Urteil des BAG vom 11.08.2009

BAG: verbot der diskriminierung, eintritt des versicherungsfalles, tarifvertrag, unechte rückwirkung, zusage, aktiven, zusatzrente, altersrente, satzung, ausschluss

Siehe auch:
Urteil des 3. Senats vom 11.8.2009 - 3 AZR 320/08 -
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 11.8.2009, 3 AZR 339/08
Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 11.08.2009, 3 AZR 320/08.
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen
Landesarbeitsgerichts vom 19. Dezember 2007 - 8 Sa 270/07 - wird
zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, nach welchen tarifvertraglichen Regelungen die dem Kläger
zustehende Betriebsrente zu berechnen ist.
2 Der am 22. März 1938 geborene Kläger war bis einschließlich 31. März 1994 bei der Beklagten als
Flugzeugführer beschäftigt. Diese ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Arbeitsrechtliche
Vereinigung Hamburg e.V. (im Folgenden: AVH). Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden
zumindest kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für das Bord- bzw.
Cockpitpersonal der Beklagten Anwendung.
3 Übergangsversorgung und betriebliche Altersversorgung sind tarifvertraglich geregelt. § 2 des
Versorgungstarifvertrages Nr. 3 vom 19. Dezember 1979 (im Folgenden: VersTV Nr. 3) schrieb
vor:
„Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der
Länder (VBL) so zu versichern (Pflichtversicherung), daß der Pflichtversicherte eine
Anwartschaft auf eine dynamische Versorgungsrente für sich und seine Hinterbliebenen im
Rahmen der Gesamtversorgung erwerben kann, soweit die Satzung der VBL es zulässt.
…“
4 Nach § 5 Abs. 1 des Tarifvertrages Übergangsversorgung Cockpitpersonal der Deutschen
Lufthansa AG und der Condor Flugdienst GmbH vom 1. Oktober 1989 (im Folgenden: TV ÜV-
Cockpit 1989) hat der Mitarbeiter Anspruch auf Zahlung der Zusatzrente, wenn er wegen
Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze mit dem 55. oder ggf. einem späteren Lebensjahr
aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und zehn Dienstjahre vollendet hat. § 5 Abs. 2 TV ÜV-
Cockpit 1989 enthält folgende Bestimmungen:
„Die Zahlung der Zusatzrente beginnt in dem Monat nach dem Ausscheiden aus dem
Arbeitsverhältnis gemäß Abs. 1 und endet im Zeitpunkt der frühestmöglichen
Inanspruchnahme der Altersrente aus der Angestellten-Versicherung (AV) bzw. der
Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), spätestens mit Vollendung des
65. Lebensjahres*).
Für Mitarbeiter, die nicht in der VBL oder AV versichert sind, treten etwaige sonstige
Versorgungsleistungen (ausgenommen Ruhegehälter von Beamten und Berufssoldaten**])
an die Stelle der VBL/AV-Leistungen.
*) Siehe Protokollnotiz, II, Ziffer 1
…“
5 Diese Protokollnotiz lautet wie folgt:
„II. Zusatzrente und
Flugdienstuntauglichkeitsleistungen
1. a)
Die Zahlung der Zusatzrente (§ 5) endet regelmäßig mit Vollendung des
63. Lebensjahres. Sofern bei befreiender Lebensversicherung Ansprüche auf
Altersversorgung aus dieser Versicherung nach dem am 1.10.1989 gültigen
Versicherungsvertrag erst ab Alter 65 bestehen, wird die
Übergangsversorgung solange fortgeführt. Entsprechendes gilt, soweit und
solange Anspruch auf VBL-/AV-Gesamtversorgung noch nicht besteht, weil
der Mitarbeiter die Wartezeit von 35 Jahren noch nicht erfüllt hat.
…“
6 Mit Ablauf des 31. März 1994 und damit nach Erreichen der Altersgrenze des § 19 des
Manteltarifvertrages für das Cockpitpersonal der Beklagten (MTV) in der damals geltenden
Fassung endete das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis. Vom 1. April 1994 bis
einschließlich 31. März 2003 erhielt der Kläger die im TV ÜV-Cockpit 1989 geregelte
„Zusatzrente“.
7 Anlässlich des Ausscheidens der Beklagten aus der VBL schlossen die Gewerkschaft
Vereinigung Cockpit e.V. (im Folgenden: GVC) und der AVH den Ergänzungstarifvertrag zum
VersTV Nr. 3 vom 10. Mai 1994 (im Folgenden: ErgTV). Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
„1.
DLH/LSG/CFG sind verpflichtet, nach Beendigung der VBL-Beteiligung alle am
31.12.1994 bei der VBL pflichtversicherten Mitarbeiter/-innen so zu stellen, als würde
ihre spätere Zusatzversorgung von der VBL nach deren jeweils geltender Satzung
fortgeführt.
2. Die Fortführung der Zusatzversorgung gemäß Ziffer 1 erfolgt in entsprechender
Anwendung des geltenden DLH-/LSG-/CFG-Versorgungstarifvertrages mit der
Maßgabe, daß DLH/LSG/CFG anstelle der VBL deren Verpflichtungen nach
Maßgabe der jeweils geltenden Satzung übernehmen.
…“
8 Am 22. März 2003 vollendete der Kläger sein 65. Lebensjahr. Seit dem 1. April 2003 zahlt ihm die
Beklagte eine nach dem VersTV Nr. 3 iVm. dem ErgTV berechnete Betriebsrente. Die GVC hatte
diese beiden Tarifverträge zum 31. Dezember 2001 gekündigt.
9 Am 4. Dezember 2004 schlossen die Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag Lufthansa-
Betriebsrente für das Cockpitpersonal (im Folgenden: TV Betriebsrente) ab, der erhebliche
Verbesserungen der Leistungen vorsieht. Er enthält ua. folgende Regelungen:
㤠1
Geltungsbereich
(1)
Dieser Versorgungstarifvertrag regelt die betriebliche Altersversorgung für das
Cockpitpersonal (nachfolgend Mitarbeiter genannt) der Gesellschaften Deutsche
Lufthansa AG, Lufthansa Cargo AG, Lufthansa Flight Training GmbH, Condor
Flugdienst GmbH sowie Condor Berlin GmbH (nachfolgend zusammenfassend
Gesellschaft genannt), die unter die Vorschriften des jeweiligen Manteltarifvertrags
für das Cockpitpersonal dieser Gesellschaften in ihrer jeweils gültigen Fassung
fallen, soweit das Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft nach dem 31.12.1994
aufgenommen worden ist. Darüber hinaus gilt dieser Tarifvertrag für die Mitarbeiter
des Cockpitbereichs, die vom Tarifvertrag zur Vereinheitlichung der betrieblichen
Altersversorgung für das Cockpitpersonal erfasst werden, unter den
Voraussetzungen und nach Maßgabe der danach geltenden Vorschriften.
§ 18
In Kraft Treten
(1)
Dieser Versorgungstarifvertrag tritt mit Wirkung vom 01. Januar 2002 in Kraft. …“
10 Ebenfalls am 4. Dezember 2004 schlossen die GVC und der AVH den Tarifvertrag zur
Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das Cockpitpersonal - Ablösung der VBL-
gleichen Altersversorgung und Überleitung in die Lufthansa-Betriebsrente - (im Folgenden:
TV Vereinheitlichung) ab. Er lautet auszugsweise wie folgt:
„Präambel
Mit Beendigung ihrer Beteiligung an der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
(VBL) am 31.12.1994 haben sich die Deutsche Lufthansa AG und die Condor Flugdienst
GmbH nach Maßgabe des Ergänzungstarifvertrages zum Versorgungstarifvertrag Nr. 3
vom 10.05.1994 verpflichtet, alle am 31.12.1994 bei der VBL versicherten Mitarbeiter so zu
stellen, als würde ihre spätere Zusatzversorgung von der VBL nach deren jeweils geltender
Satzung fortgeführt (‚VBL-gleiche Zusatzversorgung’).
Vor dem Hintergrund, dass sich die Tarifvertragsparteien des Öffentlichen Dienstes mit
dem Altersvorsorgeplan 2001 vom 13.11.2001 auf eine grundlegende Reform der VBL-
Zusatzversorgung unter Ablösung des bisherigen Gesamtversorgungssystems geeinigt
haben und insoweit auch dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom
22.03.2000 (1 BvR 1136/96) Rechnung getragen haben, wird die im Lufthansa-Konzern seit
01.01.1995 bestehende Zusage auf eine VBL-gleiche Zusatzversorgung nach Maßgabe
dieses Tarifvertrages abgelöst und durch eine neue Zusage auf betriebliche Alters-,
Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung ersetzt. Die Tarifvertragsparteien kommen
damit auch ihrer entsprechenden Verhandlungsverpflichtung vom 16.05.2000 nach.
Das bisherige VBL-gleiche Gesamtversorgungssystem im Lufthansa-Konzern wird mit
Ablauf des 31.12.2001 abgelöst. Ab 01.01.2002 werden alle Anwartschaften und
bestehenden Ansprüche auf Versorgungsleistungen auf bzw. aus VBL-gleicher
Zusatzversorgung in das im Lufthansa-Konzern seit 01.01.1995 geltende System der
Neuen Betrieblichen Altersversorgung, künftig Lufthansa-Betriebsrente, überführt.
Teil II: Mitarbeiter mit Anwartschaft auf VBL-gleiche Gesamtversorgung
Abschnitt I: Rückwirkende Zusage der Lufthansa-Betriebsrente
§ 2 Rückwirkende Zusage der Lufthansa-Betriebsrente
(1) Alle am 01.01.2002 VBL-gleich pflichtversicherten Mitarbeiter werden unter den
Voraussetzungen und nach näherer Maßgabe der folgenden Bestimmungen so gestellt, als
hätten sie ab Beginn der VBL- oder VBL-gleichen Versicherungspflicht aufgrund ihres
Arbeitsverhältnisses mit Lufthansa eine Zusage auf Leistungen nach dem Tarifvertrag
Lufthansa-Betriebsrente erhalten (rückwirkende Einführung der ‚Lufthansa-Betriebsrente’).
Satz 1 gilt entsprechend für ehemalige, bis zu ihrem Ausscheiden aus dem
Arbeitsverhältnis VBL-gleich versicherte Mitarbeiter, die nach den Vorschriften der VBL-
Satzung i.d.F. der 40. Satzungsänderung (VBL-S 40) bei Eintritt des Versicherungsfalles
als pflichtversichert gelten.
Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, sofern bereits vor dem 02.01.2002 die Leistung einer VBL-
gleichen Rente begonnen hat. Sie gelten ferner nicht, wenn der ehemalige Mitarbeiter vor
dem 02.01.2002 das 63. Lebensjahr vollendet hat.
§ 18 In-Kraft-Treten
(1) Dieser Tarifvertrag tritt mit Wirkung vom 01.01.2002 in Kraft. …
…“
11 Die Neuregelungen des TV Betriebsrente sind in der Regel für die Versorgungsberechtigten
deutlich günstiger als die früheren Tarifvorschriften. Der Kläger hat von der Beklagten verlangt,
dass sie seine Betriebsrente nach dem TV Betriebsrente vom 4. Dezember 2004 berechnet. Für
die Zeit vom 1. April 2003 bis einschließlich 31. März 2006 hat er einen Differenzbetrag iHv.
insgesamt 42.174,72 Euro gefordert.
12 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Stichtagsregelung in § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4
TV Vereinheitlichung, aufgrund derer er von der tariflichen Neuregelung ausgenommen werde, sei
mit höherrangigem Recht unvereinbar. Sie verstoße sowohl gegen Art. 3 Abs. 1 GG als auch
gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Die Anknüpfung an den Eintritt in
den Ruhestand und das Lebensalter sei weder erforderlich noch angemessen und daher
unverhältnismäßig. Die Stichtagsregelung führe dazu, dass einem Kollegen mit nahezu identischer
Laufbahn, gleichem Ausbildungsjahr, gleichem Einstellungsjahr, gleichem Flugzeugmuster,
gleicher Kapitänslaufbahn und gleichem Ausscheiden aus dem aktiven Flugdienst allein wegen
eines um wenige Monate abweichenden Geburtsdatums eine erheblich höhere Betriebsrente
zustehe. Die Diskriminierung wegen des Alters werde nicht durch eine legitime Zielsetzung der
Tarifvertragsparteien gerechtfertigt. Im Gegensatz zum Alter sei die Betriebszugehörigkeit ein
geeignetes Anknüpfungskriterium. Der tariflichen Regelung ermangele es an einer
Systemgerechtigkeit und Ausgewogenheit.
13 Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn rückständige Betriebsrente für den Zeitraum vom
1. April 2003 bis 31. März 2006 iHv. 42.174,72 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen,
2. hilfsweise
a) die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft über die in der Zeit vom 1. April 2003 bis
31. März 2006 zu beanspruchende betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe des
Tarifvertrages zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das
Cockpitpersonal vom 1. Januar 2002 zu erteilen,
b) die Beklagte zu verurteilen, die sich aus der Auskunft ergebenden Ansprüche auf
betriebliche Altersversorgung an den Kläger zu zahlen,
3. höchsthilfsweise
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm betriebliche Altersversorgung
nach Maßgabe des Tarifvertrages zur Vereinheitlichung der betrieblichen
Altersversorgung für das Cockpitpersonal vom 1. Januar 2002 zu zahlen.
14 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die
Stichtagsregelung in § 2 TV Vereinheitlichung verstoße weder gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung.
Sie sei aus mehreren Gründen gerechtfertigt gewesen: Wegen der Kündigung des früheren
Versorgungstarifvertrages durch die GVC zum 31. Dezember 2001 und der sich hieraus
ergebenden Ablösung zu diesem Zeitpunkt, wegen der Ablösung des VBL-
Gesamtversorgungssystems im öffentlichen Dienst zum 31. Dezember 2001 sowie deswegen,
weil die betroffenen Mitarbeiter der Jahrgänge 1932 bis 1938 zum überwiegenden Teil bereits drei
bis neun Jahre betriebliche Altersversorgung bezogen hätten. Im Übrigen sei das
Versorgungsniveau der Rentner nach dem Versorgungstarifvertrag für das Cockpitpersonal nicht
unangemessen. Für diese sei die VBL-gleiche Versorgung gesichert worden. Durch die
rückwirkende Zusage der neuen betrieblichen Altersversorgung für die aktiven Mitarbeiter und
Empfänger von Übergangsversorgung sei zwar regelmäßig eine Verbesserung bewirkt worden;
diese hätte sich jedoch nicht auf die Rentner auswirken müssen. Die Tarifvertragsparteien hätten
eine sachlich sinnvolle und nachvollziehbare Abgrenzung vorgenommen. Ohne die
Stichtagsregelung hätten Mitarbeiter mit befreiender Lebensversicherung, die nicht verpflichtet
seien, mit Vollendung des 63. Lebensjahres die Altersrente zu beantragen, und nur deshalb die
Übergangsversorgung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erhielten, einen unzulässigen
Vorteil. Das Abstellen auf den laufenden Rentenbezug im Rahmen der Stichtagsregelung sei im
Übrigen die einzige Möglichkeit gewesen, das bei ihr bestehende Regelungsgeflecht aus Alters-
und Übergangsversorgung auch unter Kosten- und Aufwandsgesichtspunkten abzulösen und
weitergehende Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Das mit der tarifvertraglichen Regelung
verfolgte Ziel sei ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sowie des § 10
AGG.
15 Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom
Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren
weiter.
Entscheidungsgründe
16 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Seine zulässige Klage mit dem Antrag zu 1) hat in der
Sache keinen Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten keine Betriebsrente auf der Grundlage
des TV Betriebsrente beanspruchen. Dieser Tarifvertrag findet auf das Rechtsverhältnis zwischen
den Parteien keine Anwendung.
17 Einer Entscheidung über die Hilfsanträge bedurfte es nicht. Die gebotene Auslegung ergibt, dass
die Hilfsanträge zu 2a) und 2b) nur für den Fall gestellt wurden, dass das Vorbringen des Klägers
zur Höhe seiner mit dem Antrag zu 1) geltend gemachten Forderung als nicht ausreichend
erachtet werden sollte. Die Beklagte hatte bereits mit ihrer Klageerwiderung den diesbezüglichen
Vortrag des Klägers als nicht nachvollziehbar gerügt und die Höhe ausdrücklich bestritten. Die
gebotene Auslegung ergibt ferner, dass der Hilfsantrag zu 3) nur für den Fall gestellt wurde, dass
das Vorbringen des Klägers zur Höhe seiner mit dem Antrag zu 1) geltend gemachten Forderung
als nicht ausreichend erachtet werden und die Stufenklage zu 2a) und 2b) mangels
Auskunftsanspruchs als unbegründet abgewiesen werden sollte.
18 A. Der Kläger wird vom persönlichen Geltungsbereich des TV Betriebsrente, der die von ihm
18 A. Der Kläger wird vom persönlichen Geltungsbereich des TV Betriebsrente, der die von ihm
begehrte höhere Betriebsrente vorsieht, nicht erfasst. Dies folgt aus Wortlaut und Systematik
sowie Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 TV Betriebsrente iVm. § 2 Abs. 1 TV Vereinheitlichung.
19 I. Der TV Betriebsrente ist nicht nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 1 auf den Kläger anwendbar, da sein
Arbeitsverhältnis nicht nach dem 31. Dezember 1994 begründet wurde.
20 II. Ebenso scheitert eine Anwendung des TV Betriebsrente nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 2.
Danach gilt dieser Tarifvertrag für die Mitarbeiter des Cockpitbereichs, die vom
TV Vereinheitlichung erfasst werden, „unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe der danach
geltenden Vorschriften“. Auch dies ist beim Kläger nicht der Fall, denn er unterfällt dem
Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung.
21 Zwar sieht § 2 Abs. 1 Satz 1 TV Vereinheitlichung vor, dass alle am 1. Januar 2002 VBL-gleich
pflichtversicherten Mitarbeiter „unter den Voraussetzungen und nach näherer Maßgabe des
TV Vereinheitlichung so gestellt werden, als hätten sie ab Beginn der VBL- oder VBL-gleichen
Versicherungspflicht aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses mit Lufthansa eine Zusage auf
Leistungen nach dem TV Betriebsrente erhalten (rückwirkende Einführung der ‚Lufthansa-
Betriebsrente’)“. Zu den „Voraussetzungen und Maßgaben des TV Vereinheitlichung“ gehören
jedoch auch dessen § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4. Danach gelten die Sätze 1 und 2 des § 2 Abs. 1 TV
Vereinheitlichung nicht, sofern bereits vor dem 2. Januar 2002 die Leistung einer VBL-gleichen
Rente begonnen hat oder der ehemalige Mitarbeiter vor dem 2. Januar 2002 das 63. Lebensjahr
vollendet hat. Dabei knüpft § 2 Abs. 1 Satz 3 TV Vereinheitlichung an den Bezug einer VBL-
gleichen Rente an; iVm. Satz 1 differenziert Satz 3 zwischen Betriebsrentnern einerseits und
aktiven Arbeitnehmern, Beziehern einer Übergangsversorgung und sonstigen
Anwartschaftsberechtigten andererseits. § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung schließt von der
zuletzt genannten Gruppe diejenigen von der Anwendung der Neuregelung aus, die vor dem
2. Januar 2002 das 63. Lebensjahr vollendet haben, und stellt sie den Betriebsrentnern gleich.
Damit werden all diejenigen, die am Stichtag (2. Januar 2002) Betriebsrentner waren oder das
63. Lebensjahr vollendet hatten, nicht in den TV Betriebsrente übergeleitet. Sie werden von
vornherein nicht vom persönlichen Geltungsbereich des TV Betriebsrente erfasst.
22 Das ergänzende Vorbringen des Klägers in seinen Schriftsätzen vom 15. Juli 2009 und 31. Juli
2009 enthält keine stichhaltigen Argumente für eine andere Auslegung der maßgeblichen
Regelung.
23 Unerheblich ist es, dass die GVC die vom Kläger vertretene Auffassung teilt. Die Rechtsansicht
nur einer der beiden Tarifvertragsparteien lässt keine tragfähigen Rückschlüsse auf den
subjektiven Regelungswillen beider Tarifvertragsparteien zu. Und die vom Kläger zitierte Auskunft
der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder bezieht sich auf den Inhalt des § 37 Abs. 4 der
VBL-Satzung aF. Wie diese Satzungsbestimmung zu interpretieren ist, spielt für die Auslegung
des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung keine Rolle.
24 Der Kläger ist nach § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung von der Anwendung des
TV Betriebsrente (dh. von der rückwirkenden Einführung der neuen Betriebsrente) ausgenommen;
er wurde am 22. März 1938 geboren und hatte somit vor dem 2. Januar 2002 das 63. Lebensjahr
vollendet.
25 B. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sind die in § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4
TV Vereinheitlichung enthaltenen Regelungen wirksam.
26 § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung halten einer inhaltlichen Rechtskontrolle stand. Die
Klausel ist nicht wegen Verstoßes gegen das AGG, gegen europarechtliche Vorschriften, Art. 3
Abs. 1 GG oder das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Verbot der Rückwirkung unwirksam. In
diesem Zusammenhang kommt dem Umstand, dass die Ausschlusstatbestände des § 2 Abs. 1
Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung nicht zu Eingriffen in vorhandene Besitzstände führen, also die
erworbenen Rechtspositionen ungeschmälert erhalten, sondern die Betroffenen von der
Anwendung einer günstigeren Regelung ausschließen, mithin an dem verbesserten neuen
Versorgungswerk nicht teilhaben lassen, besondere Bedeutung zu.
27 I. Die tariflichen Ausschlusstatbestände des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung sind
nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Trotz der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG gilt
dieses Gesetz auch für die betriebliche Altersversorgung (BAG 11. Dezember 2007 - 3 AZR
249/06 - AP AGG § 2 Nr. 1 = EzA AGG § 2 Nr. 1). Dabei kann der zeitliche Geltungsbereich des
AGG vorliegend dahinstehen. Zwar führen die Ausschlusstatbestände des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und
4 TV Vereinheitlichung in aller Regel zu einer weniger günstigen Behandlung wegen des Alters;
diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch nach § 10 Sätze 1 und 2, Satz 3 Nr. 4 AGG
gerechtfertigt. Diese Bestimmungen sind gemeinschaftsrechtskonform; die
Ausschlusstatbestände des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung ihrerseits sind rechtlich
nicht zu beanstanden.
28 1. Nach § 7 Abs. 1 Halbsatz 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG
genannten Gründe benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen - und hierzu gehören
auch Tarifverträge -, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind
nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Nach § 1 AGG sollen durch das Gesetz ua. Benachteiligungen
aus Gründen des Alters verhindert oder beseitigt werden. § 10 Sätze 1 und 2 AGG gestatten - in
weitgehend gleicher Formulierung wie § 3 Abs. 2 AGG - die unterschiedliche Behandlung wegen
des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und
wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Nach § 10 Satz 3
Nr. 4 AGG können derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere „die Festsetzung von
Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die
Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich
der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte
Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen
dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen“ einschließen.
29 2. Der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung, der ausdrücklich an die
Vollendung des 63. Lebensjahres anknüpft, führt zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen
des Alters. Eine solche liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG
genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer
vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
30 Es kann offenbleiben, ob der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 3 TV Vereinheitlichung zu
einer unmittelbaren oder lediglich mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters führt. Dabei liegt
eine mittelbare Benachteiligung gem. § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale
Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes
gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Obgleich § 2 Abs. 1
Satz 3 TV Vereinheitlichung nicht ausdrücklich ein bestimmtes Lebensalter erwähnt, sondern den
Bezug der VBL-gleichen Rente voraussetzt, spricht einiges dafür, dass es sich um eine Regelung
handelt, die zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters führen kann. Mit dem
Abstellen auf den Bezug einer VBL-gleichen Rente knüpft die Bestimmung für den Regelfall der
Altersrente an die Vollendung des 63. bzw. 65. Lebensjahres an. Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 2
TV ÜV-Cockpit 1989 iVm. der Protokollnotiz II Ziff. 1 Buchst. a hierzu. Nach § 5 Abs. 2 TV ÜV-
Cockpit 1989 beginnt die Zahlung der Zusatzrente in dem Monat nach dem Ausscheiden aus dem
Arbeitsverhältnis und endet im Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der Altersrente
aus der Angestellten-Versicherung bzw. der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder,
spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Nach der Protokollnotiz II Ziff. 1 Buchst. a zu § 5
Abs. 2 TV ÜV-Cockpit 1989 endet die Zahlung der Zusatzrente regelmäßig mit Vollendung des
63. Lebensjahres. Bestehen bei befreiender Lebensversicherung Ansprüche auf Altersversorgung
aus dieser Versicherung nach dem am 1. Oktober 1989 gültigen Versicherungsvertrag erst ab
Alter 65, wird die Übergangsversorgung solange fortgeführt. Der in der Protokollnotiz unter II Ziff. 1
Buchst. a Satz 3 aufgeführte Fall, dass der Mitarbeiter die Wartezeit von 35 Jahren noch erfüllen
können soll, ändert an der zuvor aufgezeigten Regelanknüpfung an das 63. bzw. 65. Lebensjahr
nichts. Er stellt sie nicht in Frage. Jedenfalls sind die Anforderungen an die Rechtfertigung einer
mittelbaren Benachteiligung nicht höher als diejenigen an die Rechtfertigung einer unmittelbaren
Benachteiligung (vgl. BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 40 mwN, NZA 2009, 849). Ist also
eine mit dem Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 3 TV Vereinheitlichung verbundene
unmittelbare Benachteiligung nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt, so ist es auch eine
mittelbare.
31 3. Der mit § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung verbundene Ausschluss von der Teilhabe
an der verbesserten Versorgung nach dem TV Betriebsrente ist nach § 10 Sätze 1 und 2, Satz 3
Nr. 4 AGG gerechtfertigt. Diese gesetzliche Bestimmung ist gemeinschaftsrechtskonform; sie
erfasst auch die Ausschlusstatbestände des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung, die
ihrerseits einer Rechtskontrolle standhalten.
32 a) Die Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG steht, soweit sie die Festsetzung von Altersgrenzen bei
den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder
den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität gestattet, mit Gemeinschaftsrecht in
Einklang.
33 aa) Das AGG dient der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000
zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in
Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG). Zweck dieser Richtlinie ist nach ihrem Art. 1 die
Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung ua. auch wegen des
Alters im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den
Mitgliedstaaten. Dazu haben die Mitgliedstaaten nach Art. 16 Buchst. b der Richtlinie die
erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass „die mit dem
Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen in Arbeits- und
Tarifverträgen, Betriebsordnungen … für nichtig erklärt werden oder erklärt werden können oder
geändert werden“.
34 Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG betrifft die „gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters“.
Nach dessen Abs. 1 Satz 1 können die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie
„vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern
sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel,
worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt
und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses
Ziels angemessen und erforderlich sind“. Für den Bereich der Versorgung im Alter enthält Art. 6
Abs. 2 der Richtlinie eine Spezialregelung. Danach können die Mitgliedstaaten „ungeachtet des
Art. 2 Abs. 2 … vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die
Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von
Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher
Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw.
Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien
für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt,
solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt“.
35 Das bedeutet: Die Mitgliedstaaten sind, soweit es um diese Systeme geht, bei der Umsetzung in
nationales Recht nicht verpflichtet, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie
2000/78/EG einzuhalten. Die Festsetzung von Altersgrenzen in den betrieblichen Systemen der
sozialen Sicherheit ist somit europarechtlich in der Regel zulässig. Damit werden Hindernisse, die
der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung entgegenstehen können, beseitigt.
36 bb) In Anwendung dieser Grundsätze ist § 10 AGG gemeinschaftsrechtskonform. Dies ergibt sich
schon daraus, dass der nationale Gesetzgeber Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG nahezu
unverändert übernommen hat. Indem er die Nr. 4 in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3
AGG eingeordnet hat, hat er die Sätze 1 und 2 des § 10 AGG für anwendbar erklärt. Damit ist er
über die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG hinausgegangen. Allerdings
findet sich im Gesetzestext die in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene
Einschränkung „solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt“, nicht
wieder. Das bedeutet aber nicht, dass § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hinter Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie
2000/78/EG zurückbliebe. Ausweislich der Entstehungsgeschichte der Vorschrift darf nach dem
Willen des nationalen Gesetzgebers die Festsetzung von Altersgrenzen nicht zu einer
Benachteiligung wegen des Geschlechts oder wegen eines anderen in § 1 AGG genannten
Grundes führen (BT-Drucks. 16/1780 S. 36). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der nationale
Gesetzgeber davon abgesehen hat, konkrete Altersgrenzen für die Teilnahme an einer
betrieblichen Altersversorgung bzw. Aufnahme in ein Versorgungswerk selbst zu bestimmen. Es
ist anerkannt, dass der Gesetzgeber die wegen eines sozialpolitischen Ziels für geboten erachtete
Ungleichbehandlung nicht im Detail selbst regeln muss, sondern den zur Ausgestaltung berufenen
Tarifvertrags- und Betriebspartnern Gestaltungs- und Beurteilungsspielräume einräumen kann
(vgl. EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, 74, Slg. 2007, I-8566; BAG
26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 37, NZA 2009, 849).
37 cc) Das vom nationalen Gesetzgeber verfolgte Ziel der Förderung der betrieblichen
Altersversorgung ist ein legitimes Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG. Die Festsetzung von Altersgrenzen
in Versorgungsordnungen ist daher auch nach deutschem Recht im Regelfall zulässig; im
Regelfall liegen die Voraussetzungen des § 10 Sätze 1 und 2 AGG vor.
38 b) Die Sätze 3 und 4 des § 2 Abs. 1 TV Vereinheitlichung sind wirksam. § 2 Abs. 1 Satz 3
TV Vereinheitlichung knüpft - wie bereits unter A II ausgeführt - an den Bezug einer VBL-gleichen
Rente an und nimmt damit eine Differenzierung zwischen Betriebsrentnern einerseits und aktiven
Arbeitnehmern, Beziehern einer Übergangsversorgung sowie sonstigen
Anwartschaftsberechtigten andererseits vor. § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung schließt
wiederum von der zuletzt genannten Gruppe diejenigen ehemaligen Mitarbeiter von der neuen
Betriebsrente aus, die vor dem 2. Januar 2002 das 63. Lebensjahr vollendet haben, und stellt diese
den Betriebsrentnern gleich. Mit dem so bewirkten Ausschluss der Betriebsrentner und der diesen
gleichgestellten ehemaligen Mitarbeiter von der Teilhabe an der verbesserten Altersversorgung
nach dem TV Betriebsrente haben die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum nicht
überschritten; die von ihnen gefundene Regelung entspricht den Voraussetzungen des § 10
Sätze 1 und 2, Satz 3 Nr. 4 AGG. Sie ist im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel der Förderung
der betrieblichen Altersversorgung angemessen.
39 Mit dem Eintritt in den Ruhestand liegt ein abgeschlossener Sachverhalt vor; der Eintritt des
Versorgungsfalls ist eine wesentliche Zäsur und deshalb ein sachgerechter Anknüpfungspunkt für
versorgungsrechtliche Vorschriften (BAG 25. Mai 2004 - 3 AZR 123/03 - zu B II 1 d der Gründe,
AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 11; 20. Februar 2001 - 3 AZR 252/00 - zu III 3 der Gründe,
EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 24; 22. Februar 2000 - 3 AZR 39/99 - zu B IV 1 d der Gründe, AP
BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 3). Zu
berücksichtigen ist ferner, dass die Betriebsrentner - anders als die Aktiven - nicht mehr die zu
zahlenden Betriebsrenten erwirtschaften und so nicht mehr zur Sicherung der Leistungsfähigkeit
des Unternehmens beitragen. Dass die Empfänger der Übergangsversorgung - obgleich sie keine
aktiven Arbeitnehmer mehr sind - den Aktiven grundsätzlich gleichgestellt sind, vermag an dieser
Bewertung nichts zu ändern: Da die frühzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 19
MTV und der sich daran anschließende Bezug der Übergangsversorgung allein im betrieblichen
Interesse liegen, ist diese Gleichstellung gerechtfertigt. Es kommt hinzu, dass mit dem
Ausschluss von der Anwendung der Neuregelung kein Eingriff in erworbene Versorgungsrechte
bzw. Besitzstände verbunden ist. Diese bleiben vielmehr ungeschmälert erhalten; das
ursprüngliche Versorgungssystem nach dem VersTV Nr. 3 iVm. dem ErgTV wird für diesen
Personenkreis fortgeführt. Die Betriebsrentner haben lediglich nicht an der verbesserten
Altersversorgung teil. Hierauf konnten sie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Eintritt in
den Ruhestand auch nicht vertrauen.
40 Auch die mit dem Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung bewirkte
Gleichstellung der Übergangsversorgten und sonstigen Anwartschaftsberechtigten, die zum
Stichtag 2. Januar 2002 das 63. Lebensjahr vollendet hatten, mit den Betriebsrentnern ist nicht zu
beanstanden. Der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung knüpft mit
dem 63. Lebensjahr an das Alter an, in dem die gesetzliche Rente vorgezogen in Anspruch
genommen werden konnte und nach § 5 TV ÜV-Cockpit 1989 auch regelmäßig in Anspruch
genommen werden musste, geht mithin ebenso wie § 5 TV ÜV-Cockpit 1989 davon aus, dass der
Versorgungsfall regelmäßig mit der Vollendung des 63. Lebensjahres eintritt. Eine längere
Gewährung der Übergangsversorgung verbunden mit einem späteren Eintritt des Versorgungsfalls
„Alter“ kommt regelmäßig nur für diejenigen in Betracht, für die bei befreiender
Lebensversicherung Ansprüche auf Altersversorgung aus dieser Versicherung erst ab Alter 65
bestehen. Würden diese Personen nicht den Betriebsrentnern gleichgestellt, wären sie nicht nur
von Abschlägen wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung verschont, sondern würden auch bei der Übergangsregelung bevorzugt. Es
gibt keinen Grund, der eine solche Besserstellung der Anwartschaftsberechtigten mit befreiender
Lebensversicherung gegenüber den sozialversicherten Betriebsrentnern rechtfertigen könnte.
41 c) Ebenso wenig ist die Stichtagsregelung zu beanstanden. Der mit der Regelung bezweckte
Ausschluss der Betriebsrentner und der diesen gleichgestellten ehemaligen Mitarbeiter von der
Teilhabe an der verbesserten Altersversorgung nach dem TV Betriebsrente mit der Folge, dass
das ursprüngliche Versorgungssystem für diese Personengruppe weiter gilt, kann nur mittels einer
Stichtagsregelung bewirkt werden.
42 Die Wahl des Zeitpunkts ist sachlich gerechtfertigt. Dieser orientiert sich am Datum des
Inkrafttretens, dem 1. Januar 2002. Dieses Datum war von den Tarifvertragsparteien im Hinblick
darauf gewählt worden, dass der frühere Versorgungstarifvertrag durch die GVC zum
31. Dezember 2001 gekündigt worden war und für diesen Zeitpunkt eine Ablösung bevorstand.
Ebenso war aufgrund des Altersvorsorgeplans 2001 vom 13. November 2001 das VBL-
Gesamtversorgungssystem im öffentlichen Dienst zum 31. Dezember 2001 grundlegend
reformiert und abgelöst worden. Bereits diese beiden Umstände stellen einen hinreichenden
sachlichen Grund für die Wahl des Zeitpunkts dar, so dass es auf die anderen von der Beklagten
vorgetragenen Umstände nicht ankommt.
43 II. Andere europarechtliche Vorschriften führen zu keinem anderen Ergebnis. Auch im
vorliegenden Verfahren kann offenbleiben, ob das Primärrecht der EG ein auch zwischen privaten
Arbeitgebern und ihren Arbeitnehmern oder Betriebsrentnern geltendes Verbot der Diskriminierung
wegen des Alters enthält (vgl. dazu BAG 27. Juni 2006 - 3 AZR 352/05 (A) - Rn. 35 ff., BAGE 118,
340). Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG knüpft an das europarechtliche Primärrecht an und ist durch
§ 10 AGG umgesetzt worden. Auch nach einem als allgemeiner Grundsatz des
Gemeinschaftsrechts anzusehenden Verbot der Diskriminierung wegen des Alters liegt eine
unzulässige Benachteiligung nicht vor, wenn Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG Rechnung getragen
wurde (vgl. EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-10013; BAG
21. November 2006 - 3 AZR 309/05 - Rn. 44, AP BetrAVG § 1b Nr. 7).
44 III. Die Wirksamkeit der in § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung geregelten
Ausschlusstatbestände scheitert auch nicht an einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz des
Art. 3 Abs. 1 GG. Dabei kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar
an Art. 3 Abs. 1 GG oder ob sie an dessen Grundsätze nur mittelbar gebunden sind (vgl. dazu
BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 146/03 - zu I 3 b der Gründe mwN, BAGE 108, 94). Jedenfalls
enthält Art. 3 Abs. 1 GG keine weitergehenden Anforderungen als § 10 AGG und Art. 6 der
Richtlinie 2000/78/EG.
45 IV. Letztlich sind auch das rückwirkende Inkrafttreten des TV Vereinheitlichung und der damit
einhergehende Ausschluss der durch § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung erfassten
ehemaligen Mitarbeiter von den Leistungen nach dem TV Betriebsrente rechtlich nicht zu
beanstanden. Die Tarifvertragsparteien haben hiermit nicht den Vertrauensgrundsatz (Art. 20
Abs. 3 GG) verletzt, der der Rückwirkung nicht nur von Gesetzen, sondern auch von
Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen Grenzen setzt (BAG 30. März 1995 - 6 AZR 694/94 -
zu II 2 b der Gründe, BAGE 80, 1). Das rückwirkende Inkraftsetzen des TV Vereinheitlichung führt
nicht zu einer echten Rückwirkung, denn der Tarifvertrag greift nicht nachträglich ändernd in
bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein (zur echten Rückwirkung
vgl. BVerfG 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 - zu C III 2 a der Gründe, BVerfGE 95,
64), sondern belässt den Betroffenen ihre Besitzstände nach dem VersTV Nr. 3 iVm. dem ErgTV
uneingeschränkt. Auch ein Fall der unechten Rückwirkung liegt nicht vor. Auch für die unechte
Rückwirkung ist kennzeichnend, dass eine vorhandene Rechtsposition nachträglich entwertet wird
(zur unechten Rückwirkung vgl . BVerfG 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 - zu
C III 2 b der Gründe, aaO). Dies ist beim TV Vereinheitlichung, der nicht zu Eingriffen in
vorhandene Besitzstände führt, sondern die Betroffenen von der Teilhabe an einem verbesserten
Versorgungswerk ausschließt, nicht der Fall.
Reinecke
Kremhelmer
Schlewing
Perreng
Stemmer