Urteil des BAG vom 19.03.2008

BAG: Bewachungsgewerbe, auflösende bedingung, entzug, beendigung, widerruf, einfluss, wiederherstellung, arbeitsgericht, kündigungsfrist, soldat

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 19.3.2008, 7 AZR 1033/06
Auflösende Bedingung - Bewachungsgewerbe
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Baden-Württemberg vom 11. August 2006 - 16 Sa 11/06 - aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom
16. Dezember 2005 - 13 Ca 354/05 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch den Eintritt einer auflösenden
Bedingung am 31. August 2005 geendet hat.
2 Die Beklagte ist ein Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes, das ausschließlich in
Deutschland gelegene militärische Einrichtungen der Vereinigten Staaten von Amerika bewacht.
Der Kläger ist seit dem 19. April 2003 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 17. April 2003 bei
der Beklagten als Sicherheitsmitarbeiter im Wachdienst zu einem durchschnittlichen
Bruttomonatsgehalt iHv. 2.400,00 Euro beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags ist der Kläger im
Objekt H der Beklagten eingesetzt. § 18 des Arbeitsvertrags enthält die nachfolgende Regelung:
„Die Vertragsparteien sind dazu verpflichtet, die Bedingungen, Anforderungen und Standards
der jeweiligen Kundenspezifikationen/PWS (Performance Work Statements) einzuhalten bzw.
zu erfüllen. Die Einsatzgenehmigung der US-Streitkräfte ist Geschäftsgrundlage des
Vertrages. Wird die Einsatzgenehmigung wegen Nichteinhaltung der PWS, die für die
Vertragsparteien verbindlich sind und von der amerikanischen Regierung vorgegeben sind,
widerrufen, endet der Vertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf der
gesetzlichen Kündigungsfrist.“
3 Das in § 18 des Arbeitsvertrags erwähnte Performance Work Statement zu dem
Bewachungsvertrag zwischen den amerikanischen Streitkräften und der Beklagten enthält ua. die
folgenden Regelungen:
„1.4.5.
Entzug der Einsatzgenehmigung für Mitarbeiter des Vertragsnehmers
Entscheidung des lokalen US-Vertragsoffiziers (SCOR) oder des übergeordneten
Vertragsoffiziers (COR) muss der Vertragsnehmer Arbeitnehmer von einer Dienstverrichtung
unter diesem Vertrag aus folgenden Gründen entbinden:
...
d. Jegliches Verhalten, jegliche Aktivität oder Verbindung, die die Vermutung zulässt, dass der
Beschäftigte nicht zuverlässig und vertrauenswürdig ist. Hierbei werden auch alle
vorangegangenen Arbeitsverhältnisse berücksichtigt.
e. Mangelhafte Dienstausführung.
f. Verstoß gegen Sicherheitsbestimmungen und Arbeitsschutzvorschriften.
…“
4 Mit Schreiben vom 13. Juli 2005 ersuchten die US-Streitkräfte die Beklagte unter Bezugnahme auf
1.4.5. Buchst. d., e. und f. des Performance Work Statements, den Kläger als Wachmann aus dem
Bewachungsobjekt H sofort zurückzuziehen. Mit Schreiben vom 22. Juli 2005, dem Kläger
zugegangen am 26. Juli 2005, teilte die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf § 18 des
Arbeitsvertrags vom 17. April 2003 mit, dass sein Beschäftigungsverhältnis nach dem Entzug der
Einsatzgenehmigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31. August 2005 ende.
5 Mit der am 4. August 2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der in § 18 des Arbeitsvertrags enthaltenen
auflösenden Bedingung gewandt. Er hat gemeint, die Vertragsbeendigung bei Entzug der
Einsatzgenehmigung setzte einen nachgewiesenen Verstoß des Arbeitnehmers gegen die in dem
Performance Work Statement enthaltenen Pflichten voraus, woran es vorliegend fehle.
6 Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht infolge der
im Arbeitsvertrag vereinbarten auflösenden Bedingung zum 31. August 2005 geendet hat.
7 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
8 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das
Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der
Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während der
Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
9 Die Revision der Beklagten ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur
Zurückweisung der Berufung des Klägers und zur Wiederherstellung der klageabweisenden
Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auf Grund der
auflösenden Bedingung in § 18 Satz 3 des Arbeitsvertrags vom 17. April 2003 am 31. August 2005
geendet. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die auflösende
Bedingung unwirksam ist. Der dauerhafte Entzug der Einsatzerlaubnis durch die US-Streitkräfte
rechtfertigt bei fehlender anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger die Vereinbarung
einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung.
10 1. Die in § 18 Satz 3 des Arbeitsvertrags vom 17. April 2003 enthaltene Vereinbarung über die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Entzug einer Einsatzgenehmigung durch die US-
Streitkräfte ist wirksam. Für den Bedingungseintritt ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der
Vereinbarung ausreichend, dass der Widerruf der Einsatzgenehmigung von dem US-Streitkräften
auf eine Zuwiderhandlung gegen das Performance Work Statement gestützt wird und nicht, dass
ein solcher Verstoß tatsächlich vorliegt.
11 a) Bei der in § 18 Satz 3 des Arbeitsvertrags enthaltenen Bestimmung handelt es sich um eine
auflösende Bedingung, die nach § 21 TzBfG nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes iSd. § 14
Abs. 1 TzBfG zulässig ist. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist dabei nicht die
Rechtswirksamkeit einer Gestaltungserklärung des Arbeitgebers. Die Gerichte für Arbeitssachen
prüfen vielmehr, ob die Parteien eine rechtlich statthafte Vertragsgestaltung zur Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung objektiv funktionswidrig zu Lasten des Arbeitnehmers
verwendet haben (BAG 25. August 1999 - 7 AZR 75/98 - BAGE 92, 245 = AP BGB § 620
Bedingung Nr. 24 = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 13, zu I 1 der Gründe) .
12 b) Der Widerruf der Einsatzgenehmigung stellt allein allerdings keinen ausreichenden Sachgrund
für die auflösende Bedingung dar. Erst die sich aus dem Entzug der Einsatzgenehmigung des
Arbeitnehmers ergebende fehlende Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitgebers rechtfertigt die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung. Der Arbeitgeber muss daher dem
Arbeitnehmer einen anderen freien Arbeitsplatz anbieten, bevor er sich auf die auflösende
Bedingung berufen darf (BAG 25. August 1999 - 7 AZR 75/98 - BAGE 92, 245 = AP BGB § 620
Bedingung Nr. 24 = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 13, zu II 2 der Gründe) . Besteht nach dem
Entzug der Einsatzgenehmigung kein freier und geeigneter Arbeitsplatz, wäre die
Aufrechterhaltung des bisherigen Vertragsverhältnisses sinnentleert, da der Arbeitgeber den
Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann. Die sich nach einem Entzug einer
Einsatzgenehmigung ergebende fehlende Beschäftigungsmöglichkeit zählt auch nicht zum
allgemeinen Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers, das er durch die Vereinbarung einer auflösenden
Bedingung auf den Arbeitnehmer nicht überwälzen kann. Der Arbeitgeber kann bei der Bewachung
von militärischen Einrichtungen der US-Streitkräfte über das eingesetzte Personal nicht frei
entscheiden, sondern darf nur solche Arbeitnehmer einsetzen, die über eine Einsatzgenehmigung
seines Auftraggebers verfügen, auf deren Erteilung und Entzug der Arbeitgeber keinen Einfluss
hat. In den zugrunde liegenden Vereinbarungen ist regelmäßig ein Vorbehalt des Auftraggebers
des Arbeitgebers enthalten, wonach dieser bei Zweifeln an der Zuverlässigkeit des in den zu
bewachenden Objekten eingesetzten Personals verlangen kann, dass diese nicht oder nicht mehr
vom Arbeitgeber eingesetzt werden. Auf die den amerikanischen Streitkräften eingeräumte
Rechtsposition müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einlassen. Sie folgt aus den
Besonderheiten bei der Bewachung von militärischen Einrichtungen und entspricht den
Befugnissen der Bundeswehr gegenüber zivilen Wachpersonen. Personen, die, ohne Soldat zu
sein, militärische Einrichtungen bewachen, dürfen nur mit einer besonderen Einsatzgenehmigung
des Bundesministeriums der Verteidigung oder einer von diesem bestimmten Stelle im
Wachdienst eingesetzt werden, deren Erteilung von einer Einschätzung der persönlichen und
fachlichen Eignung der zivilen Wachperson abhängig ist (§ 1 Abs. 3 des Gesetzes über die
Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der
Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen vom 12. August 1965, BGBl.
I S. 796). Dementsprechend hat der Senat in seiner Entscheidung vom 25. August 1999 eine
auflösende Bedingung in einem Tarifvertrag für sachlich gerechtfertigt gehalten, nach der das
Arbeitsverhältnis endet, wenn die Erlaubnisbehörde die Zustimmung zur Beschäftigung des
Arbeitnehmers verweigert oder entzieht und eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den
Arbeitnehmer nicht besteht. Da es für die sachliche Rechtfertigung der auflösenden Bedingung nur
auf die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit ankommt, ist die Rechtmäßigkeit des Entzugs der
Einsatzgenehmigung des Arbeitnehmers durch den Auftraggeber des Arbeitgebers für das
Vorliegen des Sachgrundes ohne Bedeutung (BAG 25. August 1999 - 7 AZR 75/98 - aaO, zu II 2
und 3 der Gründe) . Allerdings darf der Arbeitgeber den Entzug der Einsatzgenehmigung nicht
gegenüber seinem Vertragspartner veranlassen, um das Vertragsverhältnis mit seinem
Arbeitnehmer zu beenden.
13 2. Danach hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der im Arbeitsvertrag vom 17. April
2003 vereinbarten Frist am 31. August 2005 geendet. Die US-Streitkräfte haben dem Kläger durch
das Schreiben vom 13. Juli 2005 die Einsatzgenehmigung für die Bewachung des im
Arbeitsvertrag genannten Objekts H dauerhaft entzogen. Die Beklagte hatte nach dem
Performance Work Statement keine Möglichkeit, auf die Nichterteilung bzw. den Entzug der
Einsatzgenehmigung Einfluss zu nehmen. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, dem Kläger
die Vertragsfortsetzung zu geänderten Bedingungen anzubieten. Eine anderweitige
Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand nach dem in den Vorinstanzen gehaltenen
Vortrag der Beklagten, dem der Kläger nicht entgegengetreten ist, nicht. Die nach § 21, § 15 Abs. 2
TzBfG sowie § 18 Satz 3 des Arbeitsvertrags einzuhaltende Frist für die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses hat die Beklagte gewahrt.
14 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dörner
Gräfl
Koch
Kley
R. Schiller