Urteil des ArbG Ulm vom 09.09.2014

behinderung, mobbing, absolutes recht, urlaub

ArbG Ulm Urteil vom 9.9.2014, 5 Ca 36/14
Benachteiligung - Indizwirkung - Kausalität - § 12 AGG - § 22 AGG
Leitsätze
Die Indizwirkung nach § 22 AGG kann nur eintreten, wenn die vorgetragenen
Tatsachen - aus objektiver Sicht und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit - darauf
schließen lassen, dass die konkrete Benachteiligung zumindest auch wegen eines
bestimmten Merkmals erfolgt ist. Irgendwelche generellen Pflichtverletzungen oder
Verhaltensweisen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem AGG (z. B. Verstöße
gegen § 12 AGG) allein können daher grundsätzlich nicht als Indizien für die gemäß §
15 AGG erforderliche Kausalität der konkreten Benachteiligung im Einzelfall wegen
eines bestimmten Merkmals nach § 1 AGG ausreichen, wenn entweder der konkrete
Zusammenhang dieser Pflichtverletzung bzw. Verhaltensweise zur Benachteiligung im
Einzelfall wegen eines bestimmten Merkmals nach § 1 AGG nicht im Einzelnen
dargelegt wird oder keine Pflichtverletzungen bzw. Verhaltensweisen vorgetragen
werden, die auf Benachteiligungen im konkreten Einzelfall schließen lassen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf EUR 179.857,84 festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger fordert von der beklagten Arbeitgeberin Zahlungen als Ersatz für
immaterielle Schäden wegen Benachteiligung nach dem AGG und Mobbing,
weitere Zahlungen als Ersatz für verschiedene im Zusammenhang mit den
behaupteten Rechtsverletzungen stehende materielle Schäden sowie die
Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz aller weiteren Schäden
aus den aufgeführten Verletzungen.
2 Der am 08.09.1966 geborene Kläger ist seit dem 16.08.1999 bei der Beklagten als
technischer Angestellter zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von
zuletzt EUR 4.442,33 beschäftigt. Der Kläger ist verheiratet und hat ein Kind. Er ist
seit einem Autounfall im Jahr 2004 zu 30 % behindert und einem
Schwerbehinderten gleichgestellt.
3 Mit außergerichtlichem Schreiben vom 30.10.2013 (Abl. 148 ff.) wandte der Kläger
sich über seinen Prozessbevollmächtigten an die Beklagte und forderte diese u. a.
zu Entschädigungs- und Schadensersatzzahlungen auf, da er wegen „Alters,
Behinderung und Geschlecht“ benachteiligt worden sei. Mit Schreiben vom
14.11.2013 (Abl. 167) antwortete die Beklagte. Sie führte aus, sie habe die
Sachverhalte aufgeklärt und soweit sich die Vorwürfe als zutreffend erwiesen
hätten, habe sie die Kollegen des Klägers aufgefordert, sich zukünftig in der
Wortwahl zu mäßigen. Es bleibe aber festzustellen, dass dem Kläger kein
Entschädigungs- oder Schmerzensgeldanspruch zustehe. Daraufhin erhob der
Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30.01.2014, bei
Gericht eingegangen per Telefax am gleichen Tag, Klage.
4
Der Kläger ist der Ansicht
, er habe umfangreiche Ansprüche auf Entschädigung
und Schadensersatz, da er von der Beklagten bzw. ihren Mitarbeitern wegen
seiner Behinderung, die der Beklagten bekannt gewesen sei, benachteiligt und
gemobbt worden sei. Es hätten insbesondere folgende „Diskriminierungen“
stattgefunden:
5 - Mitte Mai bis Ende Juni 2012 habe er über einen Zeitraum von ca. 6 Wochen auf
Weisung seines Vorgesetzten einen erkrankten Kollegen vertreten und dessen
Baustellen mit betreut, so dass er teilweise 14–15 Stunden am Tag gearbeitet
habe. Überdies sei er auch telefonisch ständig erreichbar gewesen. Hierdurch sei
er überlastet worden. Eine weitere Überlastung habe sich am 24.07.2013
ergeben (s. S. 23 der Klage [Abl. 78]).
6 - Im Juni 2012 habe ein Bewertungsgespräch zwischen ihm und seinem
Vorgesetzten B. stattgefunden, bei dem er eine Höhergruppierung beantragt
habe. Herr B. habe gemeint, dass dies kein Problem sei und habe die
Höhergruppierung beim zuständigen Abteilungsleiter Martin E. beantragt.
7 - Niemand habe sich bei ihm für die Leitung einer großen Baumaßnahme im
Zeitraum von Juli bis Anfang September 2012 bedankt.
8 - Er habe nach seinem Urlaub Ende September 2012 einen VW UP als
Dienstwagen erhalten, obwohl alle anderen Bauleiter größere Autos (Golf und
Caddy) bekommen hätten. Der VW UP sei für ihn zu klein gewesen und
schädlich für seine Bandscheibe. Darauf habe er Herrn B. hingewiesen. Dieser
habe nur gemeint, er solle sich nicht so anstellen. Überdies hätte er sich wegen
des kleinen Autos von Kollegen einige Kommentare anhören müssen. Sie hätten
gesagt, er sehe aus wie ein Bär in der Ölsardinenbüchse.
9 - Im Oktober 2012 sei ein von Kollegen manipulierter Auftrag einer Baumaßnahme
auf seinem Schreibtisch gelegen. Er sei in Tränen ausgebrochen, weil er Angst
hatte, es zeitlich nicht zu schaffen. Seine Frau habe daraufhin beim Kollegen R.
angerufen und gesagt, ob sie ihn nicht endlich in Ruhe lassen können, damit er
in Ruhe arbeiten könne. Der Kollege habe sich für den „Spaß“ entschuldigt und
versichert, es werde nicht wieder vorkommen.
10 - Am 31.12.2012 sei der Geschäftsführer der Beklagten W. gekommen und habe
den noch anwesenden Mitarbeitern frohe Weihnachten gewünscht. Er, der
Kläger, habe gegen 11:50 Uhr den Betrieb verlassen, ohne Weihnachtswünsche
vom Gruppenleiter oder vom Abteilungsleiter der Beklagten erhalten zu haben.
11 - Am 08.01.2013 habe er bei Herrn E. erneut nach seiner Höhergruppierung
gefragt. Herr E. habe lautstark erklärt, ob er, der Kläger, denn gar nicht nachlasse
und ob er es denn immer noch nicht kapiert habe.
12 - Am 26.04.2013 habe er Herrn B. einen „Zeitkorrekturzettel“ über 10 Minuten
vorgelegt. Als Herr B. den Zettel gesehen habe, sei er zu ihm gekommen und
habe gefragt, was er hier unterschreiben solle. Das sei ja wohl lächerlich.
13 - Am 13.05.2013 habe eine außer der Reihe einberufene, gemeinsame
Besprechung der Zielkarte 2012 stattgefunden, obwohl er an diesem Montag
Urlaub gehabt hatte.
14 - Am 16.05.2013 habe er seine Zielkarte ohne Möglichkeit zur Prüfung
unterschreiben sollen.
15 - Nachdem er sich in der Personalabteilung nach der Höhe der ihm zustehenden
Zuschläge für Feiertagsarbeitsarbeit erkundigt hatte, sei er von Herrn B.
angeschrien worden, er, der Kläger, hätte auch ihn fragen können und nicht
gleich dort draußen anrufen müssen.
16 - Am 12.06.2013 habe ein Bewertungsgespräch ohne Vorankündigung
stattgefunden. Das Gespräch habe nur circa fünf Minuten gedauert. Ihm seien
keine sinnvollen Fortbildungen angeboten worden und die Höhergruppierung sei
nochmals abgelehnt worden.
17 - Am 24.06.2013 sei eine Auszubildende für eine Woche in die Abteilung
gekommen. Herr B. habe mit allen anwesenden Kollegen über die
Auszubildende gesprochen. Er, der Kläger, sei hinter seiner Trennwand
gesessen und nicht beachtet worden. Er sei auch später noch mehrfach ignoriert
worden, z. B. hätte ihn Herr B. am 30.07.2013 nicht gegrüßt, obwohl er diesem
einen „Guten Morgen“ gewünscht habe oder Herr E. habe sich am 28.07.2013
vom Kläger nicht verabschiedet, obwohl er, der Kläger, „Tschüss“ gesagt habe
(s. im Einzelnen S. 18–29 der Klage [Abl. 73–84] und die Aufstellung auf S. 33. f.
der Klage [Abl. 88 f.]).
18 - Ihm sei nach seinem Urlaub im Jahr 2005 ein Arbeitsplatz hinter einer Trennwand
zugewiesen worden, weil er krank gewesen sei. Alle anderen Kollegen hätten
sich ihren Platz selbst auswählen dürfen. Der Platz befinde sich genau an der
Eingangstüre und unter der Klimaanlage. Jeder der den Raum betrete, sehe
sofort auf den PC. Auch durch den Tresen komme er sich vor wie die
Empfangsdame des Büros. Er habe, bevor die Kollegen W. und R. in die Gruppe
gekommen seien, seinen Arbeitsplatz wechseln wollen. Doch da sei ihm wieder
gesagt worden, er solle hinter seiner Wand bleiben. Der Kläger habe sich auf
nicht konzentrieren können, wenn die Türe offen stand. Wegen des Winds aus
der Klimaanlage hätte er mehrfach Herrn B. angesprochen. Es sei nichts
unternommen worden. Er habe die Anlage wegen des Luftstroms mit Packpapier
versiegelt. Immer wieder sei sie von Kollegen zu tief eingestellt worden. Er habe
mehrfach die Kollegen gebeten, sie auf 22° bzw. 23° zu lassen. Teilweise sei
die Klimaanlage auf 20° oder auf 18° eingestellt, wenn er morgens das Büro
betrete.
19 - Am 29.08.2013 sei Herr K., ein Kollege, um 07:05 Uhr an seinem Schreibtisch
gesessen und habe eine Zeitung gelesen. In der Kaffeemaschine, die sich in der
Küche befand, habe Kaffee gefehlt. Dieser befinde sich in einem
abgeschlossenen Schrank, für welchen er, der Kläger, ebenfalls einen Schlüssel
besitzt. Der Kollege V., von der Arbeitsvorbereitung, habe Herrn K. gefragt, ob er
jetzt mal den Schrank ausschließen könne, damit man einen Kaffee rausholen
könne. Daraufhin habe Herr K. gesagt: „Der Fettsack hat doch auch einen
Schlüssel, warum schließt der ihn nicht auf?“. Damit habe Herr K. ihn, den Kläger,
gemeint.
20 Um 15:45 Uhr seien der Gruppenleiter der Arbeitsvorbereitung Herr S. und Herr K.
zusammen in das Büro gegangen. Es kam noch einmal die Diskussion vom
Morgen auf. Daraufhin sagte Herr S. zu Herrn K., er solle endlich zwei Packungen
Kaffee woanders hinlegen, dann käme sowas gar nicht mehr vor. Herr K. habe ihn,
den Kläger, angeschrien: „Der fettgwammpete Hund da drüben kann doch den
Schrank auch mal aufschließen.“ Er, der Kläger, habe erwidert, Herr K. solle
endlich diese Beleidigungen unterlassen und damit aufhören. Daraufhin habe Herr
K. gesagt, er solle endlich in den Urlaub verschwinden, dann seien sie ihn los.
Herr S. habe noch zu ihm, dem Kläger, gesagt, er solle hier nicht rumschreien, er
verhielte sich ja wie im Kindergarten.
21 - Am 30.08.2013 habe er mit dem Bauleiter in der Kaffeeküche gestanden, als Herr
S. durch die Hintertür gekommen sei. Herr S. habe ihm mit einem Fußtritt einen
Schuh (Birkenstock) weggeschossen und dann mit einem höhnischen Grinsen
gefragt, ob er, der Kläger, jetzt wieder runter sei von seinem Trip.
22 Der Kläger behauptet, die vorstehend beschriebenen Vorkommnisse seien wegen
seiner Behinderung erfolgt. Zumindest ergäben sich hierfür verschiedene Indizien.
So habe die Beklagte ihre Pflichten aus § 12 Abs. 1 AGG verletzt, da sie für ihre
Mitarbeiter keine AGG-Schulungen durchgeführt habe und auch keine
Informationen zum Schutz vor Benachteiligung im Sinne des § 1 AGG gegeben
worden seien und ein umfassendes Schutzkonzept fehle. Darüber hinaus habe die
Beklagte § 13 AGG missachtet, da auf das Beschwerdeschreiben vom 30.10.2013
bislang keine Stellungnahme der Beschwerdestelle erfolgt sei und es an einer
nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit den ausführlich vorgetragenen
Diskriminierungen fehle. Ferner habe die Beklagte allgemein ihre Pflichten nach §
81 Abs. 1 SGB IX missachtet, so dass davon auszugehen sei, dass sie generell
Behinderte benachteilige. Überdies habe die Beklagte in den Jahren 2004 und
2005 dem Kläger nicht die Durchführung eines BEM angeboten, obwohl er in
diesen Jahren länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei.
Schließlich habe die Beklagte behautet, der Kläger hätte erheblich soziale Mängel.
Hiermit widerspreche sie ihren eigenen Bewertung aus den Jahren 2006 bis 2011,
in denen dem Kläger durchschnittliche bis gute Leistungen bescheinigt worden
seien.
23 Zudem sei der Kläger auch mittelbar benachteiligt worden, indem ihm ein sehr
kleiner Dienstwagen zugewiesen worden sei. Auch das Nichteinhalten der
Vorgaben von § 12 AGG (keine Durchführung von Schulungen, etc.) und § 13
AGG (Nichtbeantworten der Beschwerde) begründe mittelbare Benachteiligungen.
24 Der Kläger trägt weiterhin vor, dass die diskriminierenden Vorkommnisse zu
massiven gesundheitlichen Beeinträchtigung bei ihm geführt hätten. Er habe u. a.
im Urlaub nicht mehr abschalten können und habe Angstzustände und
Schlafstörungen bekommen. Der Zusammenhang zwischen den
Benachteiligungen bzw. dem Mobbing und seien Erkrankungen ergebe sich ohne
weiteres aus den fachärztlichen Feststellungen von Dr. T. (s. S. 45 ff. des
klägerischen Schriftsatzes vom 08.07.2014 [Abl. 348 ff.]).
25 Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei aufgrund der geschilderten
Vorkommnisse nicht nur zu umfangreichen Entschädigungszahlungen verpflichtet,
sondern auch zum Ersatz aller aus den Vorkommnissen resultierenden materiellen
Schäden, inklusive der Kosten und Aufwendungen für Arztbesuche. Überdies sei
die Beklagte verpflichtet, 11 Tage Urlaub aus dem Jahr 2013 und 20 Tage Urlaub
aus dem Jahr 2014 zu bezahlen sowie ausstehende Stunden und Tage, die
bislang nicht ausgeglichen worden seien.
26
Der Kläger erweiterte mit Schriftsatz vom 08.07.2014 die Klage um den
nachfolgend ausgeführten Antrag Nr. 6 und beantragt zuletzt insgesamt:
27
1. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die klägerische Partei einen Ersatz
für den immateriellen Schaden (Entschädigung und Schmerzensgeld) in
Höhe von EUR 159.924,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
28
2. Festzustellen, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, alle weiteren
Gesundheit-, Vermögens-und sonstigen Schäden zu ersetzen, die der
klägerischen Partei aufgrund der in der Klage beschriebenen
Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Form von Benachteiligungen,
Belästigungen und Diskriminierungen durch die beklagte Partei und ihrer
Mitarbeiter im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden
Arbeitsverhältnisses entstanden sind und die zukünftig entstehen werden
soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder
sonstige Dritte übergegangen sind.
29
3. Die beklagte Partei trägt die Kosten des Rechtsstreits.
30
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte Partei verpflichtet ist, die weiteren
Kosten der gerichtlichen Rechtsverfolgung an die klägerische Partei zu
zahlen.
31
5. Des Weiteren wird beantragt, der klägerischen Partei nach Erlass des
Urteils eine vollstreckbare Ausfertigung der Entscheidung zu erteilen.
32
6. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die klägerische Partei einen weiteren
Betrag in Höhe von EUR 13.274,36 nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
33
Die Beklagte beantragt,
34
die Klage abzuweisen.
35
Die Beklagte ist der Ansicht
, der Kläger sei in seinem Arbeitsverhältnis nicht,
insbesondere nicht wegen eines Grundes nach § 1 AGG, benachteiligt worden.
Eine Benachteiligung wegen einer Behinderung des Klägers scheide schon
deswegen aus, weil der Beklagten bis zum Klageeingang nicht bekannt gewesen
sei, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers zur Feststellung des
Behinderungsgrades geführt hätten. Zu Benachteiligungen wegen anderer
Merkmale nach § 1 AGG fehle es an jeglichem Vortrag. Auch sei der Kläger nicht
in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Der Kläger sei von
seinen Vorgesetzten nicht schlechter als andere Mitarbeiter behandelt worden.
Vielmehr habe man ihm stets eine über die Maßen hohe Aufmerksamkeit, die er
persönlich in Anspruch genommen habe, und vor allem eine sehr große Toleranz
gegenüber verschiedenen Verhaltensweisen entgegengebracht. Eine Überlastung
des Klägers habe es nicht gegeben. Auch lägen die von ihm behaupteten
„Reibereien“ mit seinen Kollegen grundsätzlich noch im Bereich normalen
Sozialverhaltens. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst – auch
gegenüber seinen Vorgesetzten – häufig unwirsch reagiert habe und mit seinen
Kollegen nicht zimperlich umgegangen sei. Namentlich die vom Kläger
geschilderten Unterhaltungen mit dem Zeugen B. seien allesamt anders
abgelaufen. Die Beklagte schildert, dass es in der Regel der Kläger war, der sich
unwirsch verhalten habe und dass weitere Eskalationen nur durch ein Nachgeben
oder vermittelndes Verhalten von Herrn B. hätten vermieden werden können.
36 Der Beklagten sei neu, dass der Kläger körperliche Probleme bei der Benutzung
des VW UP hatte. Er habe sich nie dahingehend geäußert, einen anderen
Dienstwagen zugeteilt zu bekommen. Vielmehr sei bei der Beklagten der Eindruck
entstanden, der Kläger freue sich über seinen „Flitzer“, zumal das dem Kläger
zugeteilte Fahrzeug als Ausstellungsstück einige Extras (Navi, MP3, etc.)
aufweise, welches für die Standardfahrzeuge nicht vorgesehen seien. Der Kläger
habe den Fuhrpark außerdem angewiesen, den ihm zugeteilten VW UP während
seines Urlaubs niemand anderem zur Verfügung zu stellen – es sei sein Auto.
Soweit zum Kläger gesagt worden sein soll, er sehe in dem VW UP aus „wie ein
Bär in der Ölsardinenbüchse“, handele es sich möglicherweise um eine der
üblichen Blödeleien unter den Kollegen, an welchen der Kläger durchaus gerne
und ohne große Einfühlsamkeit gegenüber den Kollegen teilgenommen habe.
37 Soweit es noch aufgeklärt werden konnte, sei der Kläger auch von niemandem
absichtlich, namentlich beim Grüßen, ignoriert worden. Es könne allerdings nicht
ausgeschlossen werden, dass Herr K. sich in beleidigender Weise über den Kläger
geäußert hat. Wie bereits vorprozessual mitgeteilt, habe die Beklagte alle Kollegen
des Klägers befragt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Umgang mit
dem Kläger, sofern dieser wieder seine Arbeit aufnehmen, äußerst korrekt zu
erfolgen habe, insbesondere seien beleidigende und auch unter Umständen
missverständliche Äußerungen zu unterlassen. Die Beklagte trägt vor, dass sie
erst durch das vorgerichtliche Schreiben des Prozessbevollmächtigten des
Klägers vom 30.10.2013 Kenntnis von den Vorwürfen des Klägers erhalten habe.
Der Kläger habe sich vorher nie bei ihr beschwert oder seinen gesundheitlichen
Zustand geschildert. Im Ergebnis habe der Kläger daher keine Ansprüche auf
Entschädigung oder wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts.
38 Zu den weiteren geltend gemachten Ansprüchen führt die Beklagte aus, sie habe
nicht für eventuelle Schäden des Klägers einzustehen, ein
Urlaubsabgeltungsanspruch scheide bereits wegen des Fortbestehens des
Arbeitsverhältnisses aus und der Anspruch auf Abgeltung geleisteter
Arbeitsstunden sei nicht schlüssig dargelegt.
39 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Akte,
namentlich auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie auf den Inhalt
der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
40 Die Klage ist bereits teilweise unzulässig, da sie in Bezug auf Antrag Nr. 2 und
teilweise in Bezug auf Antrag Nr. 6 nicht hinreichend bestimmt ist.
41
1.
Die Klage ist bereits mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig, soweit der
Kläger begehrt festzustellen, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, alle weiteren
Gesundheit-, Vermögens- und sonstigen Schäden zu ersetzen, die der
klägerischen Partei aufgrund der in der Klage beschriebenen
Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Form von Benachteiligungen, Belästigungen
und Diskriminierungen durch die beklagte Partei und ihrer Mitarbeiter im Rahmen
des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses entstanden sind
und die zukünftig entstehen werden soweit diese Ansprüche nicht auf
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Der Kläger
benennt in der Klageschrift 50 „Diskriminierungen“, die indes nicht alle zur
Begründung von Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen
herangezogen werden und bei denen unklar bleibt, welche im Einzelnen eine oder
mehrere Persönlichkeitsrechtsverletzungen des Klägers bewirkt haben sollen. Es
bleibt mithin völlig unklar, aufgrund welcher Vorfälle genau die Beklagte verpflichtet
sein soll, weitere Gesundheit-, Vermögens- und sonstige Schäden zu ersetzen.
Auf dieses Zulässigkeitsproblem hat das Gericht bereits in Nr. 5 der Verfügung
vom 06.03.2014 hingewiesen, ohne dass der Kläger seinen Antrag konkretisiert
hätte.
42
2.
Die Klage ist darüber hinaus mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig,
soweit der Kläger im Rahmen des Antrags Nr. 6 auf der Klageerweiterung vom
08.07.2014 die Zahlung von EUR 4.000,00 verlangt und diesen Antrag schlicht mit
der Bezahlung „ausstehender Stunden und Tage, die bislang nicht ausgeglichen
worden sind“, begründet. Denn eine Klage auf Bezahlung von geleisteter Arbeit ist
grundsätzlich nur dann hinreichend bestimmt und zulässig, wenn die genauen
Arbeitszeiten genannt sind, für die Zahlungen verlangt werden (s. nur Müller, NZA
2008, 977, 978). Das hat der Kläger jedoch nicht getan. Er hat zur Begründung
seines Anspruchs lediglich „46 Stunden, 46,85 Überstunden, 46,80
Winterarbeitszeit, 27,00 ungenehmigte Arbeitszeit“ ausgeführt. Wann diese
Stunden im Einzelnen geleistet worden sein sollen, bleibt vollkommen unklar.
43 Soweit der Klägervertreter noch im Kammertermin auf Hinweis des Vorsitzenden
einen Schriftsatznachlass beantragt hat, war dieser nicht zu gewähren. Die
beklagte Partei hat bereits mit Schriftsatz vom 07.08.2014 auf die Unschlüssigkeit
der Klage hingewiesen, so dass die klagende Partei hinreichend Anlass und
Gelegenheit hatte, ihren Vortrag zu präzisieren und das vorstehende
Bestimmtheitsproblem zu vermeiden. Dass die beklagte Partei insofern –
entgegen der Ansicht der Kammer – von einem Schlüssigkeitsproblem ausging, ist
unerheblich, da letztlich identische Mängel im Vortrag der klagenden Partei
angesprochen sind.
II.
44 Die Klage ist im Übrigen unbegründet, da der Kläger unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt Anspruch auf die geltend gemachten Zahlungen hat.
45
1.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz der von ihm behaupteten
immateriellen
Schäden.
46
a.
Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch auf Zahlung einer
Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger
wegen eines nach § 1 AGG inkriminierten Merkmals von der Beklagten
ungünstiger behandelt worden wäre als andere Arbeitnehmer.
47
aa.
Macht ein Arbeitnehmer Ansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG geltend, hat er
zunächst darzulegen und ggf. zu beweisen, dass er eine „ungünstigere
Behandlung“ erfahren hat als ein anderer Arbeitnehmer in einer vergleichbaren
Situation. Darüber hinaus muss diese ungünstigere Behandlung „wegen“ eines in
§ 1 AGG genannten Merkmals erfolgt sein. Dieser Kausalzusammenhang
zwischen benachteiligender Behandlung und einem Merkmal nach § 1 AGG ist
bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an ein Merkmal nach § 1 AGG
anknüpft oder durch dieses motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der
betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln des
Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal
Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat
(std. Rspr.: BAG 21.06.2012 – 8 AZR 364/11, NZA 2012, 1345, 1347 m. w. N.;
16.02.2012 – 8 AZR 697/10, AP AGG § 22 Nr. 4). Auf ein schuldhaftes Handeln
oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 16.02.2012 – 8
AZR 697/10, NZA 2012, 667, 670). Das Merkmal nach § 1 AGG muss mithin
nicht – gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder
„Triebfeder“ des Verhaltens – handlungsleitend oder bewusstseinsdominant
gewesen sein; eine bloße Mitursächlichkeit genügt.
48 Hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen Nachteil und verpöntem
Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich zugleich auf
die Darlegungslast auswirkt. Ein Arbeitnehmer genügt danach seiner
Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines
unzulässigen Merkmals vermuten lassen. Dies ist dann der Fall, wenn die
vorgetragenen Tatsachen – aus objektiver Sicht und mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit – darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung
zumindest auch wegen jenes Merkmals erfolgt ist. Denn durch die Verwendung
der Begriffe „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es
hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einem der in § 1 AGG genannten
Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen
vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen,
die aber gleichwohl die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist
(BAG 23.08.2012 – 8 AZR 285/11, AP AGG § 3 Nr. 9 [Rn. 32]; 27.01.2011 – 8
AZR 580/09, AP AGG § 22 Nr. 3 [Rn. 29]). Besteht eine derartige Vermutung für
die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, trägt nach §
22 AGG die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein
Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen
hat.
49
bb.
Vorliegend kann dahinstehen, ob der Kläger überhaupt ungünstiger
behandelt worden ist als andere Arbeitnehmer. Denn jedenfalls hat der Kläger
keine Indizien vorgetragen, die den Schluss darauf zulassen, das der Beklagten
und ihren Mitarbeitern vorgeworfene Verhalten sei wegen eines Merkmals nach §
1 AGG erfolgt.
50 Soweit der Kläger sich auf die Verletzung von § 12 Abs. 1 AGG beruft, ist eine
Pflichtverletzung der Beklagten bereits nicht ersichtlich. Denn § 12 Abs. 1 AGG
verpflichtet einen Arbeitgeber nicht pauschal zur Durchführung von Schulungen,
zur Aufstellung von Ethikrichtlinien oder sonstigen Maßnahmen, sondern nur zur
Ergreifung erforderlicher, ggf. auch vorbeugender Maßnahmen. Welche
Maßnahmen zu ergreifen sind und ob diese geeignet sind, richtet sich nach den
Umständen des Einzelfalls, wie z. B. der Größe des Betriebs, der
Zusammensetzung der Belegschaft und ihrer Anfälligkeit für Benachteiligungen,
aber auch nach der Schwere bereits erfolgter Benachteiligungen, ihrer Dauer und
danach ob diese erstmals oder bereits wiederholt aufgetreten sind. Dem
Arbeitgeber kommt dabei ein Ermessensspielraum zu, ob und welche
Maßnahmen er ergreift, obgleich zu berücksichtigen ist, dass sich die
Erforderlichkeit einer Maßnahme nach objektiven Gesichtspunkten, nicht nach
der subjektiven Einschätzung auf Arbeitgeber oder Arbeitnehmerseite richtet (im
Einzelnen HWK/Rupp, 6. Aufl. 2014, § 12 AGG Rn. 1 m. w. N.). Der Kläger hat in
keiner Weise dargelegt, aus welchem Grund die Beklagte überhaupt verpflichtet
gewesen sein soll, Maßnahmen nach § 12 AGG zu ergreifen, so dass aus einer
objektiven Sicht die Erforderlichkeit der Beklagten zur Durchführung von
Schulungen, zum Erteilen von AGG-bezogenen Informationen oder zum
Aufstellen umfassender Schutzkonzepte nicht ersichtlich ist.
51 Auch über § 13 AGG kann der Kläger vorliegend die Indizwirkung des § 22 AGG
nicht begründen, da der Kläger in Bezug auf § 13 AGG Pflichtverletzungen der
Beklagten nicht dargelegt hat. § 13 AGG sieht das Recht der Beschäftigten vor,
sich wegen einer eingetretenen Benachteiligung bei einer zuständigen Stelle zu
beschweren. Der Begriff der zuständigen Stelle ist weit auszulegen. Gemeint sind
neben dem Arbeitgeber auch Vorgesetzte, Gleichstellungsbeauftragte oder eine
besondere betriebliche Beschwerdestelle (BT-Drs. 16/1780, S. 37). Die
Beschwerde ist inhaltlich zu prüfen, d. h. nicht nur, dass das Vorbringen des
Beschäftigten zur Kenntnis zu nehmen und abzuwägen ist, sondern dass eine
umfassende Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen hat. Die Prüfung hat
entweder durch den Arbeitgeber oder durch einen von ihm beauftragten
Beschäftigten zu erfolgen. Das Ergebnis der Prüfung ist dem Beschäftigten
unabhängig von ihrem Ausgang mitzuteilen. Soweit der Kläger also einwendet,
seine Beschwerde sei nicht von der zuständigen Beschwerdestelle beantwortet,
ist nach vorstehenden Ausführungen zum weiten Verständnis des Begriffs der
zuständigen Stelle unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Begründung des
Regierungsentwurfs nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die
Personalabteilung der Beklagten als zuständige Stelle nicht in Betracht kommen
sollte.
52 Zwar ist der Ansicht des Klägers, die Beklagte habe gegen ihre Verpflichtungen
nach dem AGG verstoßen, weil sie es – nach dem unwidersprochenen Vortrags
des Klägers – unterlassen habe, eine Beschwerdestelle konkret zu benennen,
zuzustimmen. Eine solche Verpflichtung ergibt sich ohne weiteres aus § 12 Abs.
5 AGG. Allerdings ergibt sich jedenfalls im vorliegenden Fall allein aus der
Verletzung dieser Pflicht durch die Beklagte noch kein Indiz für eine
Benachteiligung des Klägers. Der Kläger verkennt nach Auffassung der Kammer
die Anforderungen an die Indizwirkung nach § 22 AGG, wenn er aus bestimmten
Verhaltensweisen, deren Zusammenhang zur Behinderung des Klägers und/oder
dem Verhalten seiner Vorgesetzten und Kollegen nicht ersichtlich ist, die
Indizwirkung des § 22 AGG ableiten will. Nur wenn die vorgetragenen Tatsachen
– aus objektiver Sicht und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – darauf
schließen lassen, dass die konkrete Benachteiligung zumindest auch wegen
eines bestimmten Merkmals erfolgt ist, kann die Indizwirkung nach § 22 AGG
eintreten. Irgendwelche generellen Pflichtverletzungen oder Verhaltensweisen
des Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem AGG allein können daher
grundsätzlich nicht als Indizien für die gemäß § 15 AGG erforderliche Kausalität
der konkreten Benachteiligung im Einzelfall wegen eines bestimmten Merkmals
nach § 1 AGG ausreichen, wenn entweder der konkrete Zusammenhang dieser
Pflichtverletzung bzw. Verhaltensweise zur Benachteiligung im Einzelfall wegen
eines bestimmten Merkmals nach § 1 AGG nicht im Einzelnen dargelegt wird
oder keine Pflichtverletzungen bzw. Verhaltensweisen vorgetragen werden, die
auf Benachteiligungen im konkreten Einzelfall schließen lassen. Die Ansicht der
klagenden Partei ernst genommen, aus generellen Pflichtverstößen gegen das
AGG an sich ergäben sich bereits Indizien gemäß § 22 AGG für
Benachteiligungen im Einzelfall, stünde bei Missachtung z. B. der Pflichten nach
§ 12 Abs. 5 AGG eines Arbeitgebers alle weiteren Maßnahmen dieses
Arbeitgebers gegenüber allen Arbeitnehmer unter dem Stigma der
Benachteiligung, gleich aus welchem Grund. Nach Ansicht der Kammer
überstrapaziert diese Ansicht den Regelungsgehalt von § 22 AGG und senkt die
Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der klagenden Partei zu stark
herab.
53 Soweit der Kläger darüber hinaus der Auffassung ist, es fehle an einer
nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit den ausführlich vorgetragenen
Diskriminierungen, ist darauf hinzuweisen, dass § 13 AGG keine inhaltlichen
Anforderungen an einen Beschwerdebescheid stellt und daher jede Begründung
ausreicht, die eine informierte Entscheidung des Betroffenen ermöglicht
(ErfK/Schlachter, 14. Aufl. 2014, § 13 AGG Rn. 3). Diese Anforderung ist nach
Ansicht der Kammer vorliegend noch gewahrt.
54 Überdies folgt auch aus dem (ebenfalls unbestrittenen) Vortrag des Klägers, die
Beklagte missachte generell ihre Pflichten nach § 81 Abs. 1 SGB IX, kein Indiz
nach § 22 AGG für eine Benachteiligung des Klägers im vorliegenden Fall. Es ist
nicht ersichtlich, wie generelle Verstöße der Beklagten gegen § 81 Abs. 1 SGB IX
Rückschlüsse zulassen sollen auf konkrete Verhaltensweisen einzelner Kollegen
und Vorgesetzten des Klägers, die in keinerlei innerem Zusammenhang zu
Stellenbesetzungen und den Pflichten nach § 81 Abs. 1 SGB IX stehen. Die
vorstehenden Ausführungen zur Verletzung der Pflichten der Beklagten nach §
12 Abs. 5 AGG gelten auch in Bezug auf § 81 Abs. 1 SGB IX sinngemäß.
55 Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, wie sich aus möglichen
Pflichtverletzungen der Beklagten nach § 84 Abs. 2 SGB IX in den Jahren 2004
und 2005 Indizien für benachteiligendes Verhalten für die Zeit ab Mai 2012
ergeben sollen. Zwischen möglichen Pflichtverletzungen der Beklagten in den
Jahren 2004 und 2005 und einem ggf. benachteiligenden Verhalten ab Mai 2012
ist bereits auf der Grundlage des klägerischen Vortrags weder ein zeitlicher noch
ein inhaltlicher Zusammenhang ersichtlich. Ein möglicher Zusammenhang wäre
zudem auch dadurch widerlegt, dass die Beklagte nach dem Vortrag des Klägers
im Jahr 2013, also in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zu dem
vorgeworfenen Verhalten, ihre Pflichten nach § 84 Abs. 2 SGB IX erfüllt und ein
BEM mit dem Kläger durchgeführt hat.
56 Ferner ergibt sich ein Indiz auch nicht aus möglichen Widersprüchen im Vortrag
der Beklagten. Soweit der Kläger meint, die Beklagte widerspreche sich selbst,
wenn sie einerseits behautet, der Kläger hätte erheblich soziale Mängel und sie
seine soziale Kompetenz andererseits in den Jahren 2006 bis 2011 jeweils
durchschnittliche bis gut bewertet habe, folgt auch hieraus keine Vermutung für
das Vorliegen einer Benachteiligung im Sinne des AGG. Selbst die
Widersprüchlichkeit dieses Vortrags der Beklagten unterstellt, ist ein
Zusammenhang zwischen diesem Vortrag und einer möglichen Benachteiligung
des Klägers wegen seiner Behinderung nicht ersichtlich. Der nach Ansicht des
Klägers widersprüchliche Vortrag der beklagten Partei betrifft lediglich einen
Teilaspekt der Klage und gerade nicht deren Kern, d. h. die Benachteiligung
wegen einer Behinderung des Klägers.
57
cc.
Schließlich ergibt sich eine Benachteiligung des Klägers auch nicht aus einer
mittelbaren Benachteiligung. Für die Annahme einer mittelbaren Benach-teiligung
i. S. v. § 3 Abs. 2 AGG ist kein statistischer Nachweis mehr erforderlich, dass
Personen, bei denen eines der Merkmale des § 1 AGG vorliegt, im Verhältnis zu
Personen, bei denen dies nicht der Fall ist, zahlenmäßig wesentlich stärker von
einer Vorschrift benachteiligt werden. Es reicht aus, wenn das fragliche Kriterium
hierzu bei wertender, typisierender Betrachtung geeignet ist. Mittelbare
Diskriminierungen können also statistisch nachgewiesen werden, können sich
aber auch aus anderen Umständen ergeben (s. nur BAG 22.04.2010 – 6 AZR
966/08, NZA 2010, 947, 950 mit zahlr. w. N.). Eine mittelbare Diskriminierung ist
danach gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften ihrem Wesen
nach geeignet sind, Personen oder Personengruppen aus den in § 1 AGG
genannten Gründen in besonderer Weise zu benachteiligen. Dies kann der Fall
sein, wenn Vorschriften im wesentlichen oder ganz überwiegend Personen, die
eines der verpönten Merkmale erfüllen, betreffen, wenn sie an Voraussetzungen
knüpfen, die von Personen, die von § 1 AGG nicht erfasst sind, leichter erfüllt
werden oder wenn sich die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm besonders
zum Nachteil von Personen, die § 1 AGG unterfallen, auswirken (BAG
22.04.2010 – 6 AZR 966/08, NZA 2010, 947, 950). Zur Feststellung dieser
Voraussetzungen sind Vergleichsgruppen zu bilden, die dem persönlichen
Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sind
(BAG 22.04.2010 – 6 AZR 966/08, NZA 2010, 947, 950).
58 Soweit der Kläger meint, aus der Zuweisung eines für ihn zu kleinen
Dienstwagens ergebe sich eine mittelbare Benachteiligung, da diese Maßnahme
für ihn aufgrund seiner Behinderung (massive Rückenprobleme) besonders
belastend ist, sind schon nach seinem eigenen Vortrag die vorstehenden
Voraussetzungen für eine mittelbare Benachteiligung nicht erfüllt, da eine dem
Anschein nach neutrale Vorschrift im vorgenannten Sinn, die ihrem Wesen nach
geeignet ist, Personen oder Personengruppen aus den in § 1 AGG genannten
Gründen in besonderer Weise zu benachteiligen, nicht ersichtlich ist. Die
Zuweisung eines Kleinwagens als Dienstwagen betrifft ihrem Wesen nach alle
Menschen gleichermaßen, unabhängig davon, ob sie behindert sind oder
sonstige körperliche Einschränkungen haben, die noch keine Behinderung i. S.
d. AGG darstellen. Insbesondere ist die Fahrt in einem Kleinwagen für alle
größeren Menschen gleichermaßen weniger komfortabel, wiederum unabhängig
vom Vorliegen einer Behinderung. Insgesamt deutet der Vortrag des Klägers
eher darauf hin, dass er meint, durch die Zuweisung eines für ihn zu kleinen
Dienstwagens vorsätzlich wegen seiner Behinderung benachteiligt worden zu
sein. In diesem Fall läge eine sog. verdeckte Benachteiligung vor, die einen
Unterfall der unmittelbaren Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG darstellt
(ausführlich dazu Rupp, RdA 2009, 307, 311). Eine verdeckte Benachteiligung ist
jedoch nur gegeben, wenn ein Arbeitgeber (auch im Rahmen einer
Einzelfallentscheidung) zwar eine nicht merkmalsbezogene Formulierung wählt
bzw. an nicht merkmalsbezogenen Kriterien anknüpft, diese Anknüpfung sich
jedoch lediglich als Tarnungsversuch einer beabsichtigten unmittelbaren
Benachteiligung erweist (HWK/Rupp, 6. Aufl. 2014, § 3 Rn. 4). Da nach dem
streitigen Vortrag des Klägers bereits nicht ersichtlich wird, dass der vorliegend
über die Zuweisung des Dienstfahrzeugs entscheidenden Stelle der Beklagten
(wohl Herrn B.) die konkrete Behinderung des Klägers bekannt war, kann
vorliegend auch eine solche verdeckte Benachteiligung nicht gegeben sein.
59 Auch soweit der Kläger meint, aus (möglichen) Pflichtverletzungen der Beklagten
gegen Pflichten nach § 12 AGG oder § 13 AGG eine mittelbare Benachteiligung
herleiten zu können, folgt dem die Kammer nicht. Zum einen fehlt es nach den
Ausführungen unter bb. bereits in Bezug auf § 12 Abs. 1 AGG und § 13 AGG an
den insofern erforderlichen Pflichtverletzungen der Beklagten, so dass das der
Beklagten insofern vorgeworfene Unterlassen nicht pflichtwidrig und damit
unbeachtlich ist. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass der Kläger in Bezug auf
die Pflichten der Beklagten nach § 12 AGG in irgendeiner Form anders behandelt
worden wäre als irgendein anderer Arbeitnehmer oder insoweit als behinderter
Mensch besonders betroffen wäre. Auch soweit der Kläger vorgetragen hat, der
Kläger als schwerbehinderter Mensch sei durch die fehlende Benennung einer
Beschwerdestelle besonders belastet und hieraus resultiere eine mittelbare
Benachteiligung, ist die Kammer anderer Ansicht. Wie bereits ausgeführt, ist eine
mittelbare Benachteiligung nur mittels einer Vergleichsgruppen-betrachtung
festzustellen (s. auch Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 3 Rn. 131). Der Kläger
hat jedoch nicht vorgetragen, welche Vergleichsgruppen überhaupt auf der
Grundlage der „Behandlung“ durch die Beklagte vorliegen sollen. Selbst wenn
man auf der Grundlage des klägerischen Vortrags unterstellen würde, es gebe
die Gruppe der Arbeitnehmer, die sich an die Beschwerdestelle nach § 13 AGG
wenden wollen, und die Gruppe der Arbeitnehmer, die hieran kein Interesse
haben, und beide Gruppen würden durch die fehlende Benennung einer
Beschwerdestelle durch die Beklagte ungleich betroffen, ist nach dem
klägerischen Vortrag weder ersichtlich, dass sich die Gruppen hinsichtlich eines
Merkmals nach § 1 AGG ungleich zusammensetzen (statistischer Nachweis)
oder sich aufgrund einer wertenden, typisierenden Betrachtung eine besondere
Belastung von Merkmalsträgern nach § 1 AGG ergibt. Denn die fehlende
Benennung einer Beschwerdestelle betrifft alle Menschen, die sich – für sich
selbst oder für andere – nach § 13 AGG beschweren wollen, unabhängig ob sie
Merkmalsträger sind oder nicht.
60
b.
Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz immaterieller Schäden folgt auch nicht
aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 7 Abs. 1 bzw. 12 AGG.
61
aa.
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 7 Abs. 1 AGG scheitert bereits
daran, dass – wie bereits vorstehend ausführlich dargelegt – eine
Benachteiligung des Klägers im Sinne § 7 Abs. 1 AGG nicht ersichtlich ist. Im
Übrigen ist § 7 Abs. 1 AGG kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB,
da er allein innerhalb der arbeitsvertraglichen Beziehung Bedeutung erlangt, wie
sich aus der Klarstellung in § 7 Abs. 3 AGG und der gesamten Konzeption des
AGG ergibt (HWK/Rupp, 6. Aufl. 2014, § 7 AGG Rn. 1 mit zahlr. w. N.).
62
bb.
Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 12 AGG kommt nicht in
Betracht. Zum einen ist auch § 12 AGG kein Schutzgesetz im Sinne von § 823
Abs. 2 BGB, was bereits aus einem Erst-Recht-Schluss zu vorstehenden
Ausführungen zu § 7 Abs. 1 AGG folgt. Zum anderen käme ein Anspruch wegen
des Unterlassens der Durchführung von AGG-Schulungen nur dann in Betracht,
wenn der Schaden bei ordnungsgemäßer Durchführung von AGG-Schulungen
nicht eingetreten worden wäre. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden,
da eine AGG-Schulung darauf abzielt, Verhaltensweisen in Verbindung mit nach
§ 1 AGG inkriminierten Merkmalen zu verhindern, vorliegend aber gerade –
mangels Vortrags entsprechender Indizien – nicht ersichtlich ist, dass der Kläger
wegen seiner Behinderung (oder eines anderen Merkmals nach § 1 AGG)
ungünstiger behandelt worden wäre als andere Mitarbeiter.
63
c.
Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz immaterieller Schäden folgt auch nicht
aus §§ 823 Abs. 1, 253 BGB i. V. m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG (allgemeines
Persönlichkeitsrecht).
64
aa.
Voraussetzung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1,
Art. 1 Abs. 1 GG ist, dass der Arbeitgeber das allgemeine Persönlichkeitsrecht
schwerwiegend verletzt hat oder dem Arbeitgeber ein schwerwiegender
Verschuldensvorwurf zu machen ist; geringfügige Eingriffe lösen keine
Entschädigungsansprüche aus (BAG 21.06.2012 – 8 AZR 188/11, NZA 2012,
1211, 1213; 24.09.2009 – 8 AZR 636/08, AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr.
41). Weitere Voraussetzung ist, dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise
befriedigend ausgeglichen werden kann (vgl. BGH 01.12.1999 – I ZR 49/97,
BGHZ 143, 214). Ob eine schwerwiegende Verletzung vorliegt, hängt von Art,
Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des
Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens ab, wobei zu berücksichtigen
ist, in welche geschützten Bereiche eingegriffen wurde (BAG 24.09.2009 – 8 AZR
636/08, AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 41). Eine Haftung kommt
insbesondere nur bei Verschulden (§ 276 BGB) in Betracht.
65 Soweit der Kläger sich auf den Tatbestand des „Mobbing“ beruft, ist darauf
hinzuweisen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Mobbing kein
Rechtsbegriff ist, sondern die Umschreibung eines Sachverhalts, mit dem das
„systematische Anfeinden, schikanieren und diskriminieren von Arbeitnehmern
bezeichnet wird (BAG 15.01.1997 – 7 ABR 14/96, NZA 1997, NZA 1997, 781).
Mobbing ist keine eigenständige Rechtsgrundlage. Ein Anspruch kann sich nur
ergeben, soweit der in Anspruch genommene schuldhaft ein absolutes Recht des
Arbeitnehmers im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz im Sinne des §
823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im
Sinne des § 826 BGB begangen hat. Wesensmerkmal der als Mobbing
bezeichneten Form der Persönlichkeitsrechtsverletzung ist die systematische,
sich aus vielen einzelnen Handlungen zusammensetzende
Verletzungshandlung, wobei den einzelnen Handlungen bei isolierter
Betrachtung eine rechtliche Bedeutung oft nicht zukommt (BAG 16.05.2007 – 8
AZR 709/06, NZA 2007, 1154, 1159). Die Persönlichkeitsrechtsverletzung ergibt
sich mithin in der Regel erst aus einer Gesamtschau der einzelnen Handlungen
oder Verhaltensweisen, deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen
zugrundeliegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines
geschützten Rechts des Arbeitnehmers führt (BAG 16.05.2007 – 8 AZR 709/06,
NZA 2007, 1154, 1159). Ob rechtsverletzende Handlungen vorliegen, die in ihrer
Zusammenschau als Mobbing bezeichnet werden können, ist in Anlehnung an
die gesetzliche Bestimmung des § 3 Abs.3 AGG zu ermitteln. Es kommt darauf
an, ob ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen,
Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird
(BAG 25.10.2007 – 8 AZR 593/06, NZA 2008, 223, 225).
66 Zu berücksichtigen ist dabei, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die
sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, nicht
geeignet sind, derartige rechtliche Tatbestände zu erfüllen (BAG 16.05.2007 – 8
AZR 709/06, NZA 2007, 1154, 1162 m. w. N.) und es daher gilt, sogenanntes
folgenloses (so Benecke, NZA-RR 2003, 225, 228) oder sozial- und
rechtsadäquates Verhalten (so Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 369) auf Grund einer
objektiven Betrachtungsweise, d. h. ohne Rücksicht auf das subjektive
Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers, von der rechtlichen Bewertung
auszunehmen. Weisungen, die sich im Rahmen des dem Arbeitgeber
zustehenden Direktionsrechts bewegen und bei denen sich nicht eindeutig eine
schikanöse Tendenz entnehmen lässt, dürften nur in seltenen Fällen eine
Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen. Gleiches kann sogar für den
Rahmen des Direktionsrechts überschreitende Weisungen gelten, denen jedoch
sachlich nachvollziehbare Erwägungen des Arbeitgebers zu Grunde liegen (vgl.
hierzu Benecke, NZA-RR 2003, 225; Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 369).
67 Nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln hat der Geschädigte
sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen.
Dies gilt auch in so genannten Mobbing-Fällen (BAG 16.05.2007 – 8 AZR
709/06, NZA 2007, 1154, 1162). § 22 AGG bietet für die Geltendmachung eines
Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts keine Erleichterungen (BAG 21.06.2012 – 8 AZR 188/11,
NZA 2012, 1211, 1213; 15.03.2012 – 8 AZR 37/11, NZA 2012, 910, 919).
68
bb.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist es dem Kläger nicht gelungen, eine
Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts darzulegen. Die von ihm
geschilderten Verhaltensweisen seiner Vorgesetzten und Kollegen können aus
einer objektiven Sicht nicht als schikanöse Handlungen angesehen werden, die
darauf gerichtet sind, gegenüber dem Kläger ein durch Einschüchterungen,
Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen
gekennzeichnetes Umfeld zu schaffen. Das gilt zunächst ohne weiteres für den
Vortrag des Klägers, er sei (zeitweise) überlastet gewesen, es habe sich niemand
bei ihm für seine Arbeit bedankt und sein Antrag auf bessere Bezahlung
(Höhergruppierung) sei negativ beschieden worden. Gleiches dürfte die
überragende Mehrzahl von Arbeitnehmern empfinden. Auch soweit der Kläger
meint, mehrfach bei Gesprächen, beim Grüßen oder in anderen Situationen
ignoriert worden zu sein, handelt es sich nach dem Dafürhalten der Kammer
noch ohne weiteres um alltägliche Vorgänge, die jeder Arbeitnehmer erfährt und
die auch vorliegend nicht in einer Vielzahl vorgekommen wären, dass davon
ausgegangen werden könnte, der Kläger werde gezielt schikaniert. Vielmehr
hätte der Kläger sich, so wie er die Situationen schildert, mitunter selbst stärker
einbringen und so beitragen können, sein Gefühl, ausgeschlossen zu werden, zu
überwinden (vgl. nur die Situationen vom 24.06.2013 und vom 27.06.2013).
69 Soweit der Kläger sich über seinen Arbeitsplatz hinter einer Trennwand
beschwert, ist der Zusammenhang zu den weiteren von ihm geschilderten
Vorgängen nicht ersichtlich. Nach seinem eigenen Vortrag wurde ihm dieser
Arbeitsplatz bereits im Jahr 2005 zugewiesen, sämtliche anderen Handlungen
datieren aus den Jahren 2012 und 2013, so dass bereits aufgrund dieses zeitlich
langen Zwischenraums nicht davon ausgegangen werden kann, es gebe hier
eine für die Verletzungshandlungen erforderliche Systematik (vgl. nur BAG
16.05.2007 – 8 AZR 709/06, NZA 2007, 1154, 1162 m. w. N.). Soweit er weiterhin
die Einstellung der Klimaanlage und den hieraus folgenden Konflikt mit den
Arbeitskollegen moniert, handelt es sich um einen absolut alltäglichen Konflikt
zwischen Arbeitskollegen, der auch in dem Kontext der weiteren Vorwürfe des
Klägers als unerheblich zu werten ist.
70 Nichts anderes gilt für die Vorwürfe des Klägers, seine Vorgesetzten seien ihm
gegenüber laut/ausfallend geworden. Der Kläger schildert hier Situationen, die
zwar nicht wünschenswert sind, aber wiederum zu den normalen täglichen
Situationen gehören, die jedermann in sozialen Beziehungen – wie (auch) im
Arbeitsverhältnis – grundsätzlich aushalten muss.
71 Zum Bereich dessen, was nicht mehr ausgehalten werden muss, zählen
sicherlich die vom Kläger gegenüber Herrn K. erhobenen Vorwürfe. Gleichwohl
genügen derartige Vorkommnisse allein (noch) nicht, um ein durch
Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder
Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld zu schaffen und damit eine
Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers zu begründen. Gleiches gilt für die
Vorkommnisse um den Dienstwagen des Klägers. Hier mag der Kläger – auf
Basis seines (substantiiert bestrittenen) Vortrags – u. U. gegenüber anderen
Arbeitnehmern benachteiligt worden sein. Allerdings ist, wie bereits oben
ausführlich erläutert, weder eine Benachteiligung aus einem in § 1 AGG
genannten Merkmal ersichtlich, noch stellt eine Benachteiligung für sich ohne
weiteres eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Hierzu bedarf es – wie
vorstehend ausgeführt – weiterer Voraussetzungen, die vorliegend nicht
gegeben sind.
72
d.
Mangels Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers
scheidet auch der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nach §§ 280, 253
BGB ohne Weiteres aus.
73
2.
Der Kläger hat überdies keine Ansprüche auf Ersatz der geltend gemachten
materiellen
Schäden. Ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 AGG scheitert nach
vorstehenden Ausführungen – wie der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2
AGG – bereits am Vortrag von hinreichenden Indizien, die eine Benachteiligung
wegen eines Merkmals nach § 1 AGG vermuten ließen. Für sonstige denkbare
Ansprüche wird auf die vorstehenden Ausführungen unter 1. verwiesen. Da somit
bereits dem Grunde nach keine Ansprüche für den Kläger nach § 15 Abs. 1 AGG
oder § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Schutzgesetz oder einem
sonstigen Grund ersichtlich sind, hat er gegen die Beklagte auch keinen Anspruch
auf Ersatz der Behandlungskosten bei Dr. T. und Parkkosten im Zusammenhang
mit der Behandlung in Höhe von insgesamt EUR 271,96. Gleiches gilt für die
verlangte Erstattung der Kosten für Fahrten zum Arzt/Therapeuten im Jahr 2013 in
Höhe von EUR 513,00 und im Jahr 2014 in Höhe von EUR 1.289,40. Auch
insofern sind weder Schadensersatz-, noch Aufwendungsersatz- oder sonstige
Ansprüche ersichtlich.
74
3.
Auch der Antrag des Klägers festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die
weiteren Kosten der gerichtlichen Rechtsverfolgung an ihn zu zahlen, ist
abzuweisen, da – wie vorstehend ausführlich erörtert – der Kläger gegen die
Beklagte keine Schadensersatz- oder sonstigen Ansprüche aufgrund der
geschilderten Vorkommnisse hat und deshalb von der Beklagten auch die
weiteren Kosten der gerichtlichen Rechtsverfolgung des Klägers nicht zu tragen
sind. Zudem sei in Bezug auf die Kosten für die Zuziehung eines
Prozessbevollmächtigten oder Beistands auf § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG
verwiesen, wonach mögliche Ansprüche insofern ausdrücklich ausgeschlossen
sind.
75
4.
Der Kläger hat überdies keinen Anspruch auf Bezahlung von 11 Urlaubstagen
für das Jahr 2013 und 20 Urlaubstagen für das Jahr 2014 (bis zum 01.09.2014) in
Höhe von insgesamt EUR 7.200,00 brutto. Im laufenden Arbeitsverhältnis
bestehen keine Urlaubsabgeltungsansprüche, wie sich aus einem Rückschluss
zu § 7 Abs. 4 BurlG ergibt (s. nur HWK/Schinz, 6. Aufl. 2014, § 7 BurlG Rn. 98 m.
w. N.).
II.
76
1.
Die Kostentragungspflicht des in der Sache voll unterlegenen Klägers ergibt
sich aus § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 91 Abs. 1, 495 ZPO.
77
2.
Die Festsetzung des Rechtsmittelstreitwerts folgt dem Grunde nach aus § 61
Abs. 1 ArbGG und entspricht in der Höhe den bezifferten Klageforderungen (EUR
173.198,36) sowie einem Betrag von EUR 1.659,48 für den Antrag Nr. 2
(ausgehend von weiteren Schäden in Höhe der bislang geltend gemachten
Schäden von EUR 2.074,36, hiervon 20 % Abschlag wegen Feststellung) und
einem weiteren Betrag von EUR 5.000,00 für den Antrag Nr. 4.
78
3.
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung beruht auf § 64 Abs.
3a ArbGG. Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG liegen
nicht vor.