Urteil des BAG vom 13.03.2017

Aufhebungsverträge - Altersdiskriminierung - Rechtfertigung durch beschäftigungspolitisches Ziel - arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

Siehe auch:
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 25.2.2010, 6 AZR 911/08
Aufhebungsverträge - Altersdiskriminierung - Rechtfertigung durch beschäftigungspolitisches Ziel -
arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Leitsätze
Ältere Arbeitnehmer, die ein Arbeitgeber generell von einem Personalabbau ausnimmt, werden
grundsätzlich auch dann nicht iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar gegenüber jüngeren
Arbeitnehmern benachteiligt, wenn der Personalabbau durch freiwillige Aufhebungsverträge unter
Zahlung attraktiver Abfindungen erfolgen soll.
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Niedersachsen vom 15. September 2008 - 9 Sa 525/07 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Altersdiskriminierung
oder wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zum Abschluss eines
Aufhebungsvertrags gegen Abfindung verpflichtet ist.
2 Der 1949 geborene Kläger ist seit 1971 bei der Beklagten beschäftigt. Im Juni 2006 legte die
Beklagte, bei der betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu diesem Zeitpunkt tariflich noch bis
mindestens 31. Dezember 2011 ausgeschlossen waren, für die bei ihr und bei bestimmten
konzernangehörigen Gesellschaften Beschäftigen ein Abfindungsmodell für Arbeitnehmer auf, die
bis zum 30. Juni 2007 freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden. Für die Arbeitnehmer,
deren Arbeitsverhältnisse zwischen dem 1. Juni und dem 30. September 2006 aufgrund
entsprechender Aufhebungsverträge endeten, war eine zusätzliche „Turbo-Prämie“ von
54.000,00 Euro brutto vorgesehen. Dieses Modell richtete sich ausdrücklich lediglich an
Mitarbeiter der Jahrgänge 1952 und jünger. Es stand unter einem doppelten
Freiwilligkeitsvorbehalt: Kein Arbeitnehmer musste zu den dargelegten Bedingungen aus dem
Arbeitsverhältnis ausscheiden; die Beklagte behielt sich vor, Angebote von Arbeitnehmern auf ein
Ausscheiden abzulehnen. Bis zum 1. Januar 2007 hatten 5.937 Arbeitnehmer Aufhebungsverträge
unterschrieben, darunter 24 Arbeitnehmer, die wie der Kläger vor dem 1. Januar 1952 geboren
sind. Das ergibt sich aus einem „Flash-Report“ mit Stand vom 1. Januar 2007. Zwischen den
Parteien ist streitig, zu welchen Konditionen die 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen
Arbeitnehmer, mit denen die Beklagte Aufhebungsverträge geschlossen hat, aus dem
Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind.
3 Der Kläger erhielt das Rundschreiben von Mai 2006, aus dem sich die Einzelheiten des
Abfindungsmodells ergaben, nicht. Mit Schreiben vom 13. Juni 2006 bat er unter Bezug auf dieses
Rundschreiben die Beklagte darum, ihm ein „entsprechendes“ Angebot zu unterbreiten. Dem
Kläger stünde nach dem von der Beklagten aufgelegten Modell bei Ausscheiden bis zum
Kläger stünde nach dem von der Beklagten aufgelegten Modell bei Ausscheiden bis zum
30. September 2006 inklusive der Turbo-Prämie unstreitig eine Abfindung von 171.720,00 Euro
brutto zu. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 22. Juni 2006 den Abschluss einer
Aufhebungsvereinbarung zu den im Rundschreiben niedergelegten Bedingungen ab. Sie wies auf
die bei ihr bestehende tarifliche Altersteilzeitregelung hin und erklärte sich bereit, dem Kläger eine
Abfindung zu zahlen, die sich an den Altersteilzeitregelungen orientierte. Nach den bei der
Beklagten geltenden tariflichen Regelungen darf die Altersteilzeit 24 Kalendermonate nicht unter-
und 60 Kalendermonate nicht überschreiten. Während der Altersteilzeit dürfen grundsätzlich nur
geringfügige Tätigkeiten unterhalb der Grenze des § 8 SGB IV ausgeübt werden.
4 In der Güteverhandlung bot die Beklagte dem Kläger eine Abfindung von 58.700,00 Euro netto an.
Dieser bat daraufhin mit Schreiben vom 26. Oktober 2006 um kurzfristige Mitteilung, welche
Bruttoabfindung der Berechnung der Beklagten zugrunde liege, und um Übersendung der
entsprechenden Berechnungen. Die Beklagte antwortete daraufhin mit Schreiben vom 30. Oktober
2006 wie folgt:
„... teilen wir Ihnen mit, dass es uns nicht möglich ist, Ihnen eine Bruttoabfindungssumme
zu nennen, weil diese abhängig vom konkreten Verdienst und den Steuerdaten Ihres
Mandanten zum Auszahlungszeitpunkt ist. Die Nettosumme errechnet sich nach den
Monaten bis zu einem frühestmöglichen Renteneintritt Ihres Mandanten (in diesem Fall 60
Jahre nach Altersteilzeit, also bei Austritt noch in diesem Oktober 36 Monate) und den
Nettobeträgen, die er in einer Altersteilzeit monatlich lt. Zumutbarkeitstabelle erhalten würde
(unter Berücksichtigung der Steuerklasse III 1.632,46 EUR).
...“
5 Ein Aufhebungsvertrag zu diesen Konditionen kam zwischen den Parteien nicht zustande.
6 Mit der am 22. September 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger den
Abschluss eines Aufhebungsvertrags unter Zahlung einer Abfindung von 171.720,00 Euro brutto.
7 Der Kläger hat die Ansicht vertreten, sein Anspruch ergebe sich aus dem Verbot der
Altersdiskriminierung. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) finde bereits Anwendung.
Die Beklagte habe auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes noch den Abschluss des
Aufhebungsvertrags zu den begehrten Bedingungen abgelehnt. Sie habe falsche
Vergleichsgruppen gebildet. Zu vergleichen seien die Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag
gegen Zahlung einer Abfindung schließen wollten, und die Arbeitnehmer, die das Arbeitsverhältnis
fortsetzen wollten. Die Möglichkeit, Altersteilzeit in Anspruch nehmen zu können, rechtfertige die
Ungleichbehandlung der kontrahierungswilligen Arbeitnehmer der Geburtsjahrgänge 1951 und älter
nicht. So könne er - unstreitig - frühestens im Jahr 2009 Altersteilzeit in Anspruch nehmen, also zu
einem Zeitpunkt, zu dem das von der Beklagten aufgelegte Abfindungsmodell bereits abgelaufen
sei. Personalabbau sei kein legitimes und angemessenes Ziel iSd. § 10 AGG.
8 Der Kläger behauptet, er werde auch gegenüber den vor dem 1. Januar 1952 geborenen 24
Arbeitnehmern ungleich behandelt, mit denen die Beklagte Aufhebungsverträge geschlossen habe.
Aus dem Flash-Report ergebe sich, dass die Aufhebungsverträge zu den Bedingungen der Turbo-
Prämie abgeschlossen worden seien. Andernfalls wären sie in diesem nicht aufgeführt, der sich
nach seinem Sinn und Zweck lediglich auf die Turbo-Prämie beziehe. Weitere Darlegungen seien
ihm nicht möglich, da ihm diese Mitarbeiter namentlich nicht bekannt seien.
9 Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot zum Abschluss eines
Aufhebungsvertrags, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer
Abfindung in Höhe von 117.720,00 Euro zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von
54.000,00 Euro, insgesamt also eine Abfindung in Höhe von 171.720,00 Euro
beinhaltet, zu unterbreiten, sowie
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger dadurch entstanden sind und
entstehen werden, dass die Beklagte dem Kläger wegen seines Alters keinen
Aufhebungsvertrag über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bis zum
30. September 2006 und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 117.720,00 Euro
zuzüglich Zuschlag in Höhe von 54.000,00 Euro, insgesamt also eine Abfindung in
Höhe von 171.720,00 Euro, angeboten hat.
10 Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags auf den doppelten
Freiwilligkeitsvorbehalt verwiesen, unter dem der Abschluss der Aufhebungsverträge im Rahmen
der aufgelegten Aktion gestanden habe. Da sie das Angebot des Klägers, gegen Zahlung einer
Abfindung zu den Bedingungen des Rundschreibens aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden,
vor Inkrafttreten des AGG endgültig abgelehnt habe, finde dieses keine Anwendung. Jedenfalls
habe sie den Kläger nicht wegen seines Alters diskriminiert. Für ihn sei die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses wirtschaftlich am vorteilhaftesten.
11 Die Beklagte hat behauptet, sie habe mit den Arbeitnehmern, die vor dem 1. Januar 1952 geboren
seien, zu anderen Konditionen als denen des Rundschreibens kontrahiert. Sie hat insoweit drei
Arbeitnehmer aus dem Werk H, in dem auch der Kläger beschäftigt war, namentlich benannt.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Arbeitnehmer nicht zu den Bedingungen des
Rundschreibens von Mai 2006 ausgeschieden sind. Der Flash-Report werte insgesamt aus, mit
wie vielen Arbeitnehmern einvernehmliche Ausscheidensregelungen getroffen worden seien.
12 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der
Ausschluss der vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer aus dem Personenkreis des
2006 aufgelegten Abfindungsmodells sei durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und objektiv
angemessen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den 24
Arbeitnehmern, die als Angehörige des Jahrgangs 1951 und älter Aufhebungsverträge erhalten
hätten. Die Beklagte biete auch älteren Arbeitnehmern Abfindungen an, wie sie es unstreitig auch
beim Kläger getan habe. Deshalb reiche es aus, wenn die Beklagte lediglich bestreite, dass im
Flash-Report ausschließlich Arbeitnehmer aufgeführt seien, die zu den Konditionen des Turbo-
Modells ausgeschieden seien.
13 Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision,
mit der er ua. geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe die Anforderungen an die Darlegungs-
und Beweislast rechtsfehlerhaft überspannt, soweit es die Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes verneint habe.
Entscheidungsgründe
14 Der Kläger ist im Rahmen der von der Beklagten im Jahr 2006 aufgelegten Abfindungsaktion
weder wegen seines Alters diskriminiert noch von der Beklagten gleichheitswidrig benachteiligt
worden. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
15 A. Die Beklagte hat bei ihrer im Rahmen eines Personalabbaus durchgeführten Abfindungsaktion
den Kläger nicht wegen seines Alters diskriminiert. Er hat deshalb unter diesem Gesichtspunkt
keinen Anspruch auf das begehrte Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen
Zahlung einer Abfindung von 171.720,00 Euro.
16 I. Die Beklagte hat den Kläger durch die Herausnahme aus dem Personenkreis, mit dem sie bereit
war, den Abschluss von Aufhebungsverträgen zu den Bedingungen des Rundschreibens vom Mai
2006 in Betracht zu ziehen, nicht wegen seines Alters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar
benachteiligt. Bereits aus diesem Grund besteht kein Anspruch des Klägers auf Abschluss eines
Aufhebungsvertrags als Erfüllungsanspruch aus § 7 Abs. 1 AGG (zum Anspruch auf Abschluss
eines Änderungsvertrags als vorenthaltene Leistung nach dem Rechtsgedanken des durch das
eines Änderungsvertrags als vorenthaltene Leistung nach dem Rechtsgedanken des durch das
AGG aufgehobenen § 611a Abs. 3 Satz 1 BGB siehe BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 -
Rn. 48, BAGE 123, 358; zum Anspruch auf Erfüllung derjenigen Ansprüche, die der begünstigten
Gruppe zustehen, bei Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes siehe BAG
24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - Rn. 37, NZA 2010, 159; zum Erfüllungsanspruch aus § 7
Abs. 1 AGG allg. siehe Wendeling-Schröder/Stein AGG § 7 Rn. 6; Schleusener/Suckow/Voigt
AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 19 f.). Ob einem solchen Erfüllungsanspruch die Bestimmung des § 15
Abs. 6 AGG entgegenstünde, der einen Vertragsabschlusszwang als Schadenersatz bei
Verstößen des Arbeitgebers gegen § 7 Abs. 1 AGG bei Begründung eines Beschäftigungs- und
Berufsausbildungsverhältnisses und bei beruflichem Aufstieg ausschließt, kann deshalb
dahinstehen. Vertragsänderungen und -beendigungen wie die vom Kläger verlangte werden von
dieser Bestimmung jedenfalls ihrem Wortlaut nach nicht erfasst (ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 15
AGG Rn. 13; für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf die Vereinbarung
jeglichen Vertrags und jeglicher Vertragsänderung gleichwohl MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl.
§ 15 AGG Rn. 42). Ebenso kann dahinstehen, ob ein etwaiger Kontrahierungszwang mit der durch
Art. 2, 12 GG gewährleisteten Vertragsfreiheit vereinbar wäre (vorsichtig bejahend ErfK/Dieterich
10. Aufl. Art. 12 GG Rn. 31 zur Sicherung verfassungsrechtlicher Grundentscheidungen bei
gesetzlicher Grundlage mwN zum Streitstand).
17 1. Nach Auffassung des EuGH ist das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein
allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nunmehr in Art. 21 Abs. 1 der Charta der
Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt ist und den die Richtlinie 2000/78/EG des Rates
vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisiert (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 -
[Kücükdeveci] Rn. 21 f.). Die unionsrechtliche Frage, welcher Rechtscharakter dem Verbot der
Altersdiskriminierung zukommt, ist damit vom EuGH endgültig beantwortet. Dieses Verbot ist vom
EuGH in den Rang eines Primärrechts erhoben worden, das unabhängig von einer nationalen
Umsetzung auch im Verhältnis zwischen Privaten von den Gerichten unmittelbar anzuwenden ist.
Ob dieses Verbot verletzt worden ist, ließ sich angesichts seiner Unbestimmtheit bis zum
Inkrafttreten des AGG nur am Maßstab der es konkretisierenden Richtlinie 2000/78/EG des Rates
vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG ABl. EG Nr. L 303 vom
2. Dezember 2000 S. 16) feststellen. Seit dem 18. August 2006 ist eine Verletzung des Verbots
der Altersdiskriminierung anhand des diese Richtlinie in nationales Recht umsetzenden AGG zu
prüfen.
18 Auch wenn die Beklagte das Angebot des Klägers auf Kontrahierung zu den Bedingungen des
Rundschreibens noch vor Inkrafttreten des AGG endgültig abgelehnt hat, ist damit die Frage, ob
sie dadurch das Verbot der Altersdiskriminierung verletzt hat und der Kläger Anspruch auf Abgabe
der begehrten Willenserklärung hat (§ 894 Satz 1 ZPO), am Maßstab des AGG zu beantworten.
Dies gilt um so mehr, als der Kläger sein Verlangen nach einem Angebot zum Abschluss eines
entsprechenden Aufhebungsvertrags spätestens mit seiner der Beklagten am 29. September 2006
zugestellten Klageschrift und damit vor Ablauf der von der Beklagten für den Anspruch auf die
höchste Stufe der Turbo-Prämie gesetzten Frist am 30. September 2006 wiederholt hat, der
Sachverhalt also bei Inkrafttreten des AGG noch nicht abgeschlossen iSd. § 33 Abs. 1 AGG war
(dazu zuletzt BAG 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 31 ff.).
19 2. Die das Verbot der Altersdiskriminierung konkretisierende Richtlinie 2000/78/EG soll
ausweislich ihres Art. 1 innerhalb der Europäischen Gemeinschaft einen allgemeinen Rahmen für
die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes festlegen und in diesem Rahmen
Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf bekämpfen. Verboten ist deshalb im hier
interessierenden Zusammenhang jede unmittelbare und mittelbare Diskriminierung wegen des
Alters. Welches Verhalten als unzulässige Diskriminierung zu werten ist, legt Art. 2 Abs. 2 der
Richtlinie fest. Regelungstechnisch ist das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung in Art. 2
Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ein Verbot, eine differenzierende, benachteiligende Behandlung an
das Alter zu knüpfen. Erfährt eine Person wegen ihres Alters eine weniger günstige Behandlung
als andere Personen in vergleichbaren Situationen, stellt eine solche Ungleichbehandlung
begrifflich zunächst einmal eine „unmittelbare Diskriminierung“ iSd. Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2
Buchst. a der Richtlinie dar (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 59,
EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9).
20 Eine derartige Ungleichbehandlung unterliegt - anders als unmittelbare Diskriminierungen im
Europarecht im Allgemeinen - jedoch nicht uneingeschränkt dem Verdikt, rechtswidrig zu sein.
Das Differenzierungsmerkmal des Alters als solches besitzt nämlich im Unterschied zu den
übrigen in Art. 1 der Richtlinie genannten verbotenen Anknüpfungspunkten die zur Annahme einer
verbotenen Diskriminierung erforderliche abschließende Aussagekraft für sich allein genommen
noch nicht. Auch bei Anknüpfung an ein solches Merkmal können die Betroffenen tatsächlich nicht
nachteilig belastet sein. Alter ist eine lineare Eigenschaft, denn jeder Beschäftigte weist irgendein
Alter auf, das sich auf einer horizontalen, nach Lebensjahren eingeteilten Skala entwickelt, auf der
sich Abschnitte festlegen und Differenzierungen nach Altersstufen vornehmen lassen. Die anderen
in Art. 1 der Richtlinie genannten Diskriminierungsmerkmale lassen sich nicht in derartigen Stufen
messen und sind keiner ständigen, unausweichlichen Veränderung unterworfen, sondern -
jedenfalls im Regelfall - ein für alle Mal festgelegt. Das Alter ist dagegen ein ambivalentes,
relatives Differenzierungsmerkmal (Linsenmaier RdA 2003 Sonderbeilage Heft 5 S. 22, 25;
Sprenger Das arbeitsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung nach der Richtlinie 2000/78/EG
S. 58 mwN zu Fn. 357). Von einer Altersdiskriminierung ist darum potenziell jeder Mensch
betroffen. Eine bloße Differenzierung anhand des Lebensalters indiziert deshalb selbst dann, wenn
sie zu einer Benachteiligung einer Personengruppe bestimmten Alters führt, eine Diskriminierung
im Sinne einer rechtswidrigen Benachteiligung (vgl. Brockhaus Enzyklopädie 21. Aufl.
„Diskriminierung“; Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch 1981 2. Bd. S. 245 „diskriminieren“)
noch nicht. Vielmehr kann es gerechtfertigt sein, eine Maßnahme altersabhängig zu gestalten. Das
bringt der Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2000/78/EG zum Ausdruck, der eine
Unterscheidung zwischen einer bloßen Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige
Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung
gerechtfertigt ist, und einer zu verbietenden Diskriminierung verlangt.
21 Wegen dieser Besonderheiten des Alterskriteriums als Anknüpfungspunkt einer Diskriminierung
sieht die Richtlinie 2000/78/EG abweichend von der üblichen Systematik unionsrechtlicher
Diskriminierungsverbote nicht nur in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b bei mittelbaren Diskriminierungen
Rechtfertigungsmöglichkeiten vor, sondern eröffnet in Art. 6 auch bei unmittelbar an das Alter
anknüpfenden Maßnahmen die Möglichkeit, diese durch den Nachweis ihrer Verhältnismäßigkeit
zu rechtfertigen (Schlachter Altersgrenzen und Alterssicherung im Arbeitsrecht S. 355, 366 f.).
22 3. Diese Systematik der Richtlinie 2000/78/EG behält das AGG bei. Danach hat die Beklagte den
Kläger schon nicht wegen seines Alters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar benachteiligt.
23 a) Die Beklagte hat den Kläger aus dem Kreis der Arbeitnehmer ausgenommen, mit denen sie den
Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu den Konditionen des Rundschreibens in Erwägung
gezogen hat, weil er vor dem 1. Januar 1952 geboren ist. Damit ist der Anwendungsbereich des
AGG eröffnet, denn unter die Entlassungsbedingungen iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 2 AGG fallen auch
Aufhebungsverträge (Wendeling-Schröder/Stein AGG § 2 Rn. 16; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 2
AGG Rn. 8; vgl. EuGH 16. Februar 1982 - C-19/81 - [Burton] Rn. 9, Slg. 1982, 555 für die Richtlinie
76/207).
24 b) Die von der Beklagten vorgenommene Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern, die vor oder
nach dem 1. Januar 1952 geboren sind, benachteiligte Arbeitnehmer wie den Kläger, die vor dem
1. Januar 1952 geboren sind, nicht unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Solche Arbeitnehmer
haben dadurch, dass sie von dem geplanten Personalabbau ausgenommen worden sind, keine
weniger günstige Behandlung als jüngere Arbeitnehmer erfahren, denen das Angebot unterbreitet
worden ist, zu den im Rundschreiben vom Mai 2006 genannten Bedingungen auszuscheiden, und
die dieses Angebot angenommen haben. Das gilt auch dann, wenn ältere Arbeitnehmer wie der
Kläger ein Angebot der Beklagten, zu den Bedingungen des Rundschreibens bis zum 30.
September 2006 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, angenommen hätten.
25 aa) Ein Arbeitnehmer erfährt nicht bereits dann eine „weniger günstige Behandlung“ iSv. § 3 Abs. 1
AGG, wenn er objektiv anders als ein älterer oder jüngerer Arbeitnehmer behandelt wird (vgl.
Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 4; MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 3 AGG Rn. 2; vgl.
für die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 1 GG ErfK/Schmidt 10. Aufl. Art. 3 GG Rn. 34;
Osterloh in Sachs Grundgesetz 5. Aufl. 2009 Art. 3 Rn. 84). Die dargelegte fehlende Eindeutigkeit
des ambivalenten Diskriminierungsmerkmals „Alter“ verlangt bereits auf der Tatbestandsebene
zur Feststellung einer objektiv vorliegenden Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG eine
Ungleichbehandlung, die für den Betroffenen einen eindeutigen Nachteil bewirkt. Die
Differenzierung zwischen unterschiedlich alten Arbeitnehmern muss sich also für eine bestimmte
Altersgruppe negativ auswirken, indem sie sie zurücksetzt (Wendeling-Schröder/Stein aaO;
Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 2).
26 bb) Ob ein Arbeitnehmer, der von einem durch Abschluss freiwilliger Aufhebungsverträge unter
Zahlung von Abfindungen durchgeführten Personalabbau wegen seines Alters ausgenommen
wird, im vorstehend dargelegten Sinn eine „weniger günstige Behandlung“ erfährt als jüngere
Arbeitnehmer, denen Aufhebungsverträge gegen Zahlung einer Abfindung angeboten werden, und
deshalb im unionsrechtlichen Sinne zunächst unmittelbar diskriminiert wird, kann nur unter
Heranziehung der Gründe beurteilt werden, die zur Aufnahme des Alters als verpöntes
Differenzierungsmerkmal in die Richtlinie 2000/78/EG und damit in das AGG geführt haben.
27 (1) Ziel für die Schaffung einer Richtlinie zur einheitlichen Bekämpfung von Diskriminierungen in
der Europäischen Union war es, sicherzustellen, dass ein möglichst hoher Prozentsatz der
Personen im erwerbsfähigen Alter tatsächlich einer Beschäftigung nachgeht. Ältere Menschen
werden im Bereich Beschäftigung bei Arbeitsplatzverlusten, Einstellung, Teilnahme an Aus- und
Weiterbildungsmaßnahmen und in Bezug auf die Bedingungen für den Eintritt in den Ruhestand
besonders diskriminiert (KOM [1999] 565 endgültig S. 3).
28 Diese von der Kommission in ihrem Vorschlag zum Erlass einer Gleichbehandlungsrichtlinie
angeführte Zielrichtung des Schutzes und der Integration gerade älterer Arbeitnehmer in den
Arbeitsmarkt hat auch in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2000/78/EG Niederschlag
gefunden. Nach Art. 253 EGV bedarf das gesamte Sekundärrecht der Gemeinschaft einer
Begründung, die die wichtigsten rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen darlegt, auf denen die
Rechtshandlungen beruhen und die für das Verständnis des Gedankengangs erforderlich sind.
Motive und Hintergründe, die zum Erlass der Maßnahme geführt haben, sollen durch sie
transparent gemacht werden. Mitgliedsstaaten und den Gemeinschaftsrichtern dienen sie als
Indikator und maßgebliche Erkenntnisquelle zur Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit einer
Maßnahme (Calliess in Calliess/Ruffert EUV/EGV 3. Aufl. 2007 Art. 253 EGV Rn. 2, 6; Schwarze
EU-Kommentar 2. Aufl. Artikel 253 EGV Rn. 5 f.). Erwägungsgründe stellen deshalb nicht etwa
unbeachtliche Programmsätze dar, sondern geben für die Auslegung der Regelungen einer
Richtlinie entscheidende Hinweise (vgl. Senat 26. Oktober 2006 - 6 AZR 307/06 - Rn. 43, AP BGB
§ 611 Kirchendienst Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 9 [insoweit in der
amtl. Sammlung nicht abgedruckt]; vgl. auch BVerfG 20. September 2007 - 2 BvR 855/06 -
Rn. 33, NJW 2008, 209).
29 Der Erwägungsgrund Nr. 6 nimmt auf die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der
Arbeitnehmer Bezug, in der anerkannt werde, wie wichtig die Bekämpfung jeder Art von
Diskriminierung und geeignete Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung älterer
Menschen und Menschen mit Behinderung seien. Der Erwägungsgrund Nr. 8 betont, dass der
Unterstützung älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel der Erhöhung ihres Anteils an der
Erwerbsbevölkerung besonderer Aufmerksamkeit gebührt. Erwägungsgrund Nr. 11 stellt fest,
dass Diskriminierungen ua. wegen des Alters die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten
Ziele unterminieren könnten, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus
und eines hohen Maßes an sozialem Schutz. Schließlich stellt nach dem bereits angeführten
Erwägungsgrund Nr. 25 das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein wesentliches
Element zur Erreichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der
Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Nach Art. 2 Abs. 1 erster Gedankenstrich EU und Art. 2
EG zählt die Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus zu den Zielen, die sowohl von der
Europäischen Union als auch von der Gemeinschaft verfolgt werden (EuGH 16. Oktober 2007 - C-
411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 64, Slg. 2007, I-8531).
30 (2) Dem Schutz älterer Menschen vor Benachteiligung im Beschäftigungsverhältnis kommt auch
nach Auffassung des nationalen Gesetzgebers besondere Bedeutung zu (BT-Drucks. 16/1780
S. 31, 36). Dieser hat bei der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG darauf abgestellt, dass es
auch in Deutschland Hinweise dafür gebe, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen schlechtere
Chancen im Arbeitsleben als andere hätten. Insbesondere Frauen, Menschen mit
Migrationshintergrund, Behinderte und ältere Menschen seien schlechter in die Arbeitswelt
eingebunden. Menschen über 55 und unter 20 Jahren arbeiteten überdurchschnittlich häufig in
atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Die Erwerbsbeteiligung der über 55-Jährigen gehe
drastisch zurück. Bei Männern falle sie zwischen 55 und 64 Jahren von 82,1 % auf 27 %. Diese
soziale Lage könne zwar nicht allein mit gesetzlichen Benachteiligungsverboten verbessert
werden, mache aber deutlich, dass auch in Deutschland diese Personengruppen besonderen
Schutzes bedürften (BT-Drucks. 16/1780 S. 23 bis 25).
31 (3) Schutz und Integration älterer Arbeitnehmer stehen somit im Vordergrund der mit der Richtlinie
2000/78/EG und dem AGG verfolgten Ziele, soweit diese die Diskriminierung wegen des Alters
verbieten (vgl. ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 1 AGG Rn. 11; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1
Rn. 67). Dies wird auch daran deutlich, dass die in Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG genannten
Rechtfertigungsgründe für Ungleichbehandlungen wegen des Alters, soweit sie in Abs. 1 Satz 2
Buchst. a die Entlassungsbedingungen ausdrücklich ansprechen, den Schutz älterer Arbeitnehmer
verstärken und nicht etwa schwächen sollen (Schlachter Altersgrenzen und Alterssicherung im
Arbeitsrecht S. 355, 369 f.).
32 Zwar ist unbestritten auch die Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer durch die Richtlinie
2000/78/EG untersagt (Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 66; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 1
AGG Rn. 11; Linsenmaier RdA 2003 Sonderbeilage Heft 5 S. 22, 25; zu einer Diskriminierung
jüngerer Arbeitnehmer durch ein Punkteschema bei Versetzungen vgl. BAG 13. Oktober 2009 -
9 AZR 722/08 - DB 2010, 397). Gleichwohl darf die oben dargestellte Hauptzielrichtung der
Richtlinie bei der Auslegung des § 3 AGG nicht unbeachtet bleiben.
33 cc) Angesichts dieser Zielrichtung der das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung
konkretisierenden Richtlinie 2000/78/EG und des diese umsetzenden AGG werden ältere
Arbeitnehmer, die ein Arbeitgeber generell von einem Personalabbau ausnimmt, auch dann nicht
iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar gegenüber jüngeren Arbeitnehmern benachteiligt, wenn
der Personalabbau durch freiwillige Aufhebungsverträge unter Zahlung attraktiver Abfindungen
erfolgen soll. Bei Anlegung des von der Richtlinie 2000/78/EG und des AGG geforderten objektiven
Maßstabes zur Beurteilung einer Benachteiligung (ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 3;
Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 4; aA wohl Schleusner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3
Rn. 12) werden ältere Arbeitnehmer durch die Herausnahme aus dem Personalabbau gegenüber
jüngeren Arbeitnehmern, die unter Zahlung einer Abfindung freiwillig aus dem Unternehmen
ausscheiden können und sich neue Erwerbschancen suchen müssen, im Regelfall nicht weniger
günstig behandelt. Im Gegenteil ist der Zweck des Diskriminierungsverbots wegen des Alters
grundsätzlich gerade durch den weiteren Verbleib älterer Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis
verwirklicht. Diese stehen dadurch nach wie vor in einem Arbeitsverhältnis, das bei Vorliegen der
Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes bestandsgeschützt ist. Sie erhalten so bei
typisierender Betrachtung aus der ex ante-Perspektive die Chance, bis zum Eintritt in den
Ruhestand bzw. bis zum Erreichen der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Altersgrenze
erwerbstätig zu bleiben. Dass in Einzelfällen Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen vor
Erreichen der Altersgrenze ausscheiden oder später aus betriebsbedingten Gründen doch ihren
Arbeitsplatz verlieren, muss dabei außer Betracht bleiben. Auch die subjektive Einschätzung
einzelner älterer Arbeitnehmer, es sei für sie wirtschaftlich attraktiver, unter Zahlung einer
Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden als im Arbeitsverhältnis zu verbleiben - etwa
in der Hoffnung oder Erwartung, sich neue Einkommensquellen zu erschließen -, kann nach dem
Regelungszweck des AGG, der mit dem der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang steht, eine
Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nicht begründen (vgl. bereits Senat 17. Dezember
2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 31, NZA 2010, 273). Das Verbot der Altersdiskriminierung zwingt
deshalb Arbeitgeber im Rahmen eines von ihnen geplanten Personalabbaus im Regelfall nicht
dazu, auf Verlangen älterer Arbeitnehmer mit diesen einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung
einer Abfindung zu schließen.
34 II. Jedenfalls war die Herausnahme älterer Arbeitnehmer aus der von der Beklagten im Jahr 2006
vorgenommenen Personalabbaumaßnahme gerechtfertigt iSd. § 10 AGG.
35 1. § 10 AGG hat Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG unionsrechtskonform umgesetzt. Der
Gesetzgeber hat die möglichen Rechtfertigungsgründe zunächst in § 10 Satz 1 und 2 AGG in
Form einer Generalklausel umschrieben, die mit der des Art. 6 Abs. 1 nahezu wortgleich ist. In
§ 10 Satz 3 AGG sind dann sechs nicht abschließende Anwendungsfälle von denkbaren
Rechtfertigungen aufgeführt (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 40, EzA AGG § 15
Nr. 1). Zur weitergehenden Festlegung von rechtfertigenden Zielen war der nationale Gesetzgeber
nicht verpflichtet. Die Mitgliedstaaten sind durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht
gezwungen, einen abschließenden Katalog rechtfertigender Ausnahmen aufzustellen. Die darin
genannten Ziele sind nicht abschließend, sondern haben nur Hinweischarakter (EuGH 5. März
2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 43, 52, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78
Nr. 9; BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 49, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78
Nr. 12; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 36, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001
§ 112 Nr. 31).
36 Auch die Generalklausel in § 10 Satz 1 und 2 AGG ist unionsrechtskonform. Der Gesetzgeber
kann über eine solche Regelung Tarif-, Betriebsparteien oder auch einzelnen Arbeitgebern
Ermessens- und Gestaltungsbefugnisse bei der Festlegung von Zielen, die als rechtmäßig iSv.
Art. 6 der Richtlinie angesehen werden können, einräumen und damit den Arbeitgebern bei der
Verfolgung der in der Umsetzungsnorm genannten rechtmäßigen Ziele eine gewisse Flexibilität
gewähren (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, EzA EG-Vertrag
1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9; Schlussantrag des Generalanwalts Mazák vom 23. September
2008 - C-388/07 - Rn. 83; Sprenger EuZA 2009, 355, 358; vgl. für Tarifvertrags- und
Betriebsparteien BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 50, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie
2000/78 Nr. 12; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 38, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA
BetrVG 2001 § 112 Nr. 31). Dies hat der nationale Gesetzgeber getan, der in der
Gesetzesbegründung ausdrücklich auch einzel- und kollektivvertragliche Regelungen einer
Rechtfertigung über die Generalklausel zugänglich machen will (BT-Drucks. 16/1780 S. 36).
37 2. Die von der Beklagten vorgenommene Maßnahme unterfällt keinem der Regelbeispiele in § 10
Satz 3 Nr. 1 bis 6 AGG. Das in Nr. 6 dieser Norm aufgeführte Regelbeispiel ist nicht analog auf
einzelvertragliche Abfindungsregelungen anzuwenden (aA Schleusener/Suckow/Voigt AGG
2. Aufl. § 10 Rn. 59; für eine Ausdehnung nur auf freiwillige Sozialpläne und bei Sozialplänen nach
dem Personal- oder Mitarbeitervertretungsrecht Wendeling-Schröder/Stein AGG § 10 Rn. 61; der
Senat hat in seiner Entscheidung vom 19. November 2009 - 6 AZR 561/08 - Rn. 30 die für
Sozialpläne geltenden Grundsätze des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG auch auf eine von einer paritätisch
besetzen Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission beschlossene kirchliche
Arbeitsvertragsregelung angewandt). Nach dem eindeutigen, nicht auslegungsfähigen Wortlaut
dieser Vorschrift sind davon nur kollektivrechtlich vereinbarte Leistungen erfasst. Es fehlt zudem
bereits an der für eine analoge Anwendung des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG erforderlichen
Regelungslücke. Einzelvertragliche Abfindungsregelungen unterfallen der Generalklausel in § 10
Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG.
38 3. Die Maßnahme der Beklagten ist nach § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt.
39 a) Kommt die Generalklausel des § 10 Satz 1 und 2 AGG zur Anwendung, müssen die nationalen
Gerichte feststellen, ob generell-abstrakte Regelungen, die an das Alter anknüpfen und zu einer
Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG führen, durch rechtmäßige Ziele im Sinne dieser
Generalklausel gerechtfertigt sind. Sie haben sicherzustellen, dass der Grundsatz des Verbots der
Diskriminierung aus Gründen des Alters nicht ausgehöhlt wird. Deshalb genügen allgemeine
Behauptungen, dass eine bestimmte Maßnahme geeignet sei, der Beschäftigungspolitik, dem
Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen, nicht zur Darlegung eines legitimen Ziels iSd.
§ 10 AGG. Vielmehr müssen zumindest aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden
Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter ihr stehenden Ziels ermöglichen,
um die Rechtmäßigkeit, die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung
eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können als rechtmäßig nur Ziele
angesehen werden, die als sozialpolitische Ziele im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der
eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die
Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das
die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl.
EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 45 ff., EzA EG-Vertrag 1999
Richtlinie 2000/78 Nr. 9; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 36 ff., AP BetrVG 1972 § 112
Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31). Inwieweit danach auch betriebs- und
unternehmensbezogene Interessen Berücksichtigung finden können (bejahend BAG 22. Januar
2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 53 mwN zum Streitstand in Rn. 45 ff., EzA AGG § 15 Nr. 1), kann
dahinstehen, weil die Beklagte solche nicht anführt.
40 b) Danach war hier der Ausschluss der Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind,
aus der Personalabbaumaßnahme gerechtfertigt. Die Beklagte hat diese älteren Arbeitnehmer aus
der Personalabbaumaßnahme ausgenommen und hat ihnen mit der bei ihr geltenden
Altersteilzeitregelung einen gleitenden Übergang in die Altersrente ermöglicht (vgl. § 1 Abs. 1
AltTZG). Sie hat damit dem Personenkreis, dem der Kläger angehört, die weitere Teilnahme am
Erwerbsleben ermöglicht. Dies ist ein legitimes beschäftigungspolitisches Ziel iSd. § 10 Satz 1
AGG, das sich mit dem dargelegten Regelungsziel der Richtlinie 2000/78/EG und des diese
umsetzenden AGG deckt und deshalb die Herausnahme älterer Arbeitnehmer aus dem
Personenkreis, mit dem die Beklagte den Abschluss von Aufhebungsverträgen gegen Zahlung
von Abfindungen auf freiwilliger Basis zum Zwecke des Personalabbaus in Betracht gezogen hat,
sachlich rechtfertigt (zum Verständnis der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 10 Satz 1 AGG
BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, EzA AGG § 15 Nr. 1). Zur Erreichung dieses Ziels
einer weiteren Integration älterer Arbeitnehmer in das Erwerbsleben war der Ausschluss älterer
Arbeitnehmer aus dem Personalabbau auch ein verhältnismäßiges Mittel iSd. § 10 Satz 2 AGG.
41 III. Würde dem Arbeitgeber wegen des Verbots der Altersdiskriminierung generell untersagt, ältere
Arbeitnehmer aufgrund der typisierenden und pauschalierenden Annahme, dass diesem
Personenkreis der Verbleib im Erwerbsleben ermöglicht werden solle, generell von einem
Personalabbau durch freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer
Abfindung auszunehmen, würde dies auch zu unüberbrückbaren Wertungswidersprüchen und
Brüchen in der Systematik des nationalen Vertragsrechts führen. Dass die Arbeitsvertragsparteien
in Wahrnehmung ihrer auch verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten
Privatautonomie die freiwillige Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer Abfindung
vereinbaren können, steht außer Zweifel. Letzten Endes geht es darum, den von beiden Seiten für
angemessen gehaltenen Preis für ein „Abkaufen“ des Bestandsschutzes zu ermitteln. Folgte man
jedoch der Rechtsauffassung des Klägers, wäre dem Arbeitgeber die Ablehnung des Angebots
des kontrahierungswilligen Arbeitnehmers verwehrt. Ein derartiger Kontrahierungszwang würde im
Ergebnis jeden Personalabbau durch freiwillige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen
Zahlung einer Abfindung unmöglich machen, weil das zur Verfügung stehende Abfindungsvolumen
überwiegend von älteren Arbeitnehmern in Anspruch genommen werden würde, ohne dass der
Arbeitgeber das mit dem geplanten Personalabbau verfolgte Ziel einer Kostenersparnis tatsächlich
erreicht.
42 IV. Die zu I. und II. dargestellten Grundsätze zum Verständnis und zur Anwendung von Art. 2
Abs. 2 Buchst. a sowie Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG sind, soweit sie nicht ohnehin
offenkundig sind, durch die angeführte jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
geklärt, so dass ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 Abs. 3 EGV nicht
erforderlich war (vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - Ls. 4, Slg. 1982, 3415, 3429;
15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151).
43 B. Der Kläger hat auch aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keinen
Anspruch auf Abschluss des begehrten Aufhebungsvertrags gegen Zahlung einer Abfindung von
171.720,00 Euro.
44 I. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der ungeachtet seiner umstrittenen
dogmatischen Herleitung inhaltlich durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt wird,
knüpft an eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers an. Er gebietet diesem, seine
Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei
Anwendung einer selbst gesetzten Regelung gleich zu behandeln. Er verbietet somit nicht nur die
willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine
sachfremde Gruppenbildung. Nicht anwendbar ist der arbeitsrechtliche
Gleichbehandlungsgrundsatz jedoch, wenn Leistungen oder Vergünstigungen individuell vereinbart
werden. Insoweit genießt die Vertragsfreiheit Vorrang vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz (st.
Rspr., zuletzt Senat 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 29, NZA 2010, 273).
45 II. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte nicht gegen den arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.
46 1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte den Kläger wie
alle anderen Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, aus dem Personenkreis,
dem sie angeboten hat, zu den Bedingungen des Rundschreibens Stand Mai 2006
auszuscheiden, von vornherein ausgenommen hat. Dieser Grundsatz findet keine Anwendung,
wenn ein Arbeitgeber mit Arbeitnehmern individuelle Vereinbarungen über die Aufhebung eines
Arbeitsverhältnisses unter Zahlung von Abfindungen trifft. Dies gilt auch dann, wenn die
Abfindungen dem Grunde und der Höhe nach in einer Betriebsvereinbarung oder wie hier in einem
von der Beklagten aufgestellten Regelungsplan festgelegt sind. Die Beklagte hat sich ausdrücklich
vorbehalten, in jedem Einzelfall darüber zu entscheiden, ob sie Angebote von Arbeitnehmern auf
Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu den im Rundschreiben von Mai 2006 dargestellten
Bedingungen annehmen will. In einem solchen Fall fehlt es bereits an einer verteilenden
Entscheidung des Arbeitgebers nach einer von ihm selbst aufgestellten Regel (vgl. Senat
17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 30, NZA 2010, 273). Auf die vom Kläger angezogene
Entscheidung (BAG 18. September 2007 - 9 AZR 788/06 - AP BGB § 307 Nr. 29 = EzA BGB 2002
§ 242 Gleichbehandlung Nr. 15) kommt es deshalb nicht an.
47 2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung mit den 24 Arbeitnehmern, die
wie er vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, und mit denen die Beklagte unstreitig bis zum
31. Dezember 2006 Aufhebungsverträge abgeschlossen hat. Er hat nicht dargelegt, dass die
Konditionen der mit diesen Arbeitnehmern vereinbarten Aufhebungsverträge den Bedingungen, wie
sie die Beklagte im Rundschreiben vom Mai 2006 festgelegt hat, entsprechen und die Beklagte
sich insoweit an die von ihr selbst gesetzte Regelung nicht gehalten, sondern eine neue, wiederum
generalisierende Regelung geschaffen hat, mit einer Mehrzahl kontrahierungswilliger
Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, einen Aufhebungsvertrag zu den
Bedingungen des Rundschreibens von Mai 2006 zu schließen.
48 a) Die Beklagte hat dargelegt, dass sie mit den 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen
Arbeitnehmern zu den Bedingungen, wie sie sie auch dem Kläger mit Schreiben vom 30. Oktober
2006 angeboten hat, kontrahiert hat. Damit hat sie der ihr obliegenden Verpflichtung, die Gründe für
eine Differenzierung zwischen beiden Arbeitnehmergruppen offenzulegen und so substantiiert
darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entspricht
(BAG 15. Juli 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 14, EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20),
genügt. Der Kläger hätte nunmehr seine Behauptung, dieser Vortrag der Beklagten sei inhaltlich
unzutreffend, näher begründen müssen. Dies ist nicht hinreichend geschehen. Darauf hat das
Landesarbeitsgericht zu Recht abgestellt.
49 aa) Die bloße Aufnahme der 24 Arbeitnehmer in den Flash-Report lässt entgegen der Auffassung
des Klägers keinen Rückschluss darauf zu, dass die Aufhebungsverträge auch dieser älteren
Arbeitnehmer zu den von ihm begehrten Konditionen geschlossen worden sind. Dieser Report gibt
laut seiner S. 1 den „Realisierungsstand der abgeschlossenen Aufhebungsverträge“ wieder.
Ausgehend vom Ziel der Abfindungsaktion, zur Kostensenkung Personal abzubauen, ist es
folgerichtig, sämtliche Arbeitnehmer, die anlässlich dieser Aktion bis zu dem gewünschten
Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, im Report aufzuführen, auch soweit
Aufhebungsverträge zu anderen Konditionen als denen des Rundschreibens von Mai 2006
geschlossen worden sind.
50 bb) Auch die auf S. 5 des Flash-Reports erfolgte „Aufteilung abgeschlossener
Aufhebungsverträge“ spricht entgegen der Auffassung des Klägers nicht für seine Behauptung,
sondern im Gegenteil gegen diese. Der Flash-Report wertet dort unter Aufschlüsselung nach
Entgeltstufen und Dauer der Betriebszugehörigkeit aus, wie hoch der Anteil angeschriebener
Arbeitnehmer ist, die tatsächlich einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben. Dem Kläger ist
zuzugeben, dass die vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer unstreitig nicht von der
Beklagten angeschrieben worden sind. Gleichwohl sind Basis auch dieser Statistik alle bis zum
31. Dezember 2006 geschlossenen 5.937 Aufhebungsverträge einschließlich der auf S. 11 des
Flash-Reportsausgewiesenen 24 Verträge, die mit vor dem 1. Januar 1952 geborenen
Arbeitnehmern geschlossen worden sind. Aussagen zu den Konditionen der Aufhebungsverträge
lassen sich damit S. 5 des Flash-Reports nicht entnehmen, sondern nur das Bemühen der
Beklagten, alle bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossenen Aufhebungsverträge statistisch zu
erfassen und zu bewerten.
51 cc) Schließlich ist auch der Vortrag des Klägers, Abfindungen an ältere Arbeitnehmer seien stets
netto gezahlt worden, kein schlüssiges Indiz für seine Behauptung, die Konditionen der 24 auf S.
11 des Flash-Reports aufgeführten Aufhebungsverträge entsprächen denen des Rundschreibens.
Der Kläger nimmt insoweit ausdrücklich Bezug auf das Schreiben der Beklagten vom 30. Oktober
2006,aus dem sich lediglich ergibt, dass sie im konkreten Fall des Klägers eine Nettoabfindung
errechnet hat, weil ihr mangels der erforderlichen Daten die Ermittlung einer Bruttoabfindung nicht
möglich war.
52 b) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an die
Darlegungslast nicht überspannt. Es hat vielmehr zu Recht vom Kläger verlangt, weitere Indizien
vorzutragen, aus denen geschlossen werden könne, dass seine Behauptung, die Beklagte habe
auch mit 24 älteren Arbeitnehmern zu den Bedingungen des Rundschreibens vom Mai 2006
kontrahiert, richtig sei. Trotz des unstreitigen Umstands, dass der Kläger die Bedingungen der 24
auf S. 11 des Flash-Reports aufgeführten Aufhebungsverträge, die mit vor dem 1. Januar 1952
geborenen Arbeitnehmern geschlossen sind, nicht kennt und keine Einsicht in die
Personalunterlagen hat, war die Beklagte nicht zu weitergehendem Vortrag verpflichtet.
53 aa) Allerdings genügt nach den Grundsätzen der sekundären Behauptungslast das einfache
Bestreiten des Gegners der primär darlegungspflichtigen Partei nicht, wenn die
darlegungspflichtige Partei außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs
steht, der Gegner dagegen alle wesentlichen Tatsachen kennt und ihm nähere Angaben
zuzumuten sind. In diesen Fällen kann von ihm das substantiierte Bestreiten der behaupteten
Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt
werden (BGH 17. Januar 2008 - III ZR 239/06 - Rn. 16, NJW 2008, 982; BAG 6. September 2007 -
2 AZR 715/06 - Rn. 38, BAGE 124, 48). Der Gegner der primär darlegungs- und beweispflichtigen
Partei muss deren Vortrag also positive Gegenangaben gegenüberstellen (Stein/Jonas/Leipold
22. Aufl. § 138 Rn. 36 f.; umfassend zu den Modifizierungen der Darlegungslast unter dem
Gesichtspunkt der sekundären Behauptungslast Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. Vor § 284 Rn. 34 ff.).
54 Diesen Anforderungen hat die Beklagte genügt. Sie hat vorgetragen, dass sie mit den 24 vor dem
1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern Aufhebungsverträge zu den Bedingungen geschlossen
habe, wie sie sie auch dem Kläger angeboten hat . Sie hat diesen Vortrag mit der namentlichen
Benennung von drei Arbeitnehmern, die wie der Kläger im Werk H beschäftigt und im Flash-Report
erfasst seien, untermauert. Unstreitig sind diese Arbeitnehmer tatsächlich zu anderen
Bedingungen als denen des Abfindungsmodells des Jahres 2006 ausgeschieden. Ebenso
unstreitig hat die Beklagte jedenfalls dem Kläger lediglich die Konditionen angeboten, zu denen sie
nach ihrem Vortrag mit den 24 älteren Arbeitnehmern kontrahiert hat. Sie hat damit den vom
Kläger behaupteten Sachverhalt hinreichend substantiiert bestritten.
55 Weitergehende Vortragspflichten trafen die Beklagte aufgrund des Grundsatzes der sekundären
Behauptungslast nicht. Insbesondere verlangen diese vom Gegner der beweispflichtigen Partei
nicht die Preisgabe von Namen und ladungsfähiger Anschrift von (potentiellen) Zeugen. Dass die
Beklagte die 24 Arbeitnehmer nicht namentlich benannt hat, hatte deshalb entgegen der
Auffassung des Klägers nicht zur Folge, dass sein Vortrag, diese Arbeitnehmer seien zu den
Bedingungen des Rundschreibens von Mai 2006 ausgeschieden, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als
zugestanden anzusehen war (vgl. BGH 17. Januar 2008 - III ZR 239/06 - Rn. 18 f., NJW 2008,
982).
56 bb) Die Zivilprozessordnung kennt keine - über die anerkannten Fälle der Pflicht zum
substantiierten Bestreiten hinausgehende - allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und
beweisbelasteten Partei. Dass im Zivilprozess die Wahrheitspflicht wesentliche Bedeutung hat,
erlaubt nicht den Schluss, die Parteien seien generell zu dem Verhalten verpflichtet, das am
besten der Wahrheitsfindung dient. Weder die Aufgabe der Wahrheitsfindung noch das
Rechtsstaatsprinzip hindert den Gesetzgeber daran, den Zivilprozess der Verhandlungsmaxime
zu unterstellen und es in erster Linie den Parteien zu überlassen, die notwendigen
Tatsachenbehauptungen aufzustellen und die Beweismittel zu benennen. Im Grundsatz gilt, dass
keine Partei gehalten ist, dem Gegner das Material für dessen prozessuales Obsiegen zu
verschaffen (BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - BAGE 113, 55, 58 f.; BGH 11. Juni 1990 -
II ZR 159/89 - NJW 1990, 3151).
57 Ohnehin ist außer einem ausdrücklichen Geständnis der Beklagten kein Vortrag erkennbar, der
dem Kläger die weitere Substantiierung seiner Behauptung, die Aufhebungsverträge mit den 24 vor
dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern seien zu denselben Bedingungen wie die der 5.913
bis zum 31. Dezember 2006 ausgeschiedenen jüngeren Arbeitnehmer geschlossen, ermöglichen
würde. Trüge die Beklagte die Namen und Konditionen von 21 weiteren vor dem 1. Januar 1952
geborenen Arbeitnehmern vor, mit denen sie 2006 Aufhebungsverträge geschlossen hat, könnte
der Kläger ebenso, wie er es bereits bei den drei von der Beklagten namentlich benannten
Arbeitnehmern des Werks H getan hat, einwenden, dass deren Aufhebungsverträge nicht im
Flash-Report aufgeführt seien. Legte die Beklagte - unter Hintanstellung datenschutzrechtlicher
Bedenken - alle 5.937 von ihr bis zum 31. Dezember 2006 geschlossenen Aufhebungsverträge
vor, wären davon 24 mit Arbeitnehmern geschlossen, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind,
und würden diese Verträge andere Konditionen als die im Rundschreiben vom Mai 2006
genannten aufweisen, könnte der Kläger ebenfalls einwenden, dass dies nicht die Verträge der 24
im Flash-Report aufgeführten Arbeitnehmer seien.
58 c) Das Landesarbeitsgericht hat auch seine Hinweispflicht aus § 139 ZPO entgegen der
Aufklärungsrüge der Revision nicht verletzt. Zum einen hatte es bereits laut Protokoll vom
4. Februar 2008 auf seine Auffassung hingewiesen, der Kläger habe konkret vorzutragen, zu
welchen Bedingungen die Arbeitnehmer, die älter als 55 Jahre gewesen seien, aus dem
Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden seien. Zum anderen war der vom Kläger auf
den vermissten Hinweis gehaltene Vortrag, den er in der Revisionsbegründung mitgeteilt hat, nicht
entscheidungserheblich. Wie ausgeführt, ändert der Umstand, dass der Kläger die 24 im Flash-
Report aufgeführten, vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer nicht kennt und unter der
Vielzahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer auch nicht ausfindig machen kann,
nichts daran, dass er seiner Darlegungslast nicht genügt hat.
59 C. Der Antrag auf Feststellung einer künftigen Schadenersatzpflicht ist aus den dargelegten
Gründen unbegründet.
60 D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fischermeier
Brühler
Spelge
Schmidt
B. Stang