Urteil des BAG vom 12.12.2012

Zusatzurlaub für Nachtarbeit - Nächtlicher Bereitschaftsdienst - TVöD-K

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 12.12.2012, 10 AZR 192/11
Zusatzurlaub für Nachtarbeit - nächtlicher Bereitschaftsdienst
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Düsseldorf vom 7. Dezember 2010 - 17 Sa 830/09 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über
die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über Zusatzurlaub für nächtlichen Bereitschaftsdienst in den Jahren
2007 und 2008.
2 Der Kläger ist seit 1988 für die Beklagte als OP-Pfleger tätig. Auf das Arbeitsverhältnis
finden der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD - Allgemeiner Teil -) und der TVöD
- Besonderer Teil Krankenhäuser - (BT-K) - (TVöD-BT-K) Anwendung.
3 Die durchgeschriebene Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser
im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) vom 1. August
2006 hat im Streitzeitraum folgende Regelung enthalten:
㤠27
Zusatzurlaub
(1) Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig
Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5
Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten
a) bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und
b) bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate
einen Arbeitstag Zusatzurlaub.
(2) [nicht besetzt]
(3) Im Falle nicht ständiger Wechselschichtarbeit und nicht ständiger
Schichtarbeit soll bei annähernd gleicher Belastung die Gewährung
zusätzlicher Urlaubstage durch Betriebs-/Dienstvereinbarung geregelt
werden.
(3.1) Beschäftigte erhalten bei einer Leistung im Kalenderjahr von mindestens
150 Nachtarbeitsstunden
1 Arbeitstag
300 Nachtarbeitsstunden
2 Arbeitstage
450 Nachtarbeitsstunden
3 Arbeitstage
600 Nachtarbeitsstunden
4 Arbeitstage
Zusatzurlaub im Kalenderjahr. Nachtarbeitsstunden, die in Zeiträumen
geleistet werden, für die Zusatzurlaub für Wechselschicht- oder Schichtarbeit
zusteht, bleiben unberücksichtigt.
(3.2) Bei Anwendung des Absatzes 3.1 werden nur die im Rahmen der
regelmäßigen Arbeitszeit (§ 6) in der Zeit zwischen 21 Uhr und 6 Uhr
dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich geleisteten Nachtarbeitsstunden
berücksichtigt.
(4) Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit
Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen
im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub)
dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage, bei Zusatzurlaub wegen
Wechselschichtarbeit 36 Tage, nicht überschreiten. …
(5) Im Übrigen gilt § 26 mit Ausnahme von Absatz 2 Buchst. b entsprechend.
Protokollerklärung zu den Absätzen 1, 2 und 3.1:
2.
Der Anspruch auf Zusatzurlaub nach Absatz 3.1 bemisst sich nach den
abgeleisteten Nachtarbeitsstunden und entsteht im laufenden Jahr, sobald
die Voraussetzungen nach Absatz 3.1 Satz 1 erfüllt sind.“
4 Die zuvor geltende durchgeschriebene Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich
Krankenhäuser, Pflege- und Betreuungseinrichtungen im Bereich der Vereinigung der
kommunalen Arbeitgeberverbände vom 7. Februar 2006 (TVöD-K aF) enthielt eine § 27
Abs. 3.2 TVöD-K vergleichbare Regelung nicht. Mit Änderungstarifvertrag Nr. 4 zum TVöD-
BT-K vom 1. Februar 2011 ist in § 27 Abs. 3.4 TVöD-K ergänzend ein Anspruch auf
Zusatzurlaub für nächtlichen Bereitschaftsdienst normiert worden.
5 Der Kläger leistete im Jahr 2007 37 und im Jahr 2008 36 nächtliche Bereitschaftsdienste.
Bereitschaftsdienste dauern von Montag bis Donnerstag von 18:15 Uhr bis 7:30 Uhr des
Folgetags, am Freitag von 15:30 Uhr bis Samstag 8:00 Uhr und am Wochenende von
Samstag 8:00 Uhr bis Sonntag 8:00 Uhr bzw. von Sonntag 8:00 Uhr bis Montag 7:30 Uhr.
6 Mit Schreiben vom 24. Januar 2008 und 28. April 2009 hat der Kläger die Gewährung von je
zwei Tagen Zusatzurlaub für 333 im Jahr 2007 und 324 im Jahr 2008 geleistete nächtliche
Bereitschaftsdienststunden verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, der Anspruch ergebe
sich aus § 27 Abs. 3.1 TVöD-K, weil die in § 27 Abs. 3.2 TVöD-K geregelte
Nichtberücksichtigung nächtlicher Bereitschaftsdienste gesetzeswidrig sei; jedenfalls habe
er einen Anspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG, weil er in Wechselschicht gearbeitet habe.
7 Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Kalenderjahr 2007 zwei zusätzliche
Urlaubstage zu gewähren;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Kalenderjahr 2008 zwei zusätzliche
Urlaubstage zu gewähren.
8 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach § 27 Abs. 3.2 TVöD-K hätten
nächtliche Bereitschaftsdienste im Streitzeitraum keinen Anspruch auf Zusatzurlaub
ausgelöst; etwaige Belastungen seien durch die Vergütung des Bereitschaftsdienstes nach
§ 8.1 TVöD-K ausgeglichen gewesen.
9 Das Arbeitsgericht hat die Klage teilweise, das Landesarbeitsgericht hat sie insgesamt
abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
seine Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
10 Die Revision ist begründet. Der Anspruch des Klägers ist nach § 27 Abs. 3.1 TVöD-K
entstanden, weil die in § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 bestimmte
Nichtberücksichtigung nächtlichen Bereitschaftsdienstes beim Ausgleich für Nachtarbeit
gegen § 6 Abs. 5 ArbZG verstoßen hat und deshalb rechtsunwirksam ist (unter I). Der
Senat kann mangels ausreichender Feststellungen zur Übertragung des Zusatzurlaubs in
die jeweiligen Folgejahre in der Sache nicht abschließend entscheiden. Dies führt zur
Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das
Landesarbeitsgericht, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO (unter II).
11 I. § 27 TVöD-K enthält eine umfassende und abschließende Regelung des nach § 6
Abs. 5 ArbZG gebotenen Ausgleichs für Nachtarbeit. Soweit nach § 27 Abs. 3.2 TVöD-K
idF vom 1. August 2006 nächtlicher Bereitschaftsdienst unberücksichtigt bleiben sollte, hat
die Vorschrift im Streitzeitraum gegen § 6 Abs. 5 ArbZG verstoßen (zutreffend Fieberg in
Fürst GKÖD IV Teil 2 Stand November 2012 E § 27 TVöD/TV-L Rn. 34a).
12 1. Gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während
der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage
oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt
zu gewähren, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen.
13 a) § 6 Abs. 5 ArbZG ist zwingendes Gesetzesrecht und steht nur unter dem Vorbehalt einer
tarifvertraglichen Ausgleichsregelung; der Nachtarbeitnehmer erhält entweder auf
tarifvertraglicher oder auf Grundlage von § 6 Abs. 5 ArbZG einen Ausgleich für geleistete
Nachtarbeit (BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (2) (b) der Gründe,
BAGE 114, 272). Wegen größerer Sachnähe ist die Ausgestaltung des Ausgleichs für
Nachtarbeit den Tarifvertragsparteien überlassen und es besteht nur subsidiär ein
gesetzlicher Anspruch (BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (1) (a) (aa) der
Gründe, aaO; 26. August 1997 - 1 ABR 16/97 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 86, 249).
14 b) Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, wie sie den Ausgleich regeln. Um
den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu ersetzen, muss die tarifvertragliche
Regelung eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen
vorsehen. Dies folgt aus dem Wortsinn des Begriffs „Ausgleichsregelung“ und aus Sinn
und Zweck des dem Gesundheitsschutz dienenden § 6 Abs. 5 ArbZG. Der tarifliche
Ausgleich muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch stillschweigend geregelt sein;
allgemeinen tariflichen Arbeitsbedingungen kann eine stillschweigende
Ausgleichsregelung aber nur entnommen werden, wenn entweder der Tarifvertrag selbst
entsprechende Hinweise enthält oder sich dafür aus der Tarifgeschichte oder aus
Besonderheiten des Geltungsbereichs Anhaltspunkte ergeben (BAG 26. April 2005 -
1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, BAGE 114, 272; 26. August 1997 -
1 ABR 16/97 - zu B II 1 b aa der Gründe, BAGE 86, 249).
15 c) Ein Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG kann auch bestehen, wenn der
Tarifvertrag nur für einen Teilbereich der Nachtarbeit einen Ausgleich regelt; dies kommt in
der Formulierung „soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen“
deutlich zum Ausdruck. Eine tarifvertragliche Regelung, die partiell keinen Ausgleich für
geleistete Nachtarbeit vorsieht, aber nicht abschließend ist, kann rechtswirksam sein. Wird
der gesetzliche Anspruch des Nachtarbeitnehmers aus § 6 Abs. 5 ArbZG auf einen
Ausgleich für Nachtarbeit dagegen (partiell) ausgeschlossen, ohne dass tariflich selbst ein
Ausgleich für geleistete Nachtarbeit bestimmt wird, so verstößt dies gegen § 6 Abs. 5
ArbZG (BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (2) (b) der Gründe, BAGE 114,
272; 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 23, AP ArbZG § 6 Nr. 11 = EzA ArbZG § 6 Nr. 9).
16 2. Die in § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 bestimmte Nichtberücksichtigung
nächtlichen Bereitschaftsdienstes bei dem in § 27 Abs. 3.1 TVöD-K geregelten Ausgleich
für Nachtarbeit verstößt gegen § 6 Abs. 5 ArbZG.
17 a) Nächtlicher Bereitschaftsdienst ist ausgleichspflichtige Nachtarbeit iSd. § 6 Abs. 5
ArbZG (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 661/09 - Rn. 14 mwN, AP ArbZG § 6 Nr. 12 = EzA
ArbZG § 6 Nr. 8; 23. Februar 2011 - 10 AZR 579/09 - Rn. 15, BAGE 137, 157; 15. Juli 2009
- 5 AZR 867/08 - Rn. 21, BAGE 131, 215). Nach § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August
2006 ist ein Anspruch auf Zusatzurlaub für nächtlichen Bereitschaftsdienst jedoch
ausgeschlossen, weil nur die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 6 TVöD-K)
geleisteten Nachtarbeitsstunden berücksichtigt werden sollen, (nächtlicher)
Bereitschaftsdienst aber keine regelmäßige Arbeitszeit iSd. § 6 TVöD-K ist, sondern
außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht wird (vgl. § 7 Abs. 3 TVöD-K). § 27
Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 hat damit festgelegt, dass nächtlicher
Bereitschaftsdienst nicht als Nachtarbeitszeit iSd. § 27 Abs. 3.1 TVöD-K anzusehen sein
soll (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD IV Teil 2 Stand November 2012 E § 27 TVöD/TV-L
Rn. 34).
18 b) § 27 TVöD-K idF vom 1. August 2006 hat den Ausgleich der Belastungen durch
Wechselschicht-, Schicht- und Nachtarbeit abschließend geregelt. Es ist nicht erkennbar,
dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nur der Ausgleich dienstplanmäßig
geleisteter Nachtarbeitsstunden geregelt und daneben ein tariflich ungeregelter Anspruch
nach § 6 Abs. 5 ArbZG auf Ausgleich nächtlicher Bereitschaftsdienststunden bestehen
sollte.
19 aa) Dies zeigt der Wortlaut der Norm. § 27 TVöD-K ist allgemein überschrieben mit
„Zusatzurlaub“; die Norm regelt in Abs. 1 und Abs. 3 umfassend den Belastungsausgleich
für sämtliche Formen der Schichtarbeit und in Abs. 3.1 für „Nachtarbeitsstunden“.
Nächtliche Bereitschaftsdienststunden sind Nachtarbeitsstunden iSv. § 27 Abs. 3.1 TVöD-
K (vgl. zum nahezu wortgleichen § 22 Abs. 6 TV-Ärzte Hessen: BAG 23. März 2011 -
10 AZR 661/09 - Rn. 14, AP ArbZG § 6 Nr. 12 = EzA ArbZG § 6 Nr. 8 und zu § 28 Abs. 3
TV-Ärzte/VKA: BAG 23. Februar 2011 - 10 AZR 579/09 - Rn. 15, BAGE 137, 157); vor
Inkrafttreten des TVöD-K idF vom 1. August 2006 waren sie nach § 27 Abs. 3.1 TVöD-K
aF auszugleichen. Irgendein Vorbehalt, dass unter der Geltung von § 27 Abs. 3.2 TVöD-K
idF vom 1. August 2006 der Belastungsausgleich nach § 6 Abs. 5 ArbZG gewährleistet
sein sollte, findet sich nicht.
20 bb) Auch der Tarifzusammenhang ergibt, dass § 27 TVöD-K den Belastungsausgleich für
Arbeit zu ungünstigen Zeiten umfassend und abschließend regelt. Die Norm erfasst die
unterschiedlichen Formen von Schicht- und Nachtarbeit und bestimmt das Verhältnis der
Ausgleichsansprüche zueinander; nach § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-K bleiben
Nachtarbeitsstunden, die in Zeiträumen geleistet werden, für die Zusatzurlaub für
Wechselschicht- oder Schichtarbeit zusteht, unberücksichtigt. Dass demgegenüber eine
Anrechnung möglicher Ansprüche auf Ausgleich nächtlichen Bereitschaftsdienstes nach
§ 6 Abs. 5 ArbZG ungeregelt blieb, spricht dafür, dass ein solcher Ausgleich nicht
vorgesehen war.
21 cc) Dies verdeutlicht die Regelung des Bereitschaftsdienstentgelts. Nach § 8.1 Abs. 5
Satz 2 TVöD-K werden für Bereitschaftsdienst, abgesehen von einem Feiertagszuschlag,
keine weiteren Zuschläge nach § 8 TVöD-K gezahlt. Nächtlicher Bereitschaftsdienst sollte
im Streitzeitraum demnach weder durch Zusatzurlaub noch durch Zuschläge ausgeglichen
werden.
22 dd) Die Tarifgeschichte bestätigt diese Auslegung. Die Nichtberücksichtigung nächtlichen
Bereitschaftsdienstes nach § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 ist zeitgleich mit
einer höheren Bewertung der während des Bereitschaftsdienstes anfallenden
Arbeitsleistungen in § 8.1 TVöD-K in den Tarifvertrag aufgenommen worden; dies legt die
Annahme einer tariflichen „Kompensation“ der höheren Bewertung des
Bereitschaftsdienstes im Rahmen einer umfassenden und abschließenden Regelung
nahe.
23 ee) Schließlich sprechen Praktikabilitätserwägungen für das vorstehende Tarifverständnis.
Es ist fernliegend, dass neben einem tariflich exakt gestaffelten Ausgleich für
dienstplanmäßige Nachtarbeit ein der Höhe nach nicht bestimmter Ausgleichsanspruch
nach § 6 Abs. 5 ArbZG bestehen sollte, dessen Ausgestaltung grundsätzlich der
Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG oder vergleichbaren Vorschriften des
Personalvertretungsrechts unterliegt (vgl. BAG 17. Januar 2012 - 1 ABR 62/10 - AP
BetrVG 1972 § 87 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 7) und der
nach Art und Höhe des Ausgleichs zu unterschiedlichen Regelungen hätte führen können.
24 c) Der TVöD-K enthält auch keinen stillschweigenden Ausgleich für nächtliche
Bereitschaftsdienste. Insbesondere stellt § 8.1 Abs. 1 TVöD-K keine Ausgleichsregelung
iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG dar.
25 aa) § 8.1 TVöD-K regelt die Bezahlung der Bereitschaftsdienste. Das
Bereitschaftsdienstentgelt wird nach dem Umfang der innerhalb des Bereitschaftsdienstes
zu erbringenden Arbeitsleistung (Belastungsstufen) berechnet. Dabei richtet sich die
Bezahlung des Bereitschaftsdienstes grundsätzlich nach der durchschnittlich anfallenden
Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes. Insgesamt sind drei Belastungsstufen
gebildet.
26 bb) Von einer darin enthaltenen stillschweigenden tarifvertraglichen Ausgleichsregelung
kann keine Rede sein. Es gibt keinerlei Umstände, die den Schluss rechtfertigen können,
die Belastungen durch Nachtarbeit seien bereits bei dem tariflichen
Bereitschaftsdienstentgelt berücksichtigt. Die Tarifvertragsparteien stellen bei ihrer
typisierenden Bewertung des Bereitschaftsdienstes in § 8.1 Abs. 1 TVöD-K allein auf die
Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes als solche unabhängig davon ab, zu
welchen Zeiten er erbracht wird. Eine Unterscheidung zwischen tagsüber und nachts
geleisteten Bereitschaftsdienstzeiten findet nicht statt. In Fällen ständiger oder nahezu
ausschließlicher Nachtarbeit - etwa bei Nachtwächtern - mag die Annahme gerechtfertigt
sein, ein Nachtzuschlag sei bereits bei der Höhe der tariflichen Grundvergütung
berücksichtigt (vgl. BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II a bb (1) (a) (bb) der Gründe,
BAGE 114, 272; 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 22, AP ArbZG § 6 Nr. 11 = EzA
ArbZG § 6 Nr. 9). Derartige Verhältnisse bestehen in den vom Geltungsbereich des TVöD-
K erfassten Einrichtungen, insbesondere Krankenhäusern nicht. Bereitschaftsdienste
finden nicht nur nachts, sondern auch tagsüber, an Wochenenden und an Feiertagen statt.
27 3. Die Unwirksamkeit der Herausnahme nächtlichen Bereitschaftsdienstes aus dem
Ausgleich für Nachtarbeit durch § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 führt dazu,
dass der Ausgleichsanspruch sich nach § 27 Abs. 3.1 TVöD-K richtet. Bei Unwirksamkeit
einer Tarifbestimmung wegen Verstoßes gegen Gesetze oder die Verfassung ist
grundsätzlich nur die jeweilige Klausel unwirksam, sofern der Tarifvertrag ohne die
unwirksame Regelung noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung dargestellt
(vgl. BAG 16. November 2011 - 4 AZR 856/09 - Rn. 27, ZTR 2012, 331; 9. Mai 2007 -
4 AZR 275/06 - Rn. 37, AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 23 = EzA GG Art. 9
Nr. 91). Der in § 27 Abs. 3.1 TVöD-K geregelte gestaffelte Ausgleich für
Nachtarbeitsstunden wird von der Unwirksamkeit der Nichtberücksichtigung nächtlichen
Bereitschaftsdienstes nicht berührt. § 27 TVöD-K ist auch ohne § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF
vom 1. August 2006 sinnvoll und praktikabel und stellt einen angemessenen Ausgleich für
Nachtarbeit einschließlich des nächtlichen Bereitschaftsdienstes dar (zu § 22 Abs. 6 TV-
Ärzte Hessen: BAG 23. März 2011 - 10 AZR 661/09 - Rn. 17, AP ArbZG § 6 Nr. 12 = EzA
ArbZG § 6 Nr. 8; zu § 28 Abs. 3 TV-Ärzte/VKA: BAG 23. Februar 2011 - 10 AZR 579/09 -
Rn. 18, BAGE 137, 157; 15. Juli 2009 - 5 AZR 867/08 - Rn. 22, BAGE 131, 215). Es ist
keine nachträgliche Regelungslücke entstanden. Zudem ist davon auszugehen, dass die
Tarifvertragsparteien, hätten sie die Unwirksamkeit der Nichtberücksichtigung nächtlichen
Bereitschaftsdienstes im Rahmen der tariflichen Ausgleichsregelung erkannt, es bei der
Tariflage bis zum 31. Juli 2006 belassen hätten.
28 II. Nach § 27 Abs. 3.1 TVöD-K iVm. der Protokollerklärung Nr. 2 ist der geltend gemachte
Anspruch auf Zusatzurlaub nach den in den Jahren 2007 und 2008 geleisteten
nächtlichen Bereitschaftsdienststunden im jeweiligen Jahr entstanden. Der Kläger hat den
Zusatzurlaub jedoch jeweils erst im Folgejahr geltend gemacht. Die Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts erlauben keine Entscheidung, ob der Zusatzurlaub in die
Folgejahre übertragen worden ist. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb
aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen
(§ 563 Abs. 1 ZPO).
29 1. Gemäß § 27 Abs. 5 TVöD-K gilt für den Zusatzurlaub § 26 TVöD-K mit Ausnahme von
dessen Abs. 2 Buchst. b entsprechend. Zusatzurlaub muss entsprechend § 26 Abs. 1
Satz 6 TVöD-K im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Im Übrigen
gilt das Bundesurlaubsgesetz mit den Maßgaben des § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD-K.
Entsprechend § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 TVöD-K muss der Zusatzurlaub „im Falle der
Übertragung“ in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten
werden. Die Übertragung richtet sich nach § 7 Abs. 3 BUrlG
(Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Oktober 2012 Ordner 2 § 26 TVöD
Rn. 234 ff.). Der Zusatzurlaub wird deshalb nur dann auf das nächste Kalenderjahr
übertragen, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende
Gründe dies rechtfertigen. Entsprechend § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 TVöD-K kommt eine
Übertragung bis zum 31. Mai des folgenden Kalenderjahres in Betracht. Liegen deren
Voraussetzungen vor, vollzieht sich die Übertragung kraft Gesetzes (BAG 9. August 1994 -
9 AZR 384/92 - zu 1 c aa der Gründe, BAGE 77, 296). Da der Kläger seine Ansprüche erst
mit Schreiben vom 24. Januar 2008 und 28. April 2009 für das jeweils vergangene Jahr
geltend gemacht hat, könnten die Ansprüche am Ende des jeweiligen Kalenderjahres
verfallen sein.
30 2. Die Anwendung des § 7 Abs. 3 BUrlG auf Ansprüche auf Zusatzurlaub steht nicht im
Widerspruch zu den Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung
(ABl. EU L 299 vom 18. November 2009 S. 9).
31 a) Ansprüche auf Zusatzurlaub sind nicht Teil des durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie
2003/88/EG gewährleisteten Mindestjahresurlaubs von vier Wochen, sie werden
zusätzlich zu dem Erholungsurlaub nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD-K gewährt. Die
unionsrechtlichen Vorgaben betreffen den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen. Den
Mitgliedstaaten steht es frei, Arbeitnehmern über diesen hinaus Urlaubsansprüche
einzuräumen und die Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung des
Mehrurlaubs nach nationalem Recht festzulegen (EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel]
Rn. 34 ff. mwN, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 8 = EzA EG Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88
Nr. 9; BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 10, PersR 2012, 411). Auch
Tarifvertragsparteien können Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie
2003/88/EG und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub
von vier Wochen übersteigen, frei regeln (EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] aaO;
BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - aaO). Diese Befugnis schließt die Befristung des
Mehrurlaubs ein. Einem von Tarifvertragsparteien angeordneten Verfall tariflichen
Mehrurlaubs steht Unionsrecht damit nicht entgegen (BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 -
aaO).
32 b) Ob Art. 12 und Art. 13 der Richtlinie 2003/88/EG Nachtarbeitnehmern ein unmittelbares
Recht auf Freizeitausgleich gewähren will, kann dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall
wäre, stünde eine Anwendung des § 7 Abs. 3 BUrlG nicht entgegen.
33 aa) Die Richtlinie 2003/88/EG enthält keine Vorgaben hinsichtlich des Verfahrens zur
Geltendmachung etwaiger durch Art. 12 und Art. 13 der Richtlinie 2003/88/EG gewährter
Rechte. In einem solchen Fall ist es mangels einer einschlägigen unionsrechtlichen
Regelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die
Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der aus dem Unionsrecht erwachsenden
Rechte gewährleisten sollen, zu bestimmen (EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke]
Rn. 25 mwN, Slg. 2010, I-7003; BAG 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - Rn. 26, AP
BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 93 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 20). Die Verfahren dürfen
allerdings nicht weniger günstig gestaltet sein als bei entsprechenden Verfahren, die nur
innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und sie dürfen die Ausübung
der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen
oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität; vgl. EuGH 8. Juli 2010 - C-
246/09 - [Bulicke] aaO; 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Rn. 34, Slg. 2003, I-
9375). Die Prüfung, ob eine Ausschlussfrist die Grundsätze der Gleichwertigkeit und
Effektivität wahrt, obliegt dem nationalen Gericht (vgl. EuGH 24. März 2009 - C-445/06 -
[Danske Slagterier] Rn. 34 f., Slg. 2009, I-2119).
34 bb) Die grundsätzlich für alle Urlaubsansprüche geltende Vorschrift des § 7 Abs. 3 BUrlG
genügt diesen Vorgaben. Die Geltendmachung des tariflichen Zusatzurlaubs wird durch
§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG nicht übermäßig erschwert oder praktisch unmöglich gemacht.
Der Zusatzurlaub wird gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG übertragen, wenn der Arbeitnehmer
aus persönlichen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen
(ErfK/Gallner 13. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 62 mwN); er wird aber auch dann übertragen, wenn
er so spät im laufenden Jahr nach Ableistung der entsprechenden Nachtarbeitsstunden
entstanden ist, dass er (faktisch) nicht mehr genommen werden kann. § 26 Abs. 2
Buchst. a TVöD-K stellt ausschließlich eine Erleichterung der Geltendmachung für den
Arbeitnehmer dar.
35 3. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine
Feststellungen zum Vorliegen eines Übertragungsgrundes iSd. § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG
getroffen. Dies wird nachzuholen sein. Dabei ist auch zu prüfen, ob nach konkludenter
Vertragspraxis Urlaub unabhängig vom Vorliegen eines gesetzlichen
Übertragungstatbestands in das nächste Kalenderjahr übertragen worden ist (vgl. hierzu
HWK/Schinz 5. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 79).
Mikosch
W.
Reinfelder
Mestwerdt
Schürmann
Fieback