Urteil des BAG vom 09.03.2011

NV Bühne - Mitbestimmung bei Eingruppierung - Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 9.3.2011, 7 ABR 118/09
NV Bühne - Mitbestimmung bei Eingruppierung - Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen
Tätigkeit
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des
Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Juni 2009 - 6 TaBV 28/08 - wird
zurückgewiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Betriebsrat bei der Zuordnung zum Normalvertrag
Bühne (NV Bühne) ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn die Arbeitgeberin mit einem
Arbeitnehmer der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen vereinbart, dass
er überwiegend künstlerisch tätig ist.
2 Die Arbeitgeberin betreibt in F eine Mehrspartenbühne mit regelmäßig mehr als zwanzig
wahlberechtigten Arbeitnehmern. Sie ist Mitglied im Deutschen Bühnenverein, Bundesverband der
Theater und Orchester. Auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer wandte
sie in der Vergangenheit den BAT-O, den diesen ablösenden TVöD, den BMT-G-O, den
Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) und den Normalvertrag Bühne vom
15. Oktober 2002 (NV Bühne) an. Ein zwischen ihr und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft
(ver.di) geschlossener Haus-tarifvertrag vom 18. Januar 2005 sieht die Anwendung des BAT-
O/BMT-G-O einschließlich der sie ergänzenden, ändernden oder an ihre Stelle tretenden
Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung vor. Dieser Tarifvertrag wurde von der Arbeitgeberin
ordentlich zum 4. September 2008 gekündigt.
3 § 1 Abs. 1 und Abs. 3 NV Bühne bestimmen Folgendes:
„(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Solomitglieder und Bühnentechniker sowie Opernchor- und
Tanzgruppenmitglieder (im folgenden insgesamt als Mitglieder bezeichnet) an Bühnen
innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, die von einem Lande oder von einer Gemeinde
oder von mehreren Gemeinden oder von einem Gemeindeverband oder mehreren
Gemeindeverbänden ganz oder überwiegend rechtlich oder wirtschaftlich getragen werden.
...
(3) Bühnentechniker sind Technische Direktoren und technische Leiter, Vorstände der
Malsäle, Leiter des Beleuchtungswesens, Leiter der Bühnenplastikerwerkstätten, Leiter
des Kostümwesens, Leiter der Ausstattungswerkstätten, Chefmaskenbildner, Referenten
und Assistenten der Technischen Direktoren und technischen Leiter, Tonmeister.
Oberinspektoren und Inspektoren, Theater- und Kostümmaler, Beleuchtungsmeister und
Beleuchter, Bühnenplastiker (Kascheure), Maskenbildner, Requisitenmeister und
Requisiteure, Gewandmeister, Bühnenmeister, Veranstaltungstechniker, Tontechniker und
Personen in ähnlicher Stellung sind Bühnentechniker im Sinne dieses Tarifvertrags, wenn
mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dass sie überwiegend künstlerisch tätig sind.“
4 Für diesen Personenkreis sieht § 67 Abs. 1 Unterabs. 1 NV Bühne vor, dass im Arbeitsvertrag
eine Gage zu vereinbaren ist, die seit dem 1. Januar 2009 mindestens 1.600,00 Euro monatlich
beträgt. Gestufte Vergütungsordnungen sieht der NV Bühne nur für die Bereiche Chor und Tanz
vor.
5 Mit einem Schreiben ohne Datum teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige,
Herrn U S ab 1. August 2007 nach NV Bühne einzustellen, und bat um Kenntnisnahme. Mit
Schreiben vom 9. Juli 2007 informierte sie den Betriebsrat, sie beabsichtige, ab dem 1. August
2007 die Herren S M und T P als Bühnentechniker-Mitarbeiter Tontechnik nach NV Bühne-BT mit
einer Arbeitszeit von je 50 vH zu engagieren, und bat um Kenntnisnahme. Mit Schreiben vom
20. Juli 2007 teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, er habe - „obwohl nicht beteiligt“ - den
Beschluss gefasst, ua. den Einstellungen der Herren U S, S M und T P zuzustimmen, der
Eingruppierung in den NV Bühne-BT jedoch nicht zuzustimmen; diese Eingruppierung sei falsch.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige
ab dem 1. November 2007 personelle Umsetzungen; ua. solle die - freiwerdende - Stelle des
Herrn Z mit Herrn C C als Oberinspektor/Bühnenobermeister nach NV Bühne-BT vorgenommen
werden; sie bitte um Kenntnisnahme. Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin mit Schreiben vom
29. Oktober 2007 mit, er habe die personellen Umsetzungen zur Kenntnis genommen; der
Eingruppierung des Herrn C C in den NV Bühne-BT verweigere er die Zustimmung, da der
Mitarbeiter in den TVöD „gehöre“. Die Arbeitgeberin führte die Maßnahmen ohne weitere
Beteiligung des Betriebsrats wie vorgesehen durch. In den vertraglichen Abreden mit den
Arbeitnehmern wurde der NV Bühne in Bezug genommen und eine individuelle Monatsgage
vereinbart.
6 In dem von ihm am 17. Januar 2008 eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat das Ziel
verfolgt, der Arbeitgeberin aufzugeben, ihn bei der Eingruppierung der vier betroffenen
Arbeitnehmer zu beteiligen. Bei der Beurteilung, ob anstelle des TVöD der NV Bühne zur
Anwendung komme, handele es sich um eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung nach § 99
Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
7 Der Betriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - beantragt,
der Arbeitgeberin aufzugeben, seine Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmer U
S, S M, T P und C C einzuholen und bei deren Verweigerung das arbeitsgerichtliche
Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten.
8 Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag des Betriebsrats abzuweisen. Sie hat die Auffassung
vertreten, die einzelvertragliche Vereinbarung der Anwendung des NV Bühne mit überwiegend
künstlerisch tätigen Bühnentechnikern sei keine der Mitbestimmung des Betriebsrats
unterliegende Eingruppierung. Eine Eingruppierung setze ein aus mindestens zwei
Vergütungsgruppen bestehendes Entgeltschema voraus. Der NV Bühne enthalte für überwiegend
künstlerisch tätiges Personal keine Vergütungsordnung. Soweit sie den NV Bühne
arbeitsvertraglich in Bezug nehme, achte sie darauf, dass die Tätigkeit des jeweiligen Mitarbeiters
dies zulasse. Hierbei handele es sich jedoch nicht um eine Zuordnung zu einer Vergütungsgruppe,
sondern wie bei der Gagenhöhe um eine freie Vereinbarung.
9 Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat
die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der vom
Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 22. September 2009 - 1 ABN 68/09 - zugelassenen
Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter. Der Betriebsrat
beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
10 B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Antrag des Betriebsrats
zu Recht entsprochen. Der Betriebsrat hat in entsprechender Anwendung des § 101 BetrVG einen
Anspruch darauf, dass die Arbeitgeberin seine Zustimmung zur Eingruppierung der vier
betroffenen Arbeitnehmer in den NV Bühne einholt und im Falle der Verweigerung das
arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchführt. Die Entscheidung der
Arbeitgeberin, die vier Arbeitnehmer dem NV Bühne zuzuordnen, ist eine
mitbestimmungspflichtige Eingruppierung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
11 I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig. Er ist insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253
Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein ihm entsprechender Tenor ist erforderlichenfalls nach § 85 Abs. 1 Satz 1
und Satz 3 ArbGG iVm. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO vollstreckbar (vgl. BAG 22. April 2009 - 4 ABR
14/08 - Rn. 13 mwN, BAGE 130, 286). Der Antrag entspricht der Formulierung, die das
Bundesarbeitsgericht in gleich gelagerten Fällen für sachdienlich erachtet hat (vgl. etwa BAG
22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - aaO; 26. Oktober 2004 - 1 ABR 37/03 - zu B I 2 der Gründe,
BAGE 112, 238). Wird dem Antrag entsprochen, hat die Arbeitgeberin die Zustimmung des
Betriebsrats zu der von ihr - weiterhin für richtig erachteten - Zuordnung der namentlich
bezeichneten Arbeitnehmer zum NV Bühne einzuholen und nach fristgerechter, beachtlicher
Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99
Abs. 4 BetrVG einzuleiten. Dabei berühmt sich der Betriebsrat, wie die Auslegung seines Antrags
ergibt, keines Mitbestimmungsrechts bei der einzelvertraglichen Vereinbarung. Es geht ihm auch
nicht darum, eine bestimmte andere Eingruppierungsentscheidung der Arbeitgeberin
herbeizuführen. Vielmehr will er lediglich an der von der Arbeitgeberin vorgenommenen Zuordnung
der Arbeitnehmer zum NV Bühne nach § 99 BetrVG im Wege einer Mitbeurteilung beteiligt werden.
Daher sind sowohl das Zustimmungsverfahren als auch das gerichtliche
Zustimmungsersetzungsverfahren ergebnisoffen. Erst in diesem Verfahren wird geprüft, ob die
von der Arbeitgeberin für richtig erachtete Eingruppierung zutreffend ist (vgl. etwa BAG
12. Dezember 2006 - 1 ABR 13/06 - Rn. 10 mwN, BAGE 120, 303).
12 II. Der Antrag ist begründet. Er folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 101 BetrVG. Der
Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin die Beteiligung an der Zuordnung der vier betroffenen
Arbeitnehmer zum NV Bühne verlangen. Es handelt sich dabei um eine nach § 99 Abs. 1 Satz 1
BetrVG mitbestimmungspflichtige Eingruppierung. Die einzelvertragliche Vereinbarung einer
überwiegend künstlerischen Tätigkeit mit einem Angehörigen der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2
NV Bühne genannten Berufsgruppen selbst ist allerdings mitbestimmungsfrei. Der Betriebsrat hat
jedoch mitzubeurteilen, ob der betreffende Arbeitnehmer einer der Berufsgruppen des § 1 Abs. 3
Unterabs. 2 NV Bühne angehört und damit die Vergütungsordnung des NV Bühne anzuwenden ist.
§ 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG steht dem Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats nicht entgegen.
Dessen Zustimmung zur Eingruppierung der vier betroffenen Arbeitnehmer gilt auch nicht etwa
nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als bereits erteilt.
13 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Betriebsrat in Fällen,
in denen der Arbeitgeber eine Ein- oder Umgruppierung vorgenommen hat, ohne zuvor versucht
zu haben, die nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats
einzuholen, nach § 101 BetrVG zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts die nachträgliche
Einholung seiner Zustimmung sowie bei deren Verweigerung die Durchführung des
arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG verlangen (BAG
26. Oktober 2004 - 1 ABR 37/03 - zu B II 1 der Gründe mwN, BAGE 112, 238). Das setzt
allerdings voraus, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Maßnahme vorgenommen hat, die eine
Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG darstellt (BAG 26. Oktober 2004 - 1 ABR
37/03 - aaO).
14 a) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat ua. vor jeder Eingruppierung zu unterrichten
und seine Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einzuholen.
15 aa) Das „Mitbestimmungsrecht“ besteht in den Fällen der Ein- und Umgruppierung nicht in einem
Mitgestaltungs-, sondern in einem Mitbeurteilungsrecht. Es setzt voraus, dass der Arbeitgeber
überhaupt eine Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vornehmen will. Eine Ein-
oder Umgruppierung in diesem Sinn besteht in der rechtlichen Beurteilung des Arbeitgebers, dass
der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe oder jedenfalls
einer Vergütungsordnung zuzuordnen ist. Diese Beurteilung hat der Arbeitgeber bei jeder
Einstellung und Versetzung vorzunehmen. Das folgt bereits aus § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, der
für diese Fälle die Unterrichtung des Betriebsrats über die vorgesehene Eingruppierung
ausdrücklich vorschreibt (vgl. für die st. Rspr. BAG 12. Dezember 2006 - 1 ABR 13/06 - Rn. 14,
BAGE 120, 303; 27. Oktober 2010 - 7 ABR 96/09 - Rn. 19).
16 bb) Gibt es im Betrieb mehrere in Betracht kommende Vergütungsordnungen, hat der Betriebsrat
nicht nur ein Mitbeurteilungsrecht bei der Einordnung eines Arbeitnehmers innerhalb einer der
Vergütungsordnungen, sondern auch bei der Frage, ob der Arbeitnehmer in die zutreffende
Vergütungsordnung eingruppiert wird. Er kann die Zustimmung zu einer beabsichtigten
Eingruppierung mit der Begründung verweigern, die Vergütungsordnung, in die der Arbeitgeber den
Arbeitnehmer eingruppieren wolle, sei nicht die richtige. Daher hat der Betriebsrat beispielsweise
mitzubeurteilen, ob ein Arbeitnehmer aufgrund einer Vertragsänderung nicht mehr der bisherigen
Vergütungsordnung unterfällt, sondern einem außertariflichen - nicht weiter gestuften - Bereich
zuzuordnen ist. Diese Beurteilung ist nicht identisch mit dem nicht mitbestimmten Abschluss des
Änderungsvertrags. Sie ist erst dessen Folge. Sie der Mitbeurteilung des Betriebsrats zu
unterziehen, entspricht Sinn und Zweck der Mitwirkung nach § 99 BetrVG bei einer
Umgruppierung. Das Mitbeurteilungsrecht dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung
der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung(en) in gleichen oder vergleichbaren Fällen. Es soll
innerbetriebliche Lohngerechtigkeit und Transparenz der im Betrieb vorgenommenen
Eingruppierungen gewährleisten (27. Oktober 2010 - 7 ABR 96/09 - Rn. 24 mwN).
17 cc) Für das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats ist unerheblich, woraus sich die Geltung der
Vergütungsordnung ergibt. Sie kann in einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag
enthalten sein, auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, aufgrund einzelvertraglicher
Vereinbarungen im Betrieb allgemein zur Anwendung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig
geschaffen sein (BAG 12. Dezember 2000 - 1 ABR 23/00 - zu B I der Gründe, EzA BetrVG 1972
§ 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20).
18 b) Hiernach ist zwar die nach § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne getroffene arbeitsvertragliche
Vereinbarung mit einem Arbeitnehmer, dass er überwiegend künstlerisch tätig werde, keine
Eingruppierung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Dies gilt aber nicht für die vom
Arbeitgeber vorgenommene Zuordnung des Arbeitnehmers zum NV Bühne. An dieser ist der
Betriebsrat zu beteiligen.
19 aa) Die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit ist keine
Eingruppierung. Der Geltungsbereich des NV Bühne wird im Hinblick auf dieses
Tatbestandsmerkmal nach § 1 Abs. 1, Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne konstitutiv durch die
vertragliche Übereinkunft eröffnet. Das Kriterium für den maßgebenden Vertragsinhalt ist die vom
Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit, die durch die individualvertragliche Vereinbarung definiert
wird. Diese Vereinbarung bestimmt den Inhalt der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit.
Machen die Arbeitsvertragsparteien von dieser Möglichkeit einer vertraglichen Eingrenzung
Gebrauch, ist der maßgebende Tätigkeitsbereich schon aufgrund der Willensübereinkunft als
überwiegend künstlerisch anzusehen. Die vereinbarte Tätigkeit ist sachlich geeignet, den
besonderen Regelungen des speziell für den künstlerischen Bereich geschaffenen Tarifvertrags
NV Bühne zu unterfallen. Der Inhalt eines solchen Arbeitsverhältnisses ist durch die Vereinbarung
festgelegt, ohne dass dem Betriebsrat dabei ein Mitbeurteilungsrecht zukommt. § 1 Abs. 3
Unterabs. 2 NV Bühne will damit auch auf die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Rücksicht
nehmen (BAG 27. Oktober 2010 - 7 ABR 96/09 - Rn. 21 mwN ua. auf BVerwG 22. April 1998 - 6 P
4.97 - zu II 3 b der Gründe, NZA-RR 1999, 274 zu § 3 NV Solo). Ein möglicher Widerspruch
zwischen dem, was ein Angehöriger der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten
Berufsgruppen tatsächlich an Arbeitsleistung erbringt, und der Charakterisierung dieser Tätigkeit
als überwiegend künstlerisch ist keine Frage des personellen Anwendungsbereichs des
NV Bühne, sondern ein Problem der vertragsgemäßen Beschäftigung (BAG 27. Oktober 2010 -
7 ABR 96/09 - Rn. 22 mwN).
20 bb) Dagegen stellt die Zuordnung des einzelnen Arbeitnehmers zum NV Bühne eine
Eingruppierung dar. Die Arbeitgeberin muss beurteilen, ob der betroffene Arbeitnehmer dem
Anwendungsbereich des NV Bühne oder demjenigen einer anderen Vergütungsordnung unterfällt.
Hierbei ist der Betriebsrat zu beteiligen.
21 (1) Im Betrieb der Arbeitgeberin kamen in der Vergangenheit mit dem BAT-O, dem diesen
ablösenden TVöD, dem BMT-G-O, dem TVK und dem NV Bühne mehrere Vergütungsordnungen
nebeneinander zur Anwendung. Die Kündigung des Haustarifvertrags durch die Arbeitgeberin
führte nicht zum Wegfall der betrieblichen Geltung dieser Vergütungssysteme. Sie hatte lediglich
zur Folge, dass die Vergütungsschemata und die in ihnen zum Ausdruck kommenden
Vergütungsgrundsätze nicht mehr zwingend gelten. Das ändert jedoch nichts daran, dass diese
Grundsätze bislang im Betrieb angewendet wurden und deshalb die dort geltenden
Entlohnungsgrundsätze sind. Bis zu einem wirksamen Änderungsakt sind sie
betriebsverfassungsrechtlich weiter gültig (vgl. BAG 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - Rn. 28 mwN,
BAGE 126, 237; 14. April 2010 - 7 ABR 91/08 - Rn. 14, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung
Nr. 44 = EzA BetrVG 2001 § 99 Eingruppierung Nr. 5).
22 (2) Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats entfällt nicht etwa deshalb insgesamt, weil für seine
rechtliche Prüfung und damit für eine mögliche Zustimmungsverweigerung nur noch wenige
Umstände in Betracht kommen. Allerdings ist die von der Arbeitgeberin mit einem der in § 1 Abs. 3
Unterabs. 2 NV Bühne aufgeführten Arbeitnehmer getroffene arbeitsvertragliche Vereinbarung
einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit für die Beurteilung der Zuordnung zum NV Bühne
verbindlich. Durch sie wird der Inhalt des Arbeitsverhältnisses auch in tarifrechtlich zulässiger
Weise festgelegt. Der Betriebsrat kann aber bei der von der Arbeitgeberin beabsichtigten
Zuordnung zum NV Bühne noch selbständig und unabhängig von der arbeitsvertraglichen
Vereinbarung der überwiegend künstlerischen Tätigkeit prüfen, ob der Arbeitnehmer zu den in § 1
Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen der sog. nachgeordneten
Bühnentechniker gehört (BAG 27. Oktober 2010 - 7 ABR 96/09 - Rn. 25). Ebenso ist Teil der
rechtlichen Mitbeurteilung, ob ein zu den Berufsgruppen des § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne
gehörender Arbeitnehmer, den der Arbeitgeber dem NV Bühne zuordnen will, mit dem Arbeitgeber
tatsächlich eine Vereinbarung getroffen hat, überwiegend künstlerisch tätig zu sein. Der Umstand,
dass sich die Zuordnung zum NV Bühne als - weitgehend einfacher - Normenvollzug darstellt,
führt nicht dazu, dass es sich um keine Eingruppierung handelte. Bei tariflichen
Vergütungsordnungen ist Eingruppierung vielmehr regelmäßig vom Betriebsrat mitzubeurteilender
Normenvollzug des Arbeitgebers (BAG 27. Oktober 2010 - 7 ABR 96/09 - Rn. 25 mwN). Auf die
damit verbundenen Schwierigkeiten kommt es nicht an.
23 2. Dem Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats steht die Tendenzeigenschaft der Arbeitgeberin nicht
entgegen.
24 a) Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG finden die Vorschriften des
Betriebsverfassungsgesetzes auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend
künstlerischen Bestimmungen dienen, keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens
oder des Betriebs entgegensteht. Eine Einschränkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats
kommt dabei nur in Betracht, wenn die Maßnahmen Tendenzträger betreffen. Ein Arbeitnehmer gilt
als Tendenzträger, wenn die Bestimmungen und Zwecke des betreffenden Unternehmens oder
Betriebs seine Tätigkeit prägen (BAG 30. Mai 2006 - 1 ABR 17/05 - Rn. 23 mwN, BAGE 118, 205;
13. Februar 2007 - 1 ABR 14/06 - Rn. 16 mwN, BAGE 121, 139). Auch bei Tendenzträgern
werden die Mitbestimmungsrechte nur ausgeschlossen, soweit sie von einer tendenzbezogenen
Maßnahme betroffen sind, bei der die Ausübung des Beteiligungsrechts des Betriebsrats die
Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzung ernstlich beeinträchtigen würde. Die Beteiligung des
Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen steht der Eigenart eines Tendenzunternehmens nicht
entgegen. Bei diesen personellen Maßnahmen hat der Arbeitgeber keinen Gestaltungsspielraum.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer in die zutreffende Gruppe
der in seinem Betrieb geltenden Vergütungsordnung einzureihen. Da es sich hierbei um einen Akt
der Rechtsanwendung handelt und dem Betriebsrat vom Gesetz nur ein Mitbeurteilungsrecht
eingeräumt worden ist, wird die tendenzbezogene Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des
Arbeitgebers durch das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht beeinträchtigt (BAG 10. März
1992 - 1 ABR 57/91 - zu B I 3 der Gründe mwN; 12. Juni 2003 - 8 ABR 14/02 - zu B II 3 a der
Gründe, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 10).
25 b) Bei der Arbeitgeberin, die ein Theater betreibt, handelt es sich um ein Tendenzunternehmen
(vgl. BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 14/06 - Rn. 15, BAGE 121, 139). Gleichwohl kommt es für
den vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die vier betroffenen Arbeitnehmer Tendenzträger sind.
Selbst wenn hiervon auszugehen wäre, stünde das dem Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei
ihrer Eingruppierung nicht entgegen.
26 3. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der vier betroffenen Arbeitnehmer gilt
nicht etwa nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als bereits erteilt. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat
bislang noch nicht um die Zustimmung zur Zuordnung dieser Arbeitnehmer zum NV Bühne
ersucht.
27 a) Für den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zu einer der in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
bezeichneten personellen Einzelmaßnahme sieht das Gesetz keine besondere Form vor. Fehlt es
an einem ausdrücklichen Zustimmungsersuchen, ist es ausreichend, wenn der Betriebsrat der
Mitteilung des Arbeitgebers entnehmen kann, dass er um die Zustimmung zu einer personellen
Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG angegangen wird. Maßgeblich sind insoweit
die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB). Dies gilt
auch, wenn der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zu mehreren personellen
Maßnahmen einholen will (BAG 10. November 2009 - 1 ABR 64/08 - Rn. 17, AP BetrVG 1972 § 99
Eingruppierung Nr. 43 = EzA BetrVG 2001 § 25 Nr. 2).
28 b) Hier hat die Arbeitgeberin das Zustimmungsverfahren für die Eingruppierung der vier
betroffenen Arbeitnehmer nicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eingeleitet. Weder aus dem den
Arbeitnehmer U S betreffenden undatierten Unterrichtungsschreiben noch aus dem die
Arbeitnehmer S M und T P betreffenden Schreiben vom 9. Juli 2007 noch aus dem den Mitarbeiter
C C betreffenden Schreiben vom 24. Oktober 2007 war für den Betriebsrat erkennbar, dass die
Arbeitgeberin seine Zustimmung zur Eingruppierung einholen wollte. Ein solches Verständnis
ergab sich nicht etwa aus dem Hinweis, die Einstellung bzw. das Engagement erfolge nach NV
Bühne. Die Arbeitgeberin bat den Betriebsrat nicht um eine Zustimmung zur Eingruppierung,
sondern setzte ihn lediglich in Kenntnis von der Einstellung bzw. Umsetzung. Dies war aus ihrer
Sicht auch konsequent, war sie doch der Auffassung, dass eine Ein- oder Umgruppierung nicht
vorliege. Auch aus den Widerspruchsschreiben des Betriebsrats vom 20. Juli 2007 und vom
29. Oktober 2007 ergibt sich nicht, dass dieser die Schreiben der Arbeitgeberin abweichend von
deren objektivem Erklärungswert als Zustimmungsersuchen zur Ein- oder Umgruppierung
verstanden hat.
Linsenmaier
Schmidt
Kiel
Deinert
Strippelmann