Urteil des BAG vom 16.02.2012

Betriebsbedingte Kündigung - Betriebsstilllegung

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 16.2.2012, 8 AZR 693/10
Betriebsbedingte Kündigung - Betriebsstilllegung
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Düsseldorf vom 10. September 2010 - 9 Sa 343/10 - wird
zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung durch den
beklagten Insolvenzverwalter.
2 Der Kläger war seit dem 1. September 1981 bei der R GmbH, der Insolvenzschuldnerin,
zunächst in G und Gr und ab dem 1. Mai 2007 in P anfänglich als Werksleiter und ab
1. Januar 2009 als Leiter des Fachbereichs Logistik und stellvertretender Werksleiter zu
einer Bruttomonatsvergütung von 7.250,00 Euro beschäftigt.
3 Die Insolvenzschuldnerin stellte komplexe, bis zu 24-lagige Leiterplatten her.
Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin waren die B Ltd., die Bl SARL (Luxembourg)
sowie die C plc. Das Betriebsgrundstück in P stand im Eigentum der
Insolvenzschuldnerin, während ein Großteil der Maschinen und sonstigen Einrichtungen
geleast waren. Leasinggeber war die K GmbH bzw. die später mit dieser verschmolzene E
mbH (E GmbH). Geschäftsführer und Mitgesellschafter der E GmbH ist Z.
4 Die Insolvenzschuldnerin beantragte unter dem 3. Februar 2009 die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens. Der Beklagte wurde daraufhin zum vorläufigen Insolvenzverwalter
bestellt. Zum Zwecke der Veräußerung der Betriebe der Insolvenzschuldnerin leitete der
Beklagte Ende Februar 2009 ein internationales Bieterverfahren in die Wege, mit dem ein
Bankhaus beauftragt wurde. Dazu wurden ua. Broschüren an potentielle Interessenten
versandt. Diese waren aufgefordert, bis zum 15. April 2009 ein Angebot abzugeben.
Nachdem nur zwei Angebote abgegeben worden waren, die jedoch als inakzeptabel
erachtet wurden, beschlossen die Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin unter
Mitwirkung des Beklagten am 14. April 2009 die Schließung der Betriebe mit Ablauf des
30. April 2009.
5 Auf einer Versammlung am 16. April 2009 wurden die Mitarbeiter beider Betriebe über die
geplanten Betriebsschließungen unterrichtet.
6 Mit Schreiben vom 21. April 2009 stellte der Beklagte den Kläger mit Ablauf des 30. April
2009 von der „weiteren Mitarbeit“ frei. Der Beklagte zeigte unter dem 26. April 2010
gegenüber dem Amtsgericht Kl die Masseunzulänglichkeit an.
7 Mit Beschluss des Amtsgerichts Kl vom 1. Mai 2009 wurde der Beklagte zum
Insolvenzverwalter über das Vermögen der R GmbH bestellt. Am 6. Mai 2009 fand eine
Sitzung des Gläubigerausschusses statt. Im Sitzungsprotokoll ist ua. festgehalten:
„Der Insolvenzverwalter unterrichtet den Gläubigerausschuss darüber, dass
aufgrund der rapide weggebrochenen Auftragseingänge und des desaströsen
Ergebnisses der Investorensuche der Beschluss zur Einstellung des
Betriebsbetriebes gefasst wurde. In Umsetzung dieses Beschlusses sind über 50 %
der Mitarbeiter bereits freigestellt worden. Nach Abschluss des entsprechenden
Interessenausgleiches und Sozialplanes wird der Unterzeichner sämtlichen
Mitarbeitern kündigen und das Unternehmen im Rahmen einer Ausproduktion bis
August 2009 fortführen. Auf Grundlage der vorgestellten Liquiditätsplanung ist die
Fortführung für diesen Zeitraum sichergestellt.“
8 Unter dem 8./13. Mai 2009 vereinbarten der Beklagte und die Betriebsräte G und P sowie
der Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich. Dieser lautet auszugsweise:
III.
Es besteht keine Möglichkeit den Geschäftsbetrieb über den 30.04.2009
weiterzuführen. Eine übertragende Sanierung kommt in Ermangelung von
Interessenten nicht in Betracht.
Vor diesem Hintergrund wurde am 15.04.2009 die unternehmerische Entscheidung
getroffen, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin am 30.04.2009 endgültig und auf
Dauer einzustellen. Von dieser Entscheidung wurden die Betriebsräte am
folgenden Tag in Kenntnis gesetzt.
Betriebseinstellung heißt, dass nur solche bestehenden Aufträge abgearbeitet
werden, die spätestens mit dem Ablauf der letzten Kündigungsfrist und mit dem sich
bis dahin aufgrund unterschiedlich langer Kündigungsfristen ständig reduzierenden
Personal noch abgearbeitet werden können. Zur Erhaltung/Mehrung der
Insolvenzmasse und Auslastung des Betriebs in der Zeit bis zum Auslauf der
Kündigungsfristen der Mitarbeiter vereinbaren beide Parteien, dass nach dieser
Maßgabe Neuaufträge angenommen und abgearbeitet werden können, soweit sie
noch innerhalb der laufenden Kündigungsfristen der Mitarbeiter abgeschlossen
werden können.
Die Einstellung des Betriebs ist Geschäftsgrundlage des Interessenausgleichs und
des Sozialplans. Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass bei einer
eventuellen Fortführung des Unternehmens neu zu verhandeln ist.
IV.
Die von Kündigungen und Entlassungen betroffenen Mitarbeiter ergeben sich aus
der als Anlage dieser Vereinbarung beigefügten Liste. Diese Liste ist keine
Namensliste im Sinne der §§ 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 125 InsO, die mit der
vorliegenden Vereinbarung bei Unterzeichnung fest verbunden ist. Diese feste
Verbindung bestätigen sich die Parteien mit Unterschrift gegenseitig. Die Liste dient
ausschließlich dem Nachweis der ordnungsgemäßen Anhörung nach § 102
BetrVG.“
9 Gleichzeitig wurden Sozialpläne für beide Betriebe vereinbart.
10 Am 14. Mai 2009 erstattete der Beklagte der für die Betriebe in G und P zuständigen
Agentur für Arbeit W Massenentlassungsanzeigen nach § 17 KSchG. Mit Bescheid vom
28. Mai 2009 bestätigte die Agentur für Arbeit W den Eingang der Anzeige und setzte den
Ablauf der Sperrfrist auf den 14. Juni 2009 fest.
11 Mit Schreiben vom 15. Mai 2009, dem Kläger am 16. Mai 2009 zugegangen, kündigte der
Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. August 2009 „aus
betriebsbedingten Gründen“. Sofern nicht noch behördliche Zulässigkeitserklärungen
notwendig waren, wurde auch allen übrigen Mitarbeitern gekündigt.
12 Während etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer bereits freigestellt war, erfolgte mit
den übrigen - jedenfalls für Aufträge, die bis Ende August 2009 erledigt werden konnten -
die weitere Produktion. Für den Betrieb in G beschloss der Beklagte später, die
Ausproduktion bis zum 18. Dezember 2009 zu verlängern. Er beschäftigte dort solche
Arbeitnehmer weiter, die im Rahmen von Abwicklungsvereinbarungen die Kündigung mit
einer Verlängerung der Kündigungsfrist akzeptierten.
13 Am 14. August 2009 wurde im Handelsregister des Amtsgerichts S die Umfirmierung der
KLGmbH in LP P GmbH (im Folgenden: LPP) eingetragen. Der Geschäftsgegenstand
wurde in: „Die Produktion und der Vertrieb von elektrischen, elektronischen,
elektromechanischen, optoelektronischen und technischen Bauelementen und Geräten
und die Ausführung aller Geschäfte, die damit im Zusammenhang stehen“ geändert.
Geschäftsführer der LPP wurde zunächst Z. Muttergesellschaft der LPP ist die E GmbH.
14 Im Zeitraum Februar bis Mai 2009 besuchte Z mehrfach den Betrieb in P und erfragte
hierbei Auftragsstände, Umsätze und Kosten. Auch führte er mit dem Beklagten
Gespräche. Im August 2009 wurde den Arbeitnehmern in P seitens Herrn Z angeboten, für
den Zeitraum ab dem 1. September 2009 neue Arbeitsverträge abzuschließen.
15 Seit dem 1. September 2009 führt die LPP den Betrieb zur Herstellung von Leiterplatten in
P. Sie hatte das Betriebsgrundstück und die im Eigentum der Insolvenzschuldnerin
stehenden Betriebsmittel erworben. Von den Arbeitnehmern der Insolvenzschuldnerin
beschäftigte die LPP jedenfalls etwas weniger als die Hälfte weiter. Den Betrieb in G führt
die R I GmbH fort.
16 In einer Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin vom 14. September 2009 heißt es
unter der Überschrift „R geht nach dramatischen Wochen gestärkt aus der Insolvenz
hervor“ ua.:
„Durch seine hervorragende Reputation gelang es R selbst in der Insolvenz in den
Folgemonaten sogar einen neuen Großkunden für sich zu gewinnen und andere
maßgebliche Bedarfsträger platzierten Zusatzaufträge zur Stützung ihres
strategischen Lieferantenpartners. Ende Juli konnte für das Werk P mit dem
früheren R-Eigentümer Z eine Zukunftslösung gefunden werden.“
17 Für das Betriebsgrundstück in P wurde am 15. Oktober 2009 die Eintragung einer
„Erwerbsvormerkung“ zugunsten der LP P GmbH in das Grundbuch mit „Bezug:
Bewilligung vom 21.07.2009/01.09.2009“ vorgenommen.
18 Mit Schreiben vom 26. Januar 2010 bestätigte die Firma A GmbH die für den Beklagten
vorgenommene Verwertung zweier Gabelstapler, dreier Filterpressen, dreier
Kolbenmembranpumpen, eines Systronic Ofens und eines Multilayer-Pressezentrums im
Gesamtwert von 31.500,00 Euro.
19 Der Kläger behauptet, es habe zum Zeitpunkt des Ausspruches der streitgegenständlichen
Kündigung keinen endgültigen Betriebsstilllegungsbeschluss gegeben. Als ihm die
Kündigung zugegangen sei, habe der Beklagte in Verhandlungen einerseits mit Z, dem
Geschäftsführer der LPP, und andererseits mit den Geschäftsführern der Firmengruppe Pr,
Ro und E Pr, gestanden. Der Beklagte habe nur vorsorglich für den Fall des Scheiterns
der Verhandlungen gekündigt. Dies ergebe sich schon daraus, dass Z von Februar bis Mai
2009 mehrmals den Betrieb P besucht habe. Persönlich habe dieser dem Kläger
sinngemäß gesagt, dass er zwar keine große Lust für eine Übernahme habe, aber eine
Stilllegungsentscheidung verhindern wolle. Dessen Besuche im Betrieb in P seien ohne
Einverständnis des Beklagten kaum vorstellbar. Die Motivation des Z ergebe sich ohne
Weiteres aus den abgeschlossenen Leasingverträgen, die niemals gekündigt worden
seien. Auch aus dem Vortrag des Beklagten ergebe sich, dass er mit Z verhandelt habe.
Dabei habe der Beklagte nicht angegeben, wann dies geschehen sei. Bereits am 21. Juli
2009 sei eine Auflassungsvormerkung für die LPP im Grundbuch eingetragen worden,
wobei der Notar auf Nachfrage angegeben habe, dass der Kaufvertrag etliche Zeit vor dem
21. Juli 2009 geschlossen worden sei. Seit dem 1. September 2009 produziere die LPP
mit den verbliebenen Mitarbeitern unverändert mit denselben Betriebsmitteln in P. Dass
der Beklagte nicht von einer Stilllegung ausgegangen sei, ergebe sich auch daraus, dass
alle für die Produktion notwendigen Rohstoffe und Betriebsmittel auch nach dem
1. September 2009 in ausreichender Menge vorhanden gewesen seien, was nur durch
entsprechende Vorkehrungen des Beklagten erklärt werden könne. Auch Aufträge seien
ab dem 1. September 2009 ausreichend vorhanden gewesen.
20 Im Übrigen hält der Kläger die Kündigung auch nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB für
unwirksam.
21 Der Kläger hat - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei dem Beklagten nicht durch
die Kündigung vom 15. Mai 2009 - dem Kläger zugegangen am 16. Mai 2009 - zum
31. August 2009 aufgelöst wird.
22 Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
23 Er behauptet, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches seien keine Verhandlungen
über eine Weiterführung des Betriebes in P geführt worden. Vielmehr sei er von der
Betriebsstilllegung und Ausproduktion - mit etwas weniger als 50 % der Arbeitnehmer - bis
31. August 2009 ausgegangen, da die Suche nach Investoren erfolglos verlaufen sei. Die
Stilllegung sei beschlossen worden, weil die Insolvenzschuldnerin im Jahre 2008 bei
einem Umsatz von über 104 Mio. Euro einen Verlust von mehr als 7 Mio. Euro
ausgewiesen habe, der im Wesentlichen durch das Werk in P verursacht worden sei. Eine
kostendeckende Produktion sei für die Zukunft nicht abzusehen gewesen. Die
Stilllegungsentscheidung habe auch greifbare Formen angenommen gehabt. So sei ein
Interessenausgleich abgeschlossen und die Massenentlassungsanzeige erstattet worden.
Auch sei allen Arbeitnehmern gekündigt und dies auf Betriebsversammlungen
ausreichend kommuniziert worden. Neue Aufträge bzw. Abrufe seien nur dann
angenommen worden, wenn diese bis zum 31. August 2009 hätten erledigt werden
können. In der Branche der Insolvenzschuldnerin sei es typisch, dass Kunden im Wege
eines „letter of intent“ Größenordnungen für jährliche Abrufe ankündigen, verbindliche
Abrufe aber erst etwa einen Monat bis eine Woche vor dem Produktionsmonat erfolgen.
Die Insolvenzschuldnerin bzw. der Beklagte hätten daher keine Aufträge abzulehnen oder
zu kündigen brauchen. Den Kunden sei mitgeteilt worden, dass nur bis zum 31. August
2009 produziert werde. Für die Zeit nach dem 31. August 2009 seien keine
Produktionszusagen gegeben worden. Auch habe der Beklagte die Firma A beauftragt, für
vorhandene Betriebsmittel, soweit diese nicht mit Sicherungsmitteln belastet oder für die
Ausproduktion benötigt würden, Interessenten zu finden. Dass Maschinen veräußert
worden seien, ergebe sich aus dem Schreiben der Firma A vom 26. Januar 2010. Wenn Z
in P erschienen sei, so sei dies geschehen, um seine Sicherheiten zu prüfen. Jedenfalls
habe dieser ihm keine Überlegungen zu einer Betriebsübernahme mitgeteilt. Bl habe sich
erstmals im Juli 2009 mit der Frage eines Erwerbs der Betriebsstätte G befasst und im
Wege eines „letter of intent“ grundsätzliches Interesse am Standort G mit den bisherigen
Produktionsmitteln geäußert. Die von Bl gestellten Bedingungen seien aber zunächst nicht
erfüllt worden, so dass das Geschäft „geplatzt“ sei. Da aber Kunden der Einstieg eines
Investors schon signalisiert worden sei, habe man die Ausproduktion in G bis
18. Dezember 2009 verlängert. Weitere Verhandlungen mit Bl hätten dann dazu geführt,
dass Bl am 14. September 2009 entschieden habe, die im Rahmen der Verhandlungen
gestellten Bedingungen als erfüllt anzusehen. Die Muttergesellschaft der LPP, die E
GmbH, habe erst im August 2009 angeboten, das Betriebsgrundstück in P und die
Betriebseinrichtungen zu erwerben. Nach Zustimmung durch die Gläubigerversammlung
am 27. August 2009 sei der Kaufvertrag am 1. September 2009 zustande gekommen.
Entscheidend sei, dass eine nachträgliche Entwicklung ohnehin unbeachtlich sei, da es
allein auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruches ankomme.
24 Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat der
Beklagtenvertreter auf die Frage, wie sich das Datum 21. Juli 2009 in der
Grundbucheintragung zur Vormerkung erklären lasse, ausgeführt, dass es womöglich am
21. Juli 2009 bereits ein Angebot gegeben habe. Er könne nicht sagen, ob es da schon
entsprechende Verhandlungen gegeben habe.
25 Erstmals in der Revisionsbegründung trägt der Beklagte vor, dass ein Angebot der E
GmbH bzw. der LPP erstmalig am 21. Juli 2009 in notariell beglaubigter Form erfolgt sei.
26 Mit Teilurteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien
durch die streitgegenständliche Kündigung nicht aufgelöst wird. Die Berufung des
Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom
Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen
Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision
beantragt.
Entscheidungsgründe
27 Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die von ihm zum 31. August 2009
ausgesprochene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aufgelöst.
28 A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im Wesentlichen
wie folgt begründet: Die streitgegenständliche Kündigung sei nicht gemäß § 1 Abs. 2
Satz 1 KSchG aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt. Zu den
dringenden betrieblichen Erfordernissen gehöre die Stilllegung des gesamten Betriebes.
Von einer Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers sei auszugehen, wenn dieser seine
Absicht unmissverständlich äußere, allen Arbeitnehmern kündige, etwaige Mietverträge
zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöse, die Betriebsmittel, über die er verfügen könne,
veräußere und die Betriebstätigkeit vollständig einstelle. Die betreffenden betrieblichen
Umstände müssten greifbare Formen angenommen haben. Keine Stilllegungsabsicht
liege vor, wenn der Betrieb veräußert werden solle. Das Bundesarbeitsgericht habe in der
alsbaldigen Wiedereröffnung des Betriebes eine tatsächliche Vermutung gegen eine
ernsthafte Stilllegungsabsicht gesehen.
29 Unter Beachtung dieser Maßstäbe stehe zur Überzeugung des Gerichts nicht fest, dass
der Beklagte zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernstlichen und endgültigen
Entschluss gefasst gehabt habe, den Betrieb in P stillzulegen. Für einen solchen
Entschluss spreche zwar der Gesellschafterbeschluss - obwohl in diesem von einer
Stilllegung zum 30. April 2009 die Rede sei -, der Abschluss des Interessenausgleichs
und Sozialplans sowie die Kündigung aller Mitarbeiter. Gegen eine ernsthafte und
endgültige Stilllegungsabsicht spreche jedoch die nahtlose Fortführung des Betriebes
durch die LPP und dass es zu einer Stilllegung nicht gekommen sei. Deshalb hätte es des
Vortrags weiterer Indizien durch den Beklagten bedurft, um darzulegen, dass er bereits
zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs ernsthaft und endgültig die Stilllegung
beabsichtigt habe. Wenn eine prognostizierte Betriebsstilllegung nicht eingetreten sei,
habe dies Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber habe dann
konkret darzulegen, welche Maßnahmen er zunächst wann vorgenommen habe, um seine
Entscheidung umzusetzen. Er habe im Einzelnen vorzutragen, wann welche nicht
vorhergesehene Entwicklung stattgefunden habe. Es komme nicht darauf an, ob der
Beklagte bereits bei Zugang der Kündigung ein Angebot der LPP angenommen gehabt
habe, da auch ernsthafte Vertragsverhandlungen einen endgültigen und ernsthaften
Stilllegungsbeschluss ausschließen würden.
30 Der Beklagte habe nicht vorgetragen, welche konkreten Maßnahmen ergriffen worden
seien, um die Vertragsbeziehungen zu Dritten (Miet-, Leasingverträge oder Verträge mit
Energieversorgern oder Rohstofflieferanten) zu regeln. Der bloße Vortrag, den Kunden sei
das Auslaufen der Produktion mitgeteilt worden, sei zu pauschal, um nachvollziehbar zu
machen, weshalb Kunden davon ausgehen mussten, eine Ausproduktion werde nur bis
zum 31. August 2009 stattfinden. Unklar bleibe, warum Kunden auch Bestellungen bzw.
Abrufungen für die Zeit nach dem 31. August 2009 in Aussicht gestellt hätten, wenn ihnen
doch erklärt worden sein solle, eine Ausproduktion werde nur bis zum 31. August 2009
erfolgen. Auch zu Rohstofflieferanten fehle jeder Vortrag, was aber angesichts der
Fortführung der Produktion am 1. September 2009 notwendig gewesen wäre. Nicht
vorgetragen sei, wie es der Beklagte sichergestellt habe, einerseits genügend Rohstoffe
für die Ausproduktion zu haben und andererseits unnötige Rohstoffmengen zu vermeiden.
Insoweit hätte er vortragen müssen, ob und gegebenenfalls welche Vereinbarungen es mit
der LPP gegeben habe. Der Vortrag zur Veräußerung von Betriebsmitteln durch die Firma
A sei zu pauschal. Es sei schon nicht erkennbar, ob Betriebsmittel aus G oder P veräußert
worden seien. Auch der Zeitpunkt der Beauftragung der Firma A sei unklar. Insbesondere
fehle ein Vortrag, wann und aufgrund wessen Initiative es zu konkreten Verhandlungen mit
der LPP gekommen sei. Zwar sprechen sowohl die Pressemitteilung als auch der
Zeitpunkt der Grundbucheintragung für Gespräche zumindest im Juli 2009. Es wäre aber
Sache des Beklagten gewesen, den Ablauf der Kontaktaufnahme sowie den
Verhandlungsablauf darzustellen, damit ausgeschlossen werden könne, dass zum
Zeitpunkt der Kündigung mögliche Vertragsverhandlungen mit der LPP vorbehalten
waren. Schließlich genüge auch der Vortrag zur Freistellung von Mitarbeitern und zur
Durchführung des Bieterverfahrens nicht, um von einer endgültigen Stilllegungsabsicht
ausgehen zu können.
31 B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis und in weiten Teilen der
Begründung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
32 Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.
33 I. Der Beklagte ist passivlegitimiert, und zwar unabhängig davon, ob nach Ausspruch der
Kündigung und der fristgerechten Erhebung einer Kündigungsschutzklage ein
Betriebsübergang stattgefunden hat oder nicht. Der Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis
vor einem Betriebsübergang gekündigt hat, ist für die gerichtliche Klärung der Wirksamkeit
der Kündigung auch nach einem Betriebsübergang passivlegitimiert (vgl. BAG 16. Mai
2002 - 8 AZR 319/01 - AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210).
34 II. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Sie ist damit
rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Das Kündigungsschutzgesetz ist auch bei einer
Kündigung des Insolvenzverwalters nach § 113 InsO zu beachten, wenn es - wie
vorliegend - nach seinem persönlichen und betrieblichen Geltungsbereich auf das
Arbeitsverhältnis Anwendung findet (vgl. BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 769/06 - AP BGB
§ 613a Nr. 324).
35 1. Bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) durch das
Landesarbeitsgericht handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten
Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen ist, ob das
Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des
Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine
Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob
das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr., vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 -
BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51).
36 2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand.
37 a) Die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber gehört zu den
dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die einen Grund
zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können (st. Rspr., vgl. BAG 28. Mai
2009 - 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20). Unter
Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung
und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige
wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des
bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte,
wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung
des gesamten Betriebes entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber ist
aber nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung
auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine
Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich ist dazu aber, dass
der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen
Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen
(vgl. BAG 14. August 2007 - 8 AZR 1043/06 - AP BGB § 613a Nr. 325 = EzA BGB 2002
§ 613a Nr. 74). Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht dabei nicht entgegen, dass
sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen
Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen. Der
Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich
seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht (vgl. BAG
8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156). An einem endgültigen Entschluss zur
Betriebsstilllegung fehlt es aber, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in
Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht (vgl. BAG 29. September 2005
- 8 AZR 647/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139 = EzA KSchG
§ 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 140). Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber sich im
Zeitpunkt der Kündigung noch um neue Aufträge bemüht (vgl. BAG 13. Februar 2008 -
2 AZR 75/06 -). Ist andererseits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die
Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, behält sich der Arbeitgeber
aber eine Betriebsveräußerung vor, falls sich eine Chance bietet, und gelingt dann später
noch eine Betriebsveräußerung, bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung
(vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA
BGB 2002 § 613a Nr. 51; 29. September 2005 - 8 AZR 647/04 - aaO).
38 Auch ist bei einer Betriebsstilllegung erforderlich, dass die geplanten Maßnahmen zum
Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits „greifbare Formen“ angenommen haben.
Diese liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung aufgrund einer
vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, bis zum Ablauf
der einzuhaltenden Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die
Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes, dh. die Stilllegung, gegeben
sein. Von einer Stilllegung kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn der
Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern
kündigt, etwaige Miet- oder Pachtverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die
Betriebsmittel, über die er verfügen darf, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig
einstellt (vgl. BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 37/10 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 125).
39 Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich nach diesen Grundsätzen
demnach systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des
Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine
vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial
gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht
als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebes
wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer
diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet (vgl. BAG
28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20).
40 Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung ist der des
Kündigungszugangs (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 493/09 - AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 185 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung
Nr. 164). Dies schließt es nicht aus, dass - insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein
prognostisches Element innewohnt - der tatsächliche Eintritt der prognostizierten
Entwicklung Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose zulässt
(vgl. BAG 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - BAGE 109, 40 = AP KSchG 1969 § 1
Soziale Auswahl Nr. 64 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128). Verläuft
die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung planmäßig, ist es gerechtfertigt, von
einem tragfähigen Konzept im Zeitpunkt der Kündigung auszugehen (vgl. ErfK/Oetker
12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 280). Die im Kündigungszeitpunkt gestellte Prognose, mit Ablauf
der Kündigungsfrist werde der Beschäftigungsbedarf entfallen, wird so bestätigt (vgl. BAG
7. Juli 2005 - 2 AZR 447/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136 =
EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139). Umgekehrt spricht bei alsbaldiger
Wiedereröffnung des Betriebes bzw. bei alsbaldiger Wiederaufnahme der Produktion
durch einen Betriebserwerber eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Absicht,
den Betrieb stillzulegen (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - AP KSchG 1969 § 15
Nr. 50 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 53).
41 Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür,
dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingen, § 1 Abs. 2 Satz 4
KSchG. Beruft sich der Arbeitgeber auf den betriebsbedingten Kündigungsgrund der
Stilllegung, so ist, wenn das Vorliegen eines Stilllegungsentschlusses im
Kündigungszeitpunkt bestritten wird, der Arbeitgeber verpflichtet, substanziiert darzulegen,
dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich
rechtlich als Betriebsstilllegung darstellen, geplant und beschlossen hat. Über diese
Entschlussfassung hinaus muss der Arbeitgeber substanziiert vortragen, dass auch die
geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen
angenommen hatten (BAG 23. März 1984 - 7 AZR 409/82 - AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 38). Der Umfang der Darlegungslast hängt dabei auch
davon ab, wie sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die vom Arbeitgeber gegebene
Begründung der Kündigung einlässt (vgl. BAG 17. Oktober 1980 - 7 AZR 675/78 - AP
KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 10 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 15). Trägt der gekündigte Arbeitnehmer beispielsweise Anhaltspunkte
dafür vor, dass im Zeitpunkt der Kündigung eine Stilllegungsentscheidung nicht ernsthaft
getroffen war, weil es Veräußerungsverhandlungen gegeben habe, und kommt es zu einer
alsbaldigen Wiedereröffnung bzw. nahtlosen Fortsetzung durch einen Betriebserwerber,
so trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Wiedereröffnung
bzw. Veräußerung nicht bereits voraussehbar oder gar geplant war (vgl. ErfK/Oetker
12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 279).
42 b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich
nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Beklagte entgegen der ihn
treffenden Darlegungslast keine ausreichenden Umstände für die Annahme vorgetragen
hat, bei einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung sei zum Zeitpunkt des
Kündigungsausspruches davon auszugehen gewesen, eine Weiterbeschäftigung des
Klägers werde mit Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr möglich sein.
43 Die gemäß § 286 Abs. 1 ZPO gewonnene Überzeugung des Tatsachengerichts, ob die
vom Beklagten vorgetragenen und vom Kläger bestrittenen Tatsachen den Schluss auf
einen endgültigen und ernsthaften Entschluss zur Betriebsstilllegung im Zeitpunkt des
Zugangs der Kündigung rechtfertigen, ist nur beschränkt revisibel (vgl. oben B II 1).
44 Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für einen ernsthaften
und endgültigen Beschluss, den Betrieb in P stillzulegen, zunächst der
Gesellschafterbeschluss vom 14. April 2009 spricht. Gleiches gilt auch für die Information
des Gläubigerausschusses durch den Beklagten am 6. Mai 2009. Zutreffend hat das
Landesarbeitsgericht weiter berücksichtigt, dass der Abschluss des Interessenausgleichs
und Sozialplans und die Massenentlassungsanzeige für eine ernsthafte und endgültige
Stilllegungsabsicht sprechen. Dies macht aber nicht entbehrlich, die weiteren Umstände
zu würdigen, die - wie die alsbaldige Wiedereröffnung bzw. Fortsetzung der betrieblichen
Tätigkeit durch einen Betriebserwerber - gegen einen ernsthaften, endgültigen
Stilllegungsentschluss sprechen. Die Prüfung, ob nach Würdigung der Umstände des
Einzelfalles im Zeitpunkt der Kündigung die im Zusammenhang mit der behaupteten
Stilllegungsabsicht getroffenen Maßnahmen bereits „greifbare Formen“ angenommen
hatten, die ihrerseits wiederum einen Rückschluss auf die Ernsthaftigkeit des
Stilllegungsentschlusses zulassen, obliegt zuvörderst dem Tatsachengericht.
45 Angesichts der Veräußerung des Betriebsgrundstückes und materieller Betriebsmittel an
die LPP sowie der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit durch diese in P ab
1. September 2009 begegnet die Würdigung der weiteren Umstände durch das
Landesarbeitsgericht keinen Bedenken. Die Wiederaufnahme der Produktion durch einen
Betriebserwerber begründet eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Absicht,
den Betrieb stillzulegen (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - AP KSchG 1969 § 15
Nr. 50 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 53). Dies gilt nicht nur dann, wenn ein Betriebsübergang
innerhalb der Kündigungsfrist stattfindet. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
vom 27. September 1984 (- 2 AZR 309/83 - BAGE 47, 13 = AP BGB § 613a Nr. 39 = EzA
BGB § 613a Nr. 40) steht dem nicht entgegen. Zwar könnte ein solcher Bezug zur
Kündigungsfrist aus dem Leitsatz Nr. 3c hergeleitet werden. Ein solcher ergibt sich aus
den Entscheidungsgründen jedoch nicht. Vielmehr heißt es dort, dass bei alsbaldiger
Wiedereröffnung eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht
spricht. Der Entscheidung lässt sich nicht entnehmen, eine tatsächliche Vermutung gegen
eine ernsthafte Stilllegungsabsicht sei nur dann gegeben, wenn ein Betriebsübergang
noch innerhalb der individuellen Kündigungsfrist stattfindet. Auch in späteren
Entscheidungen des Zweiten Senats findet sich keine Einschränkung auf den Zeitraum
der Kündigungsfrist (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - aaO; 12. Februar 1987 -
2 AZR 247/86 - AP BGB § 613a Nr. 67 = EzA BGB § 613a Nr. 64). Kommt es noch vor
dem beabsichtigten oder alsbald nach dem beabsichtigten Stilllegungstermin zu einer
Betriebsfortführung durch einen Betriebserwerber, so spricht die Erfahrung dafür, dass die
Verhandlungen bzw. der Abschluss der Rechtsgeschäfte hierfür bereits längere Zeit zuvor
stattgefunden haben. Dies rechtfertigt es, an die Betriebsfortführung durch den
Unternehmer bzw. einen Erwerber die tatsächliche Vermutung zu knüpfen, zum Zeitpunkt
der Kündigung der Arbeitsverhältnisse habe keine endgültige Stilllegungsabsicht
bestanden. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, durch näheren Sachvortrag diese
Vermutung zu widerlegen.
46 Ohne Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit setzte die LPP ab dem 1. September 2009
die Produktion von Leiterplatten im Betrieb in P mit den dort vorhandenen Betriebsmitteln
fort. Zwar spricht der Inhalt der Grundbucheintragung vom 15. Oktober 2009 „Bezug:
Bewilligung vom 21.07.2009/ 01.09.2009“ dafür, dass die zur Übertragung des Eigentums
notwendigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen vom 21. Juli 2009 bzw. 1. September 2009
- also einem Zeitpunkt nach Zugang der Kündigung - stammen. Zutreffend hat das
Landesarbeitsgericht aber darauf abgestellt, dass auch ernsthafte
Veräußerungsverhandlungen zwischen dem Beklagten und der LPP einer ernsthaften
Stilllegungsabsicht entgegenstehen. Erfahrungsgemäß gehen vertraglichen
Vereinbarungen bzgl. einer Betriebsübernahme und eines Grunderwerbs, die in die
Eintragung einer Auflassungsvormerkung münden, langfristige Vorverhandlungen voraus.
Demnach ist die Vermutung gerechtfertigt, solche Verhandlungen seien bereits im Mai
2009, dem Zeitpunkt des Kündigungsausspruches, geführt worden. Dass solche zum
Zeitpunkt der Kündigung (noch) nicht stattfanden, sondern tatsächlich ein endgültiger
Stilllegungsentschluss getroffen war, hat der Beklagte nicht schlüssig dargelegt.
47 Allein die Entlassung von Arbeitnehmern spricht nicht für eine ernsthafte
Stilllegungsabsicht, weil es gerade um die Frage geht, ob diese Kündigungen sozial
gerechtfertigt sind (vgl. BAG 19. Juni 1991 - 2 AZR 127/91 - AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung
Nr. 70). Auch die Freistellung von einzelnen Arbeitnehmern ist kein ausschlaggebendes
Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsentschluss. Solche Freistellungen können nämlich
in Absprache mit einem Betriebserwerber auch dazu dienen, angepasst an ein bestimmtes
Auftragsvolumen nur bestimmte Leistungsträger zu übernehmen. So wie die
Beschäftigung der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist nicht gegen eine ernsthafte
Stilllegungsabsicht spricht (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - AP KSchG 1969
§ 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156), so darf auch nicht
allein aus deren Freistellung auf das Vorliegen eines endgültigen
Stilllegungsentschlusses des Arbeitgebers geschlossen werden.
48 Auch die finanzielle Situation bei der Insolvenzschuldnerin ist kein Indiz für die
Ernsthaftigkeit des Stilllegungsbeschlusses. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
bedeutet noch keine Betriebsstilllegung, weil der Insolvenzverwalter den Betrieb
weiterführen kann (vgl. BAG 27. November 1986 - 2 AZR 706/85 -).
49 Demnach ist auch die zur Insolvenz führende Überschuldung grundsätzlich kein Indiz für
eine Stilllegungsabsicht. Dies gilt im Streitfalle vor allem deshalb, weil der Beklagte die
Veräußerung der Insolvenzschuldnerin in einem internationalen Bieterverfahren
angesichts der unzureichenden Gewinnsituation angestrebt, also zunächst keine
Stilllegung der Betriebe in G und P beabsichtigt hatte. Auch das Scheitern des
internationalen Bieterverfahrens spricht nicht zwangsläufig für die Ernsthaftigkeit eines
anschließenden Stilllegungsentschlusses, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend
erkannt hat. Dass der Wunsch, einen Betrieb zu veräußern, sich nicht im ersten Anlauf
verwirklichen lässt, drängt nicht zwingend den Schluss auf, dass der Arbeitgeber nach
dem ersten gescheiterten Versuch das Gegenteil - nämlich die endgültige
Betriebsstilllegung - beabsichtigt.
50 Nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht den Vortrag des Beklagten, er
habe den Kunden mitgeteilt, die Insolvenzschuldnerin produziere bis zum 31. August
2009, nicht für die Annahme hat genügen lassen, die beabsichtigte Betriebsstilllegung
habe bereits im Zeitpunkt der Kündigungserklärung greifbare Formen angenommen
gehabt.
51 Allerdings liegt in der Regel ein starkes Indiz für einen ernstlichen und endgültigen
Stilllegungsplan vor, wenn der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss gegenüber
Lieferanten, Kunden, Banken usw. bekannt gibt (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG
Rn. 489), weil ein Arbeitgeber, der die Betriebsfortführung oder Veräußerung ernsthaft ins
Auge fasst, die Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten, Kunden, Banken etc. in der Regel
nicht durch die Bekanntgabe einer Stilllegungsentscheidung gefährden will (vgl. BAG
10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung
Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 87). Erst recht wird der
Arbeitgeber langfristige Geschäftsbeziehungen nicht kündigen, wenn eine
Betriebsveräußerung bzw. -fortführung beabsichtigt ist. Deshalb begründen
organisatorische Vorkehrungen wie der Ausspruch von Kündigungen solcher
Geschäftsbeziehungen ein starkes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsbeschluss. Nach
eigenem Sachvortrag hat der Beklagte aber weder gegenüber Kunden, Banken,
Lieferanten noch gegenüber dem Leasinggeber Kündigungen ausgesprochen. Dass der
Beklagte nach § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO die Erfüllung von Verträgen abgelehnt hat, wird
von ihm ebenfalls nicht konkret behauptet. Er trägt vor, er habe im Hinblick auf die in der
Branche übliche Verfahrensweise - die Kunden avisierten mit einem „letter of intent“ ein
bestimmtes (jährliches) Abrufvolumen und würden dieses dann kurzfristig vor dem
gewünschten Liefertermin abrufen - keine Kündigungen aussprechen müssen und
deshalb die Kunden darüber informiert, die Insolvenzschuldnerin werde bis zum
31. August 2009 produzieren. Nicht angegeben hat der Beklagte, wann und wie genau
diese Information gegeben worden sein soll. Mit diesem Sachvortrag ist der Beklagte
seiner Darlegungslast nicht nachgekommen, da es gerade auf den Zeitpunkt und den
Inhalt der Kundeninformation ankommt, wenn daraus auf die Ernsthaftigkeit eines
Stilllegungsentschlusses geschlossen werden soll. Hätte der Beklagte die von ihm
behauptete Information bspw. erst während laufender Veräußerungsverhandlungen an
Kunden gegeben, spräche dies nicht für einen ernsthaften Stilllegungsentschluss, da
damit nur ein Hinweis auf ein Auslaufen der Produktion durch den Beklagten und die
künftige Veräußerung des Betriebes verbunden sein könnte. Hinzu kommt, dass nach dem
eigenen Sachvortrag des Beklagten bei dem von ihm geschilderten Vertriebsmodell nur
mit einer unmissverständlichen Kundeninformation hätte sichergestellt werden können,
dass kein Beschäftigungsbedarf über den 31. August 2009 hinaus besteht. Während bei
anderen Arbeitgebern das Bemühen um neue Aufträge im Kündigungszeitpunkt einer
endgültigen Stilllegungsabsicht entgegensteht, könnte bei dem vom Beklagten
geschilderten Vertriebsmodell eine Prognose, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde der
Beschäftigungsbedarf für alle Arbeitnehmer entfallen, dann sichergestellt werden, wenn
die Kunden unmissverständlich darüber informiert worden wären, dass Bestellungen und
Lieferungen für die Zeit nach der beabsichtigten Stilllegung nicht mehr erfolgen können.
Dies wird auch am eigenen Sachvortrag des Beklagten zum Betrieb in G deutlich. Dort
hatte der Beklagte den Kunden bereits mitgeteilt, ein Investor werde einsteigen, weshalb
ein Auftragsvolumen bzw. Abrufe für die Zeit nach dem 31. August 2009 zu verzeichnen
waren, welche zunächst eine Verlängerung der Ausproduktion bis in den Dezember 2009
hinein notwendig machten. Eine unmissverständliche Kundeninformation kann dem
Vortrag des Beklagten nicht schlüssig entnommen werden. Vielmehr kündigten Kunden
der Insolvenzschuldnerin für den Betrieb in P Warenabrufe für die Zeit nach dem
31. August 2009 an bzw. stellten solche in Aussicht. Der Kläger hat dazu unwidersprochen
vorgetragen, dass die LPP für die Zeit nach dem 31. August 2009 ausreichend Aufträge
vorfand. Schon diese Umstände sprechen gegen eine unmissverständliche
Kundeninformation. Weiter kommt in diesem Zusammenhang dem Inhalt der
Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin vom 14. September 2009 Bedeutung zu. Nach
dieser ist es der Insolvenzschuldnerin bzw. dem Beklagten durch die hervorragende
Reputation der Insolvenzschuldnerin gelungen, „in den Folgemonaten sogar einen neuen
Großkunden für sich zu gewinnen und andere maßgebliche Bedarfsträger platzierten
Zusatzaufträge zur Stützung ihres strategischen Lieferantenpartners“. Diese Angaben in
der Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin stehen im Widerspruch zu den Angaben
des Beklagten, er habe nur eine Ausproduktion geplant und die Kunden hierüber
informiert. Es wäre deshalb Sache des Beklagten gewesen, konkret anzugeben, wie die
behauptete Information der Kunden erfolgt ist und ob sich die in der Pressemitteilung
angedeutete werbende Tätigkeit am Markt - „ein neuer Großkunde wurde gewonnen“ - ggf.
allein auf den Betrieb in G bezog, weil sich das von beiden Betrieben gefertigte Sortiment
ggf. stark unterschied. Die Darlegung des Zeitpunktes und des Inhalts einer
Kundeninformation wäre - deren Existenz unterstellt - auch unschwer durch Vorlage von
Informationsschreiben möglich gewesen.
52 Soweit der Beklagte vorgetragen hat, es sei vorbereitet worden, dass pünktlich zum
31. August 2009 die Lieferanten ihre Lieferungen einstellen, weil der Beklagte nicht mehr
erfüllen werde, stellt dieser Sachvortrag eine pauschale, nicht überprüfbare Behauptung
dar, mit welcher der Beklagte seiner Darlegungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht
nachgekommen ist. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht daher auch diesen Vortrag
nicht genügen lassen, um „greifbare Formen“ der Stilllegung als Indiz für einen
endgültigen Stilllegungsentschluss anzunehmen.
53 Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, aus dem Vortrag zur Veräußerung und
Verwertung von Betriebsmitteln ergebe sich kein ausreichendes Indiz für eine endgültige,
ernsthafte Stilllegungsabsicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte
hat zwar vorgetragen, die Firma A habe in seinem Auftrag Betriebsmittel inventarisiert,
bewertet und teilweise veräußert. Allerdings ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag, dass
dies nur Betriebsmittel betraf, die nicht für die Ausproduktion, dh. eine Produktion mit
geringerer Auslastung, benötigt wurden. Eine Beauftragung zur Veräußerung von
Betriebsmitteln darüber hinaus, dh. insbesondere eine Beauftragung zur Veräußerung
aller im Eigentum der Insolvenzschuldnerin stehenden Betriebsmittel für die Zeit nach der
beabsichtigten Stilllegung, behauptet der Beklagte nicht. Vor allem ergibt sich aus seinem
Vortrag nicht, wann die Beauftragung der Firma A erfolgt ist, so dass es auch denkbar
wäre, dass die Beauftragung erst erfolgte, als die Betriebsveräußerung an die LPP
unmittelbar bevorstand und in Absprache mit dieser vorgenommen wurde. Im Übrigen
ergibt sich aus dem Sachvortrag des Beklagten nur, dass in G schon Vermessungen der
Maschinen und Anlagen sowie Gewichtsklärungen zum Abtransport vorgenommen
worden sind. Deshalb liegt es nahe, dass sich die vom Beklagten vorgelegte Bestätigung
der Firma A auf Betriebsmittel des Betriebes in G bezieht. Daher wäre auch insoweit ein
konkreter Sachvortrag, wann die Beauftragung erfolgte und welchen konkreten Inhalt sie
hatte, notwendig gewesen, um mit einer etwaig eingeleiteten Veräußerung von
Betriebsmitteln ein Indiz für eine beabsichtigte Stilllegung, die bereits greifbare Formen
angenommen hatte, zu liefern.
54 Soweit der Beklagte geltend macht, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches habe er
keinerlei Veräußerungsverhandlungen geführt und das Landesarbeitsgericht habe seinen
Vortrag, wonach erst im August 2009 die E GmbH ein Angebot zum Erwerb des
Betriebsgrundstücks unterbreitet habe, übergangen, greift diese Rüge nicht durch. Dieser
Sachvortrag war nicht geeignet, die gegen eine Stilllegungsabsicht sprechende
Vermutung infolge der tatsächlich ab 1. September 2009 erfolgten Betriebsfortführung zu
widerlegen. Der Sachvortrag des Beklagten ist schon zeitlich nicht hinreichend konkret.
Zudem enthält er keine Ausführungen zu Art, Inhalt und zeitlichem Rahmen der
Vertragsverhandlungen. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht
auch nicht festgestellt, vor dem 21. Juli 2009 habe es keine Verhandlungen gegeben.
Unstreitig ist vielmehr, dass es Gespräche mit Z gegeben hat. Unklar ist, wann genau
diese stattfanden und welchen Inhalt sie hatten. Der Sachvortrag, es habe im August 2009
durch die E GmbH ein Angebot gegeben war schließlich durch die Einlassung des
Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht
überholt, weshalb sich das Landesarbeitsgericht hiermit nicht näher auseinandersetzen
musste. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung vom 10. September
2010 erklärt, „womöglich habe es am 21.07.2009 bereits ein Angebot gegeben. Er könne
nicht sagen, ob es da schon entsprechende Verhandlungen gegeben hat“. Mit diesem
Vortrag genügte der Beklagte seiner Darlegungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht. Zur
Widerlegung der gegen die Stilllegungsabsicht sprechenden Vermutung der
Betriebsfortführung hätte der Beklagte konkret dartun müssen, wann und auf wessen
Initiative, Verhandlungen mit der LPP oder der E GmbH bzw. mit den für diese handelnden
Personen stattgefunden hatten. Nur so wäre auszuschließen, dass eine
Betriebsveräußerung schon zum Kündigungszeitpunkt ins Auge gefasst war. Soweit der
Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz vorträgt, dass ein Angebot der „E bzw. der LPP
GmbH erstmalig am 21.07.2009 in notariell beglaubigter Form“ erfolgt ist, welches bis zum
15. September 2009 habe geprüft werden können, handelt es sich um einen in der
Revisionsinstanz nicht zu beachtenden neuen Sachvortrag, § 559 Abs. 1 ZPO. Die
erhobene Verfahrensrüge nach § 139 Abs. 2 ZPO bleibt demzufolge ohne Erfolg.
55 Auch die übrigen vom Beklagten erhobenen Rügen von Verfahrensmängeln sind nicht
durchgreifend. Insoweit sieht der Senat nach § 564 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG von einer
Begründung ab.
56 3. Für den Prüfungsmaßstab und die Darlegungslast des Arbeitgebers ist es unerheblich,
ob dem Arbeitnehmer ggf. ein Anspruch auf Wiedereinstellung zusteht, wenn sich die
Prognose des Arbeitgebers bezüglich der Betriebsstilllegung als fehlerhaft erweist. Denn
der von einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch vermittelte Schutz bleibt hinter dem
des Kündigungsschutzgesetzes zurück (vgl. BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 75/06 -;
12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120
= EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118). Insbesondere trägt der
Arbeitnehmer, der einen Wiedereinstellungsanspruch geltend macht, die Darlegungs- und
Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen (vgl. BAG 25. September 2008 -
8 AZR 607/07 - AP BGB § 613a Nr. 355 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 98). Auch erlischt
ein möglicherweise entstandener Wiedereinstellungsanspruch, wenn berechtigte
Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen, was der Fall sein kann, wenn der
Arbeitgeber den Arbeitsplatz schon mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt und damit
Dispositionen getroffen hat (vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP
BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51). Vor allem kommt nach der
Rechtsprechung des Senats ein Wiedereinstellungsanspruch bei einem Betriebsübergang
nach dem Ablauf der Kündigungsfrist bei einer insolvenzbedingten Kündigung ohnehin
nicht in Betracht (vgl. BAG 28. Oktober 2004 - 8 AZR 199/04 - EzA BGB 2002 § 613a
Nr. 30).
57 III. Da die streitgegenständliche Kündigung sozial ungerechtfertigt und mithin
rechtsunwirksam ist (§ 1 Abs. 1 KSchG), bedarf es keiner Entscheidung, ob die Kündigung
auch wegen Verstoßes gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam ist.
58 C. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu
tragen.
Hauck
Böck
Breinlinger
Schuckmann
Mallmann