Urteil des ArbG Wuppertal vom 16.10.2008

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Arbeitsgericht Wuppertal, 1 Ca 1934/08 v
Datum:
16.10.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Wuppertal
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 Ca 1934/08 v
Schlagworte:
Eingruppierung einer Ärztin nach der Überleitung aus dem BAT-KF
Normen:
§ 3 TVÜ-Ärzte-KF; § 11 TV-Ärzte-KF; § 15 TV-Ärzte-KF
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Eine Ärztin, die zum Zeitpunkt der Überleitung in den TV-Ärzte-KF in die
Entgeltgruppe Ib BAT-KF eingruppiert war, ist in diejenige Stufe der
Entgeltgruppe Ä2 einzugruppieren, die sie (fiktiv) erhalten hätte, wenn
die Entgeltgruppe Ä2 bereits seit Beginn ihrer nach Entgeltgruppe Ib
BAT-KF vergüteten Tätigkeit gegolten hätte. Auf den Abschluss einer
Facharztausbildung kommt es dabei nicht an.
Tenor:
1.Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab
dem 01.07.2007 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä2, Stufe 4 des
Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte - Kirchliche Fassung (TV-Ärzte-
KF) zu zahlen.
2.Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.Der Streitwert wird auf 35.100,00 € festgesetzt.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über die richtige Eingruppierung der Klägerin.
2
Die Klägerin ist seit dem 01.03.1991 bei der Beklagten zunächst als Ärztin im Praktikum
und seit dem 01.11.1992 als Assistenzärztin tätig. Einen Facharztabschluss hat sie
nicht. Die Klägerin wird als Stationsärztin beschäftigt und war seit November 1997 in die
Entgeltgruppe I b BAT-KF eingestuft.
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Am 22.10.2007 wurde der BAT-KF neu gefasst worden. Ärzte und Ärztinnen, die am
01.06.2007 unter den Geltungsbereich des BAT-KF fielen, wurden rückwirkend zum
01.07.2007 in den TV-Ärzte-KF übergeleitet.
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In § 3 des Tarifvertrages zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte in den TV-Ärzte-KF
(TVÜ-Ärzte-KF) heißt es auszugsweise:
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㤠3 Eingruppierung
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(1)Die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 11 TV-Ärzte)
zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und
Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden
Entgeltgruppe gegolten hätte. Dabei werden Ärzte der Vergütungsgruppe II in
die Entgeltgruppe 1 und Ärzte der Vergütungsgruppe Ib BAT-KF in die
Entgeltgruppe 2 eingruppiert...
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(2)Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die Zeiten im jetzigen
Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. Für die Berücksichtigung von
Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 15 Abs. 2 TV-Ärzte-
KF.“
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§ 11 TV-Ärzte-KF sieht, soweit hier von Interesse, folgendes vor:
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㤠11 Eingruppierung
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Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur
Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:
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EntgeltgruppeBezeichnung
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Ä1Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit
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Ä2Fachärztin/Facharzt mit entsprechender
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Tätigkeit…“
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In § 15 TV-Ärzte-KF heißt es:
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㤠15 Stufen der Entgelttabellen
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(1)Die Entgeltgruppe Ä 1 und Ä 2 umfasst fünf Stufen; die Entgeltgruppen Ä 3
bis Ä 4 umfassen drei Stufen. Die Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufe
nach den Zeiten ärztlicher (Ä 1), fachärztlicher (Ä 2), oberärztlicher (Ä 3)
Tätigkeit ...
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(2)Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes:
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Bei der Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als
förderliche Zeiten berücksichtigt, das gilt insbesondere für die Tätigkeit als
Arzt im Praktikum. Zeiten von sonstiger Berufserfahrung aus nichtärztlicher
Tätigkeit können berücksichtigt werden.“
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Nach der Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte im Geltungsbereich des TV-Ärzte
(Anlage A 1und 2 zum TV-Ärzte-KF) wird die Stufe 4 in der Entgeltgruppe Ä 2 „ab dem
9. Jahr“ erreicht. Die Vergütungsdifferenz von Ä 2 Stufe 1 zu Ä 2 Stufe 4 beträgt ab dem
01.01.2008 monatlich 975.- € brutto.
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Die Beklagte gruppierte die Klägerin mit Wirkung zum 01.07.2007 in die Entgeltgruppe
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Ä 2, Stufe 1 ein.
Die Klägerin ist der Auffassung, diese Eingruppierung sei nicht zutreffend. Sie müsse in
die Entgeltgruppe Ä 2 Stufe 4 eingruppiert werden, da sie seit über 9 Jahren
entsprechend tätig sei. Sie übe als Stationsärztin fachärztliche Tätigkeiten aus.
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Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01. Juli 2007
Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 2, Stufe 4 des Tarifvertrages für Ärztinnen und
Ärzte - Kirchliche Fassung (TV-Ärzte-KF) - zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, aufgrund der Überleitungsvorschrift sei sie zwar verpflichtet, die
Klägerin in die Entgeltgruppe Ä 2 einzugruppieren. Die Klägerin verbleibe innerhalb
dieser Gruppe jedoch dauerhaft in der Stufe 1. Ein Erreichen der nächsthöheren Stufen
würde voraussetzen, dass die Klägerin Fachärztin sei. Die Richtigkeit dieser Auffassung
ergebe sich aus dem zur Gerichtsakte gereichten Rundschreiben des Diakonischen
Werks der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 12.02.2008, AR-Nr. 1 A/2008
Arbeitsrecht (Bl. 56 ff d. A.)
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Parteischriftsätze sowie den gesamten weiteren Akteninhalt
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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I.
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Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine anerkannte
Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken
bestehen. Als eine solche wird regelmäßig der Antrag bezeichnet, wonach eine
konkrete Vergütungsverpflichtung des Arbeitgebers nach Maßgabe einer bestimmten
Vergütungsgruppe der Vergütungsordnung des BAT o. a. festgestellt werden soll (BAG
v. 8.11.2006 - 4 AZR 620/05 - AP Nr. 304 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 6.12.2006 -
4 AZR 659/05 - AP Nr. 303 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Das Feststellungsinteresse folgt
daraus, dass die Klage geeignet ist, den Streit der Parteien über die künftige Vergütung
zu bereinigen (BAG v. 04.06.2008 - 4 AZR 308/07 - juris).
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II.
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Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Eingruppierung in die
Entgeltgruppe Ä 2 Stufe 4. Dies ergibt eine Auslegung des Überleitungstarifvertrages.
34
1.
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Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen
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geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der
maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei
einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit
zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden
hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser
Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der
Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies
zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen
ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des
Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die
Praktikabilität denkbarer Auslegungsergeb-nisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel
gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen,
sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr.
vgl. nur BAG v. 24.09.2008 - 10 AZR 140/08 - juris, BAG v. 19.01.2000 - 4 AZR 814/98 -
AP Nr. 73 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).
2.
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Hiernach ergibt sich im Streitfall Folgendes:
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Nach dem Wortlaut der Überleitungsvorschrift des § 3 TVÜ-Ärzte- KF haben die
Tarifvertragsparteien nicht nur festgelegt, dass die vormals in der Vergütungsgruppe I b
BAT-KF eingruppierten Ärzte in die Entgeltgruppe Ä 2 des § 11 Ärzte-KF
einzugruppieren sind, sondern sie haben gleichzeitig eine Regelung hinsichtlich der
Stufenfindung dergestalt getroffen, dass die Ärzte derjenigen Stufe zugeordnet werden,
die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu
der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte.
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Dabei kommt es nach dem Wortlaut des Tarifvertrages nicht darauf an, ob die
betroffenen Ärzte die grundsätzlichen Eingruppierungsmerkmale der Entgeltgruppe Ä 2
Stufe 4 erfüllen. Die Eingruppierung in die jeweilige Stufe erfolgt insoweit aufgrund einer
Fiktion. Es wird unterstellt, dass die Entgeltgruppe Ä 2 bereits seit Beginn der zur Zeit
ausgeübten Tätigkeit gegolten hat, ausgehend davon findet dann die Eingruppierung in
die entsprechende Stufe statt.
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Der Sinn und Zweck des Tarifvertrages steht dem nicht entgegen. Die
Tarifvertragsparteien wollten offensichtlich mit ihrer Überleitungsvorschrift alle Ärzte der
Vergütungsgruppe I b BAT-KF in die Facharzt-Entgeltgruppe Ä 2 eingruppieren,
unabhängig davon, ob die betroffenen Ärzte die Eingruppierungsmerkmale erfüllen.
Sollten aber alle vorherigen I b BAT-KF-Ärzte im Rahmen der Überleitung wie
Fachärzte behandelt werden, so ist es nur konsequent, dies auch bei der Stufenfindung
zu berücksichtigen. Soweit die Beklagte das Rundschreiben AR-Nr. 1 A/2008 des
Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche im Rheinland e. V. zur Stützung ihrer
Auffassung zur Gerichtsakte gereicht hat, ist diesem nicht zu entnehmen, dass eine
andere Auslegung des Tarifvertrages dem Willen der Tarifvertragsparteien entsprechen
würde. Diesem Rundschreiben ist vielmehr ebenfalls zu entnehmen, dass auch nach
Auffassung der Diakonie der Wortlaut des § 3 TVÜ-Ärzte-KF dafür spricht, vormals nach
I b BAT-KF eingruppierten Ärzte ohne Facharztabschluss nicht ausschließlich in die
Stufe 1 der Entgeltgruppe Ä 2 einzugruppieren. Soweit die Beklagte unter Berufung auf
das Rundschreiben dann auf § 15 Abs. 1 TV-Ärzte-KF abstellt und bei der Stufenfindung
nur eine Beschäftigung mit Facharztabschluss als relevant annimmt, so überzeugt dies
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nicht. Es geht hier nicht um die Frage, ob die Klägerin die Eingruppierungsmerkmale der
Entgeltgruppe Ä 2 Stufe 4 erfüllt. Vielmehr ist sie im Rahmen der Überleitung so zu
behandeln, als erfülle sie die notwendigen Eingruppierungsmerkmale, nämlich die
abgeschlossene Facharztausbildung sowie die entsprechende fachärztliche Tätigkeit.
Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Klägerin ohne die Überleitung mangels
Facharztausbildung nicht in die Entgeltgruppe Ä 2 hätte eingruppiert werden können.
Dies ist jedoch irrelevant. Die Tarifvertragsparteien haben sich eben darauf geeinigt,
dass die in der Vergütungsgruppe I b BAT-KF eingruppierten Ärzte künftig nach der
Entgeltgruppe Ä 2 vergütet werden sollen und zwar auf der Stufe, die sie (fiktiv) erreicht
hätten, wenn die Entgeltgruppe Ä 2 seit Beginn ihrer bisherigen Tätigkeit gegolten hätte.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 ZPO.
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IV.
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Bei der Streitwertfestsetzung hat die Kammer den Wert der 36-fachen monatlichen
Vergütungsdifferenz zwischen Ä 2 Stufe 1 und Ä 2 Stufe 4 in Ansatz gebracht.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1.Rechtsanwälte,
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2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
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ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Barth
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Richterin am Arbeitsgericht
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