Urteil des BAG vom 13.03.2017

BAG (erlöschen des anspruchs, arbeitsverhältnis, arbeitskampf, höhe, kläger, bag, arbeitnehmer, streik, bestand, urlaub)

Siehe auch:
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 13.2.2007, 9 AZR 374/06
Maßregelungsklausel in tariflicher Protokollnotiz - tarifliche Jahresleistung und tarifliches Urlaubsgeld - §§
4, 10 MTV Tageszeitungen - Beteiligung an einem gewerkschaftlich geführten Streik
Leitsätze
Eine Maßregelungsklausel, nach der das Arbeitsverhältnis "durch die Arbeitskampfmaßnahme als nicht
ruhend" gilt, steht der Minderung einer tariflichen Jahresleistung entgegen, deren Höhe "für Zeiten
unbezahlter Arbeitsbefreiung" gekürzt wird.
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Düsseldorf vom 8. März 2006 - 12 Sa 1331/05 - wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass Zinsbeginn der 20. Mai 2005 ist.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Höhe eines tariflichen Urlaubsgeldes und einer tariflichen
Jahresleistung.
2 Der Kläger zu 2) war bei der Beklagten als Redakteur beschäftigt. Die Parteien sind tarifgebunden.
Im Dezember 2003, Januar und Februar 2004 beteiligte sich der Kläger zu 2) an einem
gewerkschaftlich geführten Streik zur Durchsetzung des Manteltarifvertrags für Redakteurinnen und
Redakteure an Tageszeitungen (MTV). Der Tarifabschluss kam am 25. Februar 2004, rückwirkend
zum 1. Januar 2003, zustande. Zugleich vereinbarten die Tarifvertragsparteien in einer
Protokollnotiz (PN) zum Tarifabschluss unter Nr. 5 eine Maßregelungsklausel, in der es ua. heißt:
a) Jede Maßregelung von Redakteurinnen/Redakteuren bzw. Volontärinnen/Volontären und
freien Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen aus Anlass der
Tarifverhandlungen für einen neuen MTV und GTV für Redakteurinnen und Redakteure
an Tageszeitungen und einen neuen Tarifvertrag für die freien arbeitnehmerähnlichen
Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen unterbleibt oder wird rückgängig
gemacht, falls sie erfolgt ist. Streikbedingte Leistungen an Redakteurinnen/Redakteure
und Volontärinnen/Volontäre bzw. freie Journalistinnen und Journalisten an
Tageszeitungen unterfallen nicht diesem Maßregelungsverbot.
...
c) Soweit Ansprüche oder Anwartschaften von der ununterbrochenen Beschäftigung oder
Betriebszugehörigkeit abhängen oder davon, dass das Arbeitsverhältnis nicht geruht hat,
gelten die Beschäftigungsdauer oder Betriebszugehörigkeit durch die
Arbeitskampfmaßnahmen als nicht unterbrochen, das Arbeitsverhältnis als nicht ruhend.”
3 In § 4 MTV ist bestimmt:
In § 4 MTV ist bestimmt:
Ҥ 4
Jahresleistung
Die Redakteure/Redakteurinnen haben Anspruch auf eine spätestens am 31. Dezember eines
jeden Jahres fällige tarifliche Jahresleistung unter folgenden Voraussetzungen:
1. Die Redakteure/Redakteurinnen erhalten eine tarifliche Jahresleistung in Höhe von 95 %
des jeweiligen zum Fälligkeitszeitpunkt gültigen tariflichen Monatsgehaltes. ...
2. Anspruch auf die volle Jahresleistung hat derjenige/diejenige Redakteur/Redakteurin,
dessen/deren Anstellungsverhältnis das ganze laufende Fälligkeitsjahr bestand. Im Falle
des Eintritts und/oder Ausscheidens im Laufe des Fälligkeitsjahres erhält der
Redakteur/die Redakteurin für jeden vollen Kalendermonat des Bestehens des
Anstellungsverhältnisses ein Zwölftel der Jahresleistung. Angefangene Monate werden
als volle Monate gewertet, wenn die Betriebszugehörigkeit 15 Kalendertage übersteigt.
Absatz 2 Satz 3 gilt nicht bei Kündigung durch den Verlag aus wichtigem Grund. In den
Fällen des Ausscheidens wird die Auszahlung der Jahresleistung fällig mit dem Tage der
Beendigung des Anstellungsverhältnisses.
3. Für Zeiten unbezahlter Arbeitsbefreiung wird die Jahresleistung entsprechend gekürzt.
4. Die tarifliche Jahresleistung bleibt bei der Berechnung aller tariflichen und gesetzlichen
Durchschnittsentgelte und in sonstigen Fällen, in denen Ansprüche irgendwelcher Art von
der Höhe des Arbeitsentgelts abhängig sind, außer Ansatz.
5. Teilzeitbeschäftigte erhalten eine anteilige Jahresleistung nach dem Verhältnis der mit
ihnen vereinbarten Arbeitszeit zur tariflichen Arbeitszeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1).
6. Während des Fälligkeitsjahres aufgrund vom Arbeitgeber festgelegter oder vereinbarter
Regelung bereits gezahlte oder noch zu zahlende Sondervergütungen, wie z. B.
Jahresabschlussvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen,
Weihnachtsgeld und ähnliches, können auf diese tarifliche Jahresleistung angerechnet
werden. Das bedeutet, dass jedoch mindestens der aufgrund dieser tariflichen
Vereinbarung für das jeweilige Jahr vorgesehene Betrag gezahlt werden muss. Durch
diese tarifvertragliche Regelung über Jahresleistungen entstehen bis zu deren Höhe keine
Doppelansprüche. Andererseits werden von dieser tariflichen Regelung Jahresleistungen
aufgrund betrieblicher oder einzelvertraglicher Vereinbarung nicht berührt, soweit sie in
ihrer Höhe die tarifliche Jahresleistung übersteigen.”
4 § 10 MTV lautet:
Ҥ 10
Urlaubsgeld
1. a) Redakteure/Redakteurinnen erhalten ein Urlaubsgeld. Es beträgt für das volle
Urlaubsjahr 80 Prozent eines Monatsgehalts (§ 3), unabhängig von der Dauer des
Jahresurlaubs.
b) Wer im Laufe des Kalenderjahres eintritt oder ausscheidet, erhält für jeden Monat
Verlagszugehörigkeit im Kalenderjahr ein Zwölftel des Urlaubsgeldes.
2. Das Urlaubsgeld wird berechnet:
a) bei Redakteuren/Redakteurinnen vom Bruttogehalt einschließlich übertariflicher
Zulagen und Leistungszulagen (Effektivgehalt),
b) bei ...
c) Maßgebend ist das Gehalt im letzten Monat vor Urlaubsantritt.
3. Gratifikationen und sonstige über das Effektivgehalt hinausgehende Zahlungen
(Spesenpauschalen usw.) bleiben bei der Berechnung des Urlaubsgeldes außer Ansatz.
4. Das Urlaubsgeld ist vor Urlaubsantritt fällig; es wird in einer Summe ausgezahlt. Bei
Urlaubsteilung ist der Zeitpunkt der Auszahlung zwischen Verlag und
Redakteur/Redakteurin zu vereinbaren.”
5 Die Beklagte stellte in die Verdienstabrechnung des Klägers zu 2) für Februar 2004 einen
Minusbetrag von 762,73 Euro ein. Der Betrag entspricht der für 24 Streiktage anteiligen Minderung
der Jahresleistung 2004 (414,05 Euro) und des Urlaubsgeldes 2004 (348,68 Euro). Jahresleistung
und Urlaubsgeld wurden später in voller Höhe ausgezahlt.
6 Mit der am 17. Mai 2005 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger zu 2) die
Zahlung der einbehaltenen Beträge, abzüglich 100,00 Euro, bezogen auf das Urlaubsgeld. In dieser
Höhe hat er seine Forderung an den Kläger zu 1) abgetreten, dessen Zahlungsklage vom
Landesarbeitsgericht rechtskräftig abgewiesen worden ist. Der Kläger zu 2) hat im Wesentlichen
geltend gemacht, beide Sonderzahlungen stünden ihm ungekürzt zu; jedenfalls verstoße die
Beklagte mit der Einbehaltung gegen die tarifliche Maßregelungsklausel.
7 Der Kläger zu 2) hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 662,73 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2004 zu zahlen.
8 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
9 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der
Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landesarbeitsgericht
zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
10 Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht
verurteilt, an den Kläger zu 2) 662,73 Euro zu zahlen.
11 I. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, Streitgegenstand seien die Ansprüche des Klägers
zu 2) auf die tariflichen Sonderzahlungen für das Jahr 2004. Das trifft so nicht zu. Denn die
Beklagte hat beide Zahlungen in voller Höhe geleistet. Sie hat stattdessen im Vorgriff auf die erst
später fällig werdenden Leistungen das Entgelt für Februar 2004 um den vermeintlichen
Kürzungsbetrag gemindert, möglicherweise einen Teilbetrag in die Verdienstabrechnung für den
Monat März 2004 übertragen. Gegenstand der Klageforderung sind damit (unstreitige)
Entgeltansprüche des Klägers zu 2) für Februar 2004, ggf. auch für März 2004, denen gegenüber
die Beklagte aufrechnet. Feststellungen hierzu fehlen. Nachdem der Kläger zu 2) in der Revision
seine Klage teilweise zurückgenommen hat und Zinsen nicht mehr ab 1. März 2004, sondern erst
ab Rechtshängigkeit verlangt, bedarf dies keiner weiteren Sachaufklärung. Der Beklagten stehen
keine aufrechenbare Gegenansprüche zu.
12 II. Die Beklagte hat dem Kläger zu 2) zu Recht die ungekürzte Jahresleistung gezahlt.
13 1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte habe die Jahresleistung deshalb
in voller Höhe geschuldet, weil streikbedingte Ausfalltage keine “Zeiten unbezahlter
Arbeitsbefreiung” iSv. § 4 Abs. 3 MTV seien. Deshalb komme es nicht darauf an, ob mit dem
Arbeitsgericht anzunehmen sei, die in der PN Nr. 5 Buchst. c vereinbarte Maßregelungsklausel
stehe einer Anspruchsminderung entgegen.
14 2. Dem stimmt der Senat nur im Ergebnis zu. Der Anspruch ergibt sich aus § 4 MTV iVm. der
Protokollnotiz Nr. 5 Buchst. c.
15 a) Der Kläger zu 2) wird nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts von dem
persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags (§ 1 MTV) erfasst. Beide Parteien sind
tarifgebunden. Der MTV ist damit unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis der Parteien
anzuwenden (§ 4 Abs. 1 TVG).
16 b) Nach dem Eingangssatz von § 4 MTV hat jeder Redakteur Anspruch auf eine spätestens am
31. Dezember eines Jahres fällige tarifliche Jahresleistung. Nach § 4 Abs. 2 MTV erhält derjenige
die volle Jahresleistung, dessen Arbeitsverhältnis während des gesamten laufenden
Fälligkeitsjahres bestanden hat. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger zu 2). Das
Arbeitsverhältnis der Parteien bestand während des gesamten Jahres 2004. Die Teilnahme an
einem Streik beendet weder das Arbeitsverhältnis noch wird es rechtlich unterbrochen. Es kommt
vielmehr zum Ruhen (st. Rspr. vgl. BAG 17. Juni 1997 - 1 AZR 674/96 - AP GG Art. 9
Arbeitskampf Nr. 150 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 128; 3. August 1999 - 1 AZR 735/98 -
BAGE 92, 154) . Hiervon geht auch die Beklagte aus.
17 c) Eine durch § 4 Abs. 3 MTV bewirkte Kürzung der Jahresleistung “für Zeiten unbezahlter
Arbeitsbefreiung” scheidet nicht schon deshalb aus, weil die unbezahlten Ausfallzeiten des Klägers
zu 2) auf seiner Teilnahme an dem gewerkschaftlich organisierten Streik beruhen. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Tarifvertragsparteien festlegen,
in welchem Umfang eine tarifliche Sonderzahlung durch Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung
ausgeschlossen oder gemindert werden soll (vgl. BAG 3. August 1999 - 1 AZR 735/98 - BAGE 92,
154). Arbeitskampfbedingte Ausfalltage ohne Entgeltanspruch des Arbeitnehmers können
dementsprechend anspruchsmindernd wirken. Darin liegt dann keine iSv. § 612a BGB verbotene
Maßregelung, wenn die Regelung generell für Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung und nicht
nur für den Arbeitskampf gilt. Die Arbeitsvertragsparteien vollziehen in diesem Fall lediglich eine
bereits vorgegebene Ordnung nach (st. Rspr. vgl. schon BAG 15. Mai 1964 - 1 AZR 432/63 - AP
BGB § 611 Gratifikation Nr. 35; 3. August 1999 - 1 AZR 735/98 - aaO; 20. Dezember 1995 -
10 AZR 742/94 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 141 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie
Nr. 135).
18 d) Ob die Teilnahme an einem Streik als “unbezahlte Arbeitsbefreiung” iSd. Tarifvorschrift zu
beurteilen ist und deshalb zu einem insoweit verkürzten Anspruch führt, bedarf keiner
abschließenden Entscheidung (zum Begriff Arbeitsbefreiung MünchArbR/Blomeyer § 47). Einer
Berücksichtigung der Ausfalltage steht die von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Protokollnotiz
zum Tarifabschluss vom 25. Februar 2004 Nr. 5 Buchst. c entgegen. Sie wirkt normativ auf die
Arbeitsverhältnisse der Arbeitsvertragsparteien, soweit - wie hier - diese beiderseits tarifgebunden
sind (Däubler/Reim TVG 2. Aufl. § 1 Rn. 1195). Die einschlägige Maßregelungsklausel ist deshalb
wie ein Tarifvertrag objektiv auszulegen. Die Auslegung führt hier zu dem Ergebnis, dass die
streikbedingt ausgefallene Arbeitszeit den Anspruch auf die Jahresleistung nicht schmälert.
19 aa) Die Beklagte macht zunächst zutreffend geltend, dass eine allgemein gehaltene Klausel, die
lediglich die “Maßregelung” wegen der Teilnahme am Streik untersagt, die Minderung von
Sonderzahlungen dann nicht verhindert, wenn die Sonderzahlung allgemein von der Anwesenheit
des Arbeitnehmers im Betrieb oder davon abhängt, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum
nicht zeitweise unbezahlt von der Arbeitspflicht befreit ist (vgl. BAG 17. Juni 1997 - 1 AZR 674/96 -
AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 150 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 128; 3. August 1999 - 1
AZR 735/98 - BAGE 92, 154). Eine solche Regelung enthält die Protokollnotiz Nr. 5 Buchst. a. Sie
verbietet arbeitsrechtliche Maßnahmen des Arbeitgebers wegen des Streiks und gebietet deren
Rückgängigmachung.
20 bb) Die Regelung in der Protokollnotiz Nr. 5 Buchst. c schließt entgegen der Auffassung der
Beklagten die Berücksichtigung der streikbedingten Fehlzeiten als Zeiten “unbezahlter
Arbeitsbefreiung” aus.
21 (1) Das zeigt schon ihr vorrangig zu berücksichtigender Wortlaut. Danach gilt das
Arbeitsverhältnis durch den Arbeitskampf “als nicht ruhend”, soweit Ansprüche davon abhängen,
“dass das Arbeitsverhältnis nicht geruht hat”. Diese Formulierung lässt nur den Schluss zu, dass
das Arbeitsverhältnis nach dem Willen der Tarifvertragsparteien fiktiv durchgehend als aktives
Arbeitsverhältnis behandelt werden soll. Damit haben sie nicht die eher ungewöhnliche Regelung
vereinbart, der Arbeitgeber müsse das Entgelt für die arbeitskampfbedingt ausgefallene Arbeitszeit
entrichten. Diesen Inhalt hat die Maßregelungsklausel nicht. Die unterbliebene Arbeitsleistung wird
nicht fingiert. Die Fiktion beschränkt sich auf die Nichtberücksichtigung des streikbedingten
Ruhens des Arbeitsverhältnisses. Nur insoweit gilt das Arbeitsverhältnis als nicht ruhend.
22 (2) Der mit der Maßregelungsklausel verfolgte Zweck bestätigt dieses Verständnis.
Maßregelungsklauseln dienen der Wiederherstellung des Arbeitsfriedens nach beendetem
Arbeitskampf. Die Trennung der Belegschaft in streikende und nicht streikende Arbeitnehmer soll
nicht über das Ende des Arbeitskampfes andauern. Künftig fällig werdende Ansprüche sollen nicht
deshalb entfallen, weil sich Arbeitnehmer an dem Arbeitskampf beteiligt haben (st. Rspr. vgl. BAG
13. Juli 1993 - 1 AZR 676/92 - BAGE 73, 320).
23 (3) Dem entspricht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Maßregelungsklauseln, die
ausschließlich Ansprüche einbeziehen, die “von der ununterbrochenen Beschäftigung oder
Betriebszugehörigkeit abhängen”. Eine solche Klausel hat das Bundesarbeitsgericht - über den
Wortlaut hinaus - auf eine tarifliche Jahresleistung in der Druckindustrie angewendet, die bei einem
Ruhen des Arbeitsverhältnisses im Kalenderjahr sich anteilig verkürzte (BAG 4. August 1987 - 1
AZR 488/86 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 89 mit zust. Anm. Rüthers/Henssler = EzA GG
Art. 9 Arbeitskampf Nr. 71; Löwisch/Rumler Anm. AR-Blattei D Arbeitskampf II E 30; vgl. auch 17.
Juni 1997 - 1 AZR 674/96 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 150 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf
Nr. 128).
24 III. Der Anspruch auf das tarifliche Urlaubsgeld bestand gleichfalls in voller Höhe. Das ergibt sich
auch ohne Anwendung des Maßregelungsverbots schon aus § 10 MTV.
25 1. Die Rüge der Beklagten, das Urteil des Landesarbeitsgerichts leide an einem absoluten
Revisionsmangel, weil es entgegen § 547 Nr. 6 ZPO nicht begründet habe, weshalb die Beklagte
das ungekürzte Urlaubsgeld schulde, greift nicht durch. Das Landesarbeitsgericht hat
zulässigerweise bestätigend iSv. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO auf die Entscheidung der
Vorinstanz Bezug genommen und sich die Argumente aus der Entscheidung des
Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 24. November 2005 (- 4 Sa 294/05 -) zu eigen
gemacht. Da letztere auch bereits Gegenstand der Erörterung vor dem Berufungsgericht war, ist
dieses Verfahren nicht zu beanstanden.
26 2. Die Tarifvertragsparteien waren befugt, ohne Rücksicht auf Arbeitspflichten oder
Urlaubsansprüche die hier als Urlaubsgeld bezeichnete Sonderzahlung zu vereinbaren.
Arbeitskampfbedingte Ausfalltage können sich bei einer derartigen Sonderzahlung
anspruchsmindernd auswirken. Das Entstehen oder Erlöschen des Anspruchs bestimmt sich
jedoch nicht nach einem vermeintlichen Gratifikations- oder Entgeltcharakter der tariflichen
Leistung, sondern nach dem Inhalt der tariflichen Regelung (st. Rspr. vgl. Senat 3. April 2001 - 9
AZR 166/00 - AP BUrlG § 11 Urlaubsgeld Nr. 19 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 45). Maßgebend
sind die normierten Anspruchsvoraussetzungen und Ausschlusstatbestände (vgl. BAG 18. März
1997 - 9 AZR 84/96 - BAGE 85, 306, 309; 6. September 1994 - 9 AZR 92/93 - AP TVG § 1
Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 50 = EzA BUrlG § 11 Nr. 34) . Der von der Beklagten
herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Oktober 1990 (- 6 AZR
156/89 - BAGE 66, 169) ist nichts anderes zu entnehmen. Sie betrifft die Auslegung einer
einzelvertraglichen Vereinbarung über die Zahlung eines sog. 13. Gehalts.
27 3. Weder der Wortlaut des § 10 MTV noch dessen Zusammenhang mit anderen Vorschriften
bieten Anhaltspunkte für die Auslegung der Beklagten, die Tarifvertragsparteien hätten den
Anspruch auf das tarifliche Urlaubsgeld von der tatsächlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers
abhängig gemacht.
28 a) Nach § 10 Abs. 1 Buchst. a MTV erhalten die Redakteurinnen und Redakteure ein Urlaubsgeld,
das für das volle Urlaubsjahr unabhängig von der Dauer des Jahresurlaubs 80 vH eines
Monatsgehalts beträgt. Urlaubsjahr ist nach § 9 Abs. 4 MTV das Kalenderjahr. Darauf wird mit der
Formulierung auf das “volle” Urlaubsjahr verwiesen. Das Arbeitsverhältnis muss während des
gesamten Kalenderjahres bestanden haben. Der Anspruch verkürzt sich nach § 10 Abs. 1 Buchst.
b MTV nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis im Laufe des Kalenderjahres beginnt oder endet.
Dieser Sachverhalt liegt nicht vor. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand während des
gesamten Jahres 2004. Hiervon geht auch die Beklagte aus.
29 b) Aus § 10 Abs. 4 MTV lässt sich nichts entnehmen, was für das Auslegungsergebnis der
Beklagten spricht.
30 aa) In dieser Vorschrift ist bestimmt, dass das Urlaubsgeld “vor Urlaubsantritt” fällig und in einer
Summe zu zahlen ist. Urlaub im Rechtssinn ist die Freistellung des Arbeitnehmers von seiner
Arbeitspflicht. Besteht für den Arbeitnehmer etwa wegen Elternzeit oder wegen andauernder
krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitspflicht, kann ihm dementsprechend kein
Urlaub erteilt werden. Die Tarifvertragsparteien haben damit den Bestand des Anspruchs auf
Urlaubsgeld von der Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs abhängig gemacht. Kann der Urlaub
mangels Arbeitspflicht bis zum Übertragungszeitraum, das ist nach § 9 Abs. 5 Satz 1 MTV der 31.
März des Folgejahres, nicht gewährt und genommen werden und erlischt er deshalb, so erlischt
zugleich der Anspruch auf das Urlaubsgeld (vgl. Senat 3. April 2001 - 9 AZR 166/00 - AP BUrlG §
11 Urlaubsgeld Nr. 19 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 45).
31 bb) Weitergehende Schlüsse lassen sich aus dieser Bindung des Urlaubsgeldes an den Urlaub
nicht ziehen. Insbesondere ergibt sich daraus kein zeitanteiliges Erlöschen des Anspruchs, wenn
das Arbeitsverhältnis während des Urlaubsjahres zeitweise geruht hat, dem Arbeitnehmer jedoch
anschließend spätestens bis zum 31. März des Folgejahres Urlaub gewährt wird. Das tarifliche
Urlaubsgeld soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien ersichtlich urlaubsbedingte
Mehraufwendungen des Arbeitnehmers abfedern. Dieser Zweck wird auch dann erreicht, wenn
der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einem Arbeitskampf urlaubsbedingt von seiner
Arbeitspflicht befreit.
32 c) Andere Umstände, die zu einer Minderung des Urlaubsgeldanspruchs geführt hätten, hat die
Beklagte nicht vorgetragen, sie sind auch nicht ersichtlich.
33 IV. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Düwell
Krasshöfer
Reinecke
Jungermann
H. Kranzusch