalzahlung
iHv. 110,00 Euro brutto berücksichtigen konnte.
Eylert
Winter
Treber
Lippok
Pust