Urteil des BAG vom 31.07.2007

BAG (versicherte person, kläger, eintritt des versicherungsfalles, bezugsrecht, bag, arbeitsverhältnis, versicherung, beginn der versicherung, vertrag zugunsten dritter, tätigkeit)

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 31.7.2007, 3 AZR 446/05
Eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht bei Insolvenz - Aussonderungsrecht
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Thüringer
Landesarbeitsgerichts vom 17. März 2005 - 1 Sa 505/02 - wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass der Kläger von den Kosten der ersten Instanz und des
Berufungsverfahrens 5/13 und der Beklagte 8/13 zu tragen hat.
2. Die Kosten der Revision hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, wie das dem Kläger eingeräumte Bezugsrecht aus einer
Direktversicherung im Insolvenzverfahren seiner früheren Arbeitgeberin zu behandeln ist. Er
macht ein Aussonderungsrecht geltend. Beklagter ist der Insolvenzverwalter.
2 Der am 29. Juli 1950 geborene Kläger war Mitglied der Produktionsgenossenschaft des
Handwerks (PGH) „E” und bei ihr seit dem 1. September 1967 als Elektroinstallateur tätig. Sie
wandelte sich durch Erklärung vom 27. Juli 1990 nach der Verordnung über die Gründung,
Tätigkeit und Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 8. März 1990
(GBl. DDR I S. 164) in die E GmbH um. Diese wurde am 21. Januar 1991 in das Handelsregister
eingetragen. Der Kläger war einer ihrer Gesellschafter. Sein Anteil am Stammkapital betrug
1,63 %. Bei ihr war er auch als Arbeitnehmer beschäftigt. Nach § 1 Nr. 1 des schriftlichen
Arbeitsvertrages trat der Kläger ab 1. Juli 1991 auf unbestimmte Zeit in ihre Dienste.
3 Am 1. September 1992 schloss die GmbH mit der A Lebensversicherungsgesellschaft auf
Gegenseitigkeit einen Vertrag über eine Gruppenlebensversicherung. Maßgebend für die
Lebensversicherung sind nach § 4 dieses Vertrages ua. „die anliegende Satzung der A, der von
der Aufsichtsbehörde genehmigte Geschäftsplan und … die anliegenden bzw. die bei Beginn der
Versicherung jeweils in Kraft befindlichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die
kapitalbildende Lebensversicherung”. Abschnitt II der beigefügten „Allgemeinen Bestimmungen für
den Rahmenvertrag BK (Direktversicherung-Kapital)” befasste sich mit dem „Bezugsrecht“ und
lautete auszugsweise:
„1. Die versicherte Person ist aus der auf ihr Leben genommenen Versicherung sowohl für
den Todes- als auch für den Erlebensfall unter den obengenannten und nachstehenden
Vorbehalten unwiderruflich bezugsberechtigt:
Dem Arbeitgeber bleibt das Recht vorbehalten,
alle Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen.
wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles endet, es sei denn,
-
die versicherte Person hat das 35. Lebensjahr vollendet und die Versicherung hat 10
Jahre bestanden
oder
-
die versicherte Person hat das 35. Lebensjahr vollendet und das Arbeitsverhältnis hat
12 Jahre und die Versicherung 3 Jahre bestanden.
…”
4 Der Geschäftsbericht der GmbH für das Jahr 1992 S. 25 enthielt folgende Hinweise:
„Alle Mitarbeiter, die vor dem 1.01.1978 im Betrieb tätig sind, sind ab 1.09.1992 in eine
zusätzliche Altersversorgung eingeschlossen…
Ab dem Einstellungsjahr 1978 werden alle Mitarbeiter jährlich automatisch in die
Altersversorgung aufgenommen, d.h. der Einstellungsjahrgang 1978 wird 1993 mit
aufgenommen, der Einstellungsjahrgang 1979 wird 1994 aufgenommen usw.
Dieses innerbetriebliche Altersversorgungswerk, d.h. die Einzahlungen bleiben die ersten 7
Versicherungsjahre Eigentum der GmbH, ausgenommen sind solche Abgänge, wie
Erreichen des Rentenalters, Vorruhestand, aus gesundheitlichen Gründen usw.
(Also kein Firmenwechsel)”
5 Die GmbH händigte dem Kläger eine Urkunde über die zugesagte betriebliche Altersversorgung
aus. In ihr hieß es:
„Im Vertrauen darauf, dass Sie unserem Unternehmen die Treue halten, haben wir uns
entschlossen, nach Maßgabe der umstehenden Bestimmungen der A
Lebensversicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit eine
Versicherung auf Ihr Leben
für Sie abzuschließen.
Allgemeine Bestimmungen
...
4.
Bezugsrecht
Gemäß den Bestimmungen des Gruppenversicherungsvertrages sind Sie zu der auf Ihr
Leben abgeschlossenen Versicherung sowohl für den Todes- als auch für den Erlebensfall
unter den in Ziffer 1. und 5. genannten Vorbehalten unwiderruflich bezugsberechtigt.
5.
Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Beleihung und Unverfallbarkeit
Der Abschluß dieser Versicherung schränkt die gesetzlichen und arbeitsvertraglichen
Kündigungsrechte unserer Firma nicht ein.
Unserer Firma bleibt das Recht vorbehalten, alle Versicherungsleistungen für sich in
Anspruch zu nehmen,
a) wenn Ihr Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles endet, es sei denn,
-
Sie haben beim Ausscheiden das 35. Lebensjahr vollendet und die Versicherung
hat 10 Jahre bestanden
oder
-
Sie haben beim Ausscheiden das 35. Lebensjahr vollendet und das
Arbeitsverhältnis hat 12 Jahre und die Versicherung 3 Jahre bestanden,
Soweit Ihnen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalles
unverfallbare Ansprüche im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen
Altersversorgung zustehen, erklären wir Ihnen hiermit schon jetzt, daß wir von der
Möglichkeit des § 2 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen
Altersversorgung Gebrauch machen…”
6 Mit Beschluss des Amtsgerichts Erfurt vom 29. Mai 2000 wurde über das Vermögen der GmbH
das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Er kündigte das
Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 29. Mai 2000 zum 31. August 2000. Eine
Kündigungsschutzklage ist nicht erhoben worden. Mit Schreiben vom 10. Juli 2000 widerrief der
Beklagte gegenüber der Versicherungsgesellschaft das dem Kläger eingeräumte Bezugsrecht.
7 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO zu.
Sein Bezugsrecht sei unwiderruflich; denn seine Versorgungsanwartschaft sei unverfallbar
geworden. Er habe eine Betriebszugehörigkeit von mindestens zwölf Jahren erreicht. Wie sich aus
den Lohn- und Gehaltsabrechnungen ergebe, seien sich die Parteien einig gewesen, dass die
Betriebszugehörigkeit des Klägers vom 1. September 1967 an zähle. Auch nach dem
Betriebsrentenrecht sei die Tätigkeit bei der PGH zu berücksichtigen. Dabei handele es sich um
eine Tätigkeit für ein anderes Unternehmen iSd. § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG. Der Widerruf des
Bezugsrechts sei unwirksam. Zudem stelle die Ausübung des Widerrufsrechts einen
Rechtsmissbrauch dar. Der Beklagte könne sich nicht auf § 148 InsO berufen. Er sei jedenfalls
zum Schadensersatz verpflichtet. Die Naturalrestitution führe ebenfalls zum Aussonderungsrecht.
8 Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass ihm hinsichtlich der von der E GmbH bei der A
Lebensversicherungsgesellschaft aG auf ihn abgeschlossenen Direktversicherung,
Versicherungsnummer 05670236/00/00004, Gruppenversicherungsnummer 5670236 K, ein
Aussonderungsrecht an der Insolvenzmasse der E GmbH zusteht.
9 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung, der Kläger habe keinen
Anspruch auf Aussonderung des Bezugsrechts. Für das Aussonderungsrecht komme es nicht auf
die Versorgungszusage, sondern auf den Inhalt des Versicherungsvertrages an. Nach dem klaren
Wortlaut dieses Vertrages sei die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der Insolvenzschuldnerin
maßgebend. Es habe keine zwölf Jahre bestanden. Bei der PGH sei der Kläger nicht als
Arbeitnehmer tätig gewesen. Diese Tätigkeit sei auch nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG
einem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen. Im Übrigen sei es unerheblich, wie sie
betriebsrentenrechtlich zu betrachten sei. Entscheidend seien die Vereinbarungen im
Versicherungsvertrag. Außerdem hätte die Versicherungsgesellschaft nach § 13 der Allgemeinen
Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung (ALB) das unwiderrufliche Bezugsrecht
schriftlich bestätigen müssen. Dies sei nicht geschehen. Mit dem Widerruf des Bezugsrechts sei
der Beklagte seinen Pflichten als Insolvenzverwalter zur Sicherung und Verwertung der
Insolvenzmasse nachgekommen. Die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten führe lediglich zu
Schadensersatzansprüchen, die zur Insolvenztabelle anzumelden seien.
10 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des
Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen
Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
11 Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht
stattgegeben. Dem Kläger steht der geltend gemachte Aussonderungsanspruch zu.
12 A. Die Feststellungsklage ist zulässig. Der Aussonderungsrechtsstreit ist nach den allgemeinen
prozessrechtlichen Regeln zwischen Insolvenzverwalter und Gläubiger auszutragen. Die
Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Der Kläger
will klären lassen, wem die Rechte aus dem genau bezeichneten Versicherungsvertrag zustehen.
Eine Leistungsklage musste nicht erhoben werden. Die Feststellungsklage führt zu einer
prozessökonomisch sinnvollen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte. Auch die
Versicherungsgesellschaft hat dem Kläger mitgeteilt (vgl. Anlage zu deren Schreiben vom
22. November 2000), dass sie einem gegen den Insolvenzverwalter erwirkten Feststellungsurteil
Rechnung tragen werde.
13 B. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger ist auf Grund des ihm eingeräumten eingeschränkt
unwiderruflichen Bezugsrechts aussonderungsberechtigt.
14 I. Mit der Berufung auf ein Aussonderungsrecht macht der Kläger geltend, dass die Ansprüche aus
dem Versicherungsverhältnis nicht zur Insolvenzmasse, sondern zu seinem Vermögen gehören.
Entscheidend ist somit, welche Rechte einerseits ihm und andererseits dem Insolvenzverwalter
aus dem Versicherungsverhältnis zustehen. Das hängt allein von der Ausgestaltung des
Versicherungsverhältnisses ab, das von dem zwischen dem Unternehmen und dem
Beschäftigten bestehenden Versorgungsverhältnis zu unterscheiden ist (vgl. ua. BAG 8. Juni 1999
- 3 AZR 136/98 - BAGE 92, 1, zu B I 1 der Gründe mwN). Dies ändert jedoch nichts daran, dass
die versicherungsvertraglichen Vereinbarungen auf das Versorgungsverhältnis abstellen können
(vgl. ua. BAG 8. Juni 1999 - 3 AZR 136/98 - aaO, zu B I 2 der Gründe). Eine derartige
Verknüpfung liegt im Streitfall vor.
15 1. Bei einer Direktversicherung ist der Arbeitgeber - hier die Insolvenzschuldnerin -
Versicherungsnehmer und der Beschäftigte - hier der Kläger - sowohl Versicherter als auch
Begünstigter. Nach § 166 Abs. 1 Satz 2 VVG hat der Versicherungsnehmer im Zweifel die
Befugnis, an die Stelle des bezugsberechtigten Dritten einen anderen zu setzen.
Bezugsberechtigungen dieser Art sind widerrufliche Bezugsrechte. Der Begünstigte erwirbt, soweit
der Versicherungsnehmer (Arbeitgeber) nichts Abweichendes bestimmt hat, das Recht auf die
Versicherungsleistungen erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles (§ 166 Abs. 2 VVG).
16 Im vorliegenden Fall hat die Insolvenzschuldnerin von der Möglichkeit des § 13 Abs. 2 ALB
Gebrauch gemacht. Sie hat dem Kläger ein unwiderrufliches Bezugsrecht gewährt. Entgegen der
Ansicht des Beklagten sind die formalen Voraussetzungen für die Einräumung eines
unwiderruflichen Bezugsrechts erfüllt.
17 Nach § 4 des Gruppenversicherungsvertrages sind für das Versicherungsverhältnis unter
anderem die ALB maßgebend. Im versicherungsrechtlichen Regelfall kann der Arbeitgeber bis
zum Eintritt des Versicherungsfalles das eingeräumte Bezugsrecht jederzeit widerrufen (§ 13
Abs. 1 Satz 2 ALB). Die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts ist nach § 13 Abs. 2
ALB von einer schriftlichen Bestätigung der Versicherungsgesellschaft abhängig. Bis zum Eingang
der Bestätigung hat der Bezugsberechtigte lediglich ein widerrufliches Recht auf die Leistungen
aus dem Versicherungsvertrag. Sowohl die Erklärung des Versicherungsnehmers, dass die
Bezugsberechtigung unwiderruflich sein soll, als auch die Bestätigung der
Versicherungsgesellschaft, können sich bereits aus dem Versicherungsvertrag ergeben. Dies trifft
im vorliegenden Fall zu. Bestandteil des Versicherungsvertrages waren die ihm beigefügten
„Allgemeinen Bestimmungen für den Rahmenvertrag BK“ (ABRBK). Nach Abschnitt II Nr. 1 Satz 1
ABRBK ist „die versicherte Person … aus der auf ihr Leben genommenen Versicherung sowohl
für den Todes- als auch für den Erlebensfall unter … nachstehenden Vorbehalten unwiderruflich
bezugsberechtigt”.
18 2. Der Vorbehalt des Abschn. II Nr. 1 erste Alternative ABRBK knüpft an die gesetzlichen
Unverfallbarkeitsvoraussetzungen an.
19 a) Es kommt nicht auf den Inhalt der arbeitsvertraglichen Versorgungszusage und damit auch
nicht auf die ihr beigefügten „Allgemeinen Bestimmungen” an, auf die das Landesarbeitsgericht
abgestellt hat. Entscheidend ist, wie die ABRBK auszulegen sind. Bei ihnen handelt es sich um
typisierte versicherungsvertragliche Vereinbarungen, die der Senat selbst ohne Einschränkungen
überprüfen kann (vgl. ua. BAG 17. Oktober 2000 - 3 AZR 69/99 - AP BetrAVG § 1
Zusatzversorgungskassen Nr. 56 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 71, zu B I 1 der Gründe; 28. Juli 2005 -
3 AZR 463/04 - AP BetrAVG § 16 Nr. 59 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 46, zu II 2 a der Gründe).
20 b) Bei der Auslegung der ABRBK kommt es darauf an, wie sie aus der Sicht eines verständigen
und durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu verstehen sind. Die Insolvenzschuldnerin
verschaffte durch den Abschluss der Direktversicherung ihren Beschäftigten eine betriebliche
Altersversorgung. Entsprechend dem Zweck dieser Versicherung sind auch die Interessen der
versicherten Beschäftigten zu berücksichtigen, die eine grundsätzlich unwiderrufliche
Bezugsberechtigung erwerben sollen und von den einschränkenden Vorbehalten unmittelbar
betroffen sind (ständige Rechtsprechung des BGH ua. 3. Mai 2006 - IV ZR 134/05 - NJW-RR
2006, 1258, zu II 3 a der Gründe mwN). Insoweit ist dem Bundesgerichtshof zu folgen, obwohl bei
einer Direktversicherung nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber Versicherungsnehmer
und damit Vertragspartner der Versicherungsgesellschaft ist. Der Versicherungsvertrag ist ein
Vertrag zugunsten Dritter (der Arbeitnehmer). Entsprechend dem Zweck der Direktversicherung
(Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung) sind sowohl die Interessen des
Versicherungsnehmers (Arbeitgeber) als auch die Interessen der versicherten und
bezugsberechtigten Arbeitnehmer angemessen zu berücksichtigen.
21 c) Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag, dass es sich um eine
Direktversicherung handelt. Zum versicherten Personenkreis zählen nach § 1 Abs. 2 des
Versicherungsvertrages unter anderem „alle vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter mit einer
Betriebszugehörigkeit von mindestens 14 Jahren”. Abschnitt I Satz 1 ABRBK weist ausdrücklich
darauf hin, dass „der Rahmenvertrag zur Sicherstellung einer Alters- und
Hinterbliebenenversorgung der Arbeitnehmer” dient. Abschnitt II Nr. 1 erste Alternative ABRBK
sorgt für eine interessengerechte Verzahnung mit den betriebsrentenrechtlichen Vorschriften. Es
wird an die gesetzlichen Unverfallbarkeitsregelungen angeknüpft. Daran ändert der im
vorliegenden Fall missverständliche Wortlaut des formularmäßigen Vorbehalts nichts.
22 aa) Nicht nur den Interessen der Beschäftigten, sondern auch den Interessen der Arbeitgeberin
(Versicherungsnehmerin) widerspräche es, wenn das Bezugsrecht der Beschäftigten noch nach
Eintritt der gesetzlichen Unverfallbarkeit widerruflich wäre. Dies hätte eine Verpflichtung der
Arbeitgeberin ausgelöst, vom Eintritt der gesetzlichen Unverfallbarkeit an bis zum Wegfall des
Widerrufsrechts Insolvenzsicherungsbeiträge nach § 10 BetrAVG an den Pensions-Sicherungs-
Verein abzuführen. Das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht dient jedoch auch dazu, die
Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entrichtung eines Insolvenzsicherungsbeitrags zu begrenzen
(BAG 23. Oktober 1990 - 3 AZR 305/89 - AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 14 = EzA BGB
§ 315 Nr. 38, zu 2 b bb der Gründe). Bei widerruflichen Bezugsrechten setzt die Beitragspflicht des
Arbeitgebers erst mit der Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft ein (§ 10 Abs. 3 1. Halbs.
BetrAVG). Bei unwiderruflichen Bezugsrechten entsteht eine Beitragspflicht nur dann, wenn der
Arbeitgeber die Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis abtritt oder beleiht (§ 10 Abs. 3 Nr. 2
BetrAVG). Handelt es sich - wie hier - um ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht, entfällt
das Widerrufsrecht mit der Unverfallbarkeit.
23 bb) Abschnitt II Nr. 1 erste Alternative ABRBK verweist nicht lediglich auf die gesetzlichen
Voraussetzungen unverfallbarer Versorgungsanwartschaften, sondern gibt sie mit eigenen Worten
wieder. Während nach dem bei Abschluss des Versicherungsvertrages geltenden § 1 Abs. 1
Satz 1 BetrAVG (aF) die gesetzliche Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaften unter
anderem von der Dauer der „Betriebszugehörigkeit” abhing, stellt Abschnitt II Nr. 1 erste
Alternative ABRBK auf die Dauer des „Arbeitsverhältnisses” ab.
24 Der unterschiedliche Wortlaut lässt nicht den Schluss zu, dass damit inhaltlich von § 1 Abs. 1
Satz 1 BetrAVG aF abgewichen werden sollte. Zum einen ist der im Gesetz verwandte Begriff
missverständlich, weil nicht die Bindung an den Betrieb, sondern die Bindung an den Arbeitgeber
entscheidend ist. Passender wäre der Begriff Unternehmenszugehörigkeit (vgl. BAG 21. August
1990 - 3 AZR 429/89 - BAGE 66, 1, zu B II 2 der Gründe). Zum anderen beginnt die
Betriebszugehörigkeit im Regelfall, sobald ein Arbeitsverhältnis besteht. Die formularmäßigen
ABRBK sind auf den Regelfall zugeschnitten und befassen sich nicht mit allen denkbaren
Sonderfällen. Im Versicherungsvertrag sind keine eigenständigen Regelungen über Anrechnung
oder Nichtanrechnung der vor dem Arbeitsverhältnis liegenden Beschäftigungszeiten enthalten.
25 Der Begriff des Arbeitsverhältnisses ist weit auszulegen. Darunter fallen auch Tätigkeiten, die
betriebsrentenrechtlich einem Arbeitsverhältnis gleichstehen und auf die Betriebszugehörigkeit
anzurechnen sind. Selbst wenn die ABRBK eine Regelungslücke enthielten, wäre sie im Wege der
ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Dabei wären der Zweck des Vorbehalts und die
Interessen der am Versicherungsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen. Das eingeschränkt
unwiderrufliche Bezugsrecht soll mit Hilfe der Vorbehalte eine Parallelität von
Versorgungsverhältnis und Versicherungsverhältnis schaffen. Davon durften sowohl die
Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin als auch die versicherten Beschäftigten ausgehen.
26 3. Als der Beklagte das dem Kläger eingeräumte Bezugsrecht widerrief, war seine Anwartschaft
bereits unverfallbar.
27 Sowohl zur Betriebszugehörigkeit iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aF als auch zur Dauer des
Arbeitsverhältnisses iSd. Abschnitts II Nr. 1 erste Alternative ABRBK zählt die Tätigkeit für die
PGH. Davon ist auch die Versicherungsgesellschaft ausgegangen, wie die Anlage zu ihrem
Schreiben vom 22. November 2000 zeigt. Unerheblich ist es, dass der Kläger seine
Arbeitsleistung für die PGH auf Grund einer Verpflichtung aus dem Genossenschaftsverhältnis
erbrachte und nach dem Recht der DDR nicht in einem Arbeitsverhältnis stand (BAG 13. Juni
1996 - 8 AZR 20/94 - AP AGB-DDR § 15 Nr. 1 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerstatus-DDR Nr. 3,
zu B II der Gründe). Auch nach dem 3. Oktober 1990 ist für den Kläger neben dem
Mitgliedschaftsverhältnis kein Arbeitsverhältnis begründet worden. Der Einigungsvertrag
veränderte insoweit die Rechtslage nicht (BAG 13. Juni 1996 - 8 AZR 20/94 - aaO, zu B III der
Gründe). Erst nach der Umwandlung der PGH in eine GmbH trat der Kläger in ein
Arbeitsverhältnis zur GmbH. Sie ist Rechtsnachfolgerin der PGH. Die Tätigkeit für das
Unternehmen der PGH steht nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG einem Arbeitsverhältnis gleich.
Dies führt zu einer Anrechnung dieser Tätigkeit.
28 a) § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG erweitert den Anwendungsbereich des Betriebsrentengesetzes auf
Personen, die zwar nicht als Arbeitnehmer, aber für ein „fremdes Unternehmen” tätig sind (vgl. ua.
BAG 16. April 1997 - 3 AZR 869/95 - AP BetrAVG § 17 Nr. 25 = EzA BetrAVG § 17 Nr. 6, zu I 2 b
der Gründe; BGH 28. April 1980 - II ZR 254/78 - BGHZ 77, 94, zu III 5 der Gründe; 2. Juni 1997 -
II ZR 181/96 - AP BetrAVG § 17 Nr. 26). Die Tätigkeit für ein fremdes Unternehmen ist von der
Tätigkeit für ein eigenes Unternehmen abzugrenzen. Der Kläger war als Mitglied der PGH nach
Vermögensbeteiligung und Einfluss nicht so stark mit dem Unternehmen verbunden, dass er es
als sein eigenes betrachten konnte (vgl. dazu BGH 14. Juli 1980 - II ZR 224/79 - AP BetrAVG § 17
Nr. 3, zu I der Gründe).
29 b) Sowohl für die gesetzliche Unverfallbarkeit als auch - daran anknüpfend - für die Dauer des
Arbeitsverhältnisses iSd. Abschnitts II Nr. 1 ABRBK ist es unerheblich, ob der Mitarbeiter die
erforderliche Beschäftigungszeit als Arbeitnehmer oder durch eine unter § 17 Abs. 1 Satz 2
BetrAVG fallende Tätigkeit erreichte. Die für dasselbe Unternehmen geleistete Tätigkeit kann nicht
nach dem unterschiedlichen Status des Mitarbeiters im Zeitablauf aufgespalten werden (vgl. BAG
21. August 1990 - 3 AZR 429/89 - BAGE 66, 1, zu B II 3 der Gründe). Erforderlich und ausreichend
ist es, dass die Tätigkeit für ein und denselben Vertragspartner erbracht wurde. Die Identität des
Unternehmens liegt auch bei einer Gesamtrechtsnachfolge vor (BAG 20. April 2004 - 3 AZR
297/03 - BAGE 110, 176, zu II 3 b der Gründe). Es besteht kein Anlass, diese Rechtsprechung
aufzugeben.
30 c) Im Geschäftsbericht für das Jahr 1992 S. 25 wurde darauf hingewiesen, dass „dieses
innerbetriebliche Altersversorgungswerk, dh. die Einzahlungen bleiben die ersten
7 Versicherungsjahre Eigentum der GmbH”. Ob diesem Hinweis überhaupt eine
rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommt, kann dahinstehen. Er ist in die für das
Aussonderungsrecht maßgeblichen Versicherungsvereinbarungen nicht aufgenommen worden.
Abgesehen davon hat der Kläger mehr als sieben Versicherungsjahre erreicht.
31 II. Nach Eintritt der Unverfallbarkeit konnte die Arbeitgeberin nicht mehr über die Versicherung
verfügen. Sie konnte anstelle des Klägers keinen anderen Bezugsberechtigten benennen. Die
Insolvenzschuldnerin konnte dem Kläger die Gläubigerstellung nicht mehr entziehen (vgl. dazu
BAG 26. Juni 1990 - 3 AZR 651/88 - BAGE 65, 208, zu 4 a der Gründe).
32 Da die Einschränkungen des unwiderruflichen Bezugsrechts nicht zum Zuge kamen, hatte der
Kläger bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine wertlose Anwartschaft, sondern eine
gefestigte Rechtsstellung. Solange die Voraussetzungen der Vorbehalte nicht erfüllt sind, steht das
eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht wirtschaftlich und rechtlich einem uneingeschränkt
unwiderruflichen Bezugsrecht gleich. In der Insolvenz des Arbeitgebers gehört es zum Vermögen
des Bezugsberechtigten, hier des Klägers. Die Ansprüche auf die Versicherungsleistungen fallen
nicht in die Insolvenzmasse (BAG 26. Juni 1990 - 3 AZR 651/88 - BAGE 65, 208, zu 4 der
Gründe; BGH 3. Mai 2006 - IV ZR 134/05 - NJW-RR 2006, 1258, zu II 2 der Gründe).
33 III. Nicht entscheidungserheblich sind die weiteren von den Parteien aufgeworfenen Fragen
(Wirksamkeit eines gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßenden Widerrufs des
versicherungsrechtlichen Bezugsrechts; Rechtsmissbräuchlichkeit eines derartigen Vorgehens
oder insolvenzrechtlich zulässige Liquidation; insolvenzrechtliche Einordnung eines
Schadensersatzanspruchs; Möglichkeit oder Ausschluss einer zur Aussonderung führenden
Naturalrestitution). Ebenso wenig kommt es im vorliegenden Fall darauf an, dass der
Bundesgerichtshof abweichend von der Rechtsprechung des Senats (vgl. ua. BAG 23. Oktober
1990 - 3 AZR 305/89 - AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 14 = EzA BGB § 315 Nr. 38, zu
2 b aa der Gründe) den Unverfallbarkeitsvorbehalt noch enger auslegt. Nach Auffassung des
Bundesgerichtshofs gilt dieser Vorbehalt nicht für den Fall einer insolvenzbedingten Beendigung
des Arbeitsverhältnisses zum Versicherungsnehmer (3. Mai 2006 - IV ZR 134/05 - NJW-RR 2006,
1258, zu II 3 der Gründe). Der Wortlaut der gängigen Unverfallbarkeitsvorbehalte, ihr erkennbarer
Zweck und rechtssystematische Gründe sprechen mehr für die vom Senat als für die vom
Bundesgerichtshof vertretene Meinung (BAG Vorlagebeschluss vom 22. Mai 2007 - 3 AZR
334/06 [A] -) .
34 C. Die Kosten für das erstinstanzliche Verfahren und das Berufungsverfahren sind in analoger
Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO entsprechend dem teilweisen Obsiegen und teilweisen
Unterliegen nach dem Verhältnis zum Streitwert zwischen den Parteien zu teilen. Der Kläger hat
im Berufungsverfahren eine Klageänderung vorgenommen, die eine teilweise Klagerücknahme
beinhaltete. Er hat den ursprünglichen Klageantrag zu 2) (Feststellung der Rechts, die
Direktversicherung beitragsfrei oder ohne erneute Gesundheitsprüfung beitragspflichtig
fortzusetzen, sowie Feststellung eines Unterlassungsanspruchs gegen den Beklagten) und den
ursprünglichen Klageantrag zu 3) (Auskunftsklage) im Zuge der Klageänderung fallen gelassen.
Den Streitwert für diese Anträge hat das Arbeitsgericht auf 2.000,00 Euro + 500,00 Euro =
2.500,00 Euro festgesetzt. Dies ist ebenso wenig zu beanstanden wie die Festsetzung eines
Streitwerts von 4.000,00 Euro für den in geänderter Form weiter verfolgten und erfolgreichen
Klageantrag. Dies ergibt für den Kläger einen Anteil an den erst- und zweitinstanzlichen Kosten
von 5/13 und für den Beklagten von 8/13. Gegenstand des Revisionsverfahrens war nur noch der
geänderte Klageantrag. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg. Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat
er die Kosten dieses Rechtsmittels zu tragen.
Reinecke
Reinecke
Zwanziger
H. Frehse
V. Ludwig