Urteil des BAG vom 17.10.2012

Wettbewerbsverbot - Herausgabe anderweitiger Vergütung

Siehe auch:
Pressemitteilung Nr. 73/12 vom 17.10.2012
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 17.10.2012, 10 AZR 809/11
Wettbewerbsverbot - Herausgabe anderweitiger Vergütung
Leitsätze
Ein Anspruch aus § 60 iVm. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB auf Herausgabe bezogener Vergütung
setzt voraus, dass diese unmittelbar aus Drittgeschäften erzielt wird, die der Arbeitnehmer unter
Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot am Markt tätigt. Der Anspruch erstreckt sich nicht auf das
für eine sonstige wettbewerbswidrige Tätigkeit erzielte Festgehalt.
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Baden-Württemberg vom 12. September 2011 - 9 Sa 45/11 - wird
zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche.
2 Der Beklagte war für die Klägerin als Produktionsmanager und technischer Leiter tätig. Die
Parteien schlossen in einem Kündigungsschutzverfahren einen durch Beschluss des
Arbeitsgerichts vom 1. Dezember 2009 festgestellten Vergleich mit auszugsweise
folgendem Wortlaut:
㤠1
Das Arbeitsverhältnis endet aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung
vom 2. Oktober 2009 aus betrieblichen Gründen zum 31. Januar 2010.
Verschuldensvorwürfe gegenüber dem Kläger sind mit der Kündigung nicht
verbunden.
§ 2
Der Kläger wird bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung
freigestellt unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung und unter Anrechnung
restlicher oder noch entstehender Urlaubsansprüche und eventueller
Freizeitausgleichsansprüche. Die Beklagte zahlt an den Kläger eine monatliche
Vergütung ab dem 1. Oktober 2009 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses in Höhe
von 6.200,00 Euro brutto, soweit die Ansprüche nicht auf die Krankenkasse
übergegangen sind.
§ 3
Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine
Sozialabfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG, §§ 24, 34 EStG in Höhe von
18.000,00 Euro brutto.
§ 5
Damit sind sämtliche finanziellen Ansprüche zwischen den Parteien aus dem
Arbeitsverhältnis erledigt. …“
3 Der Beklagte steht spätestens seit dem 1. Dezember 2009 in einem Arbeitsverhältnis mit
einer Wettbewerberin der Klägerin. Er bezog dort für Dezember 2009 und Januar 2010
jeweils eine Vergütung von 6.000,00 Euro brutto. Der Beklagte schlug der Klägerin Anfang
Dezember 2009 vor, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden. Die Klägerin reagierte
nicht. Sie zahlte dem Beklagten für Dezember 2009 die im Vergleich vereinbarte Vergütung.
Unmittelbar nach Kenntnisnahme von der neuen Tätigkeit des Beklagten am 15. Januar
2010 kündigte sie das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Kündigungsschutzklage des Beklagten
ist rechtskräftig stattgegeben worden. Die Klägerin hat dem Beklagten für Januar 2010
keine Vergütung gezahlt.
4 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei auch während der vereinbarten
Freistellung an das Wettbewerbsverbot gebunden gewesen und deshalb nach § 61 Abs. 1
HGB verpflichtet, die von der Wettbewerberin in dieser Zeitspanne bezogene Vergütung
herauszugeben. Zumindest müsse er sich diese Vergütung auf seine Ansprüche gegen die
Klägerin anrechnen lassen; er sei deshalb ungerechtfertigt bereichert und müsse die von
der Klägerin im Dezember 2009 bezogene Vergütung in entsprechender Höhe
zurückzahlen. Für den Monat Januar 2010 schulde sie nach Anrechnung der von der
Wettbewerberin bezogenen Vergütung von 6.000,00 Euro brutto nur noch 200,00 Euro
brutto.
5 Die Klägerin macht mit dem Hauptantrag die Herausgabe der Vergütung des Beklagten bei
der Wettbewerberin in den Monaten Dezember 2009 und Januar 2010 zuzüglich der
Arbeitgeberanteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag geltend. Mit den Hilfsanträgen
fordert sie die von ihr geleistete Vergütung für Dezember 2009 zuzüglich der
Arbeitgeberanteile überwiegend zurück und begehrt Feststellung der verbleibenden
Vergütungspflicht für Januar 2010.
6 Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 13.829,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit
zu zahlen,
2. hilfsweise
a) den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.905,98 Euro nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen,
b) festzustellen, dass der Vergütungsanspruch des Beklagten aus dem
beendeten Arbeitsverhältnis der Parteien für den Monat Januar 2010 nur
noch 200,00 Euro beträgt.
7 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
8 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
9 Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
10 I. Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet. Für einen Anspruch auf Herausgabe
der bei der Wettbewerberin bezogenen Vergütung gibt es keine Anspruchsgrundlage.
11 1. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 60, 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB.
12 a) Nach § 60 Abs. 1 HGB darf der Handlungsgehilfe ohne Einwilligung des Prinzipals
weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweig des Prinzipals für
eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB kann
der Prinzipal bei einer Verletzung der dem Handlungsgehilfen aus § 60 HGB obliegenden
Verpflichtung statt Schadensersatz ua. verlangen, dass dieser die aus Geschäften für
fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt.
13 b) Die Vorschriften der §§ 60, 61 HGB finden Anwendung. Der Beklagte war zwar nicht
Handlungsgehilfe iSv. § 59 HGB, weil er keine kaufmännischen Dienste geleistet hat; das
Wettbewerbsverbot gilt aber in gleicher Weise für andere Arbeitnehmer (st. Rspr., BAG
24. März 2010 - 10 AZR 66/09 - Rn. 15, BAGE 134, 43; 26. September 2007 - 10 AZR
511/06 - Rn. 17 f., BAGE 124, 133).
14 c) Der Beklagte war während der Freistellung an das Wettbewerbsverbot gebunden.
15 aa) Das Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 HGB gilt während der gesamten rechtlichen
Dauer des Arbeitsverhältnisses (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22, AP BGB
§ 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30) und damit nach einer Kündigung auch bis
zum Ablauf der Kündigungsfrist (BAG 30. Mai 1978 - 2 AZR 598/76 - zu II 1 der Gründe,
AP HGB § 60 Nr. 9 = EzA HGB § 60 Nr. 11).
16 bb) Die Parteien haben das Wettbewerbsverbot in dem Prozessvergleich vom
1. Dezember 2009 nicht aufgehoben. Die Freistellung des Arbeitnehmers hebt das
Wettbewerbsverbot nicht auf (BAG 20. März 1984 - 3 AZR 32/82 - zu I 2 b der Gründe;
30. Mai 1978 - 2 AZR 598/76 - zu II 1 der Gründe, AP HGB § 60 Nr. 9 = EzA HGB § 60
Nr. 11). Der Arbeitgeber hat auch dann ein erkennbares Interesse an der Einhaltung des
Wettbewerbsverbots, wenn der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung
freigestellt ist. Eine andere Auslegung einer Freistellungsvereinbarung ist denkbar, wenn
die Anrechnung anderweitigen Verdienstes ausdrücklich vereinbart ist (BAG 6. September
2006 - 5 AZR 703/05 - Rn. 22, BAGE 119, 232). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
17 d) Der Beklagte hat mit seiner Tätigkeit für die Wettbewerberin gegen das vertragliche
Wettbewerbsverbot verstoßen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zu der konkret
ausgeübten Tätigkeit keine Feststellungen getroffen (zur Bestimmung der Reichweite des
Wettbewerbsverbots: vgl. BAG 24. März 2010 - 10 AZR 66/09 - Rn. 15 ff., BAGE 134, 43);
die herausgehobene Tätigkeit des Beklagten bei der Klägerin und die in nahezu gleicher
Höhe vereinbarte Vergütung bei der Wettbewerberin lassen aber begründete Zweifel an
einem Verstoß nicht zu.
18 e) Der Anspruch auf Herausgabe der Vergütung besteht nicht, weil das von der
Wettbewerberin bezogene Festgehalt des Beklagten keine iSv. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB
„aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung“ ist.
19 aa) „Geschäfte machen“ iSd. Norm ist eine, wenn auch nur spekulative, auf Gewinn
gerichtete Teilnahme am Geschäftsverkehr (BAG 11. August 1987 - 8 AZR 609/84 -
zu II 3 c der Gründe, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 90 = EzA BGB § 611
Arbeitnehmerhaftung Nr. 43; 24. April 1970 - 3 AZR 324/69 - zu I 1 b der Gründe, AP HGB
§ 60 Nr. 5 = EzA HGB § 60 Nr. 3). Untersagt ist der Abschluss von Umsatzgeschäften im
Handelszweig des Arbeitgebers (BAG 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 26,
BAGE 119, 294) oder das Anbieten von Diensten und Leistungen gegenüber Dritten im
Marktbereich des Arbeitgebers (BAG 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - zu II 1 der Gründe, AP
BGB § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Treuepflicht Nr. 1). Der Arbeitnehmer muss
als Wettbewerber seines Arbeitgebers am Markt auftreten, also zu seinem Vorteil die
gleichen Marktchancen nutzen (BAG 11. August 1987 - 8 AZR 609/84 - aaO). Tätigt der
Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit einer Wettbewerberin „Geschäfte
für fremde Rechnung“, indem er aktiv werbend im Handelszweig des Arbeitgebers auftritt
und für Rechnung der Wettbewerberin Geschäfte abschließt oder anbahnt, kann
unmittelbar aus solchen Drittgeschäften bezogene Vergütung nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2
HGB herausverlangt werden.
20 bb) Dass der Beklagte für die Wettbewerberin im Marktbereich der Klägerin Drittgeschäfte
getätigt hat, hat diese nicht vorgetragen. Der Beklagte hat einen Arbeitsvertrag mit einer
Wettbewerberin geschlossen. Dies ist kein „Geschäft“ iSd. §§ 60, 61 HGB (BAG
15. Februar 1962 - 5 AZR 79/61 - zu II 2 b der Gründe, AP HGB § 61 Nr. 1); der
Arbeitnehmer tritt beim Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrags nicht am Markt im
Wettbewerb zu seinem bisherigen Arbeitgeber auf.
21 cc) Der Anspruch auf ein Festgehalt ist regelmäßig auch keine „Vergütung“ iSd. § 61
Abs. 1 Halbs. 2 HGB, deren Herausgabe verlangt werden kann (Oetker/Kotzian-Marggraf
HGB 2. Aufl. § 61 Rn. 9). „Vergütung“ ist demnach das für einen bestimmten
Geschäftsabschluss bezogene Entgelt, nicht aber das Gehalt für eine sonstige
(wettbewerbswidrige) Tätigkeit. Dies ergibt die Auslegung der Norm.
22 (1) Hierfür spricht bereits der Gesetzeswortlaut. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB verpflichtet zur
Herausgabe bzw. Abtretung der „aus Geschäften für fremde Rechnung bezogenen
Vergütung“. Ein Anspruch setzt voraus, dass tatsächlich Geschäfte abgeschlossen
wurden. Zwischen der Vergütung und dem abgeschlossenen Geschäft muss ein
unmittelbarer Zusammenhang bestehen; die Vergütung muss „aus“ dem Geschäft folgen,
also auf ihm beruhen.
23 (2) Die Systematik der Vorschrift bestätigt das. Grundsätzlich löst ein Verstoß gegen das
gesetzliche Wettbewerbsverbot nach § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB einen Anspruch auf
Schadensersatz aus. Das Eintrittsrecht des Arbeitgebers nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB
ist seinem Wesen nach eine pauschale Schadensersatzregelung und erleichtert dem
Arbeitgeber die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs. Der Arbeitgeber darf ohne
Nachweis eines besonderen Schadens in bestimmte Geschäfte eintreten und die
Vergütung herausverlangen. Aus der Sachnähe zum Schadensersatzrecht ergibt sich
aber, dass das Eintrittsrecht des Arbeitgebers nur dann besteht, wenn es ohne
wesentliche Umstellung des Inhalts der verbotswidrig vorgenommenen Geschäfte
verwirklicht werden kann (BAG 15. Februar 1962 - 5 AZR 79/61 - zu II 1 der Gründe, AP
HGB § 61 Nr. 1). Ein Eintritt des Arbeitgebers in ein Arbeitsverhältnis scheidet aus.
24 (3) Für diese Auslegung spricht schließlich die Entstehungsgeschichte der Norm. § 56
Abs. 3 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) vom 31. Mai 1861 sah
bei Verletzung des Wettbewerbsverbots neben einem Schadensersatzanspruch nur das
Recht des Prinzipals vor, die von dem Handlungsgehilfen für eigene Rechnung
abgeschlossenen Geschäfte an sich zu ziehen. Das Reichsgericht entschied sodann,
dass ein Arbeitgeber nicht die Provisionen herausverlangen könne, die ein
Handlungsgehilfe durch den Abschluss von Handelsgeschäften für Rechnung eines
Konkurrenzunternehmens verdient habe, weil es sich dabei um Geschäfte für fremde und
nicht für eigene Rechnung handele (RG 8. Dezember 1882 - II 390/82 - RGZ 8, 48). Um
die Ungleichbehandlung von Geschäften für eigene und fremde Rechnung zu beseitigen,
wurde die jetzige Regelung in das am 1. Januar 1900 in Kraft getretene HGB
aufgenommen (zunächst § 53 HGB; vgl. Begründung zum Entwurf eines
Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, S. 52; zur Entstehungsgeschichte
des § 61 HGB auch: Helms Gewinnherausgabe als haftungsrechtliches Problem S. 397 f.).
Motiv für die Einführung der jetzigen Regelung war es, dem Arbeitgeber den Zugriff auf die
vom Handlungsgehilfen verdienten Provisionen unabhängig davon zu ermöglichen, ob es
sich um Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung handelt. Der Zugriff auf laufendes
Arbeitsentgelt ohne unmittelbaren Bezug zu konkreten (Dritt-)Geschäften war nicht
beabsichtigt.
25 dd) Der Arbeitgeber wird durch vorstehendes Normverständnis nicht rechtlos gestellt; ihm
bleibt unbenommen, nach § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB Schadensersatz zu verlangen,
dessen Geltendmachung durch ein Auskunftsverlangen vorbereitet werden kann (BAG
21. Oktober 1970 - 3 AZR 479/69 - AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 13 = EzA HGB § 60
Nr. 5). Für die von der Revision vertretene analoge Anwendung des § 61 Abs. 1 Halbs. 2
HGB auf den Abschluss von Arbeitsverträgen ist danach kein Raum. Auch wenn das
Wettbewerbsverbot über § 59 HGB hinaus für andere Arbeitnehmer gilt (siehe oben zu b),
besteht keine planwidrige Regelungslücke; § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB will keineswegs all
das abschöpfen, was infolge eines wettbewerbswidrigen Verhaltens erlangt wird.
26 2. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB ist nicht
geltend gemacht, ein Schaden aufgrund der Verletzung des Wettbewerbsverbots nicht
dargelegt worden. Die Klägerin hat sich auch nicht auf eine sonstige Pflichtverletzung des
Beklagten berufen, die zur Weiterzahlung des Gehalts und damit zu einem Schaden
geführt hat.
27 3. Aus angemaßter Eigengeschäftsführung gemäß § 687 Abs. 2, § 681 Satz 2, § 667 BGB
kann die Klägerin keinen Anspruch herleiten, weil der Abschluss des Arbeitsvertrags mit
der Wettbewerberin für den Beklagten kein „fremdes“, sondern ein eigenes Geschäft war.
28 4. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 285 Abs. 1 BGB.
29 a) Nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger Herausgabe des Ersatzes verlangen, wenn
der Schuldner infolge des Umstands, aufgrund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1
bis Abs. 3 BGB nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz
erlangt.
30 b) Ob Handlungen und Unterlassungen „Gegenstände“ iSd. § 285 Abs. 1 BGB sind, ist
umstritten (dafür Löwisch NJW 2003, 2049; Staudinger/Löwisch/Caspers BGB 2009 § 285
Rn. 24; Bamberger/Roth/Unberath BGB 3. Aufl. § 285 Rn. 6; aA Palandt/Grüneberg BGB
71. Aufl. § 285 Rn. 5; MüKoBGB/Emmerich 6. Aufl. § 285 Rn. 5 f.; vgl. zu § 281 BGB aF
auch BGH 25. April 1997 - LwZR 4/96 - zu 2 c der Gründe, BGHZ 135, 284), kann aber
unentschieden bleiben. Der Beklagte konnte zwar nach Aufnahme der Tätigkeit für die
Wettbewerberin seine Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb nicht mehr erfüllen.
Voraussetzung eines Anspruchs nach § 285 Abs. 1 BGB ist aber, dass der Schuldner
aufgrund eines bestimmten Umstands von seiner Primärpflicht zur Leistung des
geschuldeten Gegenstands frei wird und aus diesem Grund einen Ersatz für eben den
Gegenstand erlangt (BGH 25. April 2005 - II ZR 224/03 - zu I 2 d der Gründe, ZIP 2005,
1136; Staudinger/Löwisch/Caspers BGB § 285 Rn. 43). An dieser Identität fehlt es. Der
Beklagte hat gegen die Wettbewerberin keinen Anspruch auf Vergütung wegen des
Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot, sondern als Gegenleistung für die nach dem
Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung unabhängig von einem Wettbewerbsverstoß.
31 5. Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB. Der Beklagte hat das
von der Klägerin begehrte Gehalt durch Leistung der Wettbewerberin und nicht in
sonstiger Weise auf Kosten der Klägerin erlangt. Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin
scheidet bereits wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungsbeziehung aus.
32 II. Die Klage ist mit den Hilfsanträgen unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf
Rückzahlung der für Dezember 2009 gezahlten Vergütung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1
Alt. 1 BGB besteht nicht. Die Zahlung ist nicht ohne Rechtsgrund erfolgt; die von der
Wettbewerberin bezogene Vergütung ist auf den Vergütungsanspruch des Beklagten
gegen die Klägerin nicht anzurechnen. Deshalb ist auch der Feststellungsantrag
unbegründet.
33 1. Die Anrechnung folgt nicht aus § 615 Satz 2 BGB.
34 a) Gemäß § 615 Satz 2 BGB ist der Wert desjenigen, was der Arbeitnehmer während des
Annahmeverzugs aus einer anderweitigen Verwendung seiner Dienste erwirbt, auf die
vom Arbeitgeber nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 BGB geschuldete Vergütung anzurechnen.
Annahmeverzug setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Erbringung von Arbeitsleistung
schuldet. Ist dies nicht der Fall, kann der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung
nicht in Verzug geraten (BAG 19. März 2002 - 9 AZR 16/01 - zu II 2 a der Gründe, EzA
BGB § 615 Nr. 108; 23. Januar 2001 - 9 AZR 26/00 - zu I 1 der Gründe, BAGE 97, 18;
9. November 1999 - 9 AZR 922/98 - zu I 3 a der Gründe); auch eine Anrechnung von
Zwischenverdienst nach § 615 Satz 2 BGB scheidet dann aus (BAG 6. September 2006 -
5 AZR 703/05 - Rn. 24, BAGE 119, 232; 19. März 2002 - 9 AZR 16/01 - aaO). Wird
vertraglich eine Freistellung des Arbeitnehmers bestimmt, kommt es für die Frage der
Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes vorrangig auf die Auslegung des Vertrags
an.
35 b) Die Parteien haben in § 2 des Prozessvergleichs vom 1. Dezember 2009 vereinbart,
dass der Beklagte bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf
Urlaubsansprüche und mit Zahlung bestimmter Beträge von der Arbeitsleistung freigestellt
wird. Die Freistellung war, wie die zeitlich nicht festgelegte Anrechnung auf
Urlaubsansprüche zeigt, unwiderruflich (vgl. BAG 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 19 f.,
AP BUrlG § 7 Nr. 32 = EzA BUrlG § 7 Nr. 117) und hat die Arbeitspflicht des Beklagten
aufgehoben (vgl. BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 615
Nr. 22; 29. September 2004 - 5 AZR 99/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 112, 120; 19. März
2002 - 9 AZR 16/01 - zu II 2 c der Gründe, EzA BGB § 615 Nr. 108). Der Anspruch des
Beklagten auf Vergütung folgt unmittelbar aus § 2 Satz 2 des Vergleichs in Verbindung mit
dem Arbeitsvertrag und nicht (mehr) aus § 615 Satz 1 BGB (vgl. BAG 29. September 2004
- 5 AZR 99/04 - aaO; 19. März 2002 - 9 AZR 16/01 - zu II 2 d der Gründe, aaO; im
Grundsatz auch für Arbeitsunfähigkeit: BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - aaO;
29. September 2004 - 5 AZR 99/04 - aaO). Eine Anrechnung anderweitig erzielter
Vergütung aufgrund von § 615 Satz 2 BGB scheidet deshalb aus.
36 2. Die Parteien haben die Anrechnung anderweitigen Einkommens nicht geregelt. Gegen
eine konkludent vereinbarte Anrechnung spricht die konkrete Bezifferung der
Vergütungsansprüche und die ohne zeitliche Festlegung vereinbarte Erfüllung von
Urlaubsansprüchen durch die Freistellung. Damit überlässt der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer die Festlegung der zeitlichen Lage seines Urlaubs innerhalb des
Freistellungszeitraums (BAG 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 20, AP BUrlG § 7 Nr. 32 =
EzA BUrlG § 7 Nr. 117); während des Urlaubs erfolgt keine Anrechnung anderweitigen
Verdienstes (BAG 25. Februar 1988 - 8 AZR 596/85 - BAGE 57, 366; ErfK/Gallner 12. Aufl.
§ 8 BUrlG Rn. 4). Deshalb findet nach dem Prozessvergleich vom 1. Dezember 2009
jedenfalls bei nicht wettbewerbswidriger Tätigkeit des Beklagten keine Anrechnung statt.
Dieses Verständnis des Vergleichs entspricht auch der Auffassung beider Parteien.
Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien eine Anrechnung von Vergütung demgegenüber
für den Fall eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot vereinbaren wollten,
bestehen, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht.
37 3. Eine ergänzende Auslegung des Prozessvergleichs im Hinblick auf eine Anrechnung
anderweitigen Verdienstes kommt nicht in Betracht. Eine Freistellungsvereinbarung ohne
Anrechnungsregelung ist nicht lückenhaft (BAG 30. September 1982 - 6 AZR 802/79 -
zu II 2 der Gründe; 9. November 1999 - 9 AZR 922/98 - zu I 4 der Gründe). Die
Ausgleichsklausel zeigt zudem, dass die Parteien eine abschließende Regelung wollten.
38 4. Eine Anrechnung ist auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB geboten.
39 a) Unerlaubte Wettbewerbshandlungen des Arbeitnehmers können
Schadensersatzansprüche auslösen, mit denen gegen Gehaltsansprüche aufgerechnet
werden kann. Regelmäßig berechtigen sie den Arbeitgeber aber nicht, die Zahlung der
vereinbarten Vergütung zu verweigern. Allenfalls in besonders krass liegenden Fällen, in
denen sich der Arbeitnehmer gegenüber dem anderen Teil grob verwerflich verhalten hat,
kann dem Vergütungsanspruch der Arglisteinwand entgegengehalten werden (BGH
19. Oktober 1987 - II ZR 97/87 - zu 1 der Gründe, AP BGB § 611 Konkurrenzklausel
Nr. 33). Die Leistungsverweigerung muss in einem angemessenen Verhältnis zum
beanstandeten Verhalten stehen, übertriebene, den objektiven Gegebenheiten
unangepasste Reaktionen sind nicht erlaubt; auch das Maß der Enttäuschung oder der
Verärgerung über einen Mitarbeiter ist nicht maßgebend (zur Entziehung eines
Ruhegeldanspruchs bei Konkurrenztätigkeit: BAG 3. April 1990 - 3 AZR 211/89 - zu II 2 c
der Gründe, BAGE 64, 298). Entsprechendes gilt für die teilweise Verweigerung der
Vergütungsleistung in Höhe des anderweitigen Verdienstes des Arbeitnehmers.
40 b) Umstände, die über die bloße Verletzung des Wettbewerbsverbots hinausgehen und
das Verhalten des Beklagten als besonders verwerflich erscheinen lassen, hat das
Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Auch der Sachvortrag der Klägerin gibt dafür nichts
her. Es ist nicht zu erkennen, dass der Verstoß des Beklagten gegen das
Wettbewerbsverbot überhaupt negative Auswirkungen auf das Geschäft und die
Interessen der Klägerin gehabt hat. Bei einer solchen Sachlage verwirkt der
Vergütungsanspruch regelmäßig nicht. Durch die Anwendung des § 242 BGB dürfen die
gesetzlichen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs, insbesondere Schaden
und haftungsausfüllende Kausalität, nicht umgangen werden.
41 c) Dass dem Beklagten für den Streitzeitraum nach der Vertragslage eine „doppelte
Vergütung“ zusteht, beruht auf der einvernehmlichen Freistellung des Beklagten ohne
Anrechnung anderweitigen Verdienstes. Dieses Ergebnis kann nicht als schlechthin
unangemessen angesehen werden. Eine „doppelte Vergütung“ hätte der Beklagte, wie die
Klägerin einräumt, auch bei Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit unter Einhaltung des
Wettbewerbsverbots beanspruchen können.
42 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Mikosch
Schmitz-
Scholemann
Mestwerdt
D.
Kiel
Die Amtszeit des
ehrenamtlichen
Richters Beck ist
abgelaufen.
Mikosch