Urteil des BAG vom 29.06.2006

BAG (rechtsfrage von grundsätzlicher bedeutung, kläger, rechtliches gehör, anspruch auf rechtliches gehör, zpo, unterschrift, verhinderung, beschwerde, rechtsfrage, wichtiger grund)

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluß vom 22.8.2007, 4 AZN
1225/06
Verhinderung eines ehrenamtlichen Richters an der Unterschriftsleistung
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 29. Juni 2006 - 3 Sa 640/05 - wird
zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 29. Juni 2006 - 3 Sa 640/05 -
wird als unzulässig verworfen.
3. Der Kläger hat die Kosten der Beschwerden zu tragen.
4. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 16.523,40 Euro festgesetzt.
Gründe
1 I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, welche die Beklagte dem
Kläger gegenüber am 14. März 2005 ausgesprochen hat. Außerdem macht der Kläger seine
Weiterbeschäftigung, die Entfernung von ursprünglich drei, in der Berufungsinstanz noch zwei
Abmahnungen aus der Personalakte geltend und verlangt Annahmeverzugslohn für die Zeit vom
14. März bis 31. Mai 2005.
2 Das Arbeitsgericht hat den Klageanträgen im Wesentlichen entsprochen. Auf die Berufung der
Beklagten hat das Landesarbeitsgericht diese Entscheidung abgeändert und die Klage durch Urteil
vom 29. Juni 2006 insgesamt abgewiesen. Dieses Urteil ist der Geschäftsstelle am 27. November
2006 vollständig abgefasst übergeben worden. Auf ihm befinden sich die Unterschriften des
Vorsitzenden Richters und eines ehrenamtlichen Richters. Weiter findet sich unter der Unterschrift
des Vorsitzenden Richters der maschinenschriftliche Vermerk: “zugleich für die wegen Lehrgangs
orts-abwesende ehrenamtliche Richterin F”. Unter diesem Vermerk findet sich keine Unterschrift.
Nach einer Auskunft des Landesarbeitsgerichts Brandenburg befand sich die ehrenamtliche
Richterin F ab dem 27. November 2006 auf einem dreiwöchigen Lehrgang in Köln. Das
Landesarbeitsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
3 Der Kläger wendet sich in erster Linie mit einer sofortigen Beschwerde wegen verspäteter
Absetzung des Berufungsurteils (§ 72b ArbGG) gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts. Der
Geschäftsstelle sei innerhalb der Fünf-Monats-Frist des § 72b ArbGG kein mit den Unterschriften
aller Richter versehenes Urteil übergeben worden. Die Unterschrift der ehrenamtlichen Richterin F
habe gefehlt und sei durch den formell und materiell nicht ordnungsgemäßen
Verhinderungsvermerk auch nicht wirksam ersetzt worden. Vorsorglich macht der Kläger im
Wege der Beschwerde nach § 72a ArbGG geltend, die Revision sei wegen einer
entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und einer
entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nachträglich zuzulassen.
4 II. Die sofortige Beschwerde des Klägers wegen verspäteter Absetzung des Berufungsurteils ist
unbegründet, seine Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig. Über beide Rechtsbehelfe konnte
gemeinsam entschieden werden, weil der Senat hierüber in gleicher Besetzung zu entscheiden hat
(§ 72b Abs. 4 Satz 1, § 72a Abs. 5 Satz 3 ArbGG).
5 1. Die sofortige Beschwerde des Klägers wegen verspäteter Absetzung des Berufungsurteils ist
unbegründet, weil das angefochtene Urteil noch innerhalb der bis zum 29. November 2006
laufenden Fünf-Monats-Frist des § 72b Abs. 1 Satz 1 ArbGG abgesetzt worden ist. Es ist zwar
innerhalb dieser Frist nicht von allen Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
eigenhändig unterschrieben worden. Die Unterschrift der ehrenamtlichen Richterin F ist aber bis
zum 27. November 2006 und damit rechtzeitig sowie formell ordnungsgemäß und
verfahrensrechtlich statthaft durch einen Verhinderungsvermerk ersetzt worden (§ 64 Abs. 6
ArbGG, §§ 525, 315 Abs. 1 ZPO).
6 a) Die nach den §§ 69, 72b ArbGG erforderliche Unterschrift eines an der Entscheidung beteiligten
beisitzenden Richters kann dadurch ersetzt werden, dass der Vorsitzende unter Angabe des
Verhinderungsgrundes vermerkt, dass der betreffende Richter verhindert ist, seine Unterschrift
beizufügen. Die auf diese Weise ersetzte Unterschrift eines Richters erfüllt das gesetzliche
Unterschriftserfordernis (vgl. auch BAG 17. August 1999 - 3 AZR 526/97 - AP ZPO § 551 Nr. 51 =
EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 2) .
7 b) Ein Verhinderungsvermerk ist formell ordnungsgemäß, wenn er die Tatsache der Verhinderung
und deren Grund angibt, ohne dass dabei detaillierte Angaben erforderlich sind (Zöller/Vollkommer
ZPO 26. Aufl. § 315 Rn. 1; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 28. Aufl. § 315 Rn. 1; Musielak ZPO 5.
Aufl. § 315 Rn. 7; Hk-ZPO/Saenger 2. Aufl. § 315 Rn. 6; vgl. auch BGH 10. Mai 1994 - X ZB 7/93 -
NJW-RR 1994, 1406, 1407 = MDR 1994, 1239). Dies ist geschehen. Der auf dem angefochtenen
Urteil angebrachte Vermerk enthält die Tatsache der Verhinderung und deren Grund, die
Ortsabwesenheit von Frau F wegen eines Lehrgangs.
8 c) Der Verhinderungsvermerk ist auch formell wirksam. Der Kläger rügt insoweit zu Unrecht, der
Vorsitzende Richter habe den Vermerk nicht im Wortsinne “unter”schrieben. Dessen bedarf es
nicht. Das Gesetz verlangt lediglich, dass der Vorsitzende die Verhinderung zu vermerken hat,
nicht auch, dass er den entsprechenden Vermerk gesondert unterschreiben muss. Es reicht aus,
dass sich aus der Fassung des Vermerks und dessen räumlicher Stellung zweifelsfrei ergibt, dass
der Vermerk vom Vorsitzenden stammt, er also die Verantwortung für den Vermerk übernimmt.
Diese Voraussetzung ist jedenfalls dann erfüllt, wenn der Vermerk mit dem Wort “zugleich” beginnt
und sich unter der Unterschrift des Vorsitzenden befindet (BGH 30. Januar 1984 - II ZR 159/83 -
VersR 1984, 287; 12. Januar 1961 - II ZR 149/60 - VersR 1961, 310;
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 65. Aufl. § 315 Rn. 5; Zöller/Vollkommer aaO;
Reichold in Thomas/Putzo aaO; Musielak aaO; Hk-ZPO/Saenger aaO) . Diesen Anforderungen
genügt der Verhinderungsvermerk auf dem angefochtenen Urteil. Er ist räumlich und in der
Formatierung auf die Unterschrift des Vorsitzenden ausgerichtet und beginnt mit dem Wort
“zugleich”, womit unzweideutig klargestellt wird, dass der Vorsitzende mit seiner Unterschrift auch
die Verantwortung für den Verhinderungsvermerk übernimmt.
9 d) Es kann dahinstehen, inwieweit das Revisionsgericht überhaupt zu einer Nachprüfung, ob eine
Verhinderung des betreffenden Richters tatsächlich vorgelegen hat, befugt ist. Findet sich in einem
formell ordnungsgemäßen Verhinderungsvermerk ein Verhinderungsgrund, der an sich geeignet
ist, den Richter von der Unterschriftsleistung abzuhalten, wie dies bei Ortsabwesenheit wegen
eines Lehrgangs grundsätzlich der Fall ist, hat das Revisionsgericht regelmäßig nicht
nachzuprüfen, ob der Richter tatsächlich verhindert war. In seinem Urteil vom 17. August 1999 (- 3
AZR 526/97 - AP ZPO § 551 Nr. 51 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 2) hat der Dritte Senat des
Bundesarbeitsgerichts zwar darauf erkannt, etwas anderes gelte, wenn bei Richtigkeit des
Vorbringens des Rechtsbehelfsführers aufgrund sonstiger Umstände des Einzelfalls davon
ausgegangen werden müsse, dass der Rechtsbegriff der Verhinderung verkannt worden ist. Ein
solcher Fall liegt aber nicht vor.
10 Frau F war nach der Auskunft des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts, die sich der Kläger zu
eigen gemacht hat, am 27. November 2006 an der Unterschriftsleistung verhindert. Sie war an
diesem Tag und den folgenden drei Wochen aufgrund eines Lehrgangs in Köln. Hierin liegt eine
Verhinderung iSd. § 315 Abs. 1 ZPO. Die ehrenamtliche Richterin war in dieser Zeit weder zu
Hause noch an ihrer Arbeitsstelle erreichbar und konnte ihre Unterschrift nicht leisten. Dabei ist für
die Feststellung einer Verhinderung im Rechtssinne auf die Gesamtdauer der Ortsabwesenheit
und nicht etwa auf die Zeit der Verhinderung bis zum Ablauf der Fünf-Monats-Frist (§ 72b ArbGG)
abzustellen: Es kommt allgemein darauf an, ob der Richter vom Zeitpunkt des Vorliegens der
unterschriftsreifen Entscheidung aus gesehen auf Dauer oder für eine längere Zeit an der
Unterschriftsleistung gehindert ist. Dies ist unabhängig von einem etwa bevorstehenden Ablauf der
Fünf-Monats-Frist zu beurteilen. Eine kurzfristige Ortsabwesenheit reicht nie, eine längerfristige
Ortsabwesenheit stets, und zwar für die gesamten Tage der Abwesenheit, als Hinderungsgrund
aus. Hinsichtlich der für die Annahme einer Verhinderung iSv. § 315 Abs. 1 ZPO mindestens
erforderlichen Abwesenheitsdauer kann man sich an den Urteilsabsetzungsfristen und dem im
arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden, von der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts
Brandenburg allerdings nicht hinreichend beachteten Beschleunigungsgrundsatz orientieren.
Danach kann jedenfalls bei einer Verhinderung für mehr als zwei Wochen davon ausgegangen
werden, dass die Unterschrift des derart verhinderten Richters nach § 315 Abs. 1 ZPO ersetzt
werden kann. Hiervon ausgehend war die ehrenamtliche Richterin F am 27. November 2006, nach
der Rückkehr des vom ehrenamtlichen Richter R unterzeichneten Urteils, an der
Unterschriftsleistung verhindert.
11 Es kann dahinstehen, inwieweit die vom Bundesgerichtshof in Strafsachen angestellte Erwägung,
eine Verhinderung sei auch dann nicht anzunehmen, wenn es dem Vorsitzenden möglich
gewesen wäre, für das Zustandekommen eines vollständig unterzeichneten Urteils Sorge zu
tragen (14. November 1978 - 1 StR 448/78 - BGHSt 28, 194 = NJW 1979, 663) , auf die ganz
anderen Verhältnisse des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zweiter Instanz übertragbar ist. Man
könnte daran denken, dass eine Unterschriftsersetzung jedenfalls dann die sofortige Beschwerde
nach § 72b ArbGG nicht hindert, wenn auch ohne die Verhinderung eine Unterzeichnung des
angefochtenen Urteils innerhalb der Fünf-Monats-Frist ausgeschlossen gewesen wäre. Dem
muss indes nicht weiter nachgegangen werden. Bei einem Landesarbeitsgericht ist es in aller
Regel durch persönlichen Einsatz des Vorsitzenden Richters oder unter Einschaltung von
Personal möglich, innerhalb eines Tages die Unterschrift eines ehrenamtlichen Richters unter ein
Urteil zu erhalten. Damit wäre es vorliegend am 27. November 2006 noch möglich gewesen, das
angefochtene Urteil von Frau F bis zum Ablauf der Fünf-Monats-Frist am 29. November 2006
unterschreiben zu lassen, wenn sie nicht in Köln auf einem Lehrgang gewesen wäre.
12 2. Nachdem die Unbegründetheit der nach § 72b Abs. 1 Satz 1 ArbGG vorrangigen sofortigen
Beschwerde feststeht, ist über die vorsorglich, aber unbedingt eingelegte
Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zu entscheiden. Auch sie kann indes keinen Erfolg
haben. Die Beschwerde ist, soweit sie auf eine entscheidungserhebliche Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 72 Abs. 2 Nr. 3, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG) gestützt
ist, ebenso wenig ordnungsgemäß begründet wie hinsichtlich der Rüge, die Revision müsse
entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wegen einer entscheidungserheblichen
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden (§ 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3
Satz 2 Nr. 1 ArbGG). Sie ist deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 72a Abs. 5 Satz 3 ArbGG).
13 a) Der Kläger legt nicht hinreichend dar, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör tatsächlich in
entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist.
14 aa) Macht der Beschwerdeführer geltend, das Landesarbeitsgericht habe seinen Anspruch auf
Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es seine Ausführungen nicht berücksichtigt habe,
muss er konkret dartun, welches Vorbringen das Landesarbeitsgericht übergangen hat und
woraus sich dies ergibt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen
der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte müssen nicht
jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich behandeln (BAG 22. März 2005 -
1 ABN 1/05 - BAGE 114, 157, 160 f.) . Allein der Umstand, dass sich die Gründe einer
Entscheidung mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht auseinandergesetzt haben, rechtfertigt
daher nicht die Annahme, das Gericht habe diesen Gesichtspunkt bei seiner Entscheidung nicht
erwogen. Hierfür bedarf es vielmehr besonderer Umstände (BVerfG 8. Oktober 2003 - 2 BvR
949/02 - EzA GG Art. 103 Nr. 5) . Daneben muss der Beschwerdeführer im Einzelnen darlegen,
warum das Landesarbeitsgericht, hätte es das betreffende Vorbringen berücksichtigt, nach seiner
Entscheidungsfindung im Übrigen anders als geschehen zu seinen Gunsten entschieden hätte.
Nur dann ist die Gehörsverletzung entscheidungserheblich.
15 bb) Nach diesen Grundsätzen genügt die Beschwerdebegründung den Anforderungen nicht.
16 (1) Der Kläger meint, das Landesarbeitsgericht habe übergangen, dass er sich in der
Berufungsbeantwortung die Aussage des Zeugen T - hilfsweise - zu eigen gemacht habe, wonach
es nicht notwendig gewesen sei, ausgerechnet ihn in die Nachtschicht zu versetzen, sondern
dass auch ein anderer Arbeitnehmer die Nachtschicht habe übernehmen können. Der Kläger hat
sich in diesem Zusammenhang auf eine Verletzung des § 315 BGB durch die Beklagte berufen, da
er sich nach dem Vortrag der Beklagten der Nachtschicht mit der Begründung widersetzt habe, er
habe sich zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern für diesen Abend etwas anderes
vorgenommen.
17 (2) Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich weder mit der gebotenen Deutlichkeit, dass das
Landesarbeitsgericht den genannten Vortrag tatsächlich übergangen, dh. nicht mit erwogen hat,
noch dass eine etwaige Nichtberücksichtigung entscheidungserheblich war.
18 (a) Es ist schon nicht erkennbar, weshalb sich aus der Darstellung des Zeugen T ergeben sollte,
dass die Beklagte den Kläger ermessensfehlerhaft in die Nachtschicht versetzt hat und dass dem
Kläger deshalb ein Leistungsverweigerungsrecht zustand. Es fehlt deshalb schon an einer
Entscheidungserheblichkeit der gerügten Nichtberücksichtigung. Im Übrigen ist es angesichts der
fehlenden materiell-rechtlichen Bedeutung des genannten Hilfsvorbringens naheliegend und nicht
etwa auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht sich damit zwar befasst hat, es aber nicht
für geboten hielt, hierauf im Urteil ausdrücklich einzugehen.
19 Die Beklagte hatte allein auf Grund des Umstandes, dass der Kläger - völlig unbestimmt und
deshalb ohne jede Möglichkeit der Abwägung der Interessen der Beteiligten - gesagt haben soll, er
habe mit seiner Familie schon etwas anderes vor, und der Möglichkeit, auch einen anderen
Mitarbeiter in der Nachtschicht einzusetzen, keine Pflicht, in Ausübung billigen Ermessens von
einem Einsatz des Klägers in der Nachtschicht abzusehen. Der Kläger hatte nach seinem -
hilfsweisen - Prozessvortrag mithin offensichtlich kein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber
dem angeordneten Einsatz, der sein nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts bewiesenes
Verhalten in einem anderen Licht erscheinen lassen könnte.
20 (b) Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht sich nach der Beschwerdebegründung mit der Frage
eines Leistungsverweigerungsrechts des Klägers auseinandergesetzt, wenn auch nur im
Zusammenhang mit einem möglicherweise näherliegenden Verstoß der Beklagten gegen § 6 Abs.
2 ArbZG. Es hat ein solches Recht des Klägers mit der Begründung für unerheblich gehalten, der
Kläger habe sich nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht, eine Einrede, berufen. Diese
Begründung wäre auch gegenüber sonstigen denkbaren Leistungsverweigerungsrechten
maßgeblich.
21 Der Kläger macht demgegenüber zu Unrecht geltend, er habe sich mit der Berufungserwiderung
auf die Rechtswidrigkeit der Versetzung und damit in der Sache auf ein
Leistungsverweigerungsrecht berufen. Darauf kommt es nicht an. Ein
Leistungsverweigerungsrecht muss gegenüber der Leistungsanforderung wenn nicht
ausdrücklich, so doch in der Sache geltend gemacht werden, damit eine Leistungsverweigerung
rechtmäßig sein kann. Die in der späteren gerichtlichen Auseinandersetzung versuchte
Begründung eines Leistungsverweigerungsrechts kann das ursprüngliche Verhalten, mit dem
nach der Aussage des Zeugen T nicht etwa die Rechtswidrigkeit der Versetzung geltend gemacht
wurde, sondern deren Lästigkeit, nicht mehr rechtfertigen. Das gilt umso mehr, wenn, wie der
Kläger in anderem Zusammenhang geltend macht (S. 17 der Beschwerdebegründung), ihm die
angebliche Rechtswidrigkeit der Versetzung nicht bewusst war.
22 (c) Soweit der Kläger rügt, das Urteil stelle eine Überraschungsentscheidung dar, weil das
Landesarbeitsgericht nicht darauf hingewiesen habe, es wolle von dem Urteil des Arbeitsgerichts
abweichen, was die Unrechtmäßigkeit der Versetzung angeht, genügt sein Vorbringen ebenfalls
nicht den Anforderungen. Er trägt schon nicht im Einzelnen vor, inwiefern das Arbeitsgericht seine
Entscheidung tragend von der Rechtswidrigkeit der (Rück-)Versetzung in die Nachtschicht
ausgegangen ist. Tatsächlich hat das Arbeitsgericht auch die Rechtmäßigkeit der Versetzung
dahinstehen lassen und den Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe eine Krankschreibung
angekündigt, als nicht bewiesen angesehen. Darüber hinaus bedurfte es auch keines Hinweises
des Landearbeitsgerichts, geht man von dessen Rechtsauffassung aus, weil das
Landesarbeitsgericht nach der Beschwerdebegründung davon ausgegangen ist, der Kläger könne
sich auf eine etwa rechtswidrige Versetzung gegenüber dem vom Landesarbeitsgericht als
bewiesen angesehenen Kündigungsvorwurf schon deshalb nicht berufen, weil er sich bei dem
Gespräch mit dem Zeugen T nach dessen Aussage nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht
berufen habe.
23 Inwiefern die vom Kläger in diesem Zusammenhang neu vorgetragenen Behauptungen, denen
zufolge die Beklagte anderen Mitarbeitern gegenüber ungerechtfertigte und willkürliche
Kündigungen ausgesprochen habe, etwas mit der erhobenen Rüge einer
Überraschungsentscheidung zu tun haben, ist nicht erkennbar.
24 (3) Auch die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe eine Überraschungsentscheidung gefällt, weil
er für das Gericht dadurch erkennbar, dass er sich die entsprechende Aussage des Zeugen J zu
eigen gemacht habe, davon ausgegangen sei, bei ihm sei “eine gesundheitliche Beeinträchtigung
bereits zum Zeitpunkt des Gesprächs” mit den Zeugen T und J “nicht auszuschließen” gewesen,
und das Gericht ihn gleichwohl vor seiner Entscheidung nicht darauf hingewiesen habe, dass es
die Aussage der Zeugen insoweit für nicht ausreichend hielt, rechtfertigt die Zulassung der
Revision nicht. Der Kläger legt nicht dar, inwiefern die Frage, ob am Tage des Gesprächs mit den
Zeugen eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers “nicht auszuschließen war”, für das
Landesarbeitsgericht entscheidungserheblich war. Nur in diesem Falle hätte es eines
entsprechenden Hinweises bedurft. Dabei wird zu Gunsten des Klägers unterstellt, er habe mit der
hilfsweisen Inbezugnahme des Beweisergebnisses mit der gebotenen Bestimmtheit behauptet, er
sei bereits am 10. März 2005 arbeitsunfähig krank gewesen, obwohl er noch mit Schriftsatz vom
18. Mai 2005 hatte vortragen lassen, er sei am 13. März 2005 erkrankt.
25 b) Auch der Vortrag des Klägers, mit der er eine nachträgliche Zulassung der Revision wegen
einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erreichen will, genügt
den Anforderungen nicht.
26 aa) Eine Grundsatzbeschwerde ist dann im Sinne von § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG
ordnungsgemäß begründet und zulässig, wenn der Beschwerdeführer darlegt, dass das
anzufechtende Urteil eine von der Beschwerde im Einzelnen auszuformulierende abstrakte
Rechtsfrage in einem bestimmten Sinne beantwortet hat, die in bestimmter anderer Weise hätte
beantwortet werden müssen, und dass diese Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Dazu
muss dargelegt werden, dass die Rechtsfrage in der Revision klärungsfähig ist, der
höchstrichterlichen Klärung bedarf und eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.
Schließlich muss konkret vorgetragen werden, dass die Entscheidung in der Begründungslinie des
Landesarbeitsgerichts anders ausgefallen wäre, wenn die abstrakte Rechtsfrage in dem von der
Beschwerde für richtig gehaltenen Sinne und damit abweichend vom Landesarbeitsgericht
beantwortet wird. Eine nachträgliche Zulassung der Revision kann demgegenüber nicht mit der
Begründung erreicht werden, das Landesarbeitsgericht habe bei der Rechtsanwendung
Rechtsfehler gemacht, insbesondere einen bestimmten abstrakten Rechtssatz unrichtig
angewendet.
27 bb) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
28 Der Kläger macht geltend, dem Urteil liege der Rechtssatz zugrunde, dass es nicht darauf
ankomme, welche Anweisung des Arbeitgebers zu der Androhung einer Krankschreibung geführt
habe, sondern dass eine Kündigung immer dann begründet sei, wenn ein Arbeitnehmer, der nicht
krank sei, mit Krankschreibung drohe, um sich einen ihm nicht zustehenden Vorteil zu
verschaffen.
29 Auch wenn man diesen Rechtssatz in eine Rechtsfrage mit entsprechender Beantwortung
überträgt, reicht diese Begründung schon deshalb nicht aus, weil der Kläger nicht hinreichend
deutlich macht, dass das Landesarbeitsgericht sich mit einem derart weit gefassten Rechtssatz
befasst hat, die aufgeworfene Rechtsfrage also so wie sie zu formulieren wäre,
entscheidungserheblich ist. Er hat nämlich in anderem Zusammenhang dargelegt, dass das
Landesarbeitsgericht es gerade nicht allgemein für unerheblich gehalten hat, ob die betreffende
Anweisung rechtswidrig war. Es hat nach dem Vorbringen des Klägers zu § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr.
3 ArbGG eine solche Unerheblichkeit nur für den vorliegenden Fall angenommen, in dem der
Kläger, der nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts mit seiner Krankschreibung gedroht hatte,
sich gegenüber dem Anweisenden nicht auf eine ein Leistungsverweigerungsrecht begründende
Rechtswidrigkeit der Anweisung berufen hatte. Dabei ging es erkennbar nicht darum, ob der
Kläger eine juristisch zutreffende Bewertung getroffen hatte. Entscheidend war, ob er irgendwie
deutlich und nachvollziehbar gemacht hat, dass er sich aus Rechtsgründen nicht für verpflichtet
hielt, der Anweisung zu folgen. Die Erklärung, er habe mit seiner Familie schon (irgend-)etwas
anderes vor, reichte hierfür erkennbar nicht aus. Irgendeinen Hinweis darauf, dass der Kläger sich
durch die Anweisung für überfordert hielt, was den zeitlichen Umfang der geforderten Arbeit
angeht, behauptet der Kläger für den 10. März 2005 nicht.
30 Die Beschwerdebegründung des Klägers genügt im Übrigen auch deshalb nicht den
Anforderungen, weil er nicht darlegt, inwieweit die sehr viel engere und auf den Einzelfall bezogene
Rechtsfrage, wie sie eben angesprochen wurde, grundsätzliche, über den Einzelfall
hinausgehende Bedeutung hat. Da es bei der Bewertung der Androhung einer Krankschreibung
wie stets bei der Einschätzung, ob ein wichtiger Grund iSd. § 626 BGB vorliegt, auf die Umstände
des Einzelfalls ankommt, können die maßgeblichen Fragen nicht allgemeingültig in die eine oder
andere Richtung, sondern nur im Sinne eines “Es kommt darauf an” oder “Kann sein” beantwortet
werden, was für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht ausreicht (vgl. BAG 23.
Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - AP ArbGG 1979 § 72a Grundsatz Nr. 66 = NJW 2007, 1165) , weil
eine solche Antwort keine weiterführende Klarstellung bringen kann.
31 c) Von einer weiteren Begründung zum sonstigen, vom Senat geprüften Vorbringen des Klägers
wird abgesehen, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter
denen die Revision zuzulassen wäre (§ 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG).
32 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Streitwert ist nach § 63 Abs. 2 GKG
festgesetzt, wobei der Kündigungsschutzantrag mit drei Monatsverdiensten, der
Weiterbeschäftigungsantrag mit einem Monatslohn sowie der auf Entfernung von zwei
Abmahnungen gerichtete Antrag mit zwei weiteren Monatslöhnen bewertet worden ist. Unter
Einschluss des bezifferten Zahlungsantrags ergibt sich daraus der festgesetzte Betrag.
Bepler Wolter Bott