Urteil des BAG vom 19.10.2011

Rückkehrrecht nach § 17 HVFG - Krankengeldzuschuss

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 19.10.2011, 5 AZR 138/10
Rückkehrrecht nach § 17 HVFG - Krankengeldzuschuss
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 12. Januar 2010 - 2 Sa 139/09 -
teilweise aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Hamburg vom 18. März 2009 - 3 Ca 548/08 - teilweise abgeändert und zur
Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 167,98 Euro netto nebst
Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 48,45 Euro
seit dem 1. Juli 2008, aus weiteren 48,45 Euro seit dem 1. August 2008,
aus weiteren 48,45 Euro seit dem 1. September 2008 und aus weiteren
22,61 Euro seit dem 1. Oktober 2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen. Von den erst- und
zweitinstanzlichen Kosten haben die Klägerin 3/4 und die Beklagte 1/4 zu
tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Höhe eines tariflichen
Krankengeldzuschusses.
2 Die 1954 geborene Klägerin war seit dem 1. Oktober 1990 bei der Beklagten im
Allgemeinen Krankenhaus H (teilzeit-)beschäftigt. Arbeitsvertraglich war die Geltung des
Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) und der diesen ergänzenden, ändernden oder
ersetzenden Tarifverträge in der für die Beklagte geltenden Fassung vereinbart.
3 Aufgrund § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Errichtung der Anstalt Landesbetrieb
Krankenhäuser vom 11. April 1995 (LBKHG, HmbGVBl. I S. 77) gingen die
Arbeitsverhältnisse der in den städtischen Krankenhäusern tätigen Arbeitnehmer auf den
Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg (LBK Hamburg), eine rechtsfähige Anstalt
öffentlichen Rechts, über. Träger des LBK Hamburg war gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1
LBKHG die Beklagte. § 17 Abs. 2 LBKHG lautete:
„Die Freie und Hansestadt Hamburg ist verpflichtet, für den Fall der Überführung
der Anstalt in eine andere Trägerschaft dafür Sorge zu tragen, daß die
Beschäftigten, die zum Stichtag des Übergangs auf den LBK Hamburg bei den
Landesbetrieben beschäftigt waren, von dem neuen Träger unter Wahrung ihres
Besitzstandes übernommen werden. Die Freie und Hansestadt Hamburg ist
außerdem verpflichtet, im Falle einer Überführung der gesamten Anstalt in eine
andere Trägerschaft ohne Mehrheitsbeteiligung der Freien und Hansestadt
Hamburg diese Mitarbeiter auf deren Wunsch unter Wahrung der bei der Anstalt
erreichten Lohn- und Vergütungsgruppe und Beschäftigungszeit wieder in den
Diensten der Freien und Hansestadt Hamburg zu beschäftigen. Im Falle der
Überführung einzelner Krankenhäuser oder anderer Einrichtungen des LBK
Hamburg oder Teilen von ihnen in eine andere Trägerschaft ohne
Mehrheitsbeteiligung des LBK Hamburg ist der LBK Hamburg verpflichtet, den
Beschäftigten, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes als Arbeitnehmer oder Beamte
beim LBK (…) beschäftigt gewesen sind, unter Wahrung der beim LBK Hamburg
erreichten Lohn- und Vergütungsgruppe sowie Beschäftigungszeit den Verbleib in
der Anstalt zu ermöglichen.“
4 Mit dem Gesetz zur Errichtung der Betriebsanstalt LBK Hamburg vom 17. Dezember 2004
(LBKBetriebG, HmbGVBl. I S. 487) wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2005 die
Betriebsanstalt „LBK Hamburg - Anstalt öffentlichen Rechts“ (Betriebsanstalt LBK
Hamburg) errichtet. Zugleich wurde das LBKHG in „Gesetz zur Errichtung der Anstalt
Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg Immobilien Anstalt öffentlichen Rechts“ und der
bisherige LBK Hamburg in LBK-Immobilien umbenannt. Bei dem nur noch als
Besitzanstalt fungierenden LBK-Immobilien verblieben vier Personalstellen. Der Betrieb
der Krankenhäuser wurde auf die Betriebsanstalt LBK Hamburg übertragen, deren Träger
der LBK-Immobilien war. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 LBKBetriebG gingen die
Arbeitsverhältnisse der bisher beim („alten“) LBK Hamburg beschäftigten Arbeitnehmer mit
Wirkung zum 1. Januar 2005 auf die Betriebsanstalt LBK Hamburg (dem „neuen“ LBK
Hamburg) über. Dabei war ein Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmer
entsprechend § 613a Abs. 6 BGB vorgesehen.
5 Mit der Verordnung zur Umwandlung der Betriebsanstalt LBK Hamburg in eine
Kapitalgesellschaft vom 4. Januar 2005 (HmbGVBl. I S. 4) wurde die Betriebsanstalt LBK
Hamburg in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt, deren
Mehrheitsgesellschafterin zunächst noch die Besitzanstalt LBK-Immobilien war. Die
Rechte und Pflichten der Beschäftigten aus den bestehenden Arbeitsverträgen blieben
durch den Formwechsel unberührt. Der früheren Regelung zum Rückkehrrecht der
Arbeitnehmer in § 17 Abs. 2 LBKHG entsprach nunmehr § 15 Abs. 2 LBK-
Immobiliengesetz. Ergänzend bestimmte § 15 Abs. 3 LBK-Immobiliengesetz, dass das
Rückkehrrecht auch dann besteht, wenn die neu errichtete Anstalt öffentlichen Rechts in
eine Kapitalgesellschaft umgewandelt worden ist und der LBK-Immobilien seine
Beteiligung an der Kapitalgesellschaft mehrheitlich veräußert.
6 Die Mehrheit der Anteile an der LBK Hamburg GmbH (74,9 %) gingen am 1. Januar 2007
von der Beklagten auf einen privaten Krankenhausträger über unter nachfolgender
Umfirmierung in A GmbH. Zuvor war das LBK-Immobiliengesetz in „Gesetz über den
Hamburgischen Versorgungsfonds - Anstalt öffentlichen Rechts - (HVFG)“ und der LBK-
Immobilien in Hamburger Versorgungsfonds (HVF) umbenannt worden.
7 In § 17 HVFG wurde das Rückkehrrecht mit Wirkung vom 29. November 2006 wie folgt
geregelt:
„Veräußert der HVF seine Beteiligung an der LBK Hamburg GmbH mehrheitlich, so
ist die Freie und Hansestadt Hamburg verpflichtet, diejenigen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der LBK Hamburg GmbH, die bereits im Zeitpunkt der Errichtung der
LBK Hamburg - Anstalt öffentlichen Rechts - dort beschäftigt waren, auf deren
Wunsch unter Wahrung der beim LBK Hamburg erreichten Lohn- und
Vergütungsgruppe und Beschäftigungszeit wieder in den Diensten der Freien und
Hansestadt Hamburg zu beschäftigen. Maßgeblicher Veräußerungszeitpunkt ist der
Zeitpunkt des dinglichen Übergangs der Anteilsmehrheit. In diesem Fall hat die
Leitung der LBK Hamburg GmbH alle betroffenen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer von ihrem Recht nach Satz 1 schriftlich zu unterrichten. Die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können innerhalb von sechs Monaten nach
Eingang der Mitteilung der Geschäftsleitung schriftlich mitteilen, dass sie von ihrem
Recht Gebrauch machen. Die Überführung der Arbeitsverhältnisse in den Dienst
der Freien und Hansestadt Hamburg soll dann binnen eines weiteren Jahres
erfolgen (…).“
8 Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin beim LBK Hamburg fand bis zum 31. Dezember
2006 der zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. (AVH) und ver.di
abgeschlossene Manteltarifvertrag für Angestellte (MTV Angestellte AVH), der inhaltlich im
Wesentlichen dem BAT entsprach, Anwendung. Zum 1. Januar 2007 erfolgte die
Überleitung in den - dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)
nachgebildeten - Tarifvertrag für den Krankenhaus-Arbeitgeberverband Hamburg e.V. (TV-
KAH) nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten von Mitgliedern
des Krankenhausarbeitgeberverbandes Hamburg (KAH) vom 14. Juni 2007 (TVÜ-KAH).
Dieser entspricht im Wesentlichen dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der
Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder).
9 Nachdem die Klägerin ihre Rückkehr zur Beklagten verlangt hatte, schlossen die Parteien
mit Wirkung zum 1. Juni 2008 einen neuen Arbeitsvertrag, in dem es heißt:
㤠1
Die Arbeitnehmerin wird ab 01.06.08 auf unbestimmte Zeit als
Teilzeitbeschäftigte/Teilzeitbeschäftigter mit 75 v.H. der durchschnittlichen
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer/eines Vollbeschäftigten eingestellt.
(…)
§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen
Dienst der Länder (TV-L) und den diesen ergänzenden, ändernden oder
ersetzenden Tarifverträgen in der für die Arbeitgeberin jeweils geltenden Fassung.
§ 3
Eine Probezeit entfällt. Die beim Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg - Anstalt
öffentlichen Rechts - (LBK) und bei der A GmbH (A GmbH) erbrachten
Beschäftigungszeiten werden gem. § 17 Satz 1 des Gesetzes über den
Hamburgischen Versorgungsfonds (HVFG) als Beschäftigungszeiten im Sinne von
§ 34 Abs. 3 Satz 1 TV-L anerkannt.
…“
10 Die Klägerin war vom 29. März bis zum 14. September 2008 durchgehend arbeitsunfähig
krank und erhielt vom 10. Mai bis zum 14. September 2008 Krankengeld von der
Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK).
11 Mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten
erfolglos einen Krankengeldzuschuss nach § 22 TV-L geltend.
12 Die Vorschrift lautet:
㤠22 Entgelt im Krankheitsfall
(1) Werden Beschäftigte durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der
Arbeitsleistung verhindert, ohne dass sie ein Verschulden trifft, erhalten sie
bis zur Dauer von sechs Wochen das Entgelt nach § 21. (…)
(2) Nach Ablauf des Zeitraums gemäß Absatz 1 erhalten die Beschäftigten für
die Zeit, für die ihnen Krankengeld oder entsprechende gesetzliche
Leistungen gezahlt werden, einen Krankengeldzuschuss in Höhe des
Unterschiedsbetrags zwischen den tatsächlichen Barleistungen des
Sozialleistungsträgers und dem Nettoentgelt. (…)
(3) Der Krankengeldzuschuss wird bei einer Beschäftigungszeit (§ 34 Abs. 3)
a) von mehr als einem Jahr längstens bis zum Ende der 13. Woche und
b) von mehr als drei Jahren längstens bis zum Ende der 39. Woche
seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit gezahlt.
(…)“
13 In § 34 Abs. 3 TV-L heißt es:
„(3) Beschäftigungszeit ist die Zeit, die bei demselben Arbeitgeber im
Arbeitsverhältnis zurückgelegt wurde, auch wenn sie unterbrochen ist. (...)“
14 Zur Höhe des Krankengeldzuschusses bestimmt § 13 TVÜ-Länder:
㤠13 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
(1) Bei Beschäftigten, für die bis zum 31. Oktober 2006 § 71 BAT gegolten hat
und die nicht in der privaten Krankenversicherung versichert sind, wird
abweichend von § 22 Absatz 2 TV-L für die Dauer des über den 31. Oktober
2006 hinaus ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses der
Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem
festgesetzten Nettokrankengeld oder der entsprechenden gesetzlichen
Nettoleistung und dem Nettoentgelt (§ 22 Absatz 2 Satz 2 und 3 TV-L)
gezahlt. Nettokrankengeld ist das um die Arbeitnehmeranteile zur
Sozialversicherung reduzierte Krankengeld. (…)“
15 § 71 BAT lautet auszugsweise:
„§ 71 Übergangsregelung für die Zahlung von Krankenbezügen
Für die Angestellten, die am 30. Juni 1994 in einem Arbeitsverhältnis gestanden
haben, das am 1. Juli 1994 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, gilt
anstelle des § 37 für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses Folgendes: (…)“
16 Mit ihrer am 3. Dezember 2008 zur Niederschrift der Geschäftsstelle erhobenen Klage hat
die Klägerin geltend gemacht, ihr stehe für die Zeit vom 1. Juni bis zum 14. September
2008 nach § 22 Abs. 2 und Abs. 3 TV-L ein Zuschuss zum Krankengeld zu, der sich aus
der Differenz zwischen dem von ihr im streitbefangenen Zeitraum bezogenen
Nettokrankengeld und ihrem monatlichen Nettoentgelt berechne. Die in § 3 des
Arbeitsvertrags vereinbarte Anerkennung erbrachter Beschäftigungszeiten gelte auch für
den Anspruch auf Krankengeldzuschuss. Zudem ergebe sich der Anspruch aus der
Ausgestaltung des Rückkehrrechts in § 17 Satz 1 HVFG. Ohne die Tarifsukzession im
öffentlichen Dienst hätte auf die rückkehrende Klägerin § 71 BAT wieder Anwendung
gefunden.
17 Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 686,30 Euro netto nebst Zinsen iHv.
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 196,92 Euro seit dem 1. Juli 2008,
auf 198,42 Euro seit dem 1. August 2008, auf 198,42 Euro seit dem 1. September
2008 und auf 92,54 Euro seit dem 1. Oktober 2008 zu zahlen.
18 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und sich zuletzt nur noch gegen die Höhe
des Krankengeldzuschusses gewandt. Nach § 22 Abs. 2 TV-L könne die Klägerin nur die
Differenz zwischen dem Bruttokrankengeld und dem Nettoentgelt beanspruchen. § 13
TVÜ-Länder finde keine Anwendung. § 17 Satz 1 HVFG verlange nur die Sicherung des
erreichten Grundentgelts.
19 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung
der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, soweit der Klägerin ein über
167,98 Euro netto nebst Zinsen nach bestimmter zeitlicher Staffelung übersteigender
Betrag zugesprochen worden ist.
Entscheidungsgründe
20 Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der
Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht
zurückgewiesen, soweit es die Berechnung des Zuschusses zum Krankengeld betrifft.
21 I. Nach § 22 Abs. 2 und Abs. 3 TV-L, der jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung
auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, kann die Klägerin für den
streitbefangenen Zeitraum dem Grunde nach einen Zuschuss zum Krankengeld
beanspruchen. Das stellt die Beklagte in der Revision nicht mehr in Abrede.
22 II. Für die von der Klägerin begehrte Höhe des Krankengeldzuschusses fehlt es an einer
Anspruchsgrundlage.
23 1. Der Zuschuss zum Krankengeld ist nach § 22 Abs. 2 TV-L in Höhe des
Unterschiedsbetrags zwischen den tatsächlichen Barleistungen des
Sozialleistungsträgers und dem Nettoentgelt geschuldet. Mit der Formulierung
„tatsächliche Barleistungen“ ist das nach § 47 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V zu
leistende Krankengeld gemeint. Bei diesem handelt es sich nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats um das volle, nicht um die Arbeitnehmeranteile zur Renten-,
Pflege- und Arbeitslosenversicherung geminderte Krankengeld, also das
Bruttokrankengeld (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 6/05 - Rn. 21 mwN, EzA TVG § 4
Bauindustrie Nr. 122). Dass die Tarifvertragsparteien als Rechnungsgröße nicht (nur) auf
den dem Arbeitnehmer zufließenden Auszahlungsbetrag abstellen, bestätigt § 13 Abs. 1
TVÜ-Länder, der bestimmten Beschäftigten in ausdrücklicher Abweichung von § 22 Abs. 2
TV-L einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem
festgesetzten Nettokrankengeld und dem Nettoentgelt gewährt, wobei Nettokrankengeld
als das um die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung reduzierte Krankengeld
definiert wird.
24 2. Auf § 13 Abs. 1 TVÜ-Länder kann die Klägerin ihren Anspruch nicht stützen. Der TVÜ-
Länder verlangt für seinen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 1 ein zum Arbeitgeber über den
31. Oktober 2006 hinaus fortbestehendes Arbeitsverhältnis. Für Beschäftigte, deren
Arbeitsverhältnis nach dem 31. Oktober 2006 begann, findet er nur Anwendung, soweit
einzelne Vorschriften des TVÜ-Länder dies ausdrücklich bestimmen, § 1 Abs. 2 TVÜ-
Länder. § 13 Abs. 1 TVÜ-Länder setzt aber wiederum ein über den 31. Oktober 2006
hinaus ununterbrochen fortbestehendes Arbeitsverhältnis voraus. Das ist vorliegend nicht
der Fall. Die Klägerin stand am 31. Oktober 2006 nicht (mehr) in einem Arbeitsverhältnis
zur Beklagten, sondern in einem solchen zur LBK Hamburg GmbH. Ein Arbeitsverhältnis
zur Beklagten wurde - was die Klägerin nicht in Abrede stellt - erst zum 1. Juni 2008
wieder - und neu - begründet.
25 3. Auch § 17 Satz 1 HVFG kommt als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin
nicht in Betracht.
26 a) Die Norm räumt unter den dort geregelten Voraussetzungen den betroffenen
Arbeitnehmern einen Anspruch darauf ein, wieder bei der Beklagten beschäftigt zu
werden. Dieses sog. Rückkehrrecht verwirklicht sich durch den Abschluss eines neuen
Arbeitsvertrags zwischen der Beklagten und dem Rückkehrer. Zum Inhalt des neuen
Arbeitsvertrags verpflichtet § 17 Satz 1 HVFG die Beklagte als Arbeitgeberin, die vom
Rückkehrer beim LBK Hamburg erreichte Lohn- bzw. Vergütungsgruppe und
Beschäftigungszeit zu wahren. Dieser Schutz umfasst bei einem Angestellten - neben der
Anrechnung der Beschäftigungszeit - die am maßgeblichen Stichtag erreichte
Vergütungsgruppe und die durch die Eingruppierung vermittelten Bestandteile der
laufenden Vergütung (BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 419/10 -). Dazu gehört eine
bestimmte Höhe des nach Ablauf der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 22 Abs. 1 TV-
L) vom Arbeitgeber zu leistenden Zuschusses zum Krankengeld nicht.
27 Eine über die Wahrung der erreichten Lohn- bzw. Vergütungsgruppe und
Beschäftigungszeit hinausgehende umfassende Besitzstandswahrung sieht § 17 Satz 1
HVFG ebenso wenig wie die Vorgängerregelungen in § 15 Abs. 2 LBK-Immobiliengesetz
und § 17 Abs. 2 LBKHG vor. Lediglich für den Fall der Überführung der Anstalt in eine
andere Trägerschaft verpflichtete § 17 Abs. 2 Satz 1 LBKHG die Beklagte, dafür Sorge zu
tragen, dass die Beschäftigten vom neuen Träger „unter Wahrung ihres Besitzstandes“
übernommen werden.
28 b) Art. 12 Abs. 1 GG zwingt nicht zu einem Verständnis des § 17 Satz 1 HVFG im Sinne
einer umfassenden Besitzstandswahrung.
29 Das Bundesverfassungsgericht hat erkannt, der Gesetzgeber müsse bei einer
Privatisierung das Grundrecht der Arbeitnehmer auf freie Wahl des Arbeitsplatzes bei
einem ohne ihren Willen erfolgenden Arbeitgeberwechsel schützen. Dazu stünden ihm
verschiedene Regelungsalternativen, wie etwa die Einräumung eines Widerspruchs- oder
eines Rückkehrrechts zur Verfügung (BVerfG 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 94 ff.,
115, EzA GG Art. 12 Nr. 48). Daraus folgt aber keine Verpflichtung des Gesetzgebers, die
Rechtswirkungen eines Rückkehrrechts in allen Belangen denen eines
Widerspruchsrechts entsprechend § 613a Abs. 6 BGB anzugleichen. Die Auffassung der
Klägerin, rückkehrende Arbeitnehmer seien so zu stellen, als hätte ihr Arbeitsverhältnis
durchgehend bei der Beklagten bestanden, würde das Rückkehrrecht des § 17 Satz 1
HVFG in ein ex nunc wirkendes Widerspruchsrecht umgestalten. Das überstiege die
Grenzen zulässiger Norminterpretation (vgl. BVerfG 14. Juni 2007 - 2 BvR 1447/05, 2 BvR
136/05 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 118, 212; 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - zu C I 1 c
cc (2) der Gründe, BVerfGE 126, 286).
30 III. Die Klägerin hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen. Von den
erst- und zweitinstanzlichen Kosten haben nach § 92 Abs. 1 ZPO die Klägerin 3/4 und die
Beklagte 1/4 zu tragen.
Müller-Glöge
Laux
Biebl
W. Hinrichs
Dombrowsky