Urteil des BAG vom 06.11.2013

Betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft von Auszubildenden

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 6.11.2013, 7 ABR
76/11
Auszubildende - betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den
Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom
16. August 2011 - 3 TaBV 326/11 - wird zurückgewiesen.
Gründe
1 A. Der zu 1. beteiligte Betriebsrat und die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin streiten darüber, ob
die Personen, die auf der Grundlage eines Ausbildungsvertrages mit der Arbeitgeberin bei
dieser für die Berufe der/des Medizinisch-technischen Laboratoriumsassistentin/en,
der/des Physiotherapeutin/en und der/des Medizinisch-technischen
Radiologieassistentin/en ausgebildet werden, Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs. 1 BetrVG sind.
2 Die Arbeitgeberin betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit
beschränkter Haftung das C-Klinikum C (künftig: C) mit ca. 2.300 Beschäftigten. Sie ist
außerdem Träger einer staatlich anerkannten Ausbildungsstätte für Gesundheitsberufe,
der so genannten Medizinischen Schule. Diese wird von einer Schulleiterin geleitet und
verfügt über 600 Ausbildungsplätze in den Ausbildungsberufen Gesundheits- und
Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Altenpflege,
Hebamme/Entbindungspfleger, Medizinisch-technische Laboratoriumsassistenz,
Medizinisch-technische Radiologieassistenz und Physiotherapie. An der Medizinischen
Schule lernen sowohl Schülerinnen und Schüler, die einen Ausbildungsvertrag mit der
Arbeitgeberin abgeschlossen haben, als auch solche, die einen Ausbildungsvertrag mit
anderen Einrichtungen eingegangen sind und von diesen zum Unterricht in die Schule
entsandt werden.
3 Neben dem 19-köpfigen Betriebsrat ist im Betrieb der Arbeitgeberin auch eine aus sieben
Mitgliedern bestehende Jugend- und Auszubildendenvertretung (künftig: JAV) gebildet,
die am 24. November 2008 gewählt wurde. Sie vertritt gegenüber dem Betriebsrat die
Interessen von ca. 200 Auszubildenden der Arbeitgeberin in den Ausbildungsberufen
Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege,
Hebamme/Entbindungspfleger, Bürokauffrau/Bürokaufmann, Kauffrau/Kaufmann für
Bürokommunikation und Köchin/Koch.
4 Zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat besteht Einverständnis darüber, dass die
in der Ausbildung zu diesen Berufen befindlichen Personen Arbeitnehmer der
Arbeitgeberin im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sind, soweit sie einen
Ausbildungsvertrag mit der Arbeitgeberin abgeschlossen haben und im Betrieb praktisch
ausgebildet werden. Das gilt auch, soweit sie Schülerinnen und Schüler der
Medizinischen Schule sind.
5 Demgegenüber kam es im Vorfeld der im Herbst 2010 anstehenden Neuwahl der JAV und
auch danach zu unterschiedlichen Auffassungen zwischen der Arbeitgeberin und dem
Betriebsrat darüber, ob dies auch für Personen gilt, die in den Bereichen Medizinisch-
technische Laboratoriumsassistenz, Physiotherapie und Medizinisch-technische
Radiologieassistenz ausgebildet werden, mit der Arbeitgeberin einen Ausbildungsvertrag
abgeschlossen haben und deren praktische Ausbildung im Betrieb der Arbeitgeberin
stattfindet.
6 Dabei handelt es sich um 130 Schüler. Sie erhalten keine Ausbildungsvergütung. In den
Ausbildungsverträgen wird auf die jeweils einschlägigen Berufsgesetze und die dazu
erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen verwiesen. Im Bereich der Medizinisch-
technischen Laboratoriumsassistenz sind 3.170 Stunden theoretischen und praktischen
Unterrichts und 1.230 Stunden praktische Ausbildung abzuleisten, im Bereich
Medizinisch-technischer Radiologieassistenz 2.800 Stunden theoretischen und
praktischen Unterrichts sowie 1.600 Stunden praktische Ausbildung und im Bereich
Physiotherapie 2.900 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts sowie
1.600 Stunden praktische Ausbildung.
7 Die praktische Ausbildung erfolgt im C und wird anhand von Begleitbüchern dokumentiert.
Sie wird nicht in einem Block, sondern sukzessive abgeleistet. Im Rahmen der praktischen
Ausbildung sind die Auszubildenden in die Arbeitsgruppen des C integriert. Sie werden in
den Klinikumsabteilungen in die jeweiligen Dienstpläne eingetragen und unter der
Aufsicht von bestimmten, für den jeweiligen Auszubildenden zuständigen Fachkräften
tätig. Diejenigen Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, die als Ausbilder der Schülerinnen und
Schüler eingesetzt werden, nehmen jedenfalls teilweise als Fachprüfer die praktischen
Prüfungen ab und erhalten hierfür von der Leiterin der Medizinischen Schule und den
Fachbereichsleitern eine Prüfungsermächtigung. Soweit die Arbeitgeberin vereinzelt keine
freien Kapazitäten hat oder spezielle, im C nicht vermittelbare praktische
Ausbildungsinhalte betroffen sind, ordnet sie Auszubildende zur praktischen Ausbildung
auch an andere Einrichtungen ab.
8 Mit seinem am 1. September 2010 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren
hat der Betriebsrat geltend gemacht, die Schüler im Bereich Medizinisch-technische
Laboratoriumsassistenz, Medizinisch-technische Radiologieassistenz und Physiotherapie
seien Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Er hat im Laufe des Verfahrens
klargestellt, dass sich dies nur auf solche Schülerinnen und Schüler bezieht, die ihre
praktische Ausbildung aufgrund eines Ausbildungsvertrages mit der Arbeitgeberin
absolvieren. Er hat die Ansicht vertreten, diese Schülerinnen und Schüler gehörten zu den
„zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten“ im Sinne der gesetzlichen Regelung. Das folge
daraus, dass sie aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages bei der Arbeitgeberin
ausgebildet würden. Unerheblich sei, dass der theoretische und praktische Unterricht die
praktische Ausbildung zeitlich überwiege. Der praktischen Ausbildung komme gleiche
Bedeutung zu und sie sei im Verhältnis zur rein schulischen Ausbildung mindestens
gleichwertig.
9 Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass die Auszubildenden zur Medizinisch-
technischen Laborassistentin/en,
Physiotherapeutin/Physiotherapeuten, Medizinisch-
technischen Radiologieassistentin/en der Arbeitgeberin,
die ihre praktische Ausbildung aufgrund des
Ausbildungsvertrages bei der Arbeitgeberin absolvieren,
Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs. 1 BetrVG sind.
10 Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
11 Sie hat im Wesentlichen den Standpunkt eingenommen, die Auszubildenden der vom
Antrag umfassten Ausbildungszweige zählten mangels einer betrieblichen Ausbildung
nicht zu den vom Betriebsrat repräsentierten Arbeitnehmern. Nach den einschlägigen
Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen überwiege für diese Schüler bereits in zeitlicher
Hinsicht der schulische Ausbildungsanteil.
12 Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die
Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die
Arbeitgeberin weiter das Ziel der Antragsabweisung. Der Betriebsrat begehrt die
Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. Die JAV hat der Senat erstmals in der
Rechtsbeschwerdeinstanz angehört. Sie stellt keinen Antrag.
13 B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die
Beschwerde gegen die dem Antrag stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts
zurückgewiesen. Gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen keine durchgreifenden
Bedenken; der Senat kann auch über ihn entscheiden. Er erweist sich auch als begründet.
Die vom Antrag erfassten Schülerinnen und Schüler gehören zu den „zu ihrer
Berufsausbildung Beschäftigten“ iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und sind damit
Arbeitnehmer im Sinne dieser gesetzlichen Regelung.
14 I. Der Antrag bedarf der Auslegung und ist ausgelegt zulässig.
15 1. Der Antrag des Betriebsrats ist auszulegen.
16 Bei einem wörtlichen Verständnis des Antrags ginge es um die Feststellung des
Rechtsstatus der von ihm erfassten Schülerinnen und Schüler. Ein derartiger Statusantrag
beträfe für sich genommen kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1
ZPO (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 58/10 - Rn. 12; 14. Dezember 2010 - 1 ABR
93/09 - Rn. 11 ff., BAGE 136, 334). Dem Betriebsrat geht es jedoch nicht lediglich um eine
Klärung des Rechtsstatus dieser Schülerinnen und Schüler. Vielmehr erstrebt er eine
Klärung der zwischen den Betriebsparteien bestehenden rechtlichen Verpflichtungen in
Bezug auf diesen Personenkreis, also die Feststellung, dass die bezogen auf
Arbeitnehmer bestehenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeberin sowie der Organe der
Betriebsverfassung sich auch auf diesen Personenkreis beziehen (vgl. BAG 10. Februar
1981 - 6 ABR 86/78 - zu II 2 und 4 der Gründe, BAGE 35, 59).
17 Aus den Klarstellungen des Betriebsrats im Verfahren vor den Tatsacheninstanzen ergibt
sich zudem, dass sich sein Antrag nur auf solche Schülerinnen und Schüler bezieht, die
einen Ausbildungsvertrag mit der Arbeitgeberin abgeschlossen haben, nicht jedoch auf
solche, die ihre praktische Ausbildung im Betrieb der Arbeitgeberin erhalten, jedoch ihren
Ausbildungsvertrag mit einem anderen Träger abgeschlossen haben.
18 2. In diesem Verständnis ist der Antrag zulässig. Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253
Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da der von ihm erfasste Personenkreis klar abgegrenzt ist. Auch erfüllt er
die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO. Es geht um ein Rechtsverhältnis, hinsichtlich
dessen alsbaldiger Feststellung durch richterliche Entscheidung der Betriebsrat ein
rechtliches Interesse hat.
19 a) Die vom Betriebsrat begehrte Feststellung betrifft ein einheitliches Rechtsverhältnis.
Davon könnte allerdings dann nicht gesprochen werden, wenn die begehrte Feststellung
keine einheitliche Anwendung der in Betracht kommenden betriebsverfassungsrechtlichen
Bestimmungen zuließe (vgl. hierzu BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 93/09 - Rn. 14,
BAGE 136, 334). Das wäre insbesondere auch dann der Fall, wenn ein drittbezogener
Personaleinsatz vorläge, der keine einheitliche Beantwortung der Frage der
betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmereigenschaft zuließe, sondern eine
unterschiedliche Betrachtung je nach dem Zweck der in Betracht kommenden Norm
verlangte (vgl. dazu BAG 5. Dezember 2012 - 7 ABR 48/11 - Rn. 20 ff.; 13. März 2013 -
7 ABR 69/11 - Rn. 21 ff.). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Die
Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft des vom Antrag erfassten Personenkreises lässt
sich einheitlich beantworten. Sie ist nur von der Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
und nicht vom Normzweck der jeweils in Betracht kommenden an die
Arbeitnehmereigenschaft anknüpfenden Bestimmung abhängig.
20 b) Der Betriebsrat hat auch ein rechtliches Interesse daran, dass dieses Rechtsverhältnis
durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das folgt daraus, dass die
Arbeitgeberin sowohl außergerichtlich als auch im vorliegenden Verfahren die Ansicht
vertritt, bei dem vom Antrag erfassten Personenkreis handele es sich nicht um
Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
21 3. Auch sonst stehen einer Sachentscheidung durch den Senat keine Gründe entgegen.
Die JAV ist anzuhören, was in der Rechtsbeschwerdeinstanz wirksam nachgeholt werden
konnte.
22 a) Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben im Beschlussverfahren ua. die Stellen ein Recht auf
Anhörung, die im Einzelfall beteiligt sind. Beteiligt ist jede Stelle, die durch die begehrte
Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist.
Das ist von Amts wegen noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen. Ist die Anhörung
in den Tatsacheninstanzen unterblieben, stellt dies einen Verfahrensfehler dar. Einer
darauf gestützten Zurückverweisung bedarf es nicht, wenn die Anhörung in der
Rechtsbeschwerdeinstanz nachgeholt wird und der Beteiligte Gelegenheit erhält, sich in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern (vgl. BAG 17. April 2012 - 1 ABR 84/10 -
Rn. 15).
23 b) Hier war die JAV anzuhören. Sie war in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung
unmittelbar betroffen. Allerdings ist die Jugend- und Auszubildendenvertretung kein
selbständiges Mitwirkungsorgan der Betriebsverfassung. Ihre Rechte und Pflichten
bestehen gegenüber dem Betriebsrat (BAG 5. April 2000 - 7 ABR 6/99 - zu B I 3 a der
Gründe). Insoweit hängen aber ihre Rechte unmittelbar davon ab, für welchen
Personenkreis sie gegenüber dem Betriebsrat tätig werden darf. Um dessen Abgrenzung
geht es im vorliegenden Verfahren. Der Senat hat der JAV deshalb Gelegenheit gegeben,
sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern.
24 II. Der Antrag ist begründet. Die vom Antrag erfassten Personen sind „zu ihrer
Berufsausbildung Beschäftigte“ iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und gehören deshalb zu den
Arbeitnehmern im Sinne dieser gesetzlichen Regelung.
25 1. Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sind nach § 5 Abs. 1 Satz 1
BetrVG Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung
Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit
beschäftigt werden.
26 a) Dabei setzt die Arbeitnehmereigenschaft eines zu seiner Berufsausbildung
Beschäftigten iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG neben dem Abschluss eines auf die
Ausbildung gerichteten privatrechtlichen Vertrages voraus, dass der Auszubildende in
einen Betrieb des Ausbildenden eingegliedert ist (vgl. zuletzt BAG 16. November 2011 -
7 ABR 48/10 - Rn. 12; 13. Juni 2007 - 7 ABR 44/06 - Rn. 14 und 15 mwN). Es kommt nicht
darauf an, ob der „zu seiner Berufsausbildung Beschäftigte“ eine Geldleistung erhält (vgl.
zB Fitting 26. Aufl. § 5 Rn. 304 mwN).
27 b) Der Auszubildende ist in vergleichbarer Weise wie ein Arbeiter oder Angestellter in den
Betrieb eingegliedert, wenn sich seine berufspraktische Ausbildung im Rahmen des
arbeitstechnischen Betriebszwecks vollzieht, zu dessen Erreichung die Arbeiter und
Angestellten des Betriebs zusammenwirken. Auszubildende unterscheiden sich von den
im Betrieb beschäftigten Arbeitern und Angestellten unter betriebsverfassungsrechtlichen
Gesichtspunkten im Wesentlichen nur dadurch, dass sie durch ihre Einbindung in das
Betriebsgeschehen weitgehend erst die Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben sollen, die
bei den entsprechenden Arbeitern oder Angestellten des Betriebs bereits vorhanden sind
und von ihnen zur Förderung des Betriebszwecks eingesetzt werden. Dieser enge
Zusammenhang der Berufsausbildung mit den im Betrieb anfallenden, von dessen
Arbeitnehmern zu verrichtenden Arbeiten rechtfertigt es, diejenigen, die in solcher Weise
zu ihrer Berufsausbildung im Betrieb beschäftigt sind, als Teil der Betriebsbelegschaft
anzusehen und sie betriebsverfassungsrechtlich den im Betrieb tätigen Arbeitern und
Angestellten gleichzustellen (BAG 13. Juni 2007 - 7 ABR 44/06 - Rn. 15 mwN). Danach
sind Auszubildende, deren praktische Ausbildung sich in demselben oder einem anderen
operativ tätigen Betrieb des Unternehmens vollzieht, Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 Satz 1
BetrVG.
28 c) Anders als bei einer betrieblichen Ausbildung kann von einer Eingliederung in den
Betrieb bei einer schulischen Ausbildung nicht ausgegangen werden. Bei einer rein
schulischen Unterweisung ist der zu seiner Berufsausbildung Tätige kein „Beschäftigter“.
Erforderlich ist vielmehr eine berufspraktische Unterweisung im Rahmen einer
arbeitstechnischen Zwecksetzung des Betriebs (vgl. BAG 20. März 1996 - 7 ABR 46/95 -
zu B II 2 b der Gründe, BAGE 82, 302). Eine betrieblich-praktische Unterweisung erfolgt,
wenn der Arbeitgeber dem Auszubildenden gegenständliche, praktische Aufgaben
beruflicher Art zum Zwecke der Ausbildung zuweist. Wer derart innerhalb eines Betriebs
eine praktische berufliche Unterweisung erhält, ist im Grundsatz
betriebsverfassungsrechtlich Auszubildender und damit betriebsverfassungsrechtlich auch
Arbeitnehmer (vgl. BAG 21. Juli 1993 - 7 ABR 35/92 - zu B III 2 c der Gründe mwN,
BAGE 74, 1).
29 d) Eine Beschäftigung zur Berufsausbildung iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG setzt voraus,
dass die betrieblich-praktische Ausbildung überwiegt oder der schulischen Ausbildung
zumindest gleichwertig ist. Soweit die Ausbildung in rein schulischer Unterrichtung
stattfindet, kann von einer betrieblichen Beschäftigung zum Zwecke der Berufsausbildung
nicht gesprochen werden (BAG 28. Juli 1992 - 1 ABR 22/92 - zu C I 1 b der Gründe). Die
Gewichtung kann dabei nicht allein quantitativ nach Stundenanteilen bemessen werden.
Maßgeblich ist vielmehr, ob beide Abschnitte qualitativ die gleiche Bedeutung haben (vgl.
BAG 24. September 1981 - 6 ABR 7/81 - zu III 4 b der Gründe, BAGE 36, 363; vgl. auch
8. Mai 1990 - 1 ABR 7/89 - zu B II 2 d der Gründe). Entscheidend ist, dass gerade eine
Eingliederung des Auszubildenden in den Betrieb des Ausbilders erfolgt und keine
lediglich schulische, sondern mindestens auch eine auch betrieblich praktische
Unterweisung vorliegt, in der der Auszubildende auch beruflich aktiv tätig ist.
30 e) Für die Unterwerfung einer Berufsausbildung unter das Betriebsverfassungsgesetz
reicht es aus, wenn eine Eingliederung des Auszubildenden in den Ausbildungsbetrieb im
Rahmen des arbeitstechnischen Betriebszwecks nur Teil eines einheitlichen
Ausbildungsganges ist. Die Auszubildenden werden den sonstigen Arbeitnehmern
betriebsverfassungsrechtlich gleichgestellt, weil sich die Beschäftigung betrieblich
Auszubildender typischerweise und regelmäßig - wie die von anderen Arbeitnehmern - im
Rahmen einer Eingliederung in den Betrieb zur Verwirklichung eines bestimmten
arbeitstechnischen Betriebszwecks vollzieht (vgl. hierzu auch BAG 13. Juni 2007 - 7 ABR
44/06 - Rn. 15). Auszubildende sind deshalb dann Arbeitnehmern gleichzustellen, wenn
sie typischerweise und regelmäßig von mitbestimmungspflichtigen sozialen wie
personellen Angelegenheiten (§§ 87, 99 BetrVG) betroffen sind. Dann stellen sich auch
betriebliche Fragen der Berufsbildung (§ 96 ff. BetrVG).
31 2. Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die vom Antrag
erfassten Personen Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sind und
hinsichtlich ihrer die entsprechenden Rechte und Pflichten der Betriebsparteien bestehen.
32 a) Zwischen der Arbeitgeberin und den Auszubildenden sind privatrechtliche Verträge
abgeschlossen, nach denen die Arbeitgeberin verpflichtet ist, die Schülerinnen und
Schüler für den Beruf der Medizinisch-technischen Laboratoriumsassistenz, der
Medizinisch-technischen Radiologieassistenz oder die Physiotherapie auszubilden. Dass
keine Ausbildungsvergütung gezahlt wird, ist unerheblich. Entgegen der
Rechtsbeschwerde hat deshalb das Landesarbeitsgericht zu Recht auf die vertraglichen
Beziehungen zwischen den Schülerinnen und Schülern einerseits und der Arbeitgeberin
andererseits abgestellt.
33 b) Der vom Antrag erfasste Personenkreis ist auch in den Betrieb der Arbeitgeberin
eingegliedert.
34 aa) Dafür sprechen schon die der Ausbildung zugrunde liegenden Rechtsvorschriften. Die
Ausbildung zur Medizinisch-technischen Laboratoriumsassistentin/zum Medizinisch-
technischen Laboratoriumsassistenten und die zur Medizinisch-technischen
Radiologieassistentin/zum Medizinisch-technischen Radiologieassistenten richtet sich
nach dem Gesetz über technische Assistenten in der Medizin (vom 2. August 1993, BGBl. I
S. 1402, zuletzt geändert durch Art. 41 des Gesetzes vom 6. Dezember 2011, BGBl. I
S. 2515). Nach § 4 dieses Gesetzes dauert die Ausbildung drei Jahre und besteht aus
theoretischem und praktischem Unterricht einerseits und einer praktischen Ausbildung
andererseits. Die Ausbildung wird durch staatlich anerkannte Schulen vermittelt. Dabei
haben Schulen, die nicht in einem Krankenhaus eingerichtet sind, die praktische
Ausbildung im Rahmen einer Regelung mit einem Krankenhaus oder einer anderen
geeigneten medizinischen Einrichtung sicherzustellen. Eine inhaltlich gleiche Regelung
enthält § 9 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie (vom 26. Mai 1994, BGBl. I
S. 1084, zuletzt geändert durch Art. 45 des Gesetzes vom 6. Dezember 2011, BGBl. I
S. 2515).
35 Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen gehen also davon aus, dass die praktische
Ausbildung an einem Krankenhaus oder einer anderen geeigneten medizinischen
Einrichtung erfolgt, mithin im Rahmen einer Einrichtung zur Gesundheitsversorgung und
der dort gefundenen arbeitstechnischen Organisation. Insoweit unterscheidet sich die
vorliegende Fallgestaltung auch maßgeblich von derjenigen, die dem Beschluss des
Bundesarbeitsgerichts vom 28. Juli 1992 (- 1 ABR 22/92 -) zugrunde lag; in dieser bestand
die Ausbildung gerade nicht, wie vorliegend, aus einem theoretischen und praktischen
Unterricht einerseits sowie einer praktischen Ausbildung andererseits, sondern
ausschließlich in theoretischem und praktischem Unterricht (vgl. BAG 28. Juli 1992 -
1 ABR 22/92 - zu C I 1 c der Gründe).
36 Die Arbeitgeberin hat auch nicht vorgetragen, die gesetzlichen Vorgaben nicht
umzusetzen. Vielmehr hat das Landesarbeitsgericht - ohne dass dies mit Verfahrensrügen
angegriffen wäre - festgestellt, dass die vom Antrag erfassten Schülerinnen und Schüler im
Rahmen einer praktischen Ausbildung mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die sie erlernen
sollen und die zu den beruflichen Aufgaben der im Klinikum beschäftigten Arbeitnehmer
gehören.
37 bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde spricht der Umstand, dass die
Schüler während der praktischen Ausbildung nicht selbständig arbeiten, sondern unter
ständiger Aufsicht der im Krankenhaus tätigen Arbeitnehmer agieren, nicht gegen,
sondern für die Arbeitnehmereigenschaft. Dadurch wird die Eingliederung in den
arbeitstechnischen Betriebszweck unterstrichen.
38 cc) Unerheblich ist auch, dass im Rahmen der Ausbildung der praktische Ausbildungsteil
im Gegensatz zum theoretisch/praktischen Unterricht stundenmäßig weniger als die Hälfte
der Ausbildung beträgt. Für die Beurteilung, ob die betrieblich-praktische Ausbildung der
schulischen zumindest gleichwertig ist, kommt es, wie ausgeführt, nicht auf eine rein
quantitative Betrachtung an. Maßgeblich ist vielmehr, ob die betriebliche Ausbildung
qualitativ zumindest die gleiche Bedeutung hat wie die schulische. Das ist hier der Fall.
Dies zeigt sich bereits daran, dass sie gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben ist. Zu
Recht hat das Landesarbeitsgericht insoweit auch darauf hingewiesen, dass eine
Zulassung zur Prüfung den Nachweis der praktischen Ausbildung erfordert und die
Prüfung ihrerseits sich auch auf die erworbenen praktischen Kenntnisse bezieht. Das
ergibt sich für die Ausbildungsbereiche Medizinisch-technische Laboratoriumsassistenz
und Medizinisch-technische Radiologieassistenz hinsichtlich der Zulassung zur Prüfung
aus § 4 Abs. 2 Nr. 2 iVm. § 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für technische
Assistenten in der Medizin (vom 25. April 1994, BGBl. I S. 922, zuletzt geändert durch
Verordnung vom 2. August 2013, BGBl. I S. 3005) und hinsichtlich der Notwendigkeit
eines praktischen Teils der Prüfung aus § 2 Abs. 1 dieser Verordnung. Für das Berufsfeld
Physiotherapie folgt es hinsichtlich der Zulassung zur Prüfung aus § 4 Abs. 2 Nr. 2 iVm.
§ 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten (vom 6. Dezember
1994, BGBl. I S. 3786, zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. August 2013, BGBl. I
S. 3005) und hinsichtlich der Notwendigkeit eines praktischen Teils aus § 2 Abs. 1 dieser
Verordnung.
39 3. Bei der Arbeitgeberin handelt es sich schließlich auch nicht um einen reinen
Ausbildungsbetrieb (vgl. dazu grundlegend: BAG 21. Juli 1993 - 7 ABR 35/92 - zu
B III 2 d bb der Gründe, BAGE 74, 1; daran anschließend: 26. Januar 1994 - 7 ABR 13/92 -
zu B II 3 b der Gründe, BAGE 75, 312; 24. August 2004 - 1 ABR 28/03 - zu B I 1 b der
Gründe, BAGE 111, 350; 13. Juni 2007 - 7 ABR 44/06 - Rn. 15 mwN; 16. November 2011 -
7 ABR 48/10 - Rn. 13). Die Tätigkeit der Arbeitgeberin beschränkt sich nicht auf
Ausbildung, sondern sie betreibt ein Krankenhaus, das sich auch mit der
Patientenversorgung befasst.
Linsenmaier
Schmidt
Zwanziger
Busch
Rose