Urteil des BAG vom 13.03.2017

BAG (arbeitnehmer, kündigung, versand, leistungsfähigkeit, mitarbeiter, gewicht, falle, tätigkeit, leistung, lager)

Siehe auch:
Pressemitteilung Nr. 5/08
Kündigung gegenüber leistungsschwachen Arbeitnehmern
Die verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Arbeitnehmer kann nach § 1
Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch
vorwerfbar verletzt, dass er fehlerhaft arbeitet. Ein Arbeitnehmer genügt - mangels anderer
Vereinbarungen - seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen
Leistungsfähigkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, dass er die
durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer überschreitet. Allerdings kann die längerfristige
deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art,
Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer
vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der
Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine
Leistungsfähigkeit ausschöpft.
Die Klägerin ist seit 1995 in dem Versandkaufhaus der Beklagten als Lager- und Versandarbeiterin
beschäftigt. Sie ist im „Sorter-Versand“ eingesetzt, wo Warensendungen auf der Grundlage der
Kundenbestellungen fertiggestellt werden. Nach den Feststellungen der Beklagten wiesen die von der
Klägerin gepackten Sendungen über einen längeren Zeitraum hinweg zumindest ca. dreimal so viele
Packfehler auf wie dies der durchschnittlichen Fehlerquote an vergleichbaren Arbeitsplätzen entsprach.
Nachdem auch zwei Abmahnungen und weitere Maßnahmen der Beklagten die Fehlerquote der Klägerin
nicht nachhaltig gesenkt hatten, kündigte die Beklagte der Klägerin fristgerecht wegen qualitativer
Minderleistung. Die Klägerin hat mit ihrer Kündigungsschutzklage ua. geltend gemacht, angesichts der
Gesamtzahl der von ihr gepackten Pakete falle die ihr angelastete Fehlerquote nicht ins Gewicht. Die
Beklagte hat demgegenüber unter Darlegung der Packfehler im Einzelnen darauf hingewiesen, die von
der Klägerin verursachten Packfehler (Kundenverwechslungen, fehlende Einzelteile etc.) führten in dieser
Häufigkeit bei Kunden zum Imageverlust. Durch die Fehlerbehebung entstünden auch nicht unerhebliche
Kosten.
Die Vorinstanzen haben nach dem Klageantrag erkannt und dabei vor allem darauf abgestellt, eine
Fehlerquote von ca. dem Dreifachen des Durchschnitts der anderen Mitarbeiter sei bei einer derartigen
Tätigkeit schon an sich nicht geeignet, eine Kündigung sozial zu rechtfertigen. Dem ist der Zweite Senat
des Bundesarbeitsgerichts nicht gefolgt. Die Kündigung kann aus verhaltensbedingten Gründen
gerechtfertigt sein, da die Klägerin nach den Behauptungen der Beklagten über einen längeren Zeitraum
eine qualitativ erheblich unterdurchschnittliche Leistung erbracht hat. Allerdings fehlt es hinsichtlich der
konkret der Klägerin vorgeworfenen Fehler und ihrer Ursachen noch an weiteren
Tatsachenfeststellungen und außerdem an einer ausreichenden Interessenabwägung. Deshalb ist der
Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06 -
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 7. April 2006 - 3 Sa 425/05 -