Urteil des BAG vom 15.04.2014

Bildung eines Arbeitsschutzausschusses

Siehe auch:
Pressemitteilung Nr. 17/14 vom 15.4.2014
BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 15.4.2014, 1 ABR
82/12
Bildung eines Arbeitsschutzausschusses
Leitsätze
§ 11 ASiG begründet keinen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Einrichtung
eines Arbeitsschutzausschusses.
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss
des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. August
2012 - 3 TaBV 1/12 - wird zurückgewiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, einen
Arbeitsschutzausschuss einzurichten.
2 Die Arbeitgeberin ist ein Einzelhandelsunternehmen mit Sitz in H und Filialen im
gesamten Bundesgebiet. In der Filiale 3106 in S sind 65 Arbeitnehmer beschäftigt. Wegen
der räumlichen Entfernung vom Hauptbetrieb in H gilt dieser Betrieb als selbständiger
Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Der antragstellende Betriebsrat ist
dort gebildet.
3 Die Arbeitgeberin hat in ihrem Hauptbetrieb in H unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats
einen Arbeitsschutzausschuss eingerichtet.
4 Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Arbeitgeberin habe auch in dem S Betrieb einen
Arbeitsschutzausschuss zu bilden. Er hat beantragt,
der Arbeitgeberin aufzugeben, für die Filiale 3106 in S, einen
Arbeitsschutzausschuss zu bilden.
5 Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung beantragt.
6 Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die
hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der
Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter.
7 B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.
8 I. In dem Verfahren sind neben den beiden Beteiligten nicht weitere
betriebsverfassungsrechtliche Stellen nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu hören. Eine Beteiligung
des Gesamtbetriebsrats ist nicht erforderlich. Die vom Betriebsrat begehrte Entscheidung
berührt den Gesamtbetriebsrat nicht in dessen betriebsverfassungsrechtlicher Stellung.
Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren aus eigenem Recht, die Rechtsstellung anderer
Organe der Betriebsverfassung stellt er dabei nicht in Frage.
9 II. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Bildung eines
Arbeitsschutzausschusses. Dieser ergibt sich weder aus § 11 ASiG noch aus § 87 Abs. 1
Nr. 7 BetrVG.
10 1. § 11 ASiG verpflichtet den Arbeitgeber zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses.
Diese Bestimmung begründet jedoch keinen Anspruch des Betriebsrats gegen den
Arbeitgeber auf Einrichtung eines solchen Ausschusses.
11 a) Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber, soweit in einer sonstigen Rechtsvorschrift
nichts anderes bestimmt ist, in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten einen
Arbeitsschutzausschuss zu bilden. In diesen hat der Betriebsrat zwei Mitglieder zu
entsenden. Der Arbeitsschutzausschuss hat die Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes
und der Unfallverhütung zu beraten. Er tritt mindestens einmal vierteljährlich zusammen.
Normadressat des § 11 ASiG ist der Arbeitgeber. Kommt dieser seiner Verpflichtung aus
§ 11 ASiG nicht nach, hat nach der Gesetzessystematik des Arbeitssicherheitsgesetzes
die Arbeitsschutzbehörde nach § 12 ASiG die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen
(MüArbR/Kohte 3. Aufl. § 290 Rn. 75). Der Betriebsrat kann nach § 89 Abs. 1 Satz 2
BetrVG die zuständige Arbeitsschutzbehörde ersuchen, gegenüber dem Arbeitgeber die
Verpflichtungen aus § 11 ASiG im Wege einer Anordnung nach § 12 Abs. 1 ASiG
durchzusetzen (vgl. Aufhauser in Aufhauser/Brunhöber/Igl Arbeitssicherheitsgesetz 4. Aufl.
§ 12 Rn. 7; dazu allgemein BAG 3. Juni 2003 - 1 ABR 19/02 - BAGE 106, 188). Einen
unmittelbar gegen den Arbeitgeber gerichteten Anspruch des Betriebsrats auf Errichtung
eines Arbeitsschutzausschusses enthält das Arbeitssicherheitsgesetz dagegen nicht.
12 b) Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung folgt ein solches
betriebsverfassungsrechtliches Recht nicht aus dem Entsendungsrecht des Betriebsrats
nach § 11 Satz 2 ASiG (so aber Pieper Arbeitsschutzrecht 5. Aufl. Arbeitssicherheitsgesetz
Rn. 134; im Ergebnis auch Anzinger/Bieneck Arbeitssicherheitsgesetz § 11 Rn. 46).
Danach gehören dem Arbeitsschutzausschuss zwei vom Betriebsrat benannte
Betriebsratsmitglieder an. Diese Vorschrift begründet aber nur einen Anspruch des
Betriebsrats auf Entsendung zweier Betriebsratsmitglieder in einen bereits bestehenden
Ausschuss, nicht hingegen auf die Errichtung eines solchen Ausschusses. Nach der
Gesetzessystematik obliegt die Durchsetzung dieser gesetzlichen Verpflichtungen
vielmehr der zuständigen Behörde. Diese hat nach § 12 Abs. 1 ASiG eine entsprechende
Maßnahme anzuordnen und diese nach § 20 ASiG im Weigerungsfalle durch Verhängung
einer Geldbuße durchzusetzen.
13 2. Ein Anspruch des Betriebsrats auf Bildung eines Arbeitsschutzausschusses folgt auch
nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Dem steht bereits der Eingangshalbsatz des § 87
Abs. 1 BetrVG entgegen. § 11 ASiG regelt die gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers zur
Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses abschließend. Hierdurch sind die Interessen
der Arbeitnehmer hinreichend geschützt und bedürfen keines weiteren Schutzes durch
Mitbestimmungsrechte. Auch fehlt es dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer
zwingenden gesetzlichen Regelung keine Gestaltungsmöglichkeiten hat, an einem
Handlungsspielraum, der unter Mitwirkung des Betriebsrats auszufüllen wäre (BAG
22. Juli 2008 - 1 ABR 40/07 - Rn. 72, BAGE 127, 146). Der Betriebsrat kann deshalb die
Bildung eines solchen Ausschusses nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erzwingen
(Fitting 27. Aufl. § 87 Rn. 327; Wiese/Gutzeit GK-BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 668; LAG
Hamburg 27. September 1995 - 4 TaBV 2/95 -). Die gegenteilige Auffassung der
Rechtsbeschwerde, wonach es bei § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG „auf den Einleitungssatz“
nicht ankomme, verkennt die Systematik des § 87 BetrVG.
14 3. Nachdem der Antrag bereits wegen fehlender Anspruchsgrundlage abzuweisen war,
bedurfte es keiner Entscheidung, ob die Arbeitgeberin ihrer Verpflichtung aus dem
Arbeitssicherheitsgesetz dadurch genügt, dass sie im Hauptbetrieb unter Beteiligung des
Gesamtbetriebsrats einen Arbeitsschutzausschuss errichtet hat.
Schmidt
Koch
Linck
Rath
Seyboth