Urteil des ArbG Ulm vom 04.11.2005

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ArbG Ulm Urteil vom 4.11.2005, 3 Ca 72/05
Konkludente Aufhebung eines Arbeitsvertrages; Schriftform
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf EUR 44.767,86 festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen soweit sie nicht gesetzlich zugelassen ist.
gez. Kumb
gez. Müller
gez. Pamin
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses, die Wirksamkeit einer von der Beklagten vorsorglich erklärten Kündigung,
Weiterbeschäftigung und Vergütungsansprüche.
2
Der am ...1959 geborene, verheiratete und zwei im Studium befindlichen erwachsenen Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger arbeitete seit
15.03.1988 bei der Beklagten. Ausweislich des ersten Arbeitsvertrages vom 01.05.1989 ABl. 4 - 7 war er verantwortlich für den Gesamtbereich
Fertigung und Qualitätssicherung. Er erhielt ab 01.05.1989 Gesamtprokura. Entsprechend § 3 des Arbeitsvertrages zahlte ihm die Beklagte eine
Vergütung von 12 Monatsgehältern zu je 5.500,00 DM brutto zuzüglich einer Weihnachtsgratifikation und eines Urlaubsgeldes in jeweils gleicher
Höhe. Dies entsprach einem Jahresverdienst von 39.369,47 EUR. Am 30.06.1997 schlossen die Parteien den zweiten Arbeitsvertrag ABl. 9 bis
13. Das Aufgabengebiet des Klägers umfasste danach "alle Bereiche der Fertigung". Die Vergütung erhöhte sich gemäß § 3 des Arbeitsvertrages
auf 8.000,00 DM monatlich zuzüglich einem 13. Gehalt und einem Urlaubsgeld in Höhe eines 14. Gehalts. Außerdem stand dem Kläger gemäß §
5 dieses Vertrages eine Tantieme in Höhe von 2,5 % ab einem jährlichen Gewinn von 800.000,00 DM zu. Auf der Grundlage dieses Vertrages
verdiente der Kläger 1999 181.840,00 DM (entspricht 92.973,32 EUR, Abrechnung ABl. 114). Der Kläger ist seit 1997 Mitgesellschafter der
Beklagten mit einem Anteil von 5 %. Ab 01.05.2000 bestellte die Beklagte den Kläger zum Mitgeschäftsführer. Den auf 5 Jahre befristeten
Dienstvertrag mit Datum 01.05.2000 unterzeichneten die Parteien am 10.05.2000. Seinerzeit lag der Mehrheitsgesellschafter der Beklagten
Wolfgang Schaefer im Krankenhaus im Sterben. Am 30.04.2000 war es zu einem Gespräch zwischen ihm und dem Kläger bezüglich der
Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der Beklagten gekommen und am 01.05.2000 um 11:00 Uhr zu einer Gesellschafterversammlung
im Krankenhaus. Die Gesellschafter beauftragten ihren Steuerberater mit der Umsetzung der gefassten Entscheidungen. Nach dem ersten
Geschäftsführervertrag erhielt der Kläger eine der Höhe nach unveränderte Vergütung von 8.000,00 DM monatlich in 12 Monatsgehältern, einem
13. Gehalt und einem Urlaubsgeld als 14. Gehalt. In § 5 Ziff. 2 des Dienstvertrages vereinbarten die Parteien eine Gleitklausel für die Erhöhung
des Grundgehalts. Die Tantiemen regelten sie in § 6 des Dienstvertrages mit neuer Staffelung wie folgt: bei einem Gewinn ab DM 200.000,00 3
%, DM 500.000,00 3,5 % und DM 800.000,00 4 %. Außerdem zahlte die Beklagte dem Kläger gemäß § 7 des Dienstvertrages eine
Altersvorsorge in Form einer Direktversicherung von jährlich DM 3.000,00. Am 19.12.2003 schlossen die Parteien den zweiten
Geschäftsführervertrag ABl. 14 bis 18.
3
Der Vertrag hält die Befristung bis 30.04.2005 aufrecht. Gemäß § 4 des Vertrages beträgt die Vergütung 5.900,00 EUR monatlich zuzüglich
einem 13. Gehalt und einem Urlaubsgeld von je 4.100,00 EUR.
4
Die Tantiemenstaffelung beträgt ab einem Gewinn von EUR 100.000,00 3 %, EUR 250.000,00 3,5 % und EUR 400.000,00 4 %. Gemäß § 6 des
Vertrages bezahlt die Beklagte dem Kläger eine Direktversicherung i. H. v. 1.752,00 EUR jährlich. Gemäß § 4 Abs. 5 des Vertrages erhält der
Kläger einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung. Auf der Grundlage dieses Vertrages zahlte die Beklagte dem Kläger im Jahr 2004
145.000,00 EUR (entspricht 284.000,00 DM). Die Beklagte verlängerte den bis 30.04.2005 befristeten Geschäftsführerdienstvertrag nicht.
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Der Kläger macht den Fortbestand des zwischen den Parteien am 15.03.1988 begründeten Arbeitsverhältnisses geltend. Er begehrt ferner die
Feststellung, dass dieses Arbeitsverhältnis durch die vorsorgliche Kündigung der Beklagten vom 24.06.2005, die dem Kläger am 30.06.2005
zugegangen ist, nicht aufgelöst worden ist und verlangt für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag seine Weiterbeschäftigung bis
zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits über die Feststellungsklage, aber auch Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung
sowie Vergütung entsprechend dem zweiten Arbeitsvertrag für Mai bis Oktober 2005. Die Beklagte beschäftigt gerichtsbekannt in der Regel mehr
als 5 Arbeitnehmer mit Ausnahme der zur Berufsbildung Beschäftigten.
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Die Beklagte trägt vor,
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der Kläger sei selbst von seinem Ausscheiden zum 30.04.2005 ausgegangen. Auf einer Betriebsversammlung am 01.04.2005 habe er mit den
Worten "heute ist mein letzter Arbeitstag" erklärt, er scheide aus. Von 06. bis 30.04.2005 sei der Kläger arbeitsunfähig krank gewesen. Er sei im
April zweimal erschienen, um persönliche Dinge abzuholen. Die Kündigung sei betriebs- und verhaltensbedingt. Mit dem Kläger sei auch der
Geschäftsführer K. nahezu zeitgleich ausgeschieden. Als neuer Geschäftsführer sei G. bestellt worden. In seiner Person seien die
Leitungsfunktionen zusammengefasst worden. Die Betriebsleiterfunktion sei damit entfallen. Da es nur eine Betriebsleiterstelle gegeben habe,
habe auch keine Sozialauswahl getroffen werden müssen. Im Umgang mit dem Kläger habe es zunehmend Probleme gegeben. Diese
spiegelten sich im Schreiben des Mitgesellschafters und Vetters des Klägers M. Sch. vom 07.01.2005 ABl. 88 wieder. Am 05.04.2005
nachmittags habe der Mitgesellschafter M. Sch. mit dem Mitarbeiter L. gesprochen.
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Der Kläger sei gegen 16:00 Uhr dazu gekommen, habe die Hand auf die Schulter des Mitarbeiters gelegt und gesagt: "Waschen Sie sich auch
gut nachher, wenn Sie mit so einem Schwein zusammen waren." Als M. Sch. am selben Nachmittag allein im Zimmer gewesen sei, habe der
Kläger das Zimmer betreten und M. Sch. mit der Faust ins Gesicht geschlagen (unstreitig). M. Sch. sei zwar noch zurückgewichen, habe dennoch
Prellungen und Hämatome ("Veilchen") erlitten. Er habe geäußert: "Das habe ich mir gedacht, dass Du so was auch noch tust".
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Zum ersten Geschäftsführervertrag sei es gekommen, weil der im Sterben liegende Altgeschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter den Kläger
habe in die Unternehmensführung einbinden wollen. In einem Telefonat am 30.04.2000 seien die Konditionen und insbesondere die Aufhebung
des Arbeitsverhältnisses besprochen worden, mit der der Kläger einverstanden gewesen sei. Der Mitgesellschafter M. Sch. sei von am
Nachmittag / frühen Abend des 30.04.2000 mit der Einladung zur Gesellschafterversammlung am 01.05.2000 beauftragt worden.
10 Der Kläger behauptet,
11 W. Sch. sei nicht mehr in der Lage gewesen, länger zu telefonieren. Es habe ein persönliches Gespräch im Krankenhaus in Anwesenheit von R.
Sch. und der Ehefrau des Klägers gegeben. Der Kläger sei beauftragt worden, den Mitgeschäftsführer K. wegen der Gesellschafterversammlung
zu informieren. Eine Zusammenführung von Leitungsaufgaben sei nicht Gegenstand einer Gesellschafterversammlung gewesen. Die
Betriebsleiterfunktion nehme J. Sch. kommissarisch wahr. Am 05.04.2005 habe der Kläger mit H. Sch. gesprochen, der ihm über ein Gespräch
mit M. Sch. berichtet habe. Zwei bis drei Minuten danach sei der Kläger am Zimmer des M. Sch. vorbeigegangen. Der habe gegrinst. Der Schlag
ins Gesicht des M. Sch. sei eine Kurzschlussreaktion des Klägers gewesen. M. Sch. habe geäußert: "Damit habe ich gerechnet.". Die übrigen
verhaltensbedingten Vorwürfe seien pauschal und nicht geeignet, eine Kündigung zu begründen.
12 Der Kläger beantragt,
13 1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht;
14 2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24.06.2005, zugegangen am
30.06.2005, nicht aufgelöst worden ist;
15 3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände beendet worden ist, sondern zu unveränderten
Bedingungen fortbesteht;
16 4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den
Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen;
17 5. das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber nicht EUR 93.000,00
unterschreiten sollte, aufzulösen;
18 6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 34.767,86 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils
EUR 5.112,92 seit dem 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10. und 01.11.2005 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit 01.07.2005 aus EUR 4.090,34 zu zahlen.
19 Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
21 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die
vorgelegten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
22 Die zulässige Klage ist nicht begründet. Das am 15.03.1988 zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis ist mit Ablauf des 30.04.2000
durch den ersten Geschäftsführervertrag vom 10.05.2000 konkludent aufgehoben worden.
23 1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist zulässig. Die Parteien streiten über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und über Ansprüche
aus einem solchen, § 2 Nr. 3 b und 3 a ArbGG. In erster Linie begehrt der Kläger im Wege einer Statusklage die Feststellung des Bestands
eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien. Die weiteren Ansprüche hängen davon ab, ob der Bestand eines Arbeitsverhältnisses
bejaht wird. Nur dann stehen die Wirksamkeit der vorsorglich von der Beklagten ausweislich des Datums des Kündigungsschreibens am
24.06. (und nicht 30.6.) 2005 erklärten Kündigung, die Weiterbeschäftigung, die Auflösung und die Vergütungsansprüche im Streit.
Auflösungs- und Weiterbeschäftigungsantrag sind dahin auszulegen, dass Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und für
die Zeit danach nur für den Fall der Zurückweisung des Auslösungsantrags begehrt wird. Alle Ansprüche stützen sich auf arbeitsrechtliche
Anspruchsgrundlagen (Kündigungsschutz: § 1 KSchG, Auflösung: § 9 KSchG; Weiterbeschäftigung: §§ 611, 613, 242 BGB i. V. m. Art. 1 und 2
GG i. V. m. dem Arbeitsvertrag; Annahmeverzugsvergütung: §§ 615 i. V. m. 296 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag), so dass es sich um einen
sogenannten Sic-non-Fall im Sinne der Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 24.04.1996 5 AZB 25/95, NZA 1996,1005 ff.; Urteil vom
26.05.1999 5 AZR 664/98, NZA 1999,987 ff.; Urteil vom 20.09.2000 5 AZR 271/99, NZA 2001, 210 ff.) handelt: Tatsachenbehauptungen und
Rechtsansicht sind doppelrelevant für Rechtsweg und Begründetheit der Klage. Besteht kein Arbeitsverhältnis, sind alle Ansprüche
unbegründet. Daher musste bei Verneinung eines Arbeitsverhältnisses der Rechtsstreit nicht an die ordentlichen Gerichte verwiesen werden,
sondern konnte die Klage durch Urteil abgewiesen werden.
24 2. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis. Das am 15.03.1988 begründete Arbeitsverhältnis in Gestalt des zweiten
Arbeitsvertrages vom 30.06.1997 ist durch den am 10.05.2000 schriftlich abgeschlossenen ersten Geschäftsführervertrag mit Ablauf des
30.04.2000 konkludent aufgehoben worden. Die nach § 623 BGB erforderliche Schriftform ist mit dem ersten Geschäftsführervertrag gewahrt.
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Im Urteil vom 25.04.2002 (Az.: 2 AZR 352/01 NZA 2003, 272 ff.) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass im Abschluss eines
Geschäftsführerdienstvertrages durch einen leitenden Mitarbeiter im Zweifel die konkludente Aufhebung seines bisherigen
Arbeitsverhältnisses liege.
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Dies gelte vor allem dann, wenn ein völlig neuer (Geschäftsführerdienst-) Vertrag mit einem anderen Vertragspartner als dem bisherigen
Arbeitgeber geschlossen werde (unter Hinweis auf den Beschluss vom 28.12.1995 5 AZB 4/95, NZA 1996,614 f. und das Urteil vom
08.06.2002 2 AZR 207/99, NZA 2000, 1013 ff.) und sich die vertraglichen Konditionen – vor allem in finanzieller Hinsicht – für den bisherigen
Arbeitnehmer als Geschäftsführer verbessern. Der Senat habe bereits in seiner Entscheidung vom 08.06.2000 (a.a.O.) darauf hingewiesen,
dass mangels weiterer Anhaltspunkte grundsätzlich eine Vermutung dafür spreche, dass nach dem Willen der Parteien neben dem
Geschäftsführerdienstvertrag (dort) mit einer neuen GmbH nicht noch ein Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber ruhend
fortbestehen soll. Damit habe der Senat die mit der Entscheidung vom 07.10.1993 (2 AZR 260/93) eingeleitete Änderung seiner
Rechtsprechung fortgeführt. Einem Arbeitnehmer in leitender Position müsse regelmäßig klar sein, dass er, wenn anderes nicht ausdrücklich
vereinbart worden ist, mit dem Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages mit einer anderen Gesellschaft seinen Besitzstand aus dem
bisherigen Arbeitsverhältnis aufgebe. Die Vergütungshöhe in dem neuen Geschäftsführerverhältnis gebe dabei nicht den entscheidenden,
sondern nur einen von mehreren Aspekten für die Beantwortung der Frage, ob das bisherige Arbeitsverhältnis beendet worden sei, da oft
auch Hoffnungen auf zukünftige günstige wirtschaftliche Entwicklungen einerseits oder ein erhöhtes Sozialprestige anderseits den
Entschluss des Betroffenen zum Wechsel in eine Geschäftsführerposition tragen könnten.
27
In Anwendung und Fortführung dieser Rechtsprechung gilt für den vorliegenden Fall folgendes: Im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom
25.04.2002 (a.a.O.) entschiedenen Fall wurde der Arbeitnehmer der KG zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, also zum
gesetzlichen Vertreter der gesetzlichen Vertreterin der KG bestellt. Zwar handelt es sich bei der KG und der GmbH formell um zwei rechtlich
selbständige Gesellschaften in unterschiedlicher Gesellschaftsform, gleichwohl sind sie über die gesetzliche Vertretungsregelung so eng
miteinander verknüpft, dass der Fall sich von dem vorliegenden Fall, in dem der Arbeitnehmer der GmbH zu ihrem (Mit-)Geschäftsführer
bestellt worden ist, nur noch formal unterscheidet. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2002 (a.a.O.) soll die
Anhebung der Vergütung vom Arbeits- zum Geschäftsführervertrag kein maßgebliches sondern nur noch ein untergeordnetes Kriterium sein,
weil auch das erhöhte Sozialprestige und die Hoffnung auf eine zukünftige günstige wirtschaftliche Entwicklung für die konkludente Aufgabe
des bisherigen Arbeitsverhältnisses ausreichend sein könnten.
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Im vorliegenden Fall hat sich die Vergütung des Klägers vom zweiten Arbeitsvertrag zum ersten Geschäftsführervertrag verbessert. Die
Gehaltserhöhungen wurden in einer Gleitklausel festgeschrieben, die Tantieme wurde neu gestaffelt und entstand gegenüber dem
Arbeitsvertrag bereits bei einem deutlich niedereren Gewinn. Schließlich ist in den ersten Dienstvertrag noch eine Altersversorgung in Form
einer Direktversicherung im Wert von 3.000,00 DM jährlich aufgenommen. Die Erwartungshaltung in eine Vergütungsverbesserung im
Dienstverhältnis hat sich in der Fortschreibung des zweiten Dienstvertrages bestätigt. Hier haben die Parteien die Bezüge erneut erhöht und
um einen Dienstwagen ergänzt, der dem Kläger auch zur Privatnutzung zur Verfügung stand. Dementsprechend erhielt der Kläger im Jahr
2004 Bezüge in Höhe von 145.000,00 EUR gegenüber 92.973,32 EUR im letzten Jahr als Arbeitnehmer (1999). Dies entspricht einer
Steigerung von über 50 %. Als besonderer Umstand tritt im vorliegenden Fall noch hinzu, dass der Kläger geschäftsführender
Mitgesellschafter war. Seit 1997 hält er einen Gesellschaftsanteil von 5 %. Schließlich wollte der Altgeschäftsführer und
Mehrheitsgesellschafter W. Sch. den Kläger als seinen Neffen verstärkt in die Geschäftsführung einbinden. Insoweit bedeutet der Wechsel
vom Arbeitnehmer zum Mitgeschäftsführer für den Kläger auch einen sozialen Aufstieg, der dagegen spricht, dass das Arbeitsverhältnis vom
15.03.1988 ruhend fortbestehen sollte. Damit ist davon auszugehen, dass nicht zwei Vertragsverhältnisse nebeneinander bestehen sollten,
sondern das Arbeitsverhältnis mit Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrages am 10.05.2000 und der Bestellung zum Mitgeschäftsführer
ab 01.05.2000 mit Ablauf des 30.04.2000 konkludent aufgehoben worden ist.
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Die konkludente Aufhebung ist auch formwirksam im Sinne des seit 01.05.2000 in Kraft getretenen § 623 BGB zustande gekommen. Darauf,
ob die Parteien am 30.04.2000 mündlich die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses vereinbart haben, kommt es nicht an. Nach eigener
Einlassung der Beklagten fand erst am 01.05.2000 im Krankenhaus am Sterbebett des Mehrheitsgesellschafters und Altgeschäftsführers W.
Sch. eine Gesellschafterversammlung statt, in der der Beschluss gefasst worden ist, den Kläger zum Geschäftsführer zu bestellen und mit
ihm einen Dienstvertrag abzuschließen.
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Mit der Umsetzung dieses Beschlusses beauftragten die Gesellschafter, zu denen auch der Kläger gehörte, ihren Steuerberater. Ist eine
Beurkundung des beabsichtigten Vertrages verabredet, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist, § 154
Abs. 2 BGB. Die Beurkundung des Vertrages erfolgte unstreitig erst am 10.05.2000, obwohl der Vertrag das Datum 01.05.2000 trägt. Zu der
Zeit galt aber bereits das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für Aufhebungsverträge. Dieses Schriftformerfordernis, das sich nach § 126
Abs. 2 BGB bestimmt, ist indessen gewahrt, wenn die Erklärung in einer Urkunde niedergelegt ist und diese von beiden Parteien
unterschrieben ist. Dabei ist nicht erforderlich, dass der übereinstimmende Wille der Parteien im Inhalt der Erklärung seinen Ausdruck
gefunden hat (BAG Urteil vom 18.06.1997, 4 AZR 710/95, NZA 1997, 1234 <1237> unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des
BGH, vergleiche auch Baeck/Hopfner, "Schlüssige Aufhebungsverträge mit Organmitgliedern nach Inkrafttreten des § 623 BGB" in Der
Betrieb 2000 1914 ff.; Kamanabrou, "Das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers im Licht neuerer Rechtsprechung" in DB 2002,
146 <150>; Niebler/Schmiedl, "Die Rechtsprechung des BAG zum Schicksal des Arbeitsverhältnisses bei der Geschäftsführerbestellung
nach In-Kraft-Treten des § 623 BGB" in NZA-RR 2001, 281 ff.; Stefan Nägele, "Der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers" in BB 2001, 305
ff.). Der Dienstvertrag, durch dessen Inhalt und Begleitumstände, wie oben dargestellt, der Arbeitsvertrag konkludent aufgehoben worden ist,
erfüllt die Voraussetzungen der Schriftform nach § 126 Abs. 2 BGB. Er stellt eine einheitliche Urkunde dar, die von beiden Parteien
unterzeichnet ist. Die Schriftform des § 623 BGB ist damit gewahrt. Das am 15.03.1988 begonnene Arbeitsverhältnis bestand nicht über den
30.04.2000 hinaus als ruhendes Arbeitsverhältnis fort und lebte auch nicht nach Beendigung des Dienstvertrages am 30.04.2005 wieder auf.
Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis. Die Statusfeststellungsklage ist als unbegründet abzuweisen. Alle anderen geltend
gemachten Ansprüche sind mangels Arbeitsverhältnisses nicht zur Entscheidung angefallen.
II.
31 Der Kläger trägt als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits, § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
32 Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstands beruht dem Grunde nach auf § 61 Abs. 1 ArbGG und der Höhe nach auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.
V. m. § 3 ZPO und § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG.
33 Die Quartalsvergütung beträgt ausgehend von einem Jahreseinkommen von 92.973,32 EUR im Jahr 1999 23.243,33 EUR. Die Kammer hat den
demgegenüber höheren Zahlungsantrag in Höhe von 34.767,86 EUR zuzüglich 10.000,00 EUR für den Weiterbeschäftigungsantrag in Ansatz
gebracht.
34 Die Zulassung der Berufung, soweit sie nicht gesetzlich zugelassen ist, war nicht geboten. Die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG liegen
nicht vor. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 64 Abs. 3a ArbGG.