Urteil des BAG vom 22.09.2009

BAG (arbeitnehmer, arbeitszeit, verbot der diskriminierung, entstehung des anspruchs, berechnung, abfindung, wesentliche veränderung, höhe, vergütung, bag)

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 22.9.2009, 1 AZR 316/08
Sozialplanabfindung bei Teilzeitbeschäftigung - Abfindungshöhe - betriebsverfassungsrechtlicher
Gleichbehandlungsgrundsatz
Leitsätze
1. Sozialpläne können bestimmen, dass sich die Abfindungshöhe nach der zuletzt bezogenen
Monatsvergütung richtet.
2. Sozialpläne können regeln, dass in Fällen, in denen sich die individuelle Arbeitszeit in der näheren
Vergangenheit wesentlich geändert hat, nicht das letzte Entgelt, sondern eine die gesamte
Betriebszugehörigkeit einbeziehende Durchschnittsberechnung maßgeblich ist.
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln
vom 22. Januar 2008 - 9 Sa 1116/07 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.
2 Die im Mai 1966 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 6. Juni 1987 als
Sachbearbeiterin in der Schadensabteilung beschäftigt. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom
6. Juni/19. Juli 1987 heißt es ua.:
„1
Beginn des Arbeitsverhältnisses/Probezeit
Das Arbeitsverhältnis beginnt am 06. Juni 1987.
3
Arbeitsentgelt
Als Vergütung erhält der Arbeitnehmer ein monatliches Bruttogehalt, das sich wie folgt
zusammensetzt:
Gehaltsgruppe IV, 2. Berufsjahr = DM 2.620,00.
Als Beginn der Berufsjahre gilt der 01. 08. 85. ...“
3 Die Klägerin war zunächst in Vollzeit tätig. Während ihrer Elternzeit ab dem Jahr 2002 reduzierte sie
ihre Arbeitszeit auf eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 7,6 Stunden/Woche. Dieses
Arbeitszeitvolumen behielt sie in der Folgezeit bei. Ihre monatliche Bruttovergütung belief sich
zuletzt auf 676,45 Euro. Die Beklagte vereinbarte mit dem Gesamtbetriebsrat am 6./10. Januar
2006 einen Sozialplan. Dieser enthält in Nr. IX 3 ua. folgende Regelungen:
„...
b) Höhe
(1)
Die Arbeitnehmer erhalten eine Grundabfindung nach folgender Formel:
Lebensalter x Betriebszugehörigkeit x Brutto-Monatsverdienst : 40.
c) Berechnungsgrundlagen
...
(2)
Maßgeblich für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit ist der Zeitpunkt des
Beginns des Arbeitsverhältnisses (einschließlich Berufsausbildungszeiten bei der
Gesellschaft) einerseits und der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
andererseits. Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht, werden mitgerechnet. …
(3)
Bei der Abfindung handelt es sich um eine Bruttozahlung. Als Brutto-Monatsverdienst
im Sinne dieser Vereinbarung gilt das im letzten Monat vor Beendigung des
Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer bezogene volle Brutto-Monatsgehalt
einschließlich Zulagen. …
(4)
Bei Arbeitnehmern, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit sich seit dem
31. Dezember 2003 um mehr als 25 % verringert oder erhöht hat, ist für die
Berechnung des Brutto-Monatsverdienstes der durchschnittliche Beschäftigungsgrad
während ihrer gesamten Betriebszugehörigkeit maßgeblich. Die Höhe des Brutto-
Monatsverdienstes berechnet sich in diesen Fällen wie folgt: Brutto-Monatsverdienst
bei Vollzeitbeschäftigung x durchschnittlicher Beschäftigungsgrad.
...“
4 Mit Schreiben vom 20. Februar 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin
betriebsbedingt zum 30. September 2006. Sie zahlte an die Klägerin unter Berücksichtigung von
Aufstockungsleistungen wegen ihrer beiden Kinder eine Gesamtabfindung iHv. 20.058,49 Euro.
Dabei legte sie ihrer Berechnung eine Betriebszugehörigkeit seit dem 6. Juni 1987 sowie das von
der Klägerin zuletzt erzielte Bruttomonatsgehalt von 676,45 Euro zugrunde.
5 Mit der Klage hat die Klägerin weitere 46.970,01 Euro brutto verlangt. Sie hat die Ansicht vertreten,
bei der Berechnung der Abfindung sei von einer Betriebszugehörigkeit ab dem 1. August 1985
auszugehen. Außerdem sei nicht die zuletzt für ihre Teilzeitbeschäftigung bezahlte Vergütung von
676,45 Euro, sondern das Bruttomonatsgehalt für eine Vollzeitbeschäftigung multipliziert mit einem
Beschäftigungsgrad von 0,83 maßgebend. Die Stichtagsregelung in Nr. IX 3 Buchst. c (4) Satz 1
des Sozialplans führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung und sei
unwirksam.
6 Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 46.970,01 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten
über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 30. September 2006 zu zahlen.
7 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Dem hat das Arbeitsgericht entsprochen. Das
Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom
Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
8 Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Ansprüche der Klägerin aus dem Sozialplan sind erfüllt. Die Beklagte hat die Ansprüche der
Klägerin zutreffend errechnet. Die Bestimmungen des Sozialplans halten einer
Rechtmäßigkeitskontrolle stand. Dies gilt entgegen der Auffassung der Klägerin auch für die
Regelung in Nr. IX 3 Buchst. c (4) Satz 1 des Sozialplans und den darin enthaltenen Stichtag.
9 I. Die Beklagte hat bei der Berechnung der Abfindung als maßgeblichen Beginn der
Betriebszugehörigkeit zu Recht nicht den 1. August 1985, sondern den 6. Juni 1987 zugrunde
gelegt. Nach Nr. IX 3 Buchst. c (2) des Sozialplans ist für die Berechnung der
Betriebszugehörigkeit der „Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses (einschließlich
Berufsausbildungszeiten bei der Gesellschaft)“maßgeblich. Dies war ausweislich der Nr. 1 des
Arbeitsvertrags der 6. Juni 1987. Zu diesem Tag begann auch die tatsächliche Beschäftigung der
Klägerin bei der Beklagten. Der in Nr. 3 des Arbeitsvertrags als „Beginn der Berufsjahre“
vereinbarte 1. August 1985 ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht der für
die Berechnung der Abfindung maßgebliche „Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses“ im
Sinne der Nr. IX 3 Buchst. c (2) des Sozialplans. Der „Beginn der Berufsjahre“ betrifft nicht die
Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten, sondern erfasst auch Beschäftigungszeiten bei anderen
Unternehmen und hat ausschließlich Bedeutung für die Höhe der tariflichen Vergütung.
10 II. Die Beklagte hat bei der Berechnung der Abfindung zu Recht das von der Klägerin als
Teilzeitkraft zuletzt erzielte Bruttomonatsgehalt zugrunde gelegt. Die Regelung in Nr. IX 3
Buchst. c (3) des Sozialplans ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch
darauf, so behandelt zu werden, wie diejenigen Arbeitnehmer, deren regelmäßige Arbeitszeit sich
nach dem 31. Dezember 2003 um mehr als 25 % verändert hat und bei denen daher gemäß
Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans der durchschnittliche Beschäftigungsgrad während der
gesamten Betriebszugehörigkeit maßgeblich ist. Die Stichtagsregelung in Nr. IX 3 Buchst. c (4)
des Sozialplans hält einer Rechtmäßigkeitskontrolle stand.
11 1. Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen
Rechtmäßigkeitskontrolle. Dabei ist es nicht Aufgabe der Gerichte, bessere Lösungen als die
Betriebsparteien zu finden, sondern lediglich, rechtswidrige Sozialplangestaltungen zu verhindern.
Dementsprechend sind Sozialpläne daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht wie
insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sind .
12 a) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende
Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbarer
Lage sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher
Sachgrund für eine Gruppenbildung ist regelmäßig der mit der jeweiligen Regelung verfolgte
Zweck . Dementsprechend müssen sich Gruppenbildungen in Sozialplänen an deren Funktion
orientieren (BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 740/07 - Rn. 11, 12 mwN, NZA 2009, 495). Sozialpläne
haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und
Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen stellen kein zusätzliches Entgelt
für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2
BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die
Betriebsänderung entstehen können (11. November 2008 - 1 AZR 475/07 - Rn. 19 mwN, AP
BetrVG 1972 § 112 Nr. 196 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 30). Bei der Ausgestaltung von
Sozialplänen haben die Betriebsparteien Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume . Diese
schließen Typisierungen und Pauschalierungen ein . Gleiches gilt für Stichtagsregelungen. Die mit
diesen häufig verbundenen Härten müssen im Interesse der Rechtssicherheit hingenommen
werden, wenn sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit
sachlich vertretbar ist und das auch auf die zwischen den Gruppen gezogenen Grenzen zutrifft
(BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 740/07 - Rn. 14 mwN, aaO).
13 b) Die Betriebsparteien haben außerdem besondere Diskriminierungsverbote und die in Art. 6 GG
enthaltenen Wertungen zu beachten.
14 2. Hiernach ist weder das in Nr. IX 3 Buchst. c (3) Satz 2 des Sozialplans grundsätzlich
vorgesehene Anknüpfen an das zuletzt bezogene Bruttomonatsgehalt noch die Differenzierung in
Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans zu beanstanden.
15 a) Die Regelung in Nr. IX 3 Buchst. c (3) Satz 2 des Sozialplans, nach der für die Berechnung der
Abfindung grundsätzlich der letzte Bruttomonatsverdienst maßgeblich ist, verstößt weder gegen
den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen das in § 4 Abs. 1
Satz 1 TzBfG normierte Verbot der Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Auch eine
Verletzung des durch Art. 6 GG gewährleisteten Schutzes von Ehe und Familie ist mit der
Regelung nicht verbunden.
16 aa) Die Regelung verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Anknüpfen an die
zuletzt bezogene Vergütung ist nach dem Zweck eines Sozialplans sachlich gerechtfertigt. Der
durch die Sozialplanleistung auszugleichende oder abzumildernde wirtschaftliche Nachteil wird
maßgeblich bestimmt durch die in dem bisherigen Arbeitsverhältnis bezogene Vergütung. Daher
ist es gerechtfertigt, diese zur Bezugsgröße für die in dem Sozialplan vorgesehenen
Überbrückungsleistungen zu machen. Auch der Gesetzgeber stellt in § 10 Abs. 3 KSchG für
Abfindungen sowie in § 113 Abs. 1 2. Halbs. BetrVG beim Nachteilsausgleich nicht auf absolute
Beträge, sondern auf den letzten Monatsverdienst des einzelnen Arbeitnehmers ab. Dabei kommt
es nicht darauf an, ob die zu unterschiedlichen Abfindungsleistungen führenden Unterschiede bei
der zuletzt bezogenen Vergütung ihre Ursache in unterschiedlichen Tätigkeiten,
Vergütungsvereinbarungen oder Arbeitszeiten oder einer Kombination dieser Faktoren haben.
17 bb) Die Regelung in Nr. IX 3 Buchst. c (3) Satz 2 des Sozialplans verstößt nicht gegen § 4 Abs. 1
Satz 1 TzBfG. Auch wenn der sich auf die Abfindungshöhe auswirkende geringere
Bruttomonatsverdienst auf einer Teilzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers beruht, führt das
Anknüpfen an diesen Verdienst nicht zu einer unzulässigen Diskriminierung des
teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers (vgl. BAG 28. Oktober 1992 - 10 AZR 129/92 - zu II 2 c der
Gründe, BAGE 71, 280). Dieser wird iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG nicht wegen der Teilzeit
schlechter behandelt als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Vielmehr steht es mit § 4
Abs. 1 Satz 2 TzBfG in Einklang, wenn ein Arbeitnehmer eine Abfindung in dem Umfang erhält,
der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten
Arbeitnehmers entspricht.
18 cc) Die Regelung in Nr. IX 3 Buchst. c (3) Satz 2 des Sozialplans widerspricht nicht den in Art. 6
GG enthaltenen Wertungen.
19 (1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats haben die Betriebsparteien gemäß § 75
Abs. 1 BetrVG auch die in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen zu beachten (6. November 2007 -
1 AZR 960/06 - Rn. 27 mwN, BAGE 124, 335). Sie dürfen daher keine Regelungen treffen, die
geeignet sind, Ehe und Familie zu diskriminieren und Arbeitnehmer wegen ihrer ehelichen
Lebensgemeinschaft oder der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten gegenüber Kindern zu
benachteiligen (6. November 2007 - 1 AZR 960/06 - Rn. 28 mwN, aaO). Insbesondere verstößt es
gegen die Wertungen in Art. 6 GG, wenn Arbeitnehmer bei ihrer Entscheidung, Elternzeit in
Anspruch zu nehmen, damit rechnen müssen, dass diese Zeiten bei der Bemessung von
Sozialplanansprüchen nicht als Beschäftigungszeit mitzählen (21. Oktober 2003 - 1 AZR 407/02 -
zu I 3 a der Gründe mwN, BAGE 108, 147). Andererseits ergibt sich aber aus Art. 6 GG für die
Betriebsparteien nicht die Pflicht, verheiratete Arbeitnehmer oder solche, die mit ihren Kindern in
häuslicher Gemeinschaft leben, gegenüber unverheirateten, kinderlosen Arbeitnehmern zu
bevorzugen (6. November 2007 - 1 AZR 960/06 - aaO).
20 (2) Nr. IX 3 Buchst. c (3) Satz 2 des Sozialplans ist keine Regelung, die geeignet ist, Ehe und
Familie zu diskriminieren und Arbeitnehmer wegen ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft oder der
Wahrnehmung von Rechten und Pflichten gegenüber Kindern zu benachteiligen. Die Regelung
führt nicht etwa dazu, dass Erziehungszeiten bei der Berechnung der Sozialplanabfindung
unberücksichtigt blieben. Sie hat lediglich zur Folge, dass sich die Höhe der Abfindung auch bei
teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern nach deren zuletzt erzieltem Arbeitsentgelt richtet. Grund und
Anlass der Teilzeitbeschäftigung sind dabei nicht von Bedeutung und müssen es aus
Rechtsgründen auch nicht sein.
21 b) Auch die in Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans getroffene Regelung hält der
Rechtmäßigkeitskontrolle stand. Durch diese Bestimmung werden diejenigen Arbeitnehmer
besonders behandelt, bei denen sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit seit dem
31. Dezember 2003 um mehr als 25 % verringert oder erhöht hat. Die Differenzierung verstößt
weder gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen das in
§ 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG normierte Verbot der Benachteiligung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer
noch gegen andere Diskriminierungsverbote.
22 aa) Die mit der Regelung vorgenommene Gruppenbildung ist mit dem
betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar.
23 (1) Die Betriebsparteien haben einen erheblichen Gestaltungsspielraum, ob und inwieweit sie bei
der Höhe von Sozialplanabfindungen in der Vergangenheit liegende Veränderungen der Arbeitszeit
und der damit korrespondierenden Vergütung der einzelnen Arbeitnehmer berücksichtigen. Es gibt
insoweit nicht nur eine dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht
werdende Lösung (vgl. zu unterschiedlichen Ausgestaltungen des „pro-rata-temporis-
Grundsatzes“ BAG 28. Oktober 1992 - 10 AZR 129/92 - BAGE 71, 280; 14. August 2001 -
1 AZR 760/00 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 142 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 108; 13. Februar
2007 - 9 AZR 729/05 - BAGE 121, 205). Innerhalb dieses Gestaltungsspielraums der
Betriebsparteien liegt es, bei denjenigen Arbeitnehmern, bei denen innerhalb der letzten zwei Jahre
vor dem Abschluss des Sozialplans eine wesentliche Veränderung der regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit eingetreten ist, nicht auf das letzte Bruttomonatsgehalt, sondern auf eine
die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses einbeziehende Durchschnittsberechnung
abzustellen. Dadurch werden Härten und Privilegierungen vermieden, die sich eher zufällig daraus
ergeben, dass sich in nahem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Arbeitnehmer
die individuelle Arbeitszeit wesentlich geändert hat. Dabei kann sich die für diesen Fall
vorgesehene Durchschnittsberechnung sowohl zugunsten als auch zu Lasten der Arbeitnehmer
auswirken.
24 (2) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Differenzierung zwischen den Arbeitnehmern, bei denen
die wesentliche Änderung der Arbeitszeit nach dem 31. Dezember 2003 eingetreten ist, und
denjenigen bei denen eine solche bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte. Die Rechtfertigung
für die Differenzierung und den gewählten Stichtag folgt allerdings entgegen der Auffassung der
Beklagten nicht bereits aus dem Verwaltungsaufwand, der für diese damit verbunden wäre, für alle
Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit sich irgendwann einmal wesentlich geändert hat, den
Beschäftigungsgrad für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses zu errechnen. Der dem
Arbeitgeber entstehende Verwaltungsaufwand ist, ebenso wie sonstige betriebliche Belange, nach
dem Zweck eines Sozialplans kein Sachgrund für Differenzierungen bei den Sozialplanleistungen
(vgl. BAG 6. November 2007 - 1 AZR 960/06 - Rn. 19, BAGE 124, 335; 19. Februar 2008 -
1 AZR 1004/06 - Rn. 31, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 191 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 26). Die
Differenzierung und der gewählte Stichtag sind aber deshalb sachgerecht, weil typisierend davon
ausgegangen werden kann, dass sich eine längere Zeit zurückliegende Veränderung der
Arbeitszeit und die damit verbundene Änderung des Einkommens regelmäßig bereits verfestigt
und sich ein Arbeitnehmer in seinem Lebensstandard hierauf eingestellt hat. Der von den
Betriebsparteien insoweit gewählte Zeitraum von etwa zwei Jahren vor Abschluss des
Sozialplans, der sich für die einzelnen Arbeitnehmer noch um die Zeit bis zur Beendigung ihres
Arbeitsverhältnisses verlängerte - bei der Klägerin war dies ein dreiviertel Jahr -, ist nicht zu
beanstanden. Dies macht auch die gesetzliche Wertung des § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III
deutlich, nach der für die Ermittlung des für die Höhe des Arbeitslosengeldes maßgeblichen
Bemessungsentgelts bei Teilzeitvereinbarungen ein Referenzzeitraum von dreieinhalb Jahren vor
der Entstehung des Anspruchs zugrunde zu legen ist.
25 bb) Die mit Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans verbundene Differenzierung verstößt nicht
gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.
26 (1) § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG betrifft in erster Linie das Verhältnis von teilzeit- zu
vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern. Das Verbot gilt allerdings auch dann, wenn eine Gruppe
teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt und die andere
Gruppe der Teilzeitbeschäftigten von einzelnen Leistungen ausgeschlossen wird (BAG 25. April
2007 - 6 AZR 746/06 - Rn. 22 mwN, BAGE 122, 215). Die unterschiedliche Behandlung bedarf
dann einer sachlichen Rechtfertigung. Hierfür gelten dieselben Maßstäbe wie für die Anwendung
des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, ist doch das Verbot der
schlechteren Behandlung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ebenso wie der
betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz Ausdruck des allgemeinen
Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BAG 25. April 2007 - 6 AZR 746/06 - Rn. 23, aaO).
27 (2) Hier wird durch Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans die Gruppe der teilzeitbeschäftigten
Arbeitnehmer, bei der die Änderung der Arbeitszeit um mehr als 25 % seit dem 31. Dezember
2003 eingetreten ist, anders behandelt als die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten, bei denen die
wesentliche Änderung bereits früher erfolgte. Diese unterschiedliche Behandlung ist aber, wie
ausgeführt, nach dem Zweck des Sozialplans sowie unter Berücksichtigung der
Gestaltungsfreiheit der Betriebsparteien sachlich gerechtfertigt.
28 cc) Die mit Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans verbundene Differenzierung verstößt schließlich
auch nicht gegen andere Diskriminierungsverbote. Insbesondere ist nicht erkennbar, inwiefern mit
der besonderen Behandlung derjenigen Arbeitnehmer, bei denen innerhalb der letzten zwei Jahre
eine wesentliche Änderung des Umfangs ihrer Arbeitszeit eingetreten ist, eine auf dem Geschlecht
beruhende Benachteiligung derjenigen Arbeitnehmer verbunden sein soll, bei denen eine derartige
erhebliche Änderung nicht oder bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten ist.
Schmidt
Koch
Linsenmaier
Federlin
Klebe