Urteil des BAG vom 20.05.2014

Beitragsbemessungsgrenze - gespaltene Rentenformel

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 20.5.2014, 3 AZR 1072/12
Beitragsbemessungsgrenze - gespaltene Rentenformel
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. November
2012 - 4 Sa 89/12 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden betrieblichen
Alterspension und dabei über die Auswirkungen der „außerplanmäßigen“ Anhebung der
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003.
2 Der am 21. Februar 1950 geborene Kläger war vom 17. April 1972 bis zum 30. April 2007
bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 1. Mai 2007 bezieht der Kläger eine vorgezogene
betriebliche Alterspension iHv. 2.978,85 Euro brutto monatlich nach dem Pensionsplan der
Beklagten vom 30. Juli 1982 idF vom 2. Mai 2000 (im Folgenden: PP 82). Die Beklagte hob
die Alterspension des Klägers zum 1. Januar 2008 auf 3.018,57 Euro brutto und zum
1. Januar 2011 auf 3.131,16 Euro brutto an.
3 Der PP 82 enthält auszugsweise folgende Regelungen:
Art. I
Kreis der Pensionsberechtigten
Dieser Pensionsplan gilt für alle ständig beschäftigten Mitarbeiter der H GmbH (im
folgenden kurz ‚Firma‘ genannt), soweit nicht abweichende schriftliche
Vereinbarungen getroffen werden oder Zusatzregelungen bestehen (…).
Art. II
Voraussetzungen für Pensionsleistungen
Pensionsleistungen (…) werden gewährt, wenn der Mitarbeiter
a.
vor Vollendung des 53. Lebensjahres in die Firma eingetreten ist
und
b.
eine Wartezeit von einem vollen Dienstjahr erfüllt hat und
d.
die weiteren Voraussetzungen dieses Pensionsplans erfüllt.
Art. IV
Pensionsfähige Bezüge
1.
Als pensionsfähige Bezüge gilt der 13-fache monatliche Durchschnitt der
Grundbezüge, die der Mitarbeiter in den letzten 2 Jahren unmittelbar vor dem
Ausscheiden von der Firma bezogen hat. …
2.
Die pensionsfähigen Bezüge werden unterteilt in
a.
den Teil bis zu der im Zeitpunkt des Eintritts des
Versorgungsfalles
geltenden
jährlichen
Beitragsbemessungsgrenze
in
der
gesetzlichen
Rentenversicherung (BBG) und gegebenenfalls
b.
den diese jährliche BBG übersteigenden Teil.
Art. V
Alterspension
1.
Eine Alterspension erhalten Mitarbeiter, die nach Vollendung des
65. Lebensjahres aus den Diensten der Firma ausgeschieden sind.
2.
Die Alterspension wird auf der Basis der anrechenbaren Dienstzeit (Artikel III)
und der pensionsfähigen Bezüge (Artikel IV) berechnet.
3.
Die Alterspension beträgt für jedes anrechenbare Dienstjahr:
0,5 % des Teils der pensionsfähigen Bezüge, der die jeweilige
Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung zum
Zeitpunkt des Ausscheidens nicht übersteigt
zuzüglich
2,0 % des Teils der pensionsfähigen Bezüge, der diese
Beitragsbemessungsgrenze übersteigt.
Art. VI
Vorzeitige Alterspension
1.
Mitarbeiter, die nach Vollendung des 50. Lebensjahres aus dem aktiven
Dienst der Firma mit deren Zustimmung ausscheiden, erhalten eine
vorzeitige Alterspension, wenn sie 15 anrechenbare Dienstjahre erfüllt
haben.
2.
Die vorzeitige Alterspension berechnet sich nach den gleichen Grundsätzen
wie die Alterspension gemäß Artikel V, jedoch unter Zugrundelegung der
pensionsfähigen Bezüge zum Zeitpunkt der vorzeitigen Pensionierung und
der bis dahin zurückgelegten anrechenbaren Dienstzeit, wobei wegen des
früheren Rentenbeginns eine Kürzung der erworbenen Altersrente gemäß
folgender Tabelle erfolgt:
Alter
bei
vorzeitiger
Pensionierung
Prozentsatz der erworbenen Altersrente
50
52,1 %
57
80,5 %
Zwischen den vollen Lebensalter wird interpoliert.“
4 § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende
Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (Sozialversicherungs-
Rechengrößenverordnung 2003) vom 17. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4561) hatte die
Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für
das Jahr 2003 auf 55.200,00 Euro jährlich und 4.600,00 Euro monatlich festgesetzt. Durch
Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen
Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung
(Beitragssatzsicherungsgesetz - BSSichG) vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4637)
wurde § 275c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft und
legte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und
Angestellten (West) für das Jahr 2003 auf 61.200,00 Euro jährlich und 5.100,00 Euro
monatlich fest. Zudem wurden in § 275c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte
für die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte
und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der
Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 im Ergebnis auch für die folgenden Jahre
erhöhend bei der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch Verordnungen
gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. So wurde die Beitragsbemessungsgrenze in
der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der wiederum nach
§ 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der
Sozialversicherung für 2004 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2004) vom
9. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2497) für das Jahr 2004 auf 61.800,00 Euro jährlich und
5.150,00 Euro monatlich und nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über
maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2005 (Sozialversicherungs-
Rechengrößenverordnung 2005) vom 29. November 2004 (BGBl. I S. 3098) für das Jahr
2005 auf 62.400,00 Euro jährlich und 5.200,00 Euro monatlich festgesetzt. Nach § 3 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für
2007 (Sozialversicherungs-Rechengrößengesetz 2007) in Art. 12 des Gesetzes zur
Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006
(BGBl. I S. 2742) betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen
Rentenversicherung für das Jahr 2007 63.000,00 Euro jährlich und 5.250,00 Euro
monatlich.
5 Infolge der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr
2003 verringerte sich die vorzeitige „Ausgangspension“ des Klägers nach Art. VI PP 82 um
monatlich 214,12 Euro.
6 Mit seiner am 19. Dezember 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der
Kläger unter Berufung auf die in den Urteilen des Senats vom 21. April 2009 (- 3 AZR
695/08 - BAGE 130, 214 und - 3 AZR 471/07 -) aufgestellten Grundsätze gegen die von der
Beklagten vorgenommene Berechnung seiner vorgezogenen Alterspension gewandt und
die Auffassung vertreten, seine vorgezogene Alterspension sei ohne Berücksichtigung der
„außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 zu
berechnen. Der PP 82 sei durch die „außerplanmäßige“ Anhebung der
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003
lückenhaft geworden. Die Lücke sei im Wege der ergänzenden Auslegung dahin zu
schließen, dass die vorgezogene Alterspension unter Außerachtlassung der
„außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde.
7 Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.511,76 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB jeweils aus 216,97
Euro brutto seit 1. Februar 2008, 1. März 2008, 1. April 2008, 1. Mai 2008,
1. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008, 1. September 2008, 1. Oktober 2008,
1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009,
1. März 2009, 1. April 2009, 1. Mai 2009, 1. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August
2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 1. November 2009, 1. Dezember
2009, 1. Januar 2010, 1. Februar 2010, 1. März 2010, 1. April 2010, 1. Mai
2010, 1. Juni 2010, 1. Juli 2010, 1. August 2010, 1. September 2010, 1. Oktober
2010, 1. November 2010, 1. Dezember 2010, 1. Januar 2011 sowie aus
225,07 Euro brutto seit 1. Februar 2011, 1. März 2011, 1. April 2011, 1. Mai
2011, 1. Juni 2011, 1. Juli 2011, 1. August 2011, 1. September 2011, 1. Oktober
2011, 1. November 2011, 1. Dezember 2011 und 1. Januar 2012 zu bezahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 900,28 Euro brutto nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB jeweils aus
225,07 Euro brutto seit 1. Februar 2012, 1. März 2012, 1. April 2012 und 1. Mai
2012 zu bezahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.575,49 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 225,07 Euro
brutto seit 1. Juni 2012, 1. Juli 2012, 1. August 2012, 1. September 2012,
1. Oktober 2012, 1. November 2012 und 1. Dezember 2012 zu bezahlen;
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1. Dezember 2012 über den Betrag
von 3.131,16 Euro brutto hinaus monatlich weitere 225,07 Euro brutto zu
bezahlen.
8 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
9 Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlich allein gestellten Anträgen zu 1. und 2.
stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage
abgewiesen und die Anschlussberufung des Klägers, mit der er die Klage um die Anträge
zu 3. und 4. erweitert hatte, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein
Klagebegehren im Umfang der zuletzt gestellten Anträge weiter. Die Beklagte beantragt die
Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
10 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die
Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen und die Anschlussberufung des
Klägers zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend
gemachten Zahlungsansprüche nicht zu. Die Beklagte hat die vorgezogene Alterspension
des Klägers nach dem PP 82 zutreffend berechnet. Der Kläger kann weder aufgrund einer
ergänzenden Auslegung der Art. IV Nr. 2 und Art. V Nr. 3 PP 82 noch wegen einer Störung
der Geschäftsgrundlage eine höhere als die von der Beklagten gezahlte Alterspension
beanspruchen.
11 I. Die Beklagte hat die vorgezogene Alterspension des Klägers zutreffend ermittelt. Die
Berechnung entspricht den Vorgaben in Art. IV, V und VI PP 82. Danach war die zum
Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers im Jahr 2007 geltende
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde zu legen.
Der PP 82 ist nicht ergänzend dahin auszulegen, dass die Alterspension des Klägers
unter Außerachtlassung der „außerplanmäßigen“ Anhebung der
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003
zu berechnen ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt. Dabei
kann dahinstehen, ob der PP 82 infolge der „außerplanmäßigen“ Anhebung der
Beitragsbemessungsgrenze durch § 275c SGB VI zum 1. Januar 2003 lückenhaft
geworden ist. Eine ergänzende Auslegung des PP 82 scheidet jedenfalls deshalb aus,
weil mehrere gleichwertige Möglichkeiten zur Schließung einer eventuellen
Regelungslücke bestehen und es sich nicht feststellen lässt, für welche Möglichkeit die
Parteien sich entschieden hätten, wenn sie die „außerplanmäßige“ Anhebung der
Beitragsbemessungsgrenze vorhergesehen hätten.
12 1. Zwar hat der Senat in den Urteilen vom 21. April 2009 (- 3 AZR 695/08 - BAGE 130, 214
und - 3 AZR 471/07 -; zur Kritik an diesen Entscheidungen vgl. etwa Böhm/Ulbrich
BB 2010, 1341, 1342; Bormann BetrAV 2011, 596, 597 ff.; Cisch/Bleeck BB 2010, 1215,
1219 f.; Diller NZA 2012, 22, 23 ff.; Höfer BetrAVG Stand August 2012 Bd. I ART Rn. 816.4
f.; Hölscher/Janker BetrAV 2010, 141, 142 f.; Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG 5. Aufl.
Anh § 1 Rn. 224 a ff.; Weber DB 2010, 1642, 1643 f.) angenommen,
Versorgungsordnungen, die für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb
der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung höhere
Versorgungsleistungen vorsehen als für den darunter liegenden Teil (sog. gespaltene
Rentenformel), seien durch die „außerplanmäßige“ Erhöhung der
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung um 500,00 Euro
monatlich nach § 275c SGB VI zum 1. Januar 2003 regelmäßig lückenhaft geworden. Die
Regelungslücke sei im Wege ergänzender Auslegung entsprechend dem ursprünglichen
Regelungsplan dahin zu schließen, dass die Betriebsrente ohne Berücksichtigung der
„außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde und von
dem so errechneten Betrag die Beträge in Abzug zu bringen seien, um die sich die
gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht hat.
13 2. Diese Rechtsprechung hat der Senat mit seinen Urteilen vom 23. April 2013 (vgl. etwa -
3 AZR 475/11 - und - 3 AZR 23/11 -) zu Versorgungsregelungen in Gesamtzusagen und
Tarifverträgen ausdrücklich aufgegeben mit der Begründung, es bestünden mehrere
gleichwertige Möglichkeiten zur Schließung einer eventuellen Regelungslücke; unter
Anlegung eines objektiv-generalisierenden Maßstabs lasse sich nicht feststellen, für
welche Möglichkeit die Parteien bzw. Tarifvertragsparteien sich entschieden hätten, wenn
sie die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze vorhergesehen
hätten. Dies gilt auch für die dem Kläger erteilte Versorgungszusage nach dem PP 82.
Hierbei handelt es sich um eine Gesamtzusage. Die Regelungen des PP 82 sind
demnach Allgemeine Geschäftsbedingungen, deren ergänzende Auslegung nach einem
objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen hat, der am Willen und Interesse der
typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien)
ausgerichtet sein muss (vgl. BAG 23. April 2013 - 3 AZR 475/11 - Rn. 15 mwN). Lassen
sich nach diesen Kriterien hinreichende Anhaltspunkte für einen hypothetischen
Parteiwillen nicht finden, etwa weil mehrere gleichwertige Möglichkeiten der
Lückenschließung in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung
grundsätzlich aus (vgl. BAG 23. April 2013 - 3 AZR 475/11 - aaO). Hierdurch werden die
Parteien vor einer Auswahl durch das Gericht nach dessen eigenen Kriterien geschützt,
weil dies mit dem Grundsatz der Privatautonomie unvereinbar wäre (vgl. BGH 10. Oktober
2012 - IV ZR 12/11 - Rn. 73 mwN).
14 3. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt bei dem PP 82 unter Berücksichtigung der
Interessenlage typischer Vertragsparteien nicht nur eine Ergänzung des Vertrags dahin in
Betracht, dass bei der Berechnung der Alterspension von einer um die „außerplanmäßige“
Anhebung der durch § 275c SGB VI „bereinigten“ Beitragsbemessungsgrenze unter
gleichzeitiger Anrechnung der durch diese Anhebung in der gesetzlichen
Rentenversicherung erzielten höheren gesetzlichen Rente auszugehen ist. Vielmehr
bestehen unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der in Art. IV Nr. 2 und Art. V Nr. 3
PP 82 getroffenen Regelungen weitere rechtlich zulässige und interessengerechte
Möglichkeiten zur Schließung einer etwaigen nachträglich eingetretenen Regelungslücke.
Sinn und Zweck einer „gespaltenen Rentenformel“ wie derjenigen in Art. IV Nr. 2 und
Art. V Nr. 3 PP 82 ist es, den im Einkommensbereich über der Beitragsbemessungsgrenze
bestehenden erhöhten Versorgungsbedarf über die hierfür vorgesehene höhere Leistung
abzudecken, da dieser Teil der Bezüge nicht durch die gesetzliche Altersrente abgesichert
ist (BAG 21. April 2009 - 3 AZR 695/08 - Rn. 23, BAGE 130, 214). Deshalb wäre es
ebenso denkbar, dass sich typische Vertragsparteien im Hinblick darauf, dass sich die
Auswirkungen der „außerplanmäßigen“ Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze
verringern, je später nach dem 1. Januar 2003 der Versorgungsfall eintritt, auf eine wenige
Jahre begrenzte Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge verständigt hätten.
Ebenso käme eine Lückenschließung dergestalt in Betracht, dass die
Betriebszugehörigkeit bis zum 31. Dezember 2002 und die Betriebszugehörigkeit danach
bei der Berechnung der Alterspension entsprechend der Berechnungsweise aus der
„Barber-Entscheidung“ des Europäischen Gerichtshofs (17. Mai 1990 - C-262/88 - Slg.
1990, I-1889; vgl. auch BAG 3. Juni 1997 - 3 AZR 910/95 - BAGE 86, 79) unterschiedlich
behandelt werden (so etwa Weber DB 2010, 1642). Danach könnte für bis zum
31. Dezember 2002 erdiente Anwartschaftsteile eine Korrektur der
Beitragsbemessungsgrenze um die „außerplanmäßige“ Anhebung zum 1. Januar 2003
vorgenommen werden, weil insoweit keine Rentensteigerungen in der gesetzlichen
Rentenversicherung erreicht werden konnten; für ab dem 1. Januar 2003 erdiente
Versorgungsanwartschaften wäre die erhöhte Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu
legen, weil ab diesem Zeitpunkt auch Anwartschaften in der gesetzlichen
Rentenversicherung erworben werden. Dies hätte zur Folge, dass für die Berechnung des
Teils der Rentenanwartschaft oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze eine Trennung in
die Zeit vor dem 1. Januar 2003 und die Zeit danach vorgenommen werden müsste (vgl.
hierzu ausführlich Weber DB 2010, 1642).
15 Aus den Broschüren der Beklagten zur sozialen Sicherung ergeben sich keine
Anhaltspunkte dafür, welche Regelungen die Parteien getroffen hätten, wenn sie die
„außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen
Rentenversicherung vorhergesehen hätten.
16 Nach den Angaben in den Broschüren ist es Ziel des PP 82, dass ein Mitarbeiter, der aus
Altersgründen nach 40 Dienstjahren ausscheidet, zusammen mit der Altersrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung etwa 80 % seines durchschnittlichen monatlichen
Bruttoarbeitsverdienstes der letzten zwei Beschäftigungsjahre als monatliche Altersrente
erhalten soll. Damit wurden lediglich die seinerzeitigen Vorstellungen der Beklagten von
den angestrebten Leistungen wiedergegeben. Durch den PP 82 ist den Arbeitnehmern
jedoch gerade keine Gesamtversorgung mit einem bestimmten Versorgungsniveau
zugesagt worden. Demensprechend ist in der Broschüre aus dem Jahr 1983 ausdrücklich
darauf hingewiesen worden, dass Voraussetzung für die Erreichung des angestrebten
Ziels ist, dass sich das Leistungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht
wesentlich ändert, da die Alterspension nach dem PP 82 unabhängig von den Leistungen
der gesetzlichen Rentenversicherung berechnet wird. Daraus war zu entnehmen, dass
Änderungen der für die gesetzliche Rente maßgebenden Bestimmungen zu einer
Änderung des angestrebten Versorgungsniveaus führen konnten. Anhaltspunkte für eine
möglicherweise erforderlich werdende Vertragsergänzung bei einer „außerplanmäßigen“
Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung
ergeben sich hieraus nicht.
17 II. Der Kläger kann auch nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage
(§ 313 BGB) nicht verlangen, dass seine von der Beklagten gezahlte Alterspension so
berechnet wird, als wäre die „außerplanmäßige“ Anhebung der
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfolgt.
18 1. Nach § 313 Abs. 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich
Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss
schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem
Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten; eine
Vertragsanpassung kommt allerdings nur in Betracht, soweit einem Teil unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder
gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet
werden kann.
19 2. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine Vertragsanpassung nach den Regeln
über die Störung der Geschäftsgrundlage scheitert zwar nicht von vornherein daran, dass
die Versorgungsvereinbarung der Parteien infolge der „außerplanmäßigen“ Erhöhung der
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch § 275c SGB VI
lückenhaft geworden sein könnte. Eine Vertragslücke stünde der Anwendung der Regeln
über die Störung der Geschäftsgrundlage nicht entgegen (vgl. BAG 23. April 2013 - 3 AZR
475/11 - Rn. 19). Die durch die „außerplanmäßige“ Anhebung der
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003
verursachte Versorgungseinbuße des Klägers von 214,12 Euro monatlich, dh. von ca. 7 %,
ist jedoch nicht so schwerwiegend, dass ihm ein Festhalten am unveränderten Vertrag
unzumutbar wäre.
20 a) Nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsschluss bestehenden oder
gemeinsam erwarteten Verhältnisse rechtfertigt eine Vertragsanpassung. Erforderlich ist
nach § 313 Abs. 1 BGB vielmehr, dass der betroffenen Partei unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen
Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Dies kann nur angenommen werden, wenn ein Festhalten an der vereinbarten Regelung
für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (BAG 23. April 2013
- 3 AZR 475/11 - Rn. 21; BGH 1. Februar 2012 - VIII ZR 307/10 - Rn. 30 mwN).
21 b) Das Festhalten an der unveränderten Versorgungsregelung führt für den Kläger nicht zu
einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnis.
22 Die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen
Rentenversicherung um 500,00 Euro monatlich und 6.000,00 Euro jährlich nach § 275c
SGB VI führt für den Kläger, dessen betriebliche Alterspension sich bei Eintritt des
Versorgungsfalls, dh. ab dem 1. Mai 2007, auf 2.978,85 Euro belief, zu einer
Versorgungseinbuße von etwa 7 %. Diese Versorgungseinbuße ist für den Kläger nicht
untragbar.
23 Dabei kann offenbleiben, ob die vom Kläger hinzunehmende Versorgungseinbuße
entsprechend den Erwägungen des Senats in dem Urteil vom 30. März 1973 (- 3 AZR
26/72 - BAGE 25, 146) bis zu 40 % beträgt. In dieser vor Inkrafttreten des § 16 BetrAVG
ergangenen Entscheidung hatte der Senat angenommen, dass der Arbeitgeber verpflichtet
war, Anpassungsverhandlungen mit dem ehemaligen Arbeitnehmer aufzunehmen, wenn
der eingetretene Kaufkraftverlust 40 % betrug. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die
Schwelle zur Unzumutbarkeit („Opfergrenze“) bereits früher überschritten und ggf. in
Anlehnung an die Rechtsprechung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts
(11. Oktober 2006 - 5 AZR 721/05 - Rn. 23 mwN; 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 -
zu B I 4 c bb der Gründe, BAGE 113, 140) zur Wirksamkeit der Vereinbarung eines
Widerrufsvorbehalts zu bestimmen sein könnte. Danach ist ein Widerrufsvorbehalt nicht
nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, wenn der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende
widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes unter 25 % liegt und der Tariflohn nicht
unterschritten wird; bei Zahlungen des Arbeitgebers, die keine unmittelbare Gegenleistung
für die Arbeitsleistung darstellen, sondern Ersatz für Aufwendungen sind, die an sich vom
Arbeitnehmer selbst zu tragen wären, kann der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung bis
zu 30 % betragen; in diesen Grenzen ist die Änderung der vereinbarten Leistung für den
Arbeitnehmer zumutbar iSd. § 308 Nr. 4 BGB. Jedenfalls ist entgegen der Ansicht der
Revision eine Versorgungseinbuße von ca. 7 % auch vor dem Hintergrund, dass die
Alterspension nach dem PP 82 Entgelt für Betriebszugehörigkeit ist, nicht so
schwerwiegend, dass dem Kläger ein Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung
nicht mehr zugemutet werden könnte.
24 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Gräfl
Spinner
Ahrendt
G. Kanzleiter
S. Hopfner