Urteil des BAG vom 13.03.2017

BAG (kläger, oberarzt, klinik, teil, tätigkeit, arzt, abteilung, arbeitgeber, facharzt, vergütung)

Siehe auch:
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 9.12.2009, 4 AZR 841/08
Eingruppierung als Oberarzt nach TV-Ärzte - Übertragung medizinischer Verantwortung für einen Teil-
oder Funktionsbereich einer Klinik - Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen
Spezialfunktion
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Düsseldorf vom 8. August 2008 - 9 Sa 1399/07 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Tätigkeit des Klägers und um die
Anrechnung einer Vorbeschäftigungszeit.
2 Der Kläger war seit dem 15. Juli 1997 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgänger zunächst
befristet als wissenschaftlicher Mitarbeiter zur beruflichen Weiterbildung im Rahmen der
Facharztanerkennung und danach als Facharzt für Herzchirurgie beschäftigt. Im Rahmen der
weiteren ärztlichen Weiterbildung hat er am 10. Februar 2005 die Fachkunde Echokardiographie in
Verbindung mit der Gebietsbezeichnung Herzchirurgie erworben und am 15. Dezember 2005 eine
Zusatzausbildung auf dem Gebiet der speziellen herzchirurgischen Intensivmedizin in Verbindung
mit der Gebietsbezeichnung Herzchirurgie erfolgreich abgeschlossen. Das Arbeitsverhältnis wurde
durch Auflösungsvertrag zum 31. Januar 2008 beendet.
3 Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Kläger in der chirurgischen Klinik des
Universitätsklinikums D tätig, das im Rahmen der Organisationsreform der Universitätskliniken in N
als Anstalt des öffentlichen Rechts organisatorisch verselbständigt worden ist und im Rahmen einer
Kooperationsvereinbarung mit der Beklagten zusammenarbeitet. Die chirurgische Klinik besteht aus
mehreren Kliniken, denen je ein Direktor vorsteht. Diese erstellen gemeinsam die
Stationsbesetzungspläne. Die Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie, in der der Kläger
eingesetzt war, besteht aus mehreren Stationen. Der Kläger arbeitete vor dem 1. Mai 2006 auf der
Intensivstation und der Intensiv-Überwachungsstation als Stationsarzt. Er übernahm dort ua. die
Funktionsdiagnostik und war an Operationen beteiligt. Der ärztliche Stationsbesetzungsplan für die
Zeit ab dem 15. September 2006 weist den Kläger neben Herrn Prof. K als Oberarzt für die Station
CH2B (Intensiv-Überwachungsstation) aus. Der ärztliche Stationsbesetzungsplan für die Zeit ab
dem 15. März 2007 weist den Kläger neben Herrn Prof. F als Oberarzt für die Station CIA1B
(Intensivstation) und neben Herrn Prof. K als Oberarzt für die Station CH2B aus. Der ärztliche
Stationsbesetzungsplan ab dem 15. September 2007 weist den Kläger neben Herrn Prof. Ko als
Oberarzt für die Station CB1 (Normalstation) aus. Der Kläger wurde auf Veranlassung der
Klinikleitung seit dem 1. Mai 2006 auf den Arztbriefen, später auch in den Organisationsplänen der
Klinik als Oberarzt bezeichnet.
4 Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand ab dem 1. November 2006 der zwischen der
Tarifgemeinschaft deutscher Länder und dem Marburger Bund vereinbarte Tarifvertrag für
Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) vom 30. Oktober 2006 Anwendung.
5 Mit Schreiben vom 18. Dezember 2006 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die
Beklagte vergeblich auf, den Kläger gemäß der Stufe 1 der Entgeltgruppe Ä 3 des TV-Ärzte/TdL seit
dem 1. Juli 2006 zu vergüten.
6 Der Kläger, der sich darauf beruft, der Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie
habe ihn am 1. Mai 2006 zum Oberarzt ernannt, hat behauptet, er habe seitdem die
Funktionsdiagnostik als verantwortlicher Oberarzt durchgeführt. Zusätzlich sei ihm die
Spezialfunktion der EKG- und Echokardiographie-Diagnostik zum 1. Mai 2006 übertragen worden.
Der Klinikdirektor sei von der Beklagten auch bevollmächtigt worden, die medizinische
Verantwortung für Teil- und Funktionsbereiche auf verantwortliche Oberärzte zu übertragen. Diese
habe er in der Intensivstation und der Intensiv-Überwachungsstation wahrgenommen. Da die
Beklagte alle anderen Oberärzte der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie letztlich in die
Entgeltgruppe Ä 3 des TV-Ärzte/TdL übergeleitet habe, habe er ferner aufgrund des
arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes Anspruch auf die Vergütung nach dieser
Entgeltgruppe.
7 Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.600,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.200,00 Euro seit dem 1. November
2006 und aus jeweils 800,00 Euro seit dem 1. Dezember 2006 sowie dem 1. Januar
2007, 1. Februar 2007, 1. März 2007, 1. April 2007, 1. Mai 2007, 1. Juni 2007 und
1. Juli 2007 zu zahlen;
2. festzustellen, dass der Kläger seit dem 1. November 2006 bis 31. Januar 2008 als
Oberarzt in die Entgeltgruppe Ä 3 im Sinne des § 12 TV-Ärzte eingruppiert und seit
dem 1. Juni 2006 bis zum 31. Januar 2008 als Oberarzt für die Beklagte seit dem
1. Mai 2006 als Oberarzt im Sinne des § 12 TV-Ärzte tätig war.
8 Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger sei lediglich als „Nennoberarzt“ anzusehen und nur
als Facharzt tätig geworden. Zudem sei nur der Vorstand des Universitätsklinikums befugt,
Entscheidungen über Fragen der Eingruppierung und tatsächlichen Beschäftigung von Ärzten zu
treffen.
9 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen
Revision verfolgt der Kläger seine Klage weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
10 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das
klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
11 A. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage nur teilweise für zulässig und in diesem Umfang für
unbegründet gehalten. Ein Anspruch des Klägers sei weder nach den Vorgaben der
Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL noch nach dem allgemeinen arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungssatz gegeben. Die Tätigkeitsmerkmale der ersten Fallgruppe der
Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL seien nicht erfüllt, weil eine gemeinschaftliche medizinische
Verantwortung mehrerer Ärzte für einen Teil- oder Funktionsbereich nicht ausreiche. Die
Tätigkeitsmerkmale der zweiten Fallgruppe der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL und die
Voraussetzungen des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungssatzes seien nicht
substantiiert dargelegt worden.
12 B. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL.
13 I. Das Landesarbeitsgericht hat die gestellten Anträge zu Recht nur teilweise als zulässig
angesehen.
14 1. Die Zulässigkeit des bezifferten Zahlungsantrags zu 1. ergibt sich aus § 253 ZPO.
15 2. Der Feststellungsantrag zu 2. ist demgegenüber größtenteils unzulässig, weil insoweit das nach
§ 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse fehlt. Dies ergibt sich hinsichtlich dessen
ersten Teils, der sich auf die Eingruppierung nach der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL bezieht, für
die Zeit vom 1. November 2006 bis 30. Juni 2007 daraus, dass die Ansprüche für diesen Zeitraum
schon mit dem Leistungsantrag verfolgt werden. Für eine Zulässigkeit als
Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) ist insoweit nichts ersichtlich; soweit der Kläger in
der Revision unsubstantiiert auf eventuelle Ansprüche aus Mehrarbeit, Nachtarbeit und ähnliches
verweist, kann er solche mit Blick auf die Ausschlussfrist nach § 37 TV-Ärzte/TdL nicht mehr
geltend machen. Lediglich für den verbleibenden Zeitraum 1. Juli 2007 bis 31. Januar 2008 besteht
das vom Senat grundsätzlich anerkannte Feststellungsinteresse bei
Eingruppierungsfeststellungsklagen.
16 Für den zweiten Teil des Antrags zu 2., mit dem festgestellt werden soll, dass der Kläger in der
Zeit vom 1. November 2006 bis zum 31. Januar 2008 als Oberarzt iSd. § 12 TV-Ärzte/TdL tätig
war, fehlt das Feststellungsinteresse insgesamt. Der Antrag ist in der Sache auf eine Sicherung
der Anrechnung von Vorzeiten oberärztlicher Tätigkeit gerichtet und wird insbesondere vor dem
Hintergrund von § 5 des Tarifvertrages zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an
Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte/TdL) sowie von § 16 Abs. 2 TV-Ärzte/TdL verständlich. Er wird
vom Kläger in der Revisionsinstanz nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Möglichkeit
einer Anrechnung oberärztlicher Vorbeschäftigungszeiten bei etwaigen späteren Beschäftigungen
im Geltungsbereich des TV-Ärzte/TdL gerechtfertigt. Dies begründet indes kein schützenswertes
Interesse an einer entsprechenden alsbaldigen Feststellung, zumal die Frage, ob ein späterer
anderer Arbeitgeber Vorbeschäftigungszeiten des Klägers nach § 16 Abs. 2 TV-Ärzte/TdL
anzuerkennen hat, nicht durch die gerichtliche Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen dem
Kläger und der Beklagten rechtskräftig beantwortet werden kann.
17 II. Die danach aufgrund des Antrags zu 1. und des zulässigen Teils des Antrags zu 2. allein zur
Entscheidung anstehende Frage, ob der Kläger in der Zeit zwischen dem 1. Juli 2007 und dem 31.
Januar 2008 als Oberarzt nach der Entgeltgruppe Ä 3 zu vergüten war, hat das
Landesarbeitsgericht zu Recht verneint. Die Revision des Klägers hat deshalb keinen Erfolg.
18 1. Für die Entscheidung über das Klagebegehren ist § 12 TV-Ärzte/TdL maßgeblich, der folgenden
Wortlaut hat:
„Eingruppierung
Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte
auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:
Entgeltgruppe Bezeichnung
Ä 1
Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit
Ä 2
Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit
Ä 3
Oberärztin/Oberarzt
Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil-
oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom
Arbeitgeber übertragen worden ist.
Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber
übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich
abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der
Weiterbildungsordnung fordert.
Ä 4
Fachärztin/Facharzt, der/dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes
(Chefarzt) vom Arbeitgeber übertragen worden ist.
(Protokollerklärung: Ständiger Vertreter ist nur der Arzt, der den leitenden
Arzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Das
Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik nur von einer
Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.)“
19 2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger bereits deshalb nicht in die
Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL eingruppiert ist, weil bei der ihm übertragenen
Tätigkeit die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik/Abteilung im
tariflichen Sinne nicht besteht. Eine mögliche „Ernennung“ zum Oberarzt - selbst wenn sie von
einem dazu bevollmächtigten Chefarzt vorgenommen worden wäre - ist deshalb ohne Bedeutung.
20 a) Dabei kommt es auf den zeitlichen Zuschnitt von Einzeltätigkeiten innerhalb der vom Kläger
auszuübenden Tätigkeit iSd. Einleitungssatzes von § 12 TV-Ärzte/TdL nicht an, weil der Kläger im
streitgegenständlichen Zeitraum bei keinem denkbaren zeitlichen Zuschnitt der ihm übertragenen
Tätigkeit das Tatbestandsmerkmal „medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche
der Klinik beziehungsweise Abteilung“ des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr.
TV-Ärzte/TdL erfüllt.
21 b) Die Eingruppierung eines Arztes (im Hinblick auf die klagende Partei wird im Folgenden stets
die männliche Form gewählt) als Oberarzt iSd. Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL setzt
ua. voraus, dass dem Arzt die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der
Klinik beziehungsweise Abteilung übertragen worden ist. Die Tarifvertragsparteien haben dabei
von einer ausdrücklichen Bestimmung dessen, was unter medizinischer Verantwortung im
tariflichen Sinne zu verstehen ist, abgesehen. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt
sich jedoch, dass das Tätigkeitsmerkmal nur dann erfüllt werden kann, wenn dem Oberarzt ein
Aufsichts- und - teilweise eingeschränktes - Weisungsrecht hinsichtlich des medizinischen
Personals zugewiesen worden ist. Dabei genügt es nicht, dass in dem Teilbereich Ärzte der
Entgeltgruppe Ä 1 (Assistenzärzte und Ärzte in Weiterbildung) tätig sind. Ihm muss auch
mindestens ein Facharzt der Entgeltgruppe Ä 2 unterstellt sein. Ferner ist idR erforderlich, dass die
Verantwortung für den Bereich ungeteilt bei ihm liegt.
22 aa) Mit der Anforderung, dass sich die übertragene Verantwortung auf den medizinischen Bereich
erstrecken muss, haben die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass es nicht ausreicht, wenn
dem Arzt lediglich die organisatorische oder verwaltungstechnische Verantwortung für den Teil-
/Funktionsbereich obliegt (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2008 Teil IIa TV-
Ärzte/TdL § 12 Rn. 57) . Der Arzt muss noch als solcher tätig sein (Bruns/Biermann/Weis
Anästhesiologie und Intensivmedizin Mai 2007 S. 1, 5) , also mit dem Vorbeugen, dem Erkennen
von Ursachen und Auswirkungen von Gesundheitsstörungen sowie ihrer Behandlung beschäftigt
sein.
23 bb) Das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe Ä 3 stellt hinsichtlich der übertragenen
Verantwortung maßgebend auf deren Reichweite ab. Diese muss sich in personeller Hinsicht auch
auf Fachärzte und in organisatorischer Hinsicht als Alleinverantwortung auf den gesamten
betreffenden Bereich der Klinik oder Abteilung beziehen. Das ergibt sich aus der systematischen
Stellung dieser Entgeltgruppe innerhalb der durch die Vergütungsordnung gestalteten Hierarchie
der Entgeltgruppen.
24 (1) Die Tätigkeit als Arzt ist grundsätzlich mit einer spezifischen Verantwortung verbunden, die
nicht auf andere Personen übertragen werden kann und darf. Nach § 11 Abs. 1, § 2 Abs. 3 der
Muster-Berufsordnung für deutsche Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä 1997 idF vom 24. November
2006) ist jeder Arzt im Rahmen der Berufsausübung verpflichtet, seine Patienten gewissenhaft mit
geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu versorgen sowie bei der Übernahme
und Ausführung der Behandlung die gebotenen medizinischen Maßnahmen nach den Regeln der
ärztlichen Kunst gewissenhaft auszuführen (Teil C Nr. 2 der Grundsätze ärztlicher
Berufsausübung) . Aus der Freiheit ärztlichen Handelns und der damit verbundenen
selbstständigen Verantwortung eines jeden Arztes ergibt sich auch eine Begrenzung der
Weisungsbefugnis, die sich selbst für einen Chefarzt in einer Klinik darauf beschränkt, den ihm
unterstellten Ärzten bestimmte Tätigkeiten und Einzelaufgaben zur selbstständigen Erledigung
verbindlich zu übertragen (MünchArbR/Richardi 3. Aufl. § 339 Rn. 20) .
25 (2) Aus der Struktur der Regelung in § 12 TV-Ärzte/TdL folgt, dass die den Oberärzten im
Tarifsinne obliegende „medizinische“ Verantwortung über die allgemeine „ärztliche“ Verantwortung
eines Assistenzarztes und eines Facharztes deutlich hinausgeht. Dabei wird an die tatsächliche
krankenhausinterne Organisations- und Verantwortungsstruktur angeknüpft. Kliniken sind
arbeitsteilig organisiert und weisen zahlreiche spezialisierte und fragmentierte Diagnose-,
Behandlungs- und Pflegeabläufe mit einer abgestuften Verantwortungsstruktur der handelnden
Personen auf (vgl. Genzel in Laufs Handbuch des Arztrechts 3. Aufl. S. 281; Deutsch NJW 2000,
1745, 1746) . Dem entspricht die tarifliche Einordnung der medizinischen Verantwortung von
Oberärzten, die in § 12 TV-Ärzte/TdL innerhalb der Struktur der Entgeltgruppen nach „unten“ und
nach „oben“ in ein von den Tarifvertragsparteien als angemessen angesehenes Verhältnis gesetzt
wird.
26 (a) Aus der Unterordnung unter den leitenden Arzt und seinen ständigen Vertreter, der in die
Entgeltgruppe Ä 4 eingruppiert ist, ergibt sich, dass die von einem Oberarzt wahrzunehmende
Verantwortung keine Allein- oder Letztverantwortung sein kann. Auch hier entspricht die tarifliche
Regelung der krankenhausinternen Organisations- und Verantwortungsstruktur. Die medizinische
Letztverantwortung liegt idR beim leitenden Arzt (Chefarzt) und seinem ständigen Vertreter, deren
Weisungen der Oberarzt bei seiner Tätigkeit regelmäßig unterliegt (Wahlers PersV 2008, 204, 206;
Bruns ArztRecht 2007, 60, 65) . Wie sich aus der Systematik von § 12 TV-Ärzte/TdL ergibt, kann
dieser Umstand einer Eingruppierung als Oberarzt nicht entgegenstehen. Oberärzte haben
insofern eine demgegenüber beschränkte ärztliche Führungsverantwortung und weitgehend
selbstständige Handlungsverantwortung (Genzel in Laufs/Uhlenbruck Handbuch des Arztrechts 3.
Aufl. § 90 Rn. 32) .
27 (b) Auf der anderen Seite muss sich die Reichweite der Verantwortung aus derjenigen, die den
Ärzten der unteren Entgeltgruppen Ä 1 und Ä 2 TV-Ärzte/TdL übertragen worden ist, deutlich
herausheben. Dem Oberarzt muss neben dem nichtärztlichen auch ärztliches Personal unterstellt
sein. Nicht ausreichend ist dabei die Führungs- und Weisungsbefugnis gegenüber Assistenzärzten
und Ärzten in der Weiterbildung. Die einem Oberarzt übertragene Verantwortung muss sich nach
den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen Ä 2 und Ä 3 auch von der eines Facharztes qualitativ
unterscheiden. Bezugspunkt dieser gesteigerten Verantwortung ist die mit der Übertragung
verbundene organisatorische Kompetenz, die sich in einer gesteigerten Aufsichts- und
Weisungsbefugnis niederschlägt. Ein in die Entgeltgruppe Ä 2 eingruppierter Facharzt übt seine
Aufsichts- und Weisungsbefugnis gegenüber den in seinem Bereich tätigen Assistenzärzten und
Ärzten in der Weiterbildung aus. Eine Steigerung des quantitativen und qualitativen Maßes dieser
Verantwortung ist nur dann gegeben, wenn sich die Verantwortung des Oberarztes nicht nur auf
die Assistenzärzte, sondern auch auf mindestens einen Facharzt bezieht (Wahlers PersV 2008,
204, 206) . Diese tarifliche Wertigkeit der Stellung und Tätigkeit eines Oberarztes findet in dem
nicht unerheblichen Vergütungsabstand der Entgeltgruppe Ä 3 zu der Entgeltgruppe Ä 2 TV-
Ärzte/TdL ihren Ausdruck. Die Tarifvertragsparteien haben für den ersten Tarifzeitraum mit der
monatlichen Differenz von 1.100,00 Euro im Tarifgebiet Ost und 1.200,00 Euro im Tarifgebiet West
deutlich gemacht, dass es sich mit der übertragenen medizinischen Verantwortung im Tarifsinne
um eine gewichtige Heraushebung gegenüber derjenigen des Facharztes nach Entgeltgruppe Ä 2
handelt.
28 (3) Die Verantwortung für den jeweiligen Teil-/Funktionsbereich muss darüber hinaus aber auch
ungeteilt bestehen. Sie betrifft nicht lediglich einzelne zu erfüllende Aufgaben oder
Aufgabenbereiche. Vielmehr geht es um eine auf einen arbeitsteilig organisierten Bereich
bezogene Leitungs- und Verantwortungsstruktur. Die medizinische Verantwortung für einen
Teilbereich im Tarifsinne kann daher nicht bei mehreren Ärzten liegen, ohne dass es hier auf eine
Unterscheidung von Teil- oder Funktionsbereichen der Klinik oder der Abteilung ankommt. Das
ergibt sich aus dem von den Tarifvertragsparteien gewählten bestimmten Artikel „die“, mit dem
eine einheitliche Verantwortung bezeichnet ist, die innerhalb des zugewiesenen Bereichs
einheitlich und allein wahrzunehmen ist. Eine geteilte medizinische Verantwortung innerhalb der
organisatorischen Einheit ist regelmäßig nicht ausreichend für eine Eingruppierung nach der
Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL. Etwas anderes mag in Betracht kommen, wenn es
um eine echte Arbeitsplatzteilung (Jobsharing) geht. Eine solche liegt jedoch nicht vor, wenn in
einer organisatorischen Einheit mehrere Titularoberärzte tätig sind, die nur teil- oder zeitweise,
etwa bei den Hintergrunddiensten, jeweils allein verantwortlich sind.
29 Daraus, dass die Tarifvertragsparteien mit der Protokollerklärung zur Entgeltgruppe Ä 4, wonach
dieses Tätigkeitsmerkmal eines ständigen Vertreters des Chefarztes innerhalb einer Klinik nur von
einem Arzt erfüllt werden kann, ist nicht zu folgern, eine entsprechende Bestimmung für den
Oberarzt nach der Entgeltgruppe Ä 3 habe in Bezug auf den Teilbereich einer Klinik oder Abteilung
damit ausgeschlossen werden sollen. In der Protokollerklärung zur Entgeltgruppe Ä 4 wird der dort
verwendete Begriff der ständigen Vertretung erläutert und sodann aus dieser Erläuterung gefolgert,
dass nur jeweils ein Arzt für eine Klinik ständiger Vertreter sein könne. Das schließt nicht aus,
dass eine sinngemäß ähnliche Folgerung für die Oberärzte nach Entgeltgruppe Ä 3 für den
Teilbereich einer Klinik oder Abteilung im Wege der Tarifauslegung aus dem Wortlaut der dort von
den Tarifvertragsparteien bestimmten Entgeltgruppenbezeichnung entnommen wird. Die sich aus
der konkreten Formulierung des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe Ä 4 ergebende Unklarheit,
der die Tarifvertragsparteien mit der Protokollerklärung abhelfen wollten, ist in der
Entgeltgruppenbezeichnung Ä 3 nach dem oben Dargelegten nicht gegeben.
30 c) Danach scheitert die vom Kläger angestrebte Eingruppierung an der Nichterfüllung des
Tatbestandsmerkmals der medizinischen Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche einer
Klinik/Abteilung und dort schon daran, dass für die wechselnden Stationen, auf denen der Kläger
im Streitzeitraum als „Oberarzt“ tätig war, nach den jeweiligen Organisationsplänen stets
mindestens ein weiterer Oberarzt verantwortlich war. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er
gegenüber diesen weiteren Oberärzten Führungs- und Handlungsverantwortung innegehabt habe.
Deshalb kommt es weder darauf an, ob und in welchem Umfang dem Kläger auf diesen Stationen
als möglichen Teil- oder Funktionsbereichen im Tarifsinne Fachärzte unterstellt waren, noch
darauf, ob die weiteren tariflichen Merkmale - Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik/Abteilung
sowie einer Übertragung der medizinischen Verantwortung durch den Arbeitgeber - erfüllt sind.
31 3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3 zweite Fallgr.
TV-Ärzte/TdL. Sein Vortrag lässt nicht erkennen, dass seine Tätigkeit für die Beklagte das
tarifliche Merkmal des Facharztes in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für
die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der
Weiterbildungsordnung fordert, erfüllt. Deshalb kann auch zu diesem Tätigkeitsmerkmal eine
nähere Bestimmung des zeitlichen Zuschnitts von Einzeltätigkeiten innerhalb der auszuübenden
Tätigkeit des Klägers iSd. Einleitungssatzes von § 12 TV-Ärzte/TdL dahinstehen.
32 a) Das Tätigkeitsmerkmal der zweiten Fallgruppe nimmt Bezug auf die Vorgaben der
Ärztekammern in den Weiterbildungsordnungen zum Erwerb von Kompetenzen, die Gegenstand
der Schwerpunkt- und Zusatzweiterbildung und dazugehöriger Prüfung vor den Ärztekammern
sind. Nur im Hinblick darauf können mit einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion
die Vorgaben der Entgeltgruppe Ä 3 zweite Fallgr. TV-Ärzte/TdL erfüllt werden.
33 b) Hierzu hat der Kläger - trotz richterlicher Hinweise in den Vorinstanzen - nicht dargelegt, welche
Spezialfunktion, die die genannten Vorgaben erfüllt, ihm konkret, wann und wie übertragen worden
sein soll. Auch wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass es sich bei den von ihm
erworbenen Weiterbildungsabschlüssen - der Fachkunde Echokardiographie in Verbindung mit der
Gebietsbezeichnung Herzchirurgie und der Zusatzausbildung auf dem Gebiet der speziellen
herzchirurgischen Intensivmedizin in Verbindung mit der Gebietsbezeichnung Herzchirurgie - um
solche im Rahmen der Vorgaben der Ärztekammern handelt, scheitert sein
Eingruppierungsbegehren. Er hat nicht dargelegt, dass die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.
So ist schon unklar geblieben, inwieweit seine Tätigkeit in der Funktionsdiagnostik auch als
Spezialfunktion anzusehen ist. Er hat zwar die EKG- und Echokardiographie-Diagnostik als solche
bezeichnet. Es fehlt jedoch jeglicher Vortrag dazu, dass dafür die von ihm absolvierten
Weiterbildungen vom Arbeitgeber gefordert wurden. Ebenso ist zum Zeitpunkt und den Umständen
der Übertragung nichts vorgetragen.
34 4. Der Kläger kann Vergütung in Höhe der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL nicht nach dem
arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beanspruchen. Nach dem arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz, der inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG bestimmt wird, hat ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer oder Gruppen von
Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Der Kläger hat
keinerlei Tatsachen vorgetragen, aus denen sich eine gleichheitswidrige Rechtsausübung der
Beklagten ergibt. Insbesondere hat er nicht im Einzelnen zu Kollegen mit gleichartiger und
gleichwertiger Tätigkeit vorgetragen, die - im Unterschied zu ihm - die begehrte Vergütung
erhalten. Allein der Umstand, dass es sich insoweit auch um im Krankenhausalltag als Oberärzte
bezeichnete Ärzte handelt, reicht hierfür nicht aus.
35 C. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Bepler
Creutzfeldt
Winter
Valentien
Redeker