Urteil des ArbG Ulm vom 11.12.2014

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ArbG Ulm Urteil vom 11.12.2014, 2 Ca 268/14
Anwendbarkeit deutschen Rechts gemäß Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB -
Nachweispflicht gemäß § 8a Abs. 3 ATZG
Leitsätze
1. Arbeitsverträge unterliegen gemäß Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB a.F. dem Recht des
Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit
verrichtet, es sei denn, dass sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, das der
Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen
Staat aufweist. Solche "engeren Verbindungen" zur Bundesrepublik Deutschland
ergeben sich vorliegend aus dem Ort des Vertragsschlusses, dem Wohnsitz beider
Vertragsparteien, der gemeinsamen Staatsangehörigkeit, der vereinbarten
Vertragswährung, dem Verweis auf deutsche Gesetze sowie der Abführung von
Steuern und Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen in Deutschland.
2. Nach § 8a Abs. 3 ATZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer die zur
Sicherung des im sogenannten Blockmodell aufgebauten Wertguthabens ergriffenen
Maßnahmen nachzuweisen. Der Nachweis der ergriffenen Sicherungsmaßnahmen
umfasst auch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Vorlage von Unterlagen, die es
dem betroffenen Arbeitnehmer ermöglichen, die Richtigkeit der Angaben des
Arbeitgebers zu überprüfen.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft über den Stand des für die Klägerin
abgesicherten Wertguthabens bei der Hamburger Pensionsverwaltung eG (Zeitpunkt
28.03.2012) zu erteilen, das aufgrund des Altersteilzeitvertrages vom 22.02.2011
eingerichtet wurde. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft über die Art des
Sicherungsmittels zu erteilen und den Sicherungsvertrag vorzulegen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 94 % und der Beklagte 6 % zu
tragen.
4. Der Wert des Gegenstandes der Entscheidung wird auf EUR 39.032,40 festgesetzt.
5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten zuletzt über Ansprüche auf Auskunft, Feststellung und
Abgabe einer Frei-gabeerklärung im Zusammenhang mit einem bei der Hamburger
Pensionsverwaltung eG zur Insolvenzsicherung aufgebauten Altersteilzeit-
Wertguthaben.
2 Die am 00.00.1953 geborene Klägerin war vom 01.07.1982 bis 31.10.2012 bei
dem Beklagten bzw. dem Insolvenzschuldner beschäftigt. Ab Oktober 1987
arbeitete die Klägerin in Österreich, seit 01.09.1995 als Verkaufsleiterin im
Verkaufsbüro B. (Österreich). Trotz ihres Einsatzes für die österreichische
Tochtergesellschaft A. GmbH bestand der Arbeitsvertrag weiterhin mit dem
Insolvenzschuldner. Hinsichtlich des Anstellungsvertrags vom 26.06.1995 wird auf
Anlage K 1, Bl. 19 f. d.A. verwiesen. Zuletzt war die Klägerin für die Bereiche Wien,
Niederösterreich und Oberösterreich zuständig und betreute dort 300 Filialen.
3 Mit Vertrag vom 22.02.2011 vereinbarten die Klägerin und der Insolvenzschuldner
einen Alters-zeitzeitvertrag im sog. Blockmodell. Die Arbeitsphase sollte von
01.04.2012 bis 28.02.2014 und die Freistellungsphase vom 01.03.2014 bis
31.01.2017 andauern. Auf Anlage K 2, Bl. 21 f. d.A. wird Bezug genommen. Das
während der Altersteilzeit verringerte Bruttomonatsgehalt ein-schließlich
Aufstockungsbeträge betrug EUR 4.877,27.
4 Das Gehalt erhielt die Klägerin stets vom Lohnbüro des Insolvenzschuldners in
Deutschland, welches die Personalkosten der österreichischen A. GmbH in
Rechnung stellte. Die Sozialversicherungsbeiträge und Steuern führte der
Insolvenzschuldner in Deutschland ab. Die Klägerin hatte ihren Wohnsitz stets in
Deutschland und pendelte zu ihrem Arbeitsplatz in Österreich.
5 Am 28.03.2012 eröffnete das Amtsgericht U. das Insolvenzverfahren über das
Vermögen des Insolvenzschuldners und bestellte den Beklagten zum
Insolvenzverwalter.
6 Mit Schreiben vom 29.05.2012 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass der
Altersteilzeitvertrag „niemals im Sinne des Gesetzes durchgeführt“ worden sei
(Anlage K 4, Bl. 25 f. d.A.). Der Be-klagte begründete dies insbesondere mit der
Ausübung der Tätigkeit in Österreich und daher „nicht im Geltungsbereich des
Altersteilzeitgesetzes“. Das abgesicherte Wertguthaben sei daher nicht berechtigt
und somit zur Insolvenzmasse zu ziehen.
7 Mit Schreiben vom 14.06.2012 erwiderte die Klägervertreterin hierauf und forderte
den Beklag-ten auf, Nachweise über das Wertguthaben gemäß § 8a Abs. 3 ATZG
zu übermitteln (Anlage K 5, Bl. 5 f. d.A.). Einen solchen Nachweis erbrachte der
Beklagte nicht.
8 Mit Schreiben vom 20.09.2012 teilte der Beklagte mit, das Wertguthaben sei
insolvenzgesichert und werde bis zum 31.10.2012 durch die Hamburger
Pensionskasse ausgezahlt (Anlage K 11, Bl.143 d.A.). Eine Auszahlung erfolgte
nicht.
9 Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 12.07.2012, der Klägerin am 24.07.2012
zugegangen, die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2012
und begründete dies mit der Stilllegung des Betriebs (Anlage K 8, Bl. 33 f. d.A.). Die
Klägerin hatte mit Einreichung der vorliegenden Klage ursprünglich
Kündigungsschutz begehrt. Daneben ging sie vor dem Lan-desgericht L. in
Österreich gegen die Kündigung vor. Mit Beschluss vom 11.12.2012 erklärte sich
das Landesgericht L. für international zuständig (Anlage K 10, Bl. 73 ff. d.A.). Mit
Urteil vom 01.10.2013 wies das Landesgericht L. das „Klagebegehren, es werde
die durch die beklagte Partei mit Schreiben vom 12.07.2012 ausgesprochene
Kündigung des zwischen der Klägerin und der beklagten Partei bestehenden
Dienstverhältnisses für rechtswirksam erklärt“, ab. Das Landesgericht L. wendete
gemäß § 44 des österreichischen IPRG (Bundesgesetz über das Internationale
Privatrecht) österreichisches Recht an, weil die Klägerin ab 1995 ihre Tätigkeit
ausschließlich in Österreich verrichtet habe. Die Kündigung sei aufgrund der
vollständigen Schließung nicht sozialwidrig. Im Übrigen wird auf das Urteil (Anlage
zum Schriftsatz des Beklagten vom 07.02.2014, Bl. 103 f. d.A.) Bezug genommen.
Die beim Oberlandesgericht L. eingereichte Berufung der Klägerin sowie die
außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof in Wien hatten keinen Erfolg
(Urteil des Oberlandesgerichts L. vom 14.01.2014, An-lage zum Schriftsatz des
Beklagten vom 07.02.2014, Bl. 118 f. d.A.). Den mit der Klage vom 31.07.2012
erhobenen Kündigungsschutzantrag Ziffer 1 hat die Klägerin daher mit Schriftsatz
vom 13.08.2014 zurückgenommen.
10 Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe den Beklagten zulässigerweise in
Deutschland ver-klagt. Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage in Österreich
verpflichte die Klägerin nicht dazu, sämtliche weiteren Ansprüche ebenfalls dort
geltend zu machen. Ihre Klagebegehren begründet die Klägerin im Grundsatz
damit, dass deutsches Recht anwendbar sei und damit eine
Insolvenzsicherungspflicht gemäß § 8a ATZG bestanden habe. In den Verträgen,
zuletzt im Altersteilzeitvertrag, sei die Anwendbarkeit deutschen Rechts konkludent
vereinbart worden. Die Rechtswahl ergebe sich aus den Umständen des
Einzelfalls. So nehme § 7 des Altersteilzeitvertrags ausdrücklich § 8 SBG IV in
Bezug. Außerdem habe der Insolvenzschuldner tatsächlich eine
Insolvenzsicherung gemäß § 8a ATZG für das Wertguthaben eingerichtet, so dass
die Umstände des Einzelfalls zur Anwendbarkeit deutschen Rechts führten.
Weitere Umstände für die Wahl deutschen Rechts lägen darin, dass der
Arbeitsvertrag mit der deutschen Einzelfirma bestehe und das Vertragsverhältnis
während der gesamten Dauer nach deutschem Recht abgewickelt und
abgerechnet worden sei. Den Auskunftsanspruch stützt die Klägerin auf § 8a Abs.
3 ATZG, wonach der Beklagte verpflichtet sei, eine Information über die Höhe der
Wertsicherung im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zu erteilen. Hinsichtlich des
Feststellungsantrags Ziffer 2 (ursprünglich Ziffer 3) argumentiert die Klägerin, die
Behauptung des Beklagten, der Alterszeitzeitvertrag sei nicht wirksam
durchgeführt worden, sei so zu verstehen, dass der Altersteilzeitvertrag nicht
deutschem Recht unterfalle. Diese Auffassung sei jedoch falsch. Das
Feststellungsinteresse folge aus dem Bestreiten des Rechts durch den Beklagten.
Antrag Ziffer 3 begründet die Klägerin damit, die Hamburger Pensionsverwaltung
eG habe mitgeteilt, sie benötige eine ausdrückliche Erklärung des Beklagten, dass
das Wertguthaben an die Klägerin ausbezahlt werden dürfe. Das Wertguthaben
sei wohl durch ein Treuhandverhältnis abgesichert.
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Die Klägerin beantragt zuletzt:
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1. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft über den Stand des für die Klägerin
abgesicherten Wertguthabens bei der Hamburger Pensionsverwaltung eG
(Zeitpunkt 28.03.2012) zu erteilen, das aufgrund des Altersteilzeitvertrages
vom 22.02.2011 eingerichtet wurde. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft
über die Art des Sicherungsmittels zu erteilen und den Sicherungsvertrag
vorzulegen.
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2. Es wird festgestellt, dass der zwischen der Klägerin und S. am 22.02.2011
abgeschlossene Altersteilzeitvertrag deutschem Recht unterfällt und für das
gebildete Wertguthaben eine Insolvenzsicherung nach § 8 a ATG
einzurichten ist.
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3. Der Beklagte wird verurteilt, gegenüber der Hamburger
Pensionsverwaltung eG zu erklären, dass das zugunsten der Klägerin
gebildete Wertguthaben an diese ausbezahlt wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
17 Der Beklagte beruft sich darauf, deutsche Gerichte seien international nicht
zuständig, weil die Klägerin ihre Tätigkeit ausschließlich in Österreich verrichtet
habe. Durch die Rechtskraft der Urteile der Gerichte in Österreich sei bindend
entschieden, dass die österreichischen Gerichte für alle Fragen aus dem
Arbeitsverhältnis zuständig seien. Die Wahlmöglichkeit nach Art. 19 Nr. 2a
EuGVVO habe die Klägerin durch Erhebung der Kündigungsschutzklage bereits
ausgeübt, so dass auch anderweitige Ansprüche bei dem gewählten Gericht
geltend zu machen seien. Auch die Anwendbarkeit österreichischen Rechts habe
das Oberlandesgericht Linz rechts-verbindlich festgestellt. Nach österreichischem
Recht bestehe jedoch keine Pflicht, Wertguthaben aus einem
Altersteilzeitverhältnis gegen Insolvenz abzusichern. Bei der freiwilligen
Absicherung handele es sich daher um eine inkongruente Deckung. Das
Feststellungsinteresse hinsichtlich Antrag Ziffer 2 sei durch das Urteil des
Oberlandesgericht L. erledigt worden. Die mit Antrag Ziffer 3 begehrte
Freigabeerklärung müsse der Beklagte nicht abgeben, weil der Klägerin kein
Anspruch auf das Wertguthaben zustehe.
18 Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird gemäß § 46 Abs. 2
ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
Entscheidungsgründe
19 Die teilweise zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die Klägerin hat einen
Anspruch auf Auskunft über den Stand des Wertguthabens und die Art des
Sicherungsmittels sowie auf Vorlage des Sicherungsvertrags (Antrag Ziffer 1). Der
Feststellungsantrag Ziffer 2 ist mangels Rechtsverhältnisses unzulässig. Ein
Anspruch auf Abgabe einer Freigabeerklärung ist nicht hinreichend dargelegt
(Antrag Ziffer 3).
A.
20 Die Klage ist hinsichtlich Antrag Ziffer 1 und 3 zulässig.
21 I. Die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Ulm ist gegeben.
22 1. Die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Ulm ergibt sich aus Art. 19
Nr. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO).
23 a) Die EuGVVO ist als Verordnung gemäß Art. 288 AEUV in Deutschland
unmittelbar geltendes Recht. Die EuGVVO ist gemäß Art. 1 Abs. 1 EuGVVO
anwendbar, weil es sich vorliegend um eine "Zivilsache" handelt; auf die Art der
Gerichtsbarkeit kommt es nicht an.
24 b) Nach Art. 19 EuGVVO kann ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, entweder vor den Gerichten verklagt
werden, in dem er seinen Wohnsitz hat (Art. 19 Nr. 1 EuGVVO) oder vor dem
Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet
oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat (Art. 19 Nr. 2 lit. a EuGVVO).
25 c) Sowohl der Beklagte (N.) als auch der Insolvenzschuldner (E.) haben ihren
Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Die internationale Zuständigkeit ist
mithin gemäß Art. 19 Nr. 1 EuGVVO gegeben.
26 2. Die internationale Zuständigkeit ist nicht aufgrund doppelter Rechtshängigkeit
gemäß Art. 27 EuGVVO ausgeschlossen.
27 a) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben
Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt gemäß Art.
27 Abs. 1 EuGVVO das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts
wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.
Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich
gemäß Art. 27 Abs. 2 EuGVVO das später angerufene Gericht zugunsten dieses
Gerichts für unzuständig. Für die Frage, ob Klagen bei Gerichten verschiedener
Mitgliedstaaten "denselben Anspruch" betreffen, kommt es darauf an, ob der
"Kernpunkt" beider Rechtsstreitigkeiten derselbe ist, unerheblich ist die "formale
Identität" (EuGH, 08.12.1987, Rs 144/86 - Rn. 16, "Gubisch", NJW 1989, 665 zu
Art. 27 EuGVÜ). Dabei ist der Zweck des Art. 27 EuGVVO zu beachten, der im
Interesse einer geordneten Rechtspflege in der Union Parallelverfahren vor
Gerichten verschiedener Vertragsstaaten und daraus möglicherweise
resultierende gegensätzliche Entscheidungen verhindern soll (vgl. EuGH
06.12.1994, C-406/92 - Rn. 32, "Tatry", NJW 1995, 1883). Deswegen besteht
beispielsweise eine Identität auch bei einer Zahlungsklage und einer
Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass entweder der geltend
gemachte Zahlungsanspruch oder ein für den Zahlungsanspruch vorgreifliches
Rechtsverhältnis nicht besteht (vgl. BGH 06.02.2002 - VIII ZR 106/01 - zu II 1 a
der Gründe, NJW 2002, 2795).
28 b) Das Landesgericht L. hat sich mit Beschluss vom 11.12.2012 als zuerst
angerufenes Gericht für international zuständig erklärt. Dies betraf jedoch lediglich
die beim Landesgericht L. anhängige Klage, welche auf die Anfechtung der
Kündigung vom 12.07.2012 gerichtet war, nicht jedoch die alleine im vorliegenden
Rechtsstreit noch anhängigen Ansprüche. Vor dem Landesgericht L. stritten die
Parteien darüber, ob die auf Feststellung gerichtete Kündigungsschutzklage nach
deutschem Recht und die Rechtsgestaltungklage nach österreichischem Recht
identisch sind. Das Landesgericht L. hat die Identität bejaht und anschließend die
Klage abgewiesen. Die Klägerin hat ihren Kündigungsschutzantrag
zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 13.08.2014 zurückgenommen. Die
vorliegend noch rechtshängigen Ansprüche auf Auskunft, Feststellung und
Freigabeerklärung sind sämtlich auf das Ziel gerichtet, das bei der Hamburger
Pensionsverwaltung eG abgesicherte Wertguthaben ausgezahlt zu erhalten.
Dieses Klageziel hat jedoch auch bei einer sehr weiten Betrachtungsweise nicht
denselben "Kern" wie die in Österreich erhobene Kündigungsschutzklage. Das
Bestehen der vorliegenden Ansprüche ist in keiner Weise von der Wirksamkeit
der Kündigung abhängig.
29 3. Antrag Ziffer 2 ist nicht zulässig, weil er nicht auf die Feststellung eines
Rechtsverhältnisses i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet ist.
30 a) Der Antrag nach § 256 ZPO muss sich dabei nicht notwendig auf das
Rechtsverhältnis als Ganzes, z.B. das Arbeitsverhältnis erstrecken. Er kann sich
auch auf daraus folgende einzelne Beziehungen, Ansprüche oder
Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Rechtspflicht beschränken. Bloße
Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch ebenso wie
abstrakte Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags sein. Das
liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus, was den Gerichten
verwehrt ist (BAG 16.08.2011 − 1 ABR 30/10 - Rn. 25, NZA 2012, 873 m.w.N.).
31 b) Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Altersteilzeitvertrag deutschem
Recht unterfällt und daher gemäß § 8a ATZG eine Insolvenzsicherung für das
gebildete Wertguthaben einzurichten ist. Die Frage, ob deutsches Recht
anwendbar ist, stellt eine abstrakte Rechtsfrage dar. Dies zeigt sich deutlich an
den Anträgen Ziffer 1 und 3, über die nur dann materiell entschieden werden
kann, wenn vorher geklärt wird, ob deutsches oder österreichisches Recht
anwendbar ist. Die Beantwortung einer solchen Vorfrage liefe auf die Erstellung
eines Rechtsgutachtens hinaus.
B.
32 Soweit die Klage zulässig ist, ist sie nur hinsichtlich Antrag Ziffer 1 begründet.
33 I. Die Klägerin hat gemäß § 8a Abs. 3 ATZG einen Anspruch auf Auskunft über
den Stand des Wertguthabens, die Art des Sicherungsmittels sowie den Inhalt des
Sicherungsvertrags mit der Hamburger Pensionsverwaltung eG.
34 1. Es ist deutsches Recht anwendbar, weil sich jedenfalls aus der Gesamtheit der
Umstände ergibt, dass das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu der
Bundesrepublik Deutschland aufweist.
35 a) Nach Auffassung der Kammer richtet sich die Anwendbarkeit deutschen
Rechts nach Art. 27 ff EGBGB.
36 (1) Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse
anzuwendende Recht (Rom I-VO) ist nicht anwendbar. Sie ist nur auf Verträge
anwendbar, die "ab dem 17.12.2009 geschlossen werden". Nach diesem klaren
Wortlaut ist auch bei Dauerschuldverhältnissen alleine der Zeitpunkt des
Abschlusses des Vertrags entscheidend (Staudinger/Magnus, BGB, 11.
Neubearbeitung 2011, Art. 28 Rom I-VO Rn. 7). Da der Arbeitsvertrag vor dem
17.12.2009 geschlossen wurde, scheidet die Geltung der Rom I-VO aus.
37 (2) Art. 27 ff. EGBG sind anwendbar, obwohl der ursprüngliche Arbeitsvertrag im
Jahr 1982 und damit vor der mit der Neuregelung des Internationalen Privatrechts
im Jahr 2006 verbundenen Einfügung der Art. 27 ff. in das EGBGB
abgeschlossen wurde. Art. 220 Abs. 1 EGBGB bestimmte, dass auf vor dem
01.09.1986 "abgeschlossene Vorgänge" das bisherige Internationale Privatrecht
anwendbar bleibt. Vor diesem Zeitpunkt begründete Arbeitsverhältnisse sind
jedoch keine abgeschlossenen Vorgänge i.S.d. Art. 220 Abs. 1 EGBGB (BAG
29.10.1992 - 2 AZR 267/92, AP Nr. 31 zu Internationales Privatrecht,
Arbeitsrecht).
38 (3) Letztlich macht es im vorliegenden Fall ohnehin keinen Unterschied, ob Art. 30
EGBGB oder Art. 8 Rom I-VO anwendbar ist, weil beide inhaltlich weitgehend
übereinstimmen.
39 b) Es kann offen bleiben, ob die Parteien eine dahingehende Rechtswahl gemäß
Art. 27 EGBGB getroffen haben, dass deutsches Recht anwendbar ist. Falls nicht,
ergibt sich die Anwendbarkeit deutschen Rechts zumindest aus Art. 30 Abs. 2
Halbsatz 2 EGBGB.
40 (1) Nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB unterliegen Arbeitsverträge und
Arbeitsverhältnisse dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung
des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet […], es sei denn, dass sich aus
der Gesamtheit der Umstände ergibt, das der Arbeitsvertrag oder das
Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist; in
diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. Engere
Verbindungen zu einem anderen Staat sind auch dann denkbar, wenn ein
Arbeitnehmer die Arbeit gewöhnlich, dauerhaft und ununterbrochen in ein- und
demselben Staat verrichtet (EuGH 12.09.2013 - C-64/12 "Schlecker/Melitta
Josefa Boedeker", NZA 2013, 1163). Die Verbindung mit dem anderen Staat
muss stärker sein als die durch die Regelanknüpfung zu dem Recht des
Arbeitsorts oder der einstellenden Niederlassung hergestellte Beziehung. Dies
beurteilt sich u.a. nach der Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien, dem Sitz
des Arbeitgebers und dem Wohnort des Arbeitnehmers. Ergänzend sind die
Vertragssprache und die Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, zu
berücksichtigen (BAG 13.11.2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 50, NZA 2008, 761). Der
EuGH berücksichtigt außerdem als wichtigen Anknüpfungspunkt das Land, in
dem der Arbeitnehmer Steuern und Abgaben auf die Einkünfte aus seiner
Tätigkeit entrichtet und das Land, in dem er der Sozialversicherung
angeschlossen ist (EuGH 12.09.2013 a.a.O. - Rn. 41).
41 (2) Legt man die vorgenannten Maßstäbe zu Grunde, bestehen erheblich engere
Verbindungen zu Deutschland. Der gewöhnliche Arbeitsort befand sich zwar
dauerhaft in Österreich. Dies alleine erübrigt jedoch nicht die Prüfung, ob die
Gesamtumstände ausnahmsweise gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbsatz 2 EGBGB zu
einer Anknüpfung an das Recht eines anderen Staates führen. Dies ist vorliegend
der Fall. Zwar ist der gewöhnliche Arbeitsort als gewichtiger Umstand zu werten,
es überwiegen jedoch in erheblicher Weise die folgenden für eine Verbindung zu
Deutschland sprechenden Gesichtspunkte. Der Arbeitsvertrag vom 26.06.1995
ist von Vertragsparteien abgeschlossen worden, die beide ihren Wohnsitz in
Deutschland haben. Die Klägerin war und ist wohnhaft in 00000 H., der
Insolvenzschuldner in 00000 E. Beide besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit.
Die Vergütung betrug gemäß Ziffer 3 des Arbeitsvertrags "DM 13.000,00". Die
Parteien vereinbarten mithin trotz Einsatzes in Österreich die Bezahlung der
Vergütung in deutscher Währung. Das Entgelt wurde auch vom deutschen
Lohnbüro der Klägerin überwiesen. Die Lohnsteuer und
Sozialversicherungsbeiträge führte der Insolvenzschuldner in Deutschland ab.
Die Vertragsunterzeichnung fand laut Unterschriftenzeile in E. statt. Als
bedeutender Umstand ist auch zu werten, dass der Arbeitsvertrag bestimmt, dass
die Klägerin leitende Angestellte "im Sinne des § 5 Abs. 3 BVG" sei. Der
Arbeitsvertrag verweist mithin auf ein deutsches Gesetz. In Österreich findet sich
eine Regelung des leitenden Angestellten hingegen in § 36 Abs. 2 Nr. 3 des
Arbeitsverfassungsgesetzes. Hinzu kommt, dass die Parteien als Gerichtsstand
E. in Deutschland vereinbarten. Auch der Altersteilzeitvertrag verweist auf die
deutsche Bestimmung des § 8 SGB IV. Schließlich spricht auch der Umstand der
Insolvenzsicherung dafür, dass der Insolvenzschuldner selbst von einer
Insolvenzsicherungspflicht gemäß § 8a ATZG ausging.
42 (3) Die Kammer ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht an die
Rechtsauffassung des Landesgerichts L. gebunden. Einander widersprechende
Entscheidungen werden gemäß der Regelungen über die internationale
Zuständigkeit, insbesondere Art. 27 EuGVVO vermieden. Über denselben
Anspruch sollen nicht zwei Gerichte unterschiedlich urteilen. Wie bereits
ausgeführt, ist der vorliegende Rechtsstreit jedoch nicht mit demjenigen vor dem
Landesgericht L. identisch. Eine andere Bewertung der Anwendbarkeit deutschen
oder österreichischen Rechts ist mithin nicht ausgeschlossen. Es bleibt
anzumerken, dass das Landesgericht L. das österreichische Internationale
Privatrecht angewandt hat, welches gemäß § 44 IPRG nicht mit Art. 30 EGBGB
übereinstimmt. § 44 IPRG enthält keine Ausnahmebestimmung, welche im Falle
engerer Verbindungen zu einem anderen Staat eine Abweichung vom Recht des
gewöhnlichen Arbeitsorts vorsieht (vgl. Urteil Landesgericht L., S. 10, Bl. 112 d.A.)
43 2. Der Beklagte ist gemäß § 8a Abs. 3 ATZG verpflichtet, die begehrten Auskünfte
und Nachweise zu erteilen.
44 a) Nach § 8a Abs. 3 ATZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer die
zur Sicherung des Wertguthabens ergriffenen Maßnahmen mit der ersten
Gutschrift und danach alle sechs Monate in Textform nachzuweisen. Zum
Nachweis der ausreichenden Sicherung hat der Arbeitgeber zunächst die
getroffenen Maßnahmen zu beschreiben. Der Nachweis der ergriffenen
Sicherungsmaßnahmen im Sinne des § 8 a ATZG umfasst darüber hinaus die
Verpflichtung des Arbeitgebers zur Vorlage von Unterlagen, die es dem
betroffenen Arbeitnehmer ermöglichen, die Richtigkeit der Angaben des
Arbeitgebers zu überprüfen (LAG Baden-Württemberg 06.03.2014 - 3 Sa 47/13,
ZIP 2014, 894). Diese Nachweisverpflichtung besteht auch nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens.
45 b) Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin einen Anspruch auf Auskunft über
den Stand des Wertguthabens, die Art des Sicherungsmittels sowie Vorlage des
Sicherungsvertrags mit der Hamburger Pensionsverwaltung eG. Der Beklagte ist
der Aufforderung der Klägerin (Schreiben vom 14.06.2012), die Nachweise
gemäß § 8a ATZG zu erbringen, bislang nicht nachgekommen.
46 II. Die Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass ein Anspruch auf Abgabe
einer "Freigabeerklärung" besteht (vgl. zur untechnischen Verwendung der
Formulierung "Freigabe" bei der doppelten Treuhand BAG 18.07.2013 - 6 AZR
47/12 - Rn. 33 ff., AP Nr. 8 zu § 8a ATG). Es steht derzeit nicht fest, wie und in
welcher Höhe das Wertguthaben abgesichert wurde. Nach dem Vortrag der
Klägerin soll "wohl" ein Treuhandverhältnis vorliegen. Wie dieses ausgestaltet ist,
ist nicht bekannt. Es könnte sich um eine sogenannte doppelte
Sicherungstreuhand handeln. Weiter hat die Klägerin mangels Kenntnis nicht
dargelegt, wie die möglicherweise bestehende Treuhand verwaltet wurde. Der
Treuhänder könnte - wie in dem der Entscheidung des BAG vom 18.07.2013 zu
Grunde liegenden Sachverhalt - ein Investmentkonto mit einem Investmentfonds
eingerichtet haben. In diesem Fall würde dieses Vermögen im Falle einer
doppelten Treuhand zwar zur Insolvenzmasse gehören, der Treuhänder hätte
jedoch evtl. ein Absonderungsrecht gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 InsO. In Betracht
kommen jedoch auch mehrere andere Möglichkeiten der Verwaltung des
Treuhandvermögens. Diese Mutmaßungen sind jedoch nicht ausreichend, um
einen Anspruch der Klägerin konkret zu begründen. Gerade zu diesem Zweck gibt
das Gesetz in § 8a ATZG dem Arbeitnehmer die mit vorliegendem Urteil
zugesprochenen Auskunfts- und Nachweisansprüche.
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Nebenentscheidungen
48 1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1
ZPO, wonach die Kosten verhältnismäßig zu teilen sind, wobei die Klägerin die
Kosten im Umfang der Klagrücknahme (Antrag Ziffer 1) zu tragen hat, § 269 Abs. 3
Satz 2 ZPO. Antrag Ziffer 4 ist als Hilfsantrag nicht zur Entscheidung angefallen
und war daher nicht zu berücksichtigen. Als fiktiver Kostenstreitwert war zu Grunde
zu legen ein Wert in Höhe von EUR 61.664,21 (Ursprünglicher Antrag Ziffer 1: EUR
14.631,81. Dies entspricht einem Bruttovierteljahresverdienst. Anträge Ziffer 1 und
2: jeweils EUR 4.000,00 = EUR 8.000,00. Dies entspricht ca. 10 % des begehrten
Zahlungsanspruchs. Antrag Ziffer 3: EUR 39.032,40). Ein fiktiver Kostenstreitwert
war zu bilden, weil die Anträge Ziffer 1 und 2 auf dasselbe wirtschaftliche Ziel wie
Antrag Ziffer 3 gerichtet sind und damit wirtschaftlich identisch sind. Die Klägerin
obsiegte mit EUR 4.000,00. Daraus ergibt sich eine Kostenquote von EUR
4.000,00 ./. EUR 61.664,21 = 6 %. Die Klägerin hat bei einem Obsiegen von 6 %
mithin 94 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
49 2. Die Streitwertfestsetzung beruht dem Grunde nach auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der
Rechtsmittelstreitwert entspricht der Höhe der begehrten Zahlung durch die
Hamburger Pensionsverwaltung gemäß Antrag Ziffer 3, mithin EUR 39.032,40.
Dieser Betrag resultiert aus der geschätzten Höhe des Wertguthabens (50 % der
Vergütung = EUR 3.548,40 multipliziert mit elf vollen Monaten).
50 3. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus § 64 Abs. 3 a Satz
1 ArbGG. Gründe für eine gesonderte Zulassung der Berufung bestanden nicht.