Urteil des ArbG Wuppertal vom 22.11.2005

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Arbeitsgericht Wuppertal, 7 Ca 2758/05
Datum:
22.11.2005
Gericht:
Arbeitsgericht Wuppertal
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Ca 2758/05
Schlagworte:
Bezugnahme Klausel - Betriebsübergang - Branchenwechsel
Normen:
§ 613a Abs. 1 S 1 BGB, § 5 TVG, § 4 Abs. 3 TVG,§ 3 Abs. 1 TVG, §
613a Abs. 1 S 3 BGB, § 4 Abs. 1 TVG, § 613a Abs. 1 S 2 BGB, § 1 TVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Wegen der Leitsätze wird auf die Leitsätze des Urteils des BAG vom
29.08.2007 (4 AZR 767/06) - Revisionsinstanz in dieser Sache - Bezug
genommen
Tenor:
1.Die Beklagte wird kostenpflichtig verurteilt, an die Klägerin € 5.662,72
brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von € 911,97 ab
10.10.2004, von € 3.521,35 ab 15.03.2005 und von € 1.229,40 ab
22.06.2005 zu zahlen.
2.Streitwert: € 5.662,72.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin ist seit 1972 als Putzfrau im L. beschäftigt und war damals nicht Mitglied
einer Gewerkschaft. In dem mit der T. abgeschlossenen Arbeitsvertrag wurde die
Geltung des Bundesmanteltarifver-trages für die Arbeiter der Gemeinden vereinbart.
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Das Arbeitsverhältnis ging zunächst auf die T. über, die mit Wirkung zum 1.7.2004 die
Reinigung auf die Beklagte übertrug.
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Die Beklagte nahm die Lohnabrechnungen nach den Gebäudereinigertarifver-trägen
vor. Die Klägerin vertritt unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landes-arbeitsgerichts
Düsseldorf gegen das Unternehmen, das von der T. die Speisenversorgung
übernommen hat, die Auffassung, der BMT-G sei weiter anzuwenden und machte am
1.10.2004 über die Gewerk-schaft ver.di Lohndifferenzen für die Monate Juli und August
2004 und beim Urlaubsgeld geltend und mit Schreiben vom 11.3.2005 Ansprüche ab
September 2004. Die Beklagte hat Zahlungen mit Schreiben vom 29.3.2005 abgelehnt.
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Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten für die Monate Juli,
August, September und November 2004 jeweils € 393,41, für Oktober 2004 € 438,00, für
Dezember 2004 € 248,83, als Urlaubsgeld € 135,16, als Zuwendung € 1.128,09 und für
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die Monate Januar bis Mai 2005 jeweils € 409,80. und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 5.662,72 brutto nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz von € 911,97 brutto ab dem 10.10.2004, von weiteren €
3.521,35 brutto ab dem 15.03.2005 und von weiteren € 1.229,40 brutto ab
Zustellung der Klage am 22.06.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie macht geltend, nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB sei der BMT-G durch den für
allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrag und den ebenfalls für
allgemeinverbindlich erklärten Lohntarifvertrag für die gewerblich beschäftigten in der
Gebäudereinigung abgelöst worden. Die Klägerin sei von der T. darauf hingewiesen
worden, dass bei der Beklagten die Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk
gelten und habe dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nicht widersprochen. Diese
Tarifver-träge enthielten eine umfassende und abschließende Vergütungsregelung.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt verweisen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der der Höhe nach
unstreitigen Lohn- und Zuwendungsdifferenzen für die Zeit von Juli,2004 bis Mai 2005
von € 5..662,72 brutto nach § 611 BGB in Verbindung mit den im Arbeitsvertrag
vom18.8.1972 vereinbarten Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher
Verwaltungen und Betriebe vom 31.1.1962 und den zusätzlich abgeschlossenen
Tarifverträgen und der Anlage 5 zum BMT-G II in der jeweils gültigen Fassung zu. Die
Parteien des 1972 geschlossenen Arbeitsvertrages haben die Tarifgeltung in § 2 dieses
Vertrages ausdrücklich vereinbart. Diese Vereinbarung stellt eine
Gleichstellungsabrede dar. Mit ihr wird arbeitsver-traglich vereinbart, dass die Normen
der in Bezug genommenen Tarifverträge, die den Inhalt des Arbeitsverhältnisses sowie
betriebliche und betriebsver-fassungsrechtliche Fragen regeln, in gleicher Weise
anzuwenden sind, wie wenn sie aufgrund § 4 TVG aufgrund beiderseitiger
Verbandszugehörigkeit gelten würden.
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Die T. war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages als kommunale
Gebietskörperschaft tarifgebunden. Die Klägerin war damals nicht Mitglied der
Gewerkschaft ÖTV. Die Gleichstellungsabrede ersetzte ihre fehlende Tarifgebundenheit
an die Tarifverträge für gemeindliche Arbeiter.
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Mit dem Betriebsübergang auf die T. wurden die aufgrund der Gleichstellungsabrede für
die Klägerin verbindlichen Tarifverträge nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB
einzelvertraglich Inhalt des Arbeitsver-hältnisses zwischen der Klägerin und der T.. Ein
anderer Tarifvertrag konnte diese Tarifnormen nicht nach § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB
verdrängen, da die T. nicht tarifgebunden ist. Selbst wenn die Klägerin zu diesem
Zeitpunkt tarifgebunden gewesen wäre, hätte sich nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB
nichts anderes ergeben.
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Auf die Beklagte ging gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zum 1.7.2004 das
Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem einzelvertraglichen Inhalt über, dass die in § 2
des Arbeitsvertrages vom 18.3.1972 genannten Tarifverträge Anwendung finden.
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Eine einzelvertragliche Vereinbarung über die Anwendung der Tarifverträge aus dem
Bereich der Beklagten haben die Parteien nicht geschlossen. Dass die T. die Klägerin
darauf hingewiesen hat, dass bei der Beklagten die Tarifverträge des
Gebäudereinigerhandwerks Anwendung finden und die Klägerin in Kenntnis dieser
Tatsache dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nicht widersprochen hat, ersetzt die
Vereinbarung der Parteien nicht.
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Die Tatsache, dass die einschlägigen Tarifverträge für das Gebäudereiniger-handwerk
für allgemeinverbindlich erklärt worden sind, hilft der Beklagten im Fall der
einzelvertraglich vereinbarten Geltung anderer Tarifverträge nicht weiter, sofern diese
Tarifverträge nicht für die Klägerin günstiger sind. Ange-sichts der erheblichen
monatlichen Vergütungsdifferenzen von knapp 30% kann nicht davon ausgegangen
werden, dass die Tarifverträge für das Gebäude-reinigerhandwerk die Klägerin besser
stellen, als die Tarifverträge, die einzel-vertraglich beim ersten Betriebsübergang Inhalt
des Arbeitsverhältnisses geworden sind.
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Somit stehen der Klägerin Urlaubsgeld von € 125,16, Weihnachtszuwendung von €
1.128,09, Entgeltdifferenzen von € 438,00 für Oktober 2004, € 348,43 für Dezember
2004, je € 393,41 für Juli, August, September und November 2004 und je € 409,80 für
Januar bis Mai 2005 zu. Der Anspruch für September 2004 ist nicht verfallen, da er zum
15.9.2004 fällig war und die Beklagte nicht dargelegt hat, dass die Geltendmachung
vom 11.3.2005 erst nach dem 15.3.2005 bei ihr eingegangen ist.
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Die Zinsforderungen der Klägerin ergeben sich aus §§ 247, 286, 291 BGB. Die
Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 61 ArbGG, 3 ff
ZPO, 63 GKG.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung. § 9 Abs. 5 ArbGG
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bleibt unberührt.
Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher
Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und
der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche
Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange
die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Schuster
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