Urteil des ArbG Ulm vom 12.01.2016

geschäftsführer, perpetuatio fori, abberufung, arbeitsgericht

ArbG Ulm Beschluß vom 12.1.2016, 5 Ca 336/15
Rechtsweg - Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines GmbH-Geschäftsführers -
ruhendes Arbeitsverhältnis - Fiktionswirkung von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG
Leitsätze
1. Die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG entfällt, wenn ein zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor
dem Arbeitsgericht noch nicht abberufener Geschäftsführer vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die
Rechtswegzuständigkeit abberufen wird (BAG 22.10.2014 - 10 AZB 46/14, juris Rn. 26 ff.).
2. Wird ein Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, das keine Geschäftsführerbestellung
vorsieht, zum Geschäftsführer bestellt, liegt dem notwendig eine weitere vertragliche Regelung zugrunde, die
von dem bisherigen Arbeitsverhältnis unabhängig ist (BAG 15.03.2011 - 10 AZB 32/10, juris Rn. 14).
Tenor
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
Gründe
I.
1 Die Parteien streiten über die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.
2 Der Kläger ist bei der Beklagten, bzw. deren Rechtsvorgängerin, seit dem 14.03.1983 beschäftigt. Die
Beschäftigung des Klägers erfolgte bis zum Ablauf des 13.07.2008 unstreitig im Rahmen eines
Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage eines am 20.04.1983 geschlossenen Arbeitsvertrags (Abl. 13–16).
3 Mit Wirkung zum 14.07.2008 wurde der Kläger, der zu dieser Zeit als Prokurist der Beklagten tätig war,
nach vorheriger Beschlussfassung durch die alleinige Gesellschafterin als – weiterer – Geschäftsführer der
Beklagten und in das Handelsregister eingetragen. Im Zusammenhang mit der Eintragung des Klägers als
Geschäftsführer der Beklagten erhielt dieser von dem weiteren Prokuristen der Beklagten Herrn O., Vice
President HR Europe, auf dem Briefkopf der C. Germany GmbH & Co. KG und in deren Namen wörtlich
folgendes Schreiben (Abl. 21):
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"
Betreff: Eintragung als Geschäftsführer
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Sehr geehrter Herr H.,
hiermit bestätige ich Ihnen, dass die Eintragung als Geschäftsführer für die C. GmbH mit Datum 14.07.2008
ausschließlich zum Zwecke der Verschmelzung der C. M. GmbH und der daraus resultierenden Anwachsung
weiterer Unternehmen vorgenommen wurde.
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In Konsequenz bedeutet das, dass Ihr Arbeitsvertrag datiert vom 20. April 1983 uneingeschränkt weiter
Gültigkeit behält, sie arbeitsrechtlich als Angestellter des Unternehmens C. GmbH behandelt werden und
Sie weiterhin dem Kündigungsschutzgesetz unterliegen. Alle Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag
vom 20. April 1983 bleiben unverändert gültig."
7 Mit Schreiben vom 07.08.2015 (Abl. 22), dem Kläger zugegangen am 13.08.2015, kündigte die Beklagte das
mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.03.2016, hilfsweise zum nächst möglichen Termin.
Ferner wurde der Kläger auf der Grundlage eines Beschlusses der Alleingesellschafterin vom 10.08.2015
(Abl. 17–19) mit Wirkung zum 31.08.2015 als Geschäftsführer abberufen. Dieser Beschluss ist dem Kläger
am 18.08.2015 zugegangen. Die Eintragung der Abberufung als Geschäftsführer in das Handelsregister
erfolgte am 05.10.2015. Mit Schreiben vom 11.08.2015 (Abl. 20), welches dem Kläger mit der Mitteilung
seiner Abberufung am 18.08.2015 zuging, kündigte der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der
Alleingesellschafterin der Beklagten den mit dem Kläger bestehenden Dienstvertrag/Anstellungsvertrag zum
nächstmöglichen Termin.
8 Der Kläger erhob daraufhin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 01.09.2015, bei Gericht per Fax eingegangen
am gleichen Tag, Klage vor dem Arbeitsgericht Ulm mit den Anträgen:
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"1. Es wird festgestellt, dass durch die Kündigung der Beklagten vom 07.08.2015 das zwischen den Parteien
bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wird.
2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch
andere Beendigungstatbestände endet, sondern über den 31.03.2016 hinaus fortbesteht.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte."
10 Zu Beginn der Güteverhandlung vom 15.10.2015 rügte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die
Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte. Der Vorsitzende gab daraufhin mit gerichtlicher Verfügung vom
15.10.2015 (Abl. 44) der beklagten Partei Gelegenheit, ihre Rüge der Rechtswegzuständigkeit bis zum
Ablauf des 20.11.2015 abschließend zu begründen. Gleichzeitig wurde die klagende Partei aufgefordert, bis
zum Ablauf des 18.12.2015 der Rüge der Rechtswegzuständigkeit entgegen zu treten.
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Die Beklagte macht geltend
, der Kläger sei seit seiner Bestellung zum Geschäftsführer der Beklagten
nicht mehr ihr Arbeitnehmer gewesen. Seine Prokura sei seit seiner Bestellung zum Geschäftsführer
erloschen. Er habe als Geschäftsführer Vertretungsbefugnis für die Beklagte gehabt sogar mit dem Recht, im
Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte
abzuschließen. Er habe grundsätzlich weisungsfrei seine Tätigkeit als Geschäftsführer ausgeübt und nur im
Einzelfall – wie allgemein üblich – Anweisungen der Alleingesellschafterin bekommen. Darüber hinaus habe
er noch weitere Geschäftsführerfunktionen für die Beklagte bzw. deren Holding innegehabt. Zum Zeitpunkt
der Kündigung habe somit kein Arbeitsverhältnis vorgelegen, so dass das Arbeitsgericht für den vorliegenden
Rechtsstreit nicht zuständig sei.
12 Die Beklagte macht überdies geltend, dass sich auch aus dem Schreiben von Herrn O. vom 22.07.2008
nichts anderes ergebe. Unabhängig davon, dass die Rechtsverbindlichkeit der dortigen Äußerungen von
Herrn O. für die Beklagte nicht bestätigt werden könne, stehe die Rechtswegzuständigkeit nicht zur
Disposition der Parteien. Soweit die Beklagte mit Schreiben vom 07.08.2015 eine Kündigung des mit dem
Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses erklärt habe, sei dies rein vorsorglich erfolgt für den Fall, dass
entgegen ihrer Ansicht ein Arbeitsverhältnis bestehen sollte. Für die Frage der Rechtswegzuständigkeit sei
vorliegend allein entscheidend, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung eingetragener Geschäftsführer
der Beklagten war, was seine Arbeitnehmereigenschaft und damit die Rechtswegzuständigkeit der
Arbeitsgerichte zwangsläufig ausschließe.
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Der Kläger ist hingegen der Ansicht
, für seine Klage sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten
eröffnet. Zum einen sei er zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr Geschäftsführer der Beklagten
gewesen. Zum anderen mache er seine Rechte als Arbeitnehmer aus dem auch während der
Geschäftsführerbestellung bestehendem Arbeitsverhältnis geltend. Zwischen ihm und der Beklagten sei kein
schriftlicher Dienst-/Anstellungsvertrag als Geschäftsführer geschlossen worden. Eine Beendigung des
Arbeitsverhältnisses sei gemäß § 623 BGB nicht eingetreten. Überdies ergebe sich aus dem Schreiben der
Beklagten vom 22.07.2008, dass ungeachtet der Bestellung als Geschäftsführer der Kläger alle Rechte und
Pflichten aus dem Arbeitsvertrag vom 20.04.1983 innehat und dem Kündigungsschutz unterfällt.
14 Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf den Inhalt der Akte, namentlich auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, und den Inhalt der mündlichen Verhandlung verwiesen.
II.
15 Die Rüge der Rechtswegzuständigkeit durch die beklagte Partei ist nicht begründet. Der Rechtsweg zu den
Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
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1.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a und b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und
über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmer im Sinne des
Arbeitsgerichtsgesetzes sind gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer
Berufsausbildung Beschäftigten. Ausdrücklich von der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des
Arbeitsgerichtsgesetzes ausgenommen sind nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG in Betrieben einer juristischen
Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags
allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der
Personengesamtheit berufen sind.
17 Die gesetzliche Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gilt unabhängig davon, ob das der Organstellung
zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis
ausgestaltet ist. Sie soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person
keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen (BAG 20.08.2003 – 5 AZB 79/02,
Rn. 14). Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des
Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu
qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines
Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen, solange die Fiktion Wirkung
entfaltet (BAG 23.08.2011 – 10 AZB 51/10, juris Rn. 12 m. w. N.).
18
a.
Allerdings greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ein, wenn der Rechtsstreit zwischen dem
Mitglied des Vertretungsorgans und der juristischen Person nicht das der Organstellung zugrunde liegende
Rechtsverhältnis, sondern eine weitere Rechtsbeziehung betrifft (BAG 15.03.2011 – 10 AZB 32/10, juris Rn.
11 m. w. N.). Regelmäßig ist zwar nach der ständigen Rechtsprechung des BAG nach der Bestellung eines
Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH eine weitere Rechtsbeziehung in dem genannten Sinne zu
verneinen. Denn mit dem Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags wird im Zweifel das bisherige
Arbeitsverhältnis des angestellten Mitarbeiters aufgehoben und es soll nach dem Willen der
vertragsschließenden Parteien neben dem neu abgeschlossenen Dienstverhältnis kein „ruhendes“
Arbeitsverhältnis fortbestehen, das nach der Abberufung als Geschäftsführer ggf. wieder auflebt (BAG
15.03.2011 – 10 AZB 32/10, juris Rn. 11 m. w. N.). Allerdings kommt eine andere Auslegung der anlässlich
bei Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags abgegebenen Parteierklärungen in Betracht, wenn
deutliche Anhaltspunkte für die Absicht einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses vorliegen. Überdies setzt
die wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses die Einhaltung des Schriftformerfordernisses
nach § 623 BGB voraus, wobei das Schriftformerfordernis schon regelmäßig durch den Abschluss eines
schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrags gewahrt wird (BAG 15.03.2011 – 10 AZB 32/10, juris Rn. 12 m.
w. N.).
19
b.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG entfällt,
wenn ein zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht noch nicht abberufener Geschäftsführer
vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit abberufen wird (BAG 22.10.2014 –
10 AZB 46/14, juris Rn. 26 ff.). Nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen richtet sich die
Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs zwar zunächst nach den tatsächlichen Umständen zum
Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit, so dass nachträgliche Veränderungen grundsätzlich nicht zum
Verlust des einmal gegebenen Rechtswegs führen. Dieser in § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG enthaltene Grundsatz
der perpetuatio fori gilt jedoch nur rechtswegerhaltend. Alle bis zur letzten Tatsachenverhandlung
eintretenden Umstände, welche die zunächst bestehende Unzulässigkeit des Rechtswegs beseitigen, sind
dagegen zu berücksichtigen, sofern nicht vorher ein (rechtskräftiger) Verweisungsbeschluss ergeht (BAG
22.10.2014 – 10 AZB 46/14, juris Rn. 27 mit zahlr. w. N.). Wird vorab gemäß § 17a Abs. 3 GVG über die
Rechtswegzuständigkeit entschieden, sind spätere zuständigkeitsbegründende Veränderungen auch im
Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 GVG zu berücksichtigen, wenn sie dort
zulässigerweise eingeführt werden können. Dies dient vor allem der Prozessökonomie und soll vermeiden,
dass ein Rechtsstreit verwiesen wird, auch wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulässigkeit des
Rechtswegs die Zuständigkeit des entscheidenden Gerichts begründet ist. Die veränderten
zuständigkeitsrelevanten Umstände können damit dazu führen, dass ein ursprünglich begründeter
Verweisungsantrag unbegründet wird. Das gilt auch im Rahmen der Rechtswegzuständigkeitsprüfung nach §
5 ArbGG (ausf. BAG 22.10.2014 – 10 AZB 46/14, juris Rn. 28).
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2.
In Anwendung dieser Grundsätze ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben. Das gilt
unabhängig davon, ob der Kläger seit Juli 2008 (oder zu einem späteren Zeitpunkt) bis zu seiner Abberufung
als Geschäftsführer mit Ablauf des 31.08.2015 auf der Grundlage eines Geschäftsführerdienstvertrags
weisungsunabhängig oder ob er auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags in persönlicher Abhängigkeit als
"geschäftsführender Arbeitnehmer" tätig war.
21
a.
Denn falls der Kläger – wie von ihm behauptet – zu keiner Zeit für die Beklagte weisungsfrei tätig
gewesen sein sollte, hätte während der gesamten Zeit seiner Beschäftigung durchgehend ein einziges
Anstellungsverhältnis in Form eines Arbeitsverhältnisses bestanden. In diesem Fall hätte zwar seine
Bestellung zum Geschäftsführer die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausgelöst. Diese
Fiktionswirkung wäre jedoch nach der Entscheidung des BAG vom 22.10.2014 (10 AZB 46/14) mit der
Abberufung des Klägers als Geschäftsführer entfallen. Die Abberufung des Klägers erfolgte vorliegend –
zwischen den Parteien unstreitig – durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 10.08.2015, der
dem Kläger am 18.08.2015 zugestellt wurde, mit Wirkung zum 31.08.2015. Die Eintragung in das
Handelsregister wurde – ohne dass es hierauf wegen deren rein deklaratorischer Wirkung ankäme – am
05.10.2015 vorgenommen. Da die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten also sogar
bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 01.09.2015 wirksam war und mithin deutlich vor der rechtlich
maßgebenden Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit erfolgt ist, wäre die Rechtswegzuständigkeit
der Gerichte für Arbeitssachen gegeben.
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b.
Selbst wenn der Kläger – wie von der Beklagten behauptet – weisungsfrei als Geschäftsführer auf der
Basis eines (jedenfalls konkludent) geschlossenen Geschäftsführerdienstvertrags gearbeitet hätte, wurde
jedenfalls der zuvor unstreitig (seit 1983) bestehende Arbeitsvertrag nicht beendet. Da die Parteien den auf
der Grundlage des Vortrags der Beklagten geschlossenen Geschäftsführerdienstvertrag wohl nur
konkludent, aber jedenfalls nur mündlich, geschlossen haben, ist offensichtlich für eine Auflösung des
Arbeitsverhältnisses die Schriftform des § 623 BGB nicht eingehalten worden. Zumindest beruft der Kläger
sich auf das Fehlen der Schriftform, ohne dass die Beklagte dem substantiiert entgegen getreten wäre.
Weder die Eintragung des Klägers in das Handelsregister noch seine Mitwirkung hieran haben den
Formverstoß geheilt oder gar die erforderliche Schriftform ersetzt.
23 Das ursprünglich zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hätte danach auch während der
Dauer der Geschäftsführertätigkeit des Klägers – zumindest ruhend – fortbestanden. Denn wird ein
Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, das keine Geschäftsführerbestellung vorsieht,
zum Geschäftsführer bestellt, liegt dem notwendig eine weitere vertragliche Regelung zugrunde, die von
dem bisherigen Arbeitsverhältnis unabhängig ist (BAG 15.03.2011 – 10 AZB 32/10, juris Rn. 14). Zum
Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung hätten – unterstellt der Kläger während seiner
Geschäftsführertätigkeit weisungsfrei agiert – mithin zwei Anstellungsverhältnisse bestanden, wobei nur für
den zusätzlichen Vertrag für die Geschäftsführertätigkeit, der ein Geschäftsführerdienstvertrag sein dürfte,
nicht aber für das bisherige Arbeitsverhältnis, § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gilt (BAG 15.03.2011 – 10 AZB
32/10, juris Rn. 14). Da der Kläger sich mit seiner Klage allein gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses
vom 07.08.2015 wendet, ist auch in dieser Variante die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte
gegeben.
24 Soweit die beklagte Partei zur Begründung der Rechtswegrüge auf Seite 5 ihres Schriftsatzes vom
20.11.2015 vorträgt, der Arbeitsvertrag sei zwischen den Parteien einvernehmlich in einen
Geschäftsführerdienstvertrag "umgewandelt" worden, sei auf folgende Ausführungen des BAG in seinem
Beschluss vom 15.03.2011 (10 AZB 32/10, juris Rn. 15) verwiesen:
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"Entgegen der Auffassung der Beklagten bedurfte es für [die] Beendigung des Arbeitsverhältnisses der
Schriftform. Ihr Hinweis, das ursprüngliche Arbeitsverhältnis sei nicht beendet, sondern nur angepasst und
'umgewandelt' worden, rechtfertigt es nicht, von der Einhaltung der gesetzlichen Schriftform abzusehen.
Eine solche Umgestaltung beinhaltet im Kern eine Beendigung der bisherigen Vertragsbeziehungen und
damit des Arbeitsverhältnisses. Sähe man hierin keine Beendigung der ursprünglichen arbeitsvertraglichen
Beziehungen, so würde erst recht das ursprüngliche Arbeitsverhältnis neben der Geschäftsführerabrede
weiter fortbestanden haben. Für die von der Beklagten befürwortete teleologische Reduktion des § 623
BGB besteht kein Bedürfnis. Die Parteien können jederzeit eine schriftliche Vereinbarung treffen. Fehlt es
daran, wird gerade auch im Falle einer konkludenten Aufhebung des Arbeitsverhältnisses weder der
gesetzlichen Warnfunktion noch der Klarstellungs- und Beweisfunktion hinreichend Rechnung getragen;
denn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses kann für die Parteien durchaus eine sinnvolle Alternative
darstellen."
26
c.
Auf die weiteren Ausführungen der Beklagten, mit der sie ihre Rechtswegrüge begründet, kommt es nicht
an. Insbesondere ist – anders als im Rahmen von § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG (s. nur KR/
Rost, 10. Aufl. 2013, §
14 KSchG Rn. 6a) – im Rahmen von § 5 ArbGG nicht relevant, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Zugangs der
Kündigungen noch Geschäftsführer der Beklagten war oder nicht.
27
3.
Der vorliegende Beschluss erging nach Anhörung der Parteien von Amts wegen (§ 17a Abs. 2 GVG i. V. m.
§ 48 Abs. 1 ArbGG) ohne mündliche Verhandlung (§ 17a Abs. 4 Satz 1 GVG i. V. m. § 48 Abs. 1 ArbGG)
durch die Kammer (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG).