Urteil des ArbG Stuttgart vom 31.05.2016

ordentliche kündigung, treu und glauben, anhörung, wartezeit

ArbG Stuttgart Urteil vom 31.5.2016, 5 Ca 165/16
Leitsätze
1. Die Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Kündigung ist - außer bei der Verdachtskündigung - mangels
gesetzlicher Grundlage keine Wirksamkeitsvoraussetzung.
2. Der Arbeitnehmer muss bei der Anhörung vor einer Verdachtskündigung nur mit einem hinreichend
konkreten Sachverhalt konfrontiert werden. Der Arbeitgeber ist dabei nicht verpflichtet, seine
Erkenntnisquellen zum Kündigungssachverhalt offenzulegen. Dies gilt erst recht, wenn bereits die Anhörung
entbehrlich ist.
3. Eine Spezialisierung auf einen bestimmten Berufstyp begründet nicht die Treuwidrigkeit einer Kündigung.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.190,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten in der
Wartezeit.
2 Die am 00.00.1965 geborene Klägerin ist seit dem 01.12.2015, befristet bis zum 31.07.2016, bei dem
Beklagten als E.lehrerin zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von 1730 EUR in Teilzeit mit
einem Stundendeputat von mindestens 13 Stunden je Woche beschäftigt (vgl. Arbeitsvertrag vom
10.12.2015, Bl. 10 ff. der Akten). Die Klägerin ist als E.lehrerin ausschließlich dazu befähigt, an XX-Schulen
zu arbeiten, da das Unterrichtsfach E. ausschließlich an derartigen Schulen angeboten wird. Der beklagte
Verein ist der Träger der XX-Schule in S., der durch jeweils zwei seiner Vorstandsmitglieder, unter anderem
Herrn R. W. und Herrn Re. A., gemeinsam vertreten wird (Auszug aus dem Vereinsregister vom 02.11.2015,
Bl. 64 ff der Akten). Ein Betriebsrat besteht nicht.
3 Vor ihrer Beschäftigung bei dem Beklagten war die Klägerin seit März 2000 bei der XX-Schule in F. tätig. Im
November 2015 wurde das dortige Arbeitsverhältnis zum 15.12.2015 aufgrund eines Aufhebungsvertrags
beendet. Hintergrund dessen war, dass zwischen der Klägerin und einer ihrer Schülerinnen aus dem
Jahrgang 1985 jedenfalls ab Sommer 2013 ein freundschaftliches Verhältnis bestand. Die besagte Schülerin
wurde im Schuljahr 2013/2014 von der Klägerin unterrichtet und absolvierte 2015 das Abitur. Nachdem
deren Eltern bei der Schulleitung interveniert hatten, eine weitere Tätigkeit der Klägerin an der Schule zu
unterbinden, wurde ihr von der Schulleitung ein zu enger Kontakt mit der Schülerin vorgeworfen, so dass
das Arbeitsverhältnis schließlich unter der Beteiligung von Anwälten einvernehmlich beendet wurde.
4 Am 18.11.2015 stellte sich die Klägerin bei dem Beklagten vor. Dabei erklärte sie auf Nachfrage, warum sie
sich mitten im Schuljahr bewerbe, dass sie bei ihrer bisherigen Schule nicht mehr arbeiten wolle und könne,
weil es einen Konflikt wegen eines früheren freundschaftlichen Verhältnisses mit einer Abiturientin gegeben
habe und sie deswegen keinen Streit mit der Schule austragen wollte. Der Beklagte hielt sodann
Rücksprache mit einem Mitarbeiter des vormaligen Arbeitgebers der Klägerin und holte das Einvernehmen
der Schulleitungskonferenz ein. Am 26.11.2015 erhielt die Klägerin die Einstellungszusage des Beklagten
und begann am 07.12.2015 ihre Tätigkeit.
5 Nach der Aufnahme der Tätigkeit wurde der Beklagten von Dritten Folgendes zugetragen: Bei dem früheren
freundschaftlichen Verhältnis mit einer Abiturientin handelte es sich um ein mehrjähriges Verhältnis, dessen
Anfänge bereits in der 9. Klasse der Schülerin zurücklägen. Es hätte beinahe täglichen Kontakt der Klägerin
mit der Schülerin gegeben und es sei auch zu Übernachtungen gekommen. Zudem habe die Klägerin der
Schülerin eine E-Mail geschrieben, in der sie geäußert habe, dass sie am liebsten mit der Schülerin kuschele
und die Nacht mit ihr teile.
6 Am 15.12.2015 sprach der Beklagte daraufhin die ordentliche Kündigung gegenüber der Klägerin zum
15.01.2016 aus. Die Kündigungserklärung wurde der Klägerin am 15.12.2015 persönlich übergeben, wobei
die Klägerin mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung freigestellt
wurde (vgl. Bl. 12 der Akten). Die Klägerin erhob daraufhin mit Schriftsatz vom 05.01.2016, bei Gericht
eingegangen am 05.01.2016 und der Beklagten zugestellt am 12.01.2016, Kündigungsschutzklage.
7 Die Klägerin trägt vor, es habe sich bei dem durchaus zu kritisierenden, freundschaftlichen Verhältnis zu der
Schülerin nicht um ein sexuelles Verhältnis gehandelt. Die Schülerin sei zu jederzeit volljährig gewesen und
es habe zu keinem Zeitpunkt Zweifel an ihrer Reife und ihrer seelischen Gesundheit bestanden.
8 Die Klägerin ist der Ansicht, die Kündigung sei unwirksam, da es sich um einen Willkürakt handele, weil der
Beklagte einer verdeckt gegenüber ihr geführten Kampagne aufgesessen sei und sie sich zudem nicht gegen
den gegenüber ihr erhobenen Behauptungen verteidigen könne, unter anderem deshalb, da die Beklagte die
Quelle ihrer Informationen nicht benenne. Die Kündigung sei weiterhin unwirksam, da der Beklagte nicht
wirksam durch die Herren A. und W. vertreten worden sei, sie nicht auf einem Beschluss der
Schulleitungskonferenz beruhe, der Beklagte sie nicht vor Ausspruch der Kündigung angehört habe und sie
auch nicht vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt habe. Die Kündigung sei auch deswegen unwirksam, da
ihr berufliches Fortkommen aufgrund der erneuten Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mitten im
Schuljahr erheblich gefährdet sei, ihr ein Quasi-Berufsverbot aufgrund ihrer spezialisierten Ausbildung als
E.lehrerin drohe, sie aufgrund ihrer Erwerbsbiografie gerade deshalb besonders schutzbedürftig sei und der
Beklagte mit der kurzfristigen Einstellung eine besondere Verantwortung gegenüber ihr übernommen habe.
9 Den zunächst noch verfolgten Weiterbeschäftigungsantrag nahm die Klägerin im Kammertermin am
31.05.2016 zurück.
10
Die Klägerin beantragt zuletzt:
11
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die auf den 15.12.2015
datierte und am 15.12.2015 zugegangene Kündigung des Beklagten nicht zum 15.01.2016
aufgelöst wird, sondern über den 15.01.2016 hinaus fortbesteht.
12
Der Beklagte beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14 Der Beklagte trägt vor, die Schulleitungskonferenz sei vor Ausspruch der Kündigung ordentlich beteiligt
worden.
15 Der Beklagte ist der Ansicht, die Kündigung sei wirksam. Die Herren Re. A. und R. W. seien als
vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder zum Ausspruch der Kündigung bevollmächtigt gewesen. Im
Übrigen sei die mangelnde Berechtigung zur Vertretung nicht unverzüglich gemäß § 174 BGB
zurückgewiesen worden. Das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien sei aufgrund dessen, dass die
Klägerin das Verhältnis mit der Schülerin sehr beschönigt im Vorstellungsgespräch dargestellt hätte, was sich
erst hinterher als nicht zutreffend herausgestellt hätte, zerstört. Eine Gelegenheit der Klägerin zur
Stellungnahme zu den Vorwürfen habe es nicht bedurft. Die Klägerin habe sich selbst für ihre singuläre
Ausbildung als E.lehrerin entschieden. Eine ordentliche Kündigung gehöre zudem zum allgemeinen
Lebensrisiko, zumal das Arbeitsverhältnis selbst befristet gewesen sei.
16 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2016 und 31.05.2016 gemäß §
46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
17 Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
18 Die Klage ist zulässig. Hinsichtlich der Kündigungsschutzklage besteht das gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §
256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse, welches in der drohenden Präklusion nach §§ 4 S. 1, 7
KSchG zu sehen ist.
II.
19 Die Klage ist nicht begründet. Die ordentliche Kündigung vom 15.12.2015 hat das Arbeitsverhältnis der
Parteien wirksam zum 15.01.2016 aufgelöst.
20 1. Die Präklusionsfrist nach § 4 S. 1 KSchG hat die Klägerin vorliegend gewahrt. Die Klage gegen die am
15.12.2015 zugegangene Kündigung ist zwar erst am 12.01.2016 zugestellt worden. Sie ist aber bereits am
05.01.2016 beim Arbeitsgericht eingegangen. Die Zustellung ist daher entsprechend § 167 ZPO
„demnächst“ erfolgt, so dass auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage abgestellt werden muss. Dieser
Zeitpunkt war innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung, so dass die Klage innerhalb der
Präklusionsfrist erhoben worden ist.
21 2. Die ordentliche Kündigung ist nicht aufgrund mangelnder Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder des
Beklagten, die die Kündigung ausgesprochen haben, unwirksam.
22 a) Kündigt jemand in fremdem Namen, aber ohne Vertretungsmacht, ist die Kündigung gem. § 180 S. 1 BGB
unwirksam. Hat der Kündigungsempfänger die behauptete Vertretungsmacht des Kündigenden nicht
unverzüglich im Sinne von § 174 BGB beanstandet, finden gem. § 180 S. 2 BGB die Vorschriften über die
Genehmigung nach §§ 177 ff. BGB entsprechende Anwendung (ErfK/Müller-Glöge, 16. Aufl., § 620 BGB Rn.
29).
23 b) Die Vorstandsmitglieder des Beklagten W. und A. haben die Kündigung wirksam als dessen gesetzliche
Vertreter gem. § 26 Abs. 2 S. 2 BGB ausgesprochen. Soweit beide zusammen handeln, sind sie nach der für
den Beklagten geltenden Vertretungsregelung gemeinsam vertretungsberechtigt. Dies ergibt sich aus dem
vorgelegten Vereinsregister, nach dem sowohl Herr W. als auch Herr A. Vorstandsmitglieder des Beklagten
sind und zu zweit zur Vertretung des Beklagten berechtigt sind. Eine Beteiligung weiterer
Vorstandsmitglieder bedurfte es daher nicht.
24 Die Frage der Beanstandung der Vertretungsmacht gem. § 180 S. 2 BGB bzw. der Zurückweisung der
Kündigung mangels vorgelegter Originalvollmacht gem. § 174 BGB stellte sich damit nicht. Im Übrigen
besteht das Recht zur Zurückweisung einer Kündigung gem. § 174 BGB im Fall der gesetzlichen Vertretung
nicht (BAG, Urteil vom 20.09.2006 - 6 AZR 82/06, NZA 2007, 377 Rn. 37 ff).
25 c) Daneben ist schließlich unerheblich, ob der Kündigung ein Beschluss der Schulleitungskonferenz
zugrundeliegt. Interne Abstimmungsprozesse ändern an der Vertretungsberechtigung der organschaftlichen
Vertreter des Beklagten im Außenverhältnis nichts. Demnach bedurfte es zur Wirksamkeit der Kündigung
keines Beschlusses der Schulleitungskonferenz. Ob ein solcher Beschluss zur Kündigung der Klägerin
vorliegend gefasst wurde, kann daher vorliegend dahinstehen.
26 3. Die vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.07.2016 steht der ordentlichen Kündigung
nicht entgegen Die Parteien haben in Nr. 6 des Arbeitsvertrags die ordentliche Kündbarkeit des
Arbeitsverhältnisses ausdrücklich vereinbart, was nach § 15 Abs. 3 TzBfG zulässig ist. Demnach war es dem
Beklagten möglich, die ordentliche Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gem. § 622
Abs. 1 BGB von vier Wochen zum Monatsfünfzehnten oder zum Monatsende, die vorliegend mit dem
15.01.2016 auch eingehalten wurde, zu erklären.
27 4. Die ordentliche Kündigung ist nicht aufgrund fehlender sozialer Rechtfertigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG
unwirksam. Nachdem das Arbeitsverhältnis erst zum 01.12.2015 begründet wurde, findet das KSchG auf die
Kündigung vom 15.12.2015 aufgrund der nicht-erfüllten, sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG
keine Anwendung. Auf eine soziale Rechtfertigung der Kündigung kommt es demnach nicht an.
28 5. Die ordentliche Kündigung ist nicht aufgrund eines Verstoßes gegen § 242 BGB unwirksam.
29 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG unterliegen auch Arbeitgeber außerhalb des
Anwendungsbereichs des KSchG bei der Ausübung ihres Kündigungsrechts den Schranken von Treu und
Glauben (§ 242 BGB) und der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB). Für die Bestimmung des Inhalts und der
Grenzen ist dabei die Bedeutung grundrechtlicher Schutzpflichten, vor allem Art. 12 Abs. 1 GG, zu
beachten. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Der durch die Generalklauseln vermittelte Schutz
darf allerdings nicht dazu führen, dass außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes dem Arbeitgeber praktisch
die im Kündigungsschutzgesetz vorgegebenen Maßstäbe der Sozialwidrigkeit auferlegt werden. In sachlicher
Hinsicht geht es darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden
Kündigungen zu schützen (BAG, Urteil vom 28.06.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049 Rn. 29; Urteil
vom 25.04.2001 – 5 AZR 360/99, NZA 2002, 87, 89 m.w.N.).
30 b) Demnach verstößt eine Kündigung gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt,
soweit auf sie wegen Nichterfüllung der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG das
Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Ansonsten würde in diesen Fällen über § 242 BGB der
kraft Gesetzes ausgeschlossene Kündigungsschutz doch gewährt und damit die Möglichkeit des Arbeitgebers
eingeschränkt werden, die Eignung des Arbeitnehmers für die geschuldete Tätigkeit in seinem Betrieb und
Unternehmen während der gesetzlichen Wartezeit zu überprüfen. Eine willkürliche Kündigung liegt in
einem solchen Fall nicht vor, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Kündigung besteht (BAG,
Urteil vom 28.06.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049 Rn. 30; Urteil vom 25.04.2001 – 5 AZR 360/99,
NZA 2002, 87, 89 m.w.N.).Dementsprechend setzt die Wirksamkeit einer Kündigung aus Gründen im
Verhalten des Arbeitnehmers außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes in der
Regel nicht voraus, dass dem Arbeitnehmer zuvor eine vergebliche Abmahnung erteilt worden ist, soweit
sich der Arbeitgeber damit nicht in Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten setzt (BAG, Urteil vom
28.08.2008 – 2 AZR 101/07, juris Rn. 34; BAG, Urteil vom 21.02.2001 – 2 AZR 579/99, NZA 2001, 951,
953 f. m.w.N.). Dabei ist die Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Kündigung – außer bei der
Verdachtskündigung – mangels gesetzlicher Grundlage keine Wirksamkeitsvoraussetzung (BAG, Urteil vom
10.4.2014 – 2 AZR 647/13, NJW 2014, 3533 Rn. 33 ausdrücklich gegen a.A. des ArbG Gelsenkirchen im
Urteil vom 17.03.2010 - 2 Ca 319/10, NZA 2010, 1178).
31 c) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit
ergibt, liegt beim Arbeitnehmer (vgl. BAG, Urteil vom 28.06.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049 Rn. 31;
Urteil vom 21.02.2001 – 2 AZR 579/99, NZA 2001, 951, 953 f.). Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz
des Arbeitnehmers wird dabei durch eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast gewährleistet. In einem
ersten Schritt muss der Arbeitnehmer, soweit er die Überlegungen des Arbeitgebers, die zu seiner
Kündigung geführt haben, nicht kennt, lediglich einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit der
Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Der Arbeitgeber muss sich sodann im Einzelnen gem. § 138 Abs. 2
ZPO auf diesen Vortrag einlassen, um ihn zu entkräften. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, gilt der
schlüssige Sachvortrag des Arbeitnehmers gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BAG, Urteil vom
28.06.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049 Rn. 31 mwN).
32 d) Vorliegend verstößt die Kündigung des Beklagten nicht gegen Treu und Glauben. Die darlegungs- und
beweispflichtige Klägerin hat schon keinen Sachverhalt vorgetragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung
nach § 242 BGB indiziert.
33 aa) Es bestand nach der zutreffenden Auffassung des BAG keine Pflicht zur vorhergehenden Abmahnung
der Klägerin. Dies stünde dem Charakter der Wartezeit, eine Kündigung gerade ohne Gründe im Sinne von
§ 1 Abs. 2 KSchG zu ermöglichen entgegen. Vielmehr soll es dem Arbeitgeber im Rahmen der Wartezeit
möglich sein, den Arbeitnehmer umfassend zu prüfen und sich gegebenenfalls ohne Hinzutreten weiterer
Umstände wieder von ihm oder ihr zu lösen, soweit diese nicht treuwidrig oder diskriminierend sind. Eine
Abmahnung würde es aber erforderlich machen, dass nach dem Abmahnungssachverhalt noch weitere
Tatsachen vorfallen, die dann zur Kündigung berechtigen. Eine Abmahnung war daher vorliegend nicht
erforderlich.
34 bb) Es bestand nach der zutreffenden Auffassung des BAG keine Pflicht zur Anhörung der Klägerin zu den
im Raum stehenden Vorwürfen und zur Preisgabe der Quelle der Gerüchte.
35 (1) Eine generelle Verpflichtung des Arbeitgebers, bei Fehlen eines Betriebsrats den zu kündigenden
Arbeitnehmer anzuhören, wie es das ArbG Gelsenkirchen befürwortet (a.a.O.), hat keine gesetzliche
Grundlage. Vielmehr besteht gerade nur im Fall des Bestehens eines Betriebsrats gem. § 102 Abs. 1 BetrVG
eine Pflicht zur Anhörung, den die Arbeitnehmer im Betrieb bei Vorliegen der Voraussetzungen selbst
schaffen können. Auch § 626 Abs. 2 S. 3 BGB spricht insoweit nur davon, dass Kündigungsgründe bei einer
außerordentlichen Kündigung allein auf Verlangen mitzuteilen sind. Daraus wird allgemein der
Umkehrschluss gezogen, dass eine vorhergehende Mitteilung der Gründe für die Wirksamkeit der
Kündigung nicht notwendig ist (ErfK/Müller-Glöge, 16. Aufl., § 626 BGB Rn. 243;
MünchKommBGB/Henssler, § 626 BGB Rn. 61 m.w.N.). Eine Anhörung würde die Vorschrift ins Gegenteil
verkehren und obsolet machen. Allein der Umstand der Verdachtskündigung rechtfertigt es, hiervon eine
Ausnahme zu machen, da der Arbeitgeber in einem solchen Fall selbst nur einen dringenden Verdacht des
Kündigungssachverhalts hegt und nicht von der Gegebenheit der kündigungsrelevanten Tatsachen ausgeht.
Insoweit muss er zumindest dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gewähren.
36 (2) Auch aus § 82 Abs. 1 S. 1 BetrVG folgt nach der überzeugenden Rechtsprechung des BAG nichts
anderes. Nach dieser Bestimmung hat der Arbeitnehmer ein Recht darauf, in betrieblichen
Angelegenheiten, die seine Person betreffen, angehört zu werden. Selbst wenn man zu diesen
Angelegenheiten auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung rechnet, ergibt sich
daraus nicht, dass umgekehrt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor dem Ausspruch einer Kündigung
anhören müsste und dass diese Anhörung Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung wäre. Das in §
82 Abs. 1 S. 2 BetrVG vorgesehene Recht, zu ihn betreffenden Maßnahmen des Arbeitgebers Stellung zu
nehmen, bedeutet jedenfalls nicht, dass der Arbeitnehmer schon vor deren Durchführung Stellung nehmen
können muss.
37 (3) Aus Art. 1 Abs.1, 2 Abs. 1, 12 GG abgeleitete Schutzzweckgesichtspunkte gebieten jedenfalls
vorliegend keine andere Wertung. In der Wartezeit bedarf es keiner besonderen Gründe oder
Rechtfertigung für die Kündigung. Vielmehr steht es dem Arbeitgeber frei, sich vom Arbeitsverhältnis zu
lösen. Einer vorhergehenden Anhörung bedarf es daher jedenfalls in diesem Fall nicht.
38 (4) Demnach bestand auch keine Pflicht des Beklagten, die Quelle der Gerüchte preiszugeben. Eine solche
Pflicht besteht selbst im Rahmen der Verdachtskündigung nicht, auch wenn dabei die Anhörung des
Arbeitnehmers als Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung erforderlich ist. Der Arbeitnehmer muss nur
mit einem hinreichend konkreten Sachverhalt konfrontiert werden, so dass er sich substantiiert darauf
einlassen kann; eine Konfrontation mit Belastungszeugen oder die Teilnahme des Arbeitnehmers an
Zeugenbefragungen ist hingegen nicht notwendig (vgl. MünchKommBGB/Henssler, § 626 BGB Rn. 249
m.w.N.). Ein Arbeitgeber ist demnach selbst dann nicht verpflichtet, seine Erkenntnisquellen offenzulegen,
soweit er zur Anhörung verpflichtet ist. Soweit eine Anhörung wie hier vorliegend entbehrlich ist, kann
demnach nichts anderes gelten. Die Klägerin ist insofern auf die staatlichen Ermittlungsbehörden wie
Polizei und Staatsanwaltschaft zu verweisen, wenn sie wegen der im Raum stehenden Straftaten der ihr
unbekannten Dritten, wie etwa eine Verleumdung, die Quellen der Gerüchte offengelegt haben möchte.
39 cc) Es handelt sich bei der Kündigung der Beklagten auch um keinen Willkürakt. Vielmehr hat der Beklagte
nachvollziehbar vorgetragen, dass es aufgrund der unzureichenden Information der Klägerin über das
freundschaftliche Verhältnis zu einer ehemaligen Schülerin zu einem Vertrauensverlust gekommen ist. Es
liegen daher keine sachfremden Motive für die Kündigung vor.
40 (1) Dabei ist es zunächst unerheblich, ob die Vorwürfe, so wie sie an den Beklagten herangetragen
wurden, tatsächlich insgesamt zutreffen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin beim
Vorstellungsgespräch nur von einem freundschaftlichen Verhältnis zu einer Abiturientin berichtete. Im
vorliegenden Verfahren hat sie aber selbst eingeräumt, dass das freundschaftliche Verhältnis bereits seit
Sommer 2013 bestand und die Schülerin erst 2015 die Schule als Abiturientin verlassen hat. Das
freundschaftliche Verhältnis bestand daher in einem Zeitraum von zumindest zwei Jahren und zu einer
Zeit, als die Klägerin die Schülerin selbst unterrichtete (Schuljahr 2013/2014). Auch wenn die Schülerin,
wie die Klägerin behauptet, über den gesamten Zeitraum volljährig gewesen ist und keine Zweifel an ihrer
Reife und ihrer seelischen Gesundheit bestanden, so ist allein der Umstand, dass sie den Umfang und das
Ausmaß des Verhältnisses nicht ausreichend beim Vorstellungsgespräch wiedergegeben hat, ausreichend,
um einen Vertrauensverlust der Beklagten zu begründen.
41 (2) Im Übrigen bestehen aufgrund des Sachverhalts keine sachfremden Motive für die Kündigung. Vielmehr
steht es dem Beklagten frei, sich aufgrund der im Raum stehenden Vorwürfe von der Klägerin zu lösen. Als
Träger einer Schule ist der beklagte Verein berechtigt, die Beschäftigung von neu eingestellten Lehrern, die
ein, wenn auch nur freundschaftliches, Näheverhältnis zu Schülern an den Tag gelegt haben, kritisch zu
bewerten und gegebenenfalls noch in der Wartezeit das Arbeitsverhältnis wieder zu beenden. Es waren
vorliegend keine aus der Luft gegriffenen Gründe, die nicht im Ansatz der Wahrheit entsprechen. Vielmehr
räumt die Klägerin selbst ein, dass ihr Verhältnis zu der Schülerin kritisiert werden kann. Allein der
Umstand, dass die Klägerin eingestellt worden ist, ändert noch nichts daran, dass es dem Beklagten frei
steht, den Sachverhalt im Lauf der Wartezeit nochmals zu überdenken. Dies gilt vor allem, wenn man die
nachträglich erhobenen Vorwürfe bedenkt. Auch wenn diese nicht in dem geschilderten Ausmaß zutreffen
sollten, so ist es der Beklagten doch erst recht zugestanden, angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe
die Beschäftigung der Klägerin erneut kritisch zu beurteilen. Ein willkürliches Motiv für die Kündigung
ergibt sich daraus jedenfalls nicht.
42 dd) Die Kündigung ist auch nicht aufgrund der möglichen beruflichen Behinderung der Klägerin treuwidrig.
43 (1) Allein der Umstand, dass die Klägerin als E.lehrerin nur im Bereich der XX-Schulen tätig sein kann,
hindert den Beklagten nicht an der Kündigung des Vertragsverhältnisses. Vielmehr hat sich die Klägerin aus
freier Entscheidung für den Beruf entschieden und muss sich mit den dafür bestehenden Gegebenheiten
arrangieren. Eine Pflicht zur Weiterbeschäftigung der Klägerin allein deshalb, dass sie aufgrund der
Umstände womöglich keine neue Arbeitsstelle im XX-Schulbereich erhält, liegt dem geltenden
Kündigungsschutzrecht fern. Es ist ein allgemeines Lebensrisiko, dass man eine Arbeitsstelle verliert, noch
dazu in der Wartezeit. Jeder Kündigung ist zunächst einmal eine zumindest vorübergehende Behinderung
des beruflichen Fortkommens immanent, soweit nicht sofort im Anschluss eine neue Arbeitsstelle gefunden
werden kann. Eine Pflicht zur dauerhaften Bindung kann sich angesichts dessen vorliegend nicht ergeben.
44 (2) Auch die Besonderheiten der Fallgestaltung rechtfertigen keine andere Bewertung. Insoweit hat die
Klägerin die Umstände, die zur vorzeitigen Beendigung der Arbeitsverhältnisse innerhalb eines Schuljahres
geführt haben, selbst gesetzt, in dem sie sich auf ein freundschaftliches Verhältnis zu einer Schülerin
einließ. Die Klägerin hat das Arbeitsverhältnis mit ihrem vorhergehenden Arbeitgeber noch dazu aufgrund
eines Aufhebungsvertrags, also mit ihrer eigenen Zustimmung, beendet. Dafür kann der Beklagte nicht in
Mit-Verantwortung gezogen werden.
45 Eine besondere Verantwortung hat der Beklagte durch die kurzfristige, unterjährige Einstellung in
zumindest teilweiser Kenntnis der Umstände nicht übernommen. Zum einen bindet eine Einstellung einen
Arbeitgeber gerade innerhalb der Wartezeit nicht auf Dauer an den beschäftigten Arbeitnehmern, sondern
erlaubt es ihm innerhalb der Wartezeit zu kündigen. Zum anderen löst auch die Rücksprache mit dem
vormaligen Arbeitgeber der Klägerin keine derartige Bindung des Beklagten aus. Ein treuwidriges Verhalten
kann dem Beklagten daher nicht vorgeworfen werden.
III.
46 Die Klägerin trägt gem. §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO als unterlegene Partei die
Kosten des Verfahrens.
IV.
47 Gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG ist der Wert des Streitgegenstands im Urteil festzusetzen. Für den
Bestandsschutzantrag ist insgesamt ein dreifaches Bruttomonatsgehalt der Kläger in Höhe von 1730,00
EUR, insgesamt also 5190 EUR, gem. dem richterlichen Ermessen nach § 3 ZPO anzusetzen.