Urteil des ArbG Stuttgart vom 08.04.2014

treu und glauben, schlüssiges verhalten, betriebsrat, verleiher

ArbG Stuttgart Urteil vom 8.4.2014, 16 BV 121/13
Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung - Scheinwerkvertrag - Scheindienstvertrag -
Rechtsfolge - Rechtsmissbrauch
Leitsätze
1. Wird ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber in einem anderen Unternehmen im
Wege eines Werk-/Dienstvertrages eingesetzt und stellt sich der Einsatz in Wirklichkeit
als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung (Scheinwerk-/Scheindienstvertrag) heraus,
wird kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem anderen
Unternehmen (Entleiher) begründet, soweit der Arbeitgeber (Verleiher) über eine
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis iSd. § 1 Abs.1 Satz 1 AÜG verfügt.
2. Die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 10.
Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - bezüglich der nicht vorübergehenden
Arbeitnehmerüberlassung aufgestellt hat, gelten auch bei verdeckter
Arbeitnehmerüberlassung (Scheinwerk-/Scheindienstvertrag).
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1 Der antragstellende Betriebsrat und das antragsgegnerische Unternehmen streiten
im Hauptantrag darüber, ob der in einem Betrieb des Unternehmens von einem
Drittunternehmen als Fremdarbeitskraft eingesetzte Beteiligte Ziff.3 in Wirklichkeit
Arbeitnehmer der Antragsgegnerin ist. Hilfsweise macht der Antragsteller die
Wählbarkeit des Beteiligten Ziff.3 zum Betriebsrat, bezogen auf diesen
Mitbestimmungsrechte - gemäß § 87 Abs.1 Nr.2, Nr.3 und Nr.7 BetrVG sowie § 99
Abs.1 Satz 1 BetrVG (Eingruppierung) - sowie die Anwendung der für
Arbeitnehmer im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen auf den Beteiligten
Ziff.3 geltend.
2 Die Antragsgegnerin und Beteiligte Ziff.2 ist ein Unternehmen der
Automobilindustrie. Der Antragsteller und Beteiligte Ziff.1 ist der für den Betrieb Me.
Werk 010 U. und Entwicklung dieses Unternehmens gebildete Betriebsrat.
3 Der Beteiligte Ziff.3 wird in diesem Betrieb bereits seit dem Jahr 2009 kontinuierlich
als Fremdarbeitskraft mit der Tätigkeit eines Entwicklungsingenieurs eingesetzt.
Zunächst erfolgte sein Einsatz auf der Basis von Werk-/Dienstverträgen zwischen
der Antragsgegnerin und der Firma M. GmbH & Co.KGaA, zuletzt im Projekt „OM
651 Applikation Niederdruck Delphi“ (vgl. Anlage Ast 1, Bl. 37 der Akte, sowie den
diesbzgl. Werkvertrag, Anlage ASt 15, Bl. 162 ff. der Akte, und das dazugehörige
Lastenheft Teil A und B, Anlage Ast 16 und 17, Bl. 167 ff. der Akte).
4 Mit E-Mail vom 13. Dezember 2012 (Anlage Ast 3, Bl. 39 f. der Akte) meldete der
Antragsteller Bedenken gegen den Einsatz des Beteiligten Ziff.3 auf der Basis der
Werk-/Dienstverträge an. Mit E-Mail vom 15. Februar 2013 (Anlage Ast 5, Bl. 42 der
Akte) wies die Antragsgegnerin diese zurück. Daraufhin leitete der Antragsteller am
28. Mai 2013 das vorliegende arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren ein.
5 In der Folgezeit stellte die Antragsgegnerin die Grundlage des Einsatzes des
Beteiligten Ziff.3 in ihrem Betrieb von Werks-/Dienstverträgen auf
Arbeitnehmerüberlassung iSd. AÜG um. So erfolgt sein Einsatz seit dem 12.
August 2013 - mit Zustimmung des Antragstellers (vgl. Anlage B 2, Bl. 229 ff. der
Akte) - im Wege der Arbeitnehmerüberlassung durch die Firma M. GmbH &
Co.KGaA.
6 Seinen schriftlichen Arbeitsvertrag für den gesamten Zeitraum hatte und hat der
Beteiligte Ziff.3 mit der Firma M. GmbH & Co.KGaA geschlossen. Bezüglich des
streitgegenständlichen Zeitraumes verfügte und verfügt diese über eine
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis iSd. § 1 Abs.1 Satz 1 AÜG (Anlage B 3, Bl.
234 f. der Akte).
7 Der Antragsteller ist der Auffassung, die von ihm gestellten Anträge seien zulässig
und begründet. Dies gelte zunächst für den auf Feststellung der
Arbeitnehmereigenschaft gerichteten Hauptantrag. Dieser sei zulässig,
insbesondere sei der Antragsteller antragsbefugt, auch bestehe ein
Feststellungsinteresse für ein derartiges positives Statusverfahren. Denn mit der
Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft iSd. § 5 Abs.1 BetrVG wolle der
Betriebsrat geklärt wissen, dass der Beteiligte Ziff.3 als Arbeitnehmer unter seine
Zuständigkeit falle und er damit sämtliche Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte
bezüglich dieses Beschäftigten einfordern könne. Damit mache der Antragsteller
eigene Rechte, nämlich seine Rechte aus dem BetrVG, und nicht etwa
Individualrechte des Beteiligten Ziff.3 geltend. Dass der Beteiligte Ziff.3 seit dem
12. August 2013 im Wege der offenen Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt werde,
ändere an der Zulässigkeit des Antrags nichts. Sei zuvor kraft Gesetzes wegen
unzulässiger verdeckter dauerhafter Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis von
Scheinwerk-/Scheindienstverträgen ein Arbeitsverhältnis zwischen der
Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 zustande gekommen, bestehe dieses
nach wie vor fort, da es nur nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln
aufgehoben werden könne. Bei der mittlerweile erfolgten Umstellung auf Leiharbeit
handle es sich um ein „Prozessleiharbeitsverhältnis“, das das entstandene
Arbeitsverhältnis und die Beteiligungsrechte des Antragstellers unberührt lasse.
Damit beträfe der Antrag gerade nicht nur die Vergangenheit, sondern den
aktuellen Zustand. Der Hauptantrag sei auch begründet, da der Beteiligte Ziff.3
Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs.1 BetrVG der Antragsgegnerin sei. Auch der
Begründetheit stehe nicht entgegen, dass der Beteiligte Ziff.3 derzeit als
Leiharbeitnehmer eingesetzt werde. Der Antragsteller habe mit seiner Zustimmung
hierzu keine Festlegung getroffen, dass er davon ausgehe, dass kein
Arbeitsverhältnis vorliege. Das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses folge daraus,
dass zwischen der Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 kraft Gesetzes - in
unmittelbarer, jedenfalls aber in analoger Anwendung von § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG -
ein solches begründet worden sei, weil diese ihn zunächst im Wege der
unzulässigen verdeckten dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis von
Scheinwerk-/Scheindienstverträgen in ihrem Betrieb beschäftigt habe. Dabei
hätten keine Werk-/Dienstverträge im klassischen Sinne vorgelegen. Der Beteiligte
Ziff.3 sei von Anfang an in den betrieblichen Ablauf der Antragsgegnerin
eingegliedert gewesen. Das Weisungsrecht habe immer bei der Antragsgegnerin
gelegen. Von Beginn an sei er auf einem Dauerarbeitsplatz der Kernbelegschaft
eingesetzt worden. Sowohl die Vertragsgestaltung als auch die maßgebende
tatsächliche Durchführung ließen die Annahme einer wirksamen werks-
/dienstvertraglichen Gestaltung nicht zu. Im Hinblick auf die Einzelheiten des
umfangreichen Sachvortrags des Antragstellers zur Abgrenzung zwischen aus
seiner Sicht vorliegender unzulässiger verdeckter dauerhafter
Arbeitnehmerüberlassung (Scheinwerk-/Scheindienstvertrag) und wirksamer
werks-/dienstvertraglicher Gestaltung wird - mangels Entscheidungserheblichkeit -
auf die Antragschrift, S.7 - 22, Bl. 7 - 22 der Akte nebst den Anlagen ASt 6 ff., Bl. 43
ff. der Akte, den Schriftsatz vom 3. Juli 2013, S. 3 - 12, Bl. 144 - 153 der Akte nebst
den Anlagen ASt 15 ff., Bl. 162 ff. der Akte sowie den Schriftsatz vom 13. Januar
2014, S. 25 - 55, Bl. 310 - 340 der Akte nebst den Anlagen ASt 18 ff., Bl. 342 ff. der
Akte Bezug genommen. Hieraus ergebe sich, dass mangels wirksamer Werk-
/Dienstverträge von Anfang an eine unzulässige verdeckte dauerhafte
Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis von Scheinwerk-/Scheindienstverträgen
vorgelegen habe. Auch wenn die Firma M. GmbH & Co.KGaA über eine
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis iSd. § 1 AÜG verfügt habe und verfüge, sei
die Arbeitnehmerüberlassung unzulässig gewesen. Denn die Erlaubnis erfasse
lediglich die gesetzlich zulässigen Formen der Arbeitnehmerüberlassung. Die
Unzulässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung folge vorliegend zum einen daraus,
dass diese nicht vorübergehend iSd. § 1 Abs.1 Satz 2 AÜG sei, sondern auf einem
Dauerarbeitsplatz erfolge, zum anderen daraus, dass es sich um eine verdeckte
Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis von Scheinwerk-/Scheindienstverträgen
gehandelt habe. Diese sei von der der Firma M. GmbH & Co.KGaA erteilten
Erlaubnis nicht gedeckt. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.
Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - stehe dem nicht entgegen. Sie sei mit der
vorliegenden Konstellation schon deswegen nicht vergleichbar, da es im
entschiedenen Fall nicht um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis
von Scheinwerk-/Scheindienstverträgen gegangen sei, sondern um eine offene
Arbeitnehmerüberlassung auf einem Dauerarbeitsplatz. Das Vorliegen einer
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis könne vorliegend nicht herangezogen
werden, die bei unzulässiger Leiharbeit gebotene Sanktion zu umgehen, denn sie
werde nicht zu dem Zweck erteilt, verdeckte Arbeitnehmerüberlassung mittels
Scheinwerk-/Scheindienstverträgen zu genehmigen. Die Erlaubnis sei insoweit als
teilunwirksam anzusehen. Sei diese deshalb auf einen Scheinwerk-
/Scheindienstvertrag von Anfang an nicht anwendbar, bedürfe sie auch keines
Widerrufs. Mangels daher für den vorliegenden Sachverhalt geltender
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis sei gemäß § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG die
Rechtsfolge, dass kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zwischen der
Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 zustande gekommen sei. Im Übrigen
könne die Erlaubnis keine Fälle institutionellen Rechtsmissbrauchs erfassen bzw.
sei das Berufen der Antragsgegnerin auf das Vorliegen einer Erlaubnis hier
rechtsmissbräuchlich. Bei den vorliegenden Praktiken der Vertragsgestaltung und -
abwicklung handle es sich nämlich um Fälle institutionellen Rechtsmissbrauchs.
Der Einsatz des Beteiligten Ziff.3 im Rahmen von Scheinwerk-
/Scheindienstverträgen habe allein der Umgehung der Regelungen des AÜG (etwa
des Equal-Pay-Grundsatzes) gedient und damit der Lohnsenkung bei
gleichzeitiger Beibehaltung sämtlicher Arbeitgeberrechte (zB. des Weisungsrecht),
ohne damit die korrespondierenden Arbeitgeberpflichten übernehmen zu wollen.
Deswegen sei als wirksame Sanktion zum Schutz der Betroffenen jedenfalls
analog § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG von der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit der
Antragsgegnerin auszugehen. Zweck des AÜG sei es nicht, Scheinwerk-
/Scheindienstverträge zu Leiharbeitsverhältnissen umzuwandeln, wenn eine
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorliege. Ein Leiharbeitsverhältnis hätten die
Beteiligten gerade nicht begründen wollen. Die Erlaubnis werde hier nur zu dem
Zweck herangezogen, um die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zu
vermeiden, was aber weder Sinn noch Zweck der Vorschriften des AÜG sei.
Außerdem sei von einem institutionellen Rechtsmissbrauch aufgrund
Strohmanngeschäfts auszugehen. Die Firma M. GmbH & Co.KGaA, die bis zum
Jahr 2011 noch ein Konzernunternehmen gewesen sei, an dem die
Antragsgegnerin 100 % der Anteile gehalten habe, und an dem sie noch heute
mindestens 35 % der Anteile halte und damit über eine Sperrminorität verfüge, trete
lediglich als Strohmann bzw. Scheinverleiherin zum Zweck der Kostensenkung
auf. Ganz nach dem Wunsch der Antragsgegnerin stelle die Firma M. GmbH &
Co.KGaA ihre Arbeitskräfte für Dauerarbeitsplätze bei der Antragsgegnerin zur
Verfügung. Hierauf greife diese zurück, um zu vermeiden, diesen Arbeitskräften -
wie der Stammbelegschaft - die tarifliche Vergütung zahlen zu müssen. Letztlich
zahle die Antragsgegnerin als Empfängerin der Arbeitsleistung - mit Hilfe des
Strohmanns - auch die Vergütung. Das Interesse des Arbeitnehmers auch
vertraglich an das Beschäftigungsunternehmen gebunden zu sein, werde bewusst
verdrängt, um die Überlassung zum Nachteil der Betroffenen missbrauchen zu
können. Diesen würden tarifliche Rechte und Arbeitnehmerschutzrechte entzogen,
insbesondere das bei der Antragsgegnerin bestehende tarifliche
Kündigungsschutzrecht oder der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen
entsprechend geltender Betriebsvereinbarungen, obwohl sie bei der
Antragsgegnerin eingegliedert seien. Es gehe vorliegend gerade nicht um die
Deckung kurzfristigen Personalbedarfs oder um die Erfüllung von Aufgaben, die
nicht direkt mit dem Unternehmenszweck verbunden seien, sondern mit der
Senkung der sozialen Standards und des Kündigungsschutzes um Zwecke, die
weder vom Werkvertragsrecht noch vom Arbeitnehmerüberlassungsrecht und der
diesem zugrunde liegenden Leiharbeitsrichtlinie gedeckt seien. Die Berufung auf
eine fehlende vertragliche Bindung sei demzufolge rechtsmissbräuchlich und
unbeachtlich. Zumindest aufgrund institutionellen Rechtsmissbrauchs, der hier
doppelt - nämlich sowohl in Bezug auf das Werkvertragsrecht als auch in Bezug
auf das Arbeitnehmerüberlassungsrecht - erfolge, sei gemäß § 242 BGB folglich
davon auszugehen, dass zwischen der Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3
ein Arbeitsverhältnis entstanden sei. Das Bundesarbeitsgericht habe in seiner
Entscheidung vom 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - den Grundsatz des
institutionellen Rechtsmissbrauchs nochmals ausdrücklich bestätigt, dort allerdings
die Voraussetzungen als nicht gegeben angesehen, weil es aufgrund des
Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 1 Abs.1 Satz 2 AÜG) keinen
Missbrauch einer zulässigen gesetzlichen Regelungen habe erkennen können.
Vorliegend sei es gerade umgekehrt, die Antragsgegnerin nutze rechtlich
zulässige Gestaltungsmöglichkeiten in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise. Im
Übrigen habe das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 10.
Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - zu Unrecht angenommen, dass bei einer zwar
nicht verdeckten, aber unzulässigen dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung bei
Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis kein Arbeitsverhältnis zum
Entleiher fingiert werde. Ab dem 1. Dezember 2011 sei die nicht vorübergehende
Überlassung - entgegen der höchstrichterlich vertretenen Auffassung - nicht mehr
von einer zuvor erteilten Erlaubnis gedeckt. Ab diesem Zeitpunkt sei die Erlaubnis -
nach der zutreffenden Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg (9. Januar 2013 -
15 Sa 1635/12 -) - kraft Gesetzes auf die vorübergehende Überlassung von
Arbeitnehmern beschränkt. Eines Widerrufs der Erlaubnis bedürfe es auch
insoweit nicht. Eine richt-linienkonforme Auslegung des § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG
gebiete die Annahme der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses, damit die effektive
Verwirklichung der Leiharbeitsrichtlinie gewährleistet sei. Da die
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis eine dauerhafte Überlassung nicht umfasse,
sei dieser Sachverhalt so zu behandeln, als liege keine Erlaubnis vor. Die
Vorschrift des § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG könne damit direkt Anwendung finden,
zumindest aber sei die darin geregelte Rechtsfolge analog anzuwenden. Eine
planwidrige Regelungslücke liege vor, weil ein Verstoß gegen das Verbot der
dauerhaften Überlassung europarechtlich nicht sanktionslos bleiben dürfe. Der von
der Antragsgegnerin genannte Gesetzentwurf ändere daran nichts. Um einen
Richtlinienverstoß und damit die Unwirksamkeit der gesetzlichen Regelung zu
vermeiden, müsse die Fiktion zur Anwendung gebracht werden. Nur so könne das
Gebot verwirklicht werden, wonach Sanktionen von Verstößen wirksam,
angemessen und abschreckend sein müssten. Eine andere Konsequenz komme
nicht in Betracht, weil weniger schwerwiegende Sanktionen der Pflicht zur
wirksamen und effektiven Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie nicht gerecht
würden. Soweit das Bundesarbeitsgericht auf die Regelungspflicht des nationalen
Gesetzgebers verweise, sei dies zwar zutreffend, helfe aber solange nicht weiter,
solange dieser seiner Pflicht zur Regelung effektiver Sanktionen nicht nachkomme,
obgleich die Umsetzungsfrist der Leiharbeitsrichtlinie abgelaufen sei. Für die
Zwischenzeit könnten die betroffenen Arbeitnehmer nicht schutzlos bleiben,
insoweit könne sich die Rechtsprechung einer richtlinienkonformen Auslegung
nicht verweigern. Soweit sich das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung
vom 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 -gehindert gesehen habe, eine
richtlinienkonforme Auslegung vorzunehmen, habe es gegen seine Pflicht
verstoßen, die Rechtssache gemäß Art. 267 AEUV an den Europäischen
Gerichtshof vorzulegen. Damit habe es auch das Gebot des gesetzlichen Richters
gemäß Art. 101 Abs.1 Satz 2 GG verletzt. Soweit sich nunmehr das Arbeitsgericht
aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gehindert sehe, die Fiktion
zur Anwendung zu bringen, werde eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof
durch das erkennende Gericht dringend angeregt. Die gestellten Hilfsanträge seien
ebenfalls zulässig und begründet. Sei die mit dem Hauptantrag begehrte
Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft iSd. § 5 Abs.1 BetrVG nicht möglich,
könne mit dem in Antrag Ziff.1 a) enthaltenen Hilfsantrag jedenfalls die Feststellung
der Wählbarkeit des Beteiligten Ziff.3 zum Betriebsrat, die diesem als Arbeitnehmer
zukomme, geltend gemacht werden. Dies gelte unabhängig davon, ob aktuell eine
Betriebsratswahl zu erwarten sei oder nicht. Auch dieser Antrag richte sich nicht
auf die Vergangenheit, sondern auf den jetzigen und zukünftigen Zustand. Die
Hilfsanträge Ziff.2 bis Ziff.4 seien ebenfalls zulässig und begründet. Die damit
geltend gemachten Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs.1 Nr.2, Nr.3 und Nr.7
BetrVG beständen im Übrigen nicht nur, wenn der Beteiligte Ziff.3 Arbeitnehmer
sei, sondern auch wenn von Arbeitnehmerüberlassung auszugehen sei, ja sogar
wenn der Einsatz aufgrund wirksamer Werk-/Dienstverträge erfolgt wäre, da selbst
dann eine Eingliederung in so hohem Maße gegeben gewesen sei, dass dem
Antragsteller die entsprechenden Mitbestimmungsrechte zuständen. Auch insoweit
bestehe ein Feststellungsinteresse. Dem Antragsteller gehe es nicht um die
Feststellung seiner Mitbestimmungsrechte in der Vergangenheit, sondern zum
jetzigen Zeitpunkt. Diese seien zwischen den Beteiligten streitig, soweit sie an die
Arbeitnehmereigenschaft des Beteiligten Ziff.3 anknüpften. Auch der Hilfsantrag
Ziff.5 sei zulässig und begründet. Ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Dem
Antragsteller gehe es auch diesbezüglich nicht um die Feststellung seiner
Mitbestimmungsrechte in der Vergangenheit, sondern zum jetzigen Zeitpunkt. Aus
der Arbeitnehmereigenschaft des Beteiligten Ziff.3 ergebe sich, dass die
Antragsgegnerin den Antragsteller bezüglich dessen Eingruppierung iSd. § 99
BetrVG zu beteiligen habe. Bis heute habe die Antragsgegnerin keinen
diesbezüglichen Antrag vorgelegt. Selbst wenn von keinem Arbeitsverhältnis
auszugehen sei, könne der Antragsteller die Durchführung eines
Eingruppierungsverfahrens verlangen, da dem Beteiligten Ziff.3 als
Leiharbeitnehmer zumindest ein direkter Anspruch auf Equal-Pay zustehe.
Schließlich sei auch der Hilfsantrag Ziff.6 zulässig und begründet. Ein
Rechtsschutzbedürfnis bestehe, auch sei der Antragsteller antragsbefugt. Er
mache insoweit eigene Rechte geltend, denn er sei berechtigt, über die
ordnungsgemäße Durchführung von Betriebsvereinbarungen zu wachen. Der
Antragsteller könne verlangen, dass die Antragsgegnerin auf den Beteiligten Ziff.3
die für Arbeitnehmer für den Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen anwende,
insoweit bestehe ein Durchführungsanspruch.
8
Der Antragsteller beantragt zuletzt,
9
1. a) festzustellen, dass der Beschäftigte H. S., derzeit eingesetzt in der
Entwicklung RD/PDI, im Werk U., im Projekt „OM 651 Applikation
Niederdruck Delphi“, Arbeitnehmer der Antragsgegnerin im Betrieb Werk
010, U. und Entwicklung im Sinne des § 5 Abs.1 BetrVG, hilfsweise im
Betrieb Werk 010 U. und Entwicklung der Antragsgegnerin zum Betriebsrat
wählbar ist;
10
hilfsweise,
11
2. a) festzustellen, dass dem Antragsteller bezüglich des Beschäftigten H. S.
das Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Beginn und Ende der
täglichen Arbeitszeit, einschließlich der Pausen, sowie der Verteilung der
Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage zusteht, soweit diese durch die
Geschäftsführung der Antragsgegnerin festgelegt werden;
12
3. a) festzustellen, dass dem Antragsteller bezüglich des Beschäftigten H. S.
das Mitbestimmungsrecht wegen Anordnung von Mehrarbeits- und
Überstunden zusteht, soweit diese durch die Geschäftsführung der
Antragsgegnerin angeordnet werden;
13
4. a) festzustellen, dass dem Antragsteller bezüglich des Beschäftigten H. S.
das Mitbestimmungsrecht wegen Regelungen über die Verhütung von
Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz
im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der
Unfallverhütungsvorschriften zusteht, soweit diese Maßnahmen durch die
Geschäftsführung der Antragsgegnerin angeordnet werden;
14
5. a) die Antragsgegnerin zu verpflichten, hinsichtlich des Beschäftigten H.
S. eine Eingruppierungsentscheidung vorzunehmen, die Zustimmung des
Betriebsrats zur vorgesehenen Eingruppierung nachträglich einzuholen und
im Verweigerungsfalle durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen;
15
6. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die im Werk 010 U. und Entwicklung
PKW gültigen Betriebsvereinbarungen, deren Geltungsbereich
ausschließlich Arbeitnehmer der Antragsgegnerin des Betriebs (zumindest)
im Bereich Entwicklung PKW des Werks U. erfasst, gegenüber dem
Beschäftigten H. S. anzuwenden.
16
Die Antragsgegnerin beantragt,
17
die Anträge zurückzuweisen.
18
Der Beteiligte Ziff. 3 stellt keine Anträge.
19 Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, sämtliche gestellten Anträge seien bereits
unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Die Unzulässigkeit der Anträge folge
daraus, dass es diesen am erforderlichen Feststellungsinteresse bzw.
Rechtsschutzbedürfnis und der notwendigen Antragsbefugnis des Antragstellers
fehle. Letztlich mache der Antragsteller Individualrechte des Beteiligten Ziff.3
geltend, wozu er nicht berufen sei. Seit der Beteiligte Ziff.3 - mit Zustimmung des
Antragstellers - als Leiharbeitnehmer beschäftigt werde, bestehe im Übrigen über
dessen Status gar kein Streit mehr. Dem Begehren des Antragstellers, diesen nicht
mehr im Rahmen von Werk-/Dienstverträgen einzusetzen, sei vollumfänglich
Rechnung getragen worden. Auch würden seitdem die für Leiharbeitnehmer
geltenden Mitbestimmungsrechte des Antragstellers nach § 87 Abs.1 Nr.2, Nr.3
und Nr.7 BetrVG in Bezug auf den Beteiligten Ziff.3 gewahrt, auch hierüber
bestehe kein Streit, die Antragsgegnerin erkenne diese an. Die für
Leiharbeitnehmer geltenden Betriebsvereinbarungen würden dementsprechend
seitdem ebenfalls auf den Beteiligten Ziff.3 angewendet, auch insoweit bestehe
kein Streit. Antrag Ziff. 6 sei im Übrigen zusätzlich mangels Bestimmtheit
unzulässig, da unklar bleibe, welche konkreten Betriebsvereinbarungen gemeint
seien. Die vom Antragsteller aufgeworfenen Fragen beträfen - ohne
Folgewirkungen für die Zukunft - ausschließlich die Vergangenheit, für die
Feststellung vergangener Zustände gebe es aber kein Interesse mehr. Jedenfalls
aber seien die Anträge allesamt unbegründet. Dies gelte schon deshalb, weil der
Beteiligte Ziff.3 derzeit nicht als Arbeitnehmer, sondern als Leiharbeitnehmer
eingesetzt sei. Selbst wenn einst ein Arbeitsverhältnis begründet worden sein
sollte, beständen die vom Antragsteller reklamierten Mitbestimmungsrechte für
Arbeitnehmer nicht, da der Beteiligte Ziff.3 seit dem 12. August 2013 nicht als
Arbeitnehmer in den Betrieb der Antragsgegnerin eingegliedert sei, sondern dort im
Wege der Arbeitnehmerüberlassung tätig sei. Tatsächlich habe aber schon kein
Arbeitsverhältnis zwischen dem Beteiligten Ziff.3 und der Antragsgegnerin
zustande kommen können. Ein solches habe weder zu irgendeiner Zeit bestanden
noch bestehe es derzeit. Insbesondere werde ein solches nicht nach § 10 Abs.1
Satz 1 AÜG fingiert. Der Beteiligte Ziff.3 sei zunächst im Rahmen eines echten
Werkvertrages als Erfüllungsgehilfe der Firma M. GmbH & Co.KGaA im Betrieb der
Antragsgegnerin eingesetzt worden. Die entscheidenden und wesentlichen
Kriterien sprächen im Rahmen der Gesamtabwägung für das Vorliegen eines
wirksamen Werkvertrages. So habe es keine arbeitsvertraglichen Weisungen
gegeben, auch liege ein abgrenzbares und abgegrenztes Gewerk und damit
verbunden keine Eingliederung des Beteiligten Ziff.3 in die Organisation der
Antragsgegnerin vor. Im Hinblick auf die Einzelheiten des weiteren Sachvortrags
der Antragsgegnerin zur Abgrenzung zwischen aus ihrer Sicht vorliegender
wirksamer werks-/dienstvertraglicher Gestaltung und verdeckter
Arbeitnehmerüberlassung (Scheinwerk-/Scheindienstvertrag) wird - mangels
Entscheidungserheblichkeit - auf den Schriftsatz vom 29. Oktober 2013, S. 5 - 11,
Bl. 267 - 274 der Akte und den Schriftsatz vom 14. Februar 2014, S. 4 - 9, Bl. 393 -
398 der Akte Bezug genommen. Da die Firma M. GmbH & Co.KGaA über eine
wirksame Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt habe und verfüge, wäre
aber selbst bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung, die hier nicht vorgelegen
habe, kein Arbeitsverhältnis zum Entleiher fingiert worden. Dies gelte unabhängig
davon, ob die Arbeitnehmerüberlassung vorübergehend erfolgt wäre oder nicht,
und sei nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Dezember
2013 - 9 AZR 51/13 - eindeutig. § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG sehe nur für den Fall des
Fehlens einer Erlaubnis die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses vor, in allen anderen
Fällen nur die Rücknahme oder den Widerruf der Erlaubnis. Eine analoge
Anwendung der Rechtsfolge des § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG komme nicht in Betracht.
Der Gesetzgeber habe sich bewusst nur in einem Fall für eine Fiktionswirkung
entschieden, dies sei zu respektieren. Für das Fehlen einer planwidrigen Lücke
spreche auch der noch vor der Bundestagswahl vom Bundesrat eingebrachte
Gesetzentwurf. Dieser zeige, dass nach derzeit geltendem Recht die Fiktion -
außer beim Fehlen einer Erlaubnis - gerade nicht gelte. Abgesehen davon sei eine
Analogie auch deswegen nicht möglich, weil dadurch in die verfassungsrechtliche
Freiheit des Arbeitnehmers gemäß Art. 12 Abs.1 GG, seinen Arbeitgeber selbst zu
wählen, unzulässig eingegriffen würde. Ohne seinen Willen dürfe ihm kein anderer
Vertragspartner aufgedrängt werden. Auch würde durch eine Analogie der in der
Leiharbeitsrichtlinie vorgesehene Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten bei
der Wahl der Sanktionen bei einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung
umgangen. Die Gerichte seien nicht befugt, in die diesbezügliche
Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers einzugreifen, einzig dieser könne eine
entsprechende Folge normieren. Aus diesen Gründen scheide auch eine
„richtlinienkonforme Auslegung“, wie sie der Antragsteller verlange, aus. Das
Bundesarbeitsgericht sei in dem von ihm am 10. Dezember 2013 entschiedenen
Fall nicht verpflichtet gewesen, den Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines
Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV anzurufen. Es hätten
nämlich keine Zweifel an der Auslegung der Leiharbeitsrichtlinie bestanden, da
diese gerade keine bestimmte Sanktion vorsehe. Allein die Mitgliedstaaten seien
im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums aufgerufen, mögliche Sanktionen
festzulegen. Dies sei weder Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs noch des
Bundesarbeitsgerichts. Eine Vorlage nach Art. 267 AEUV komme demgemäß
auch vorliegend für das erkennende Gericht nicht in Betracht. Im Übrigen gehe es
im Vorabentscheidungsverfahren nicht um die Auslegung nationaler Vorschriften,
wie sie der Antragsteller aber beabsichtige. Die von diesem gegen die
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 -
vorgebrachten weiteren Argumente überzeugten ebenfalls nicht. Entgegen dessen
Ansicht gebe es keine „gespaltene“ Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, die
unbeachtlich sei, wenn es sich um einen Scheinwerk-/Scheindienstvertrag handle.
Die Erlaubnis sei ein Verwaltungsakt, der entweder wirksam oder nichtig sei und
solange Bestand habe, bis seine Bestandskraft durch Rücknahme oder Widerruf
beseitigt sei. Die Bestandskraft hänge nicht davon ab, in welchem Sachverhalt die
Überlassungserlaubnis relevant werde. Dies sei mit dem Gebot der
Rechtssicherheit nicht vereinbar. Auch zeige die Regelung des § 5 Abs.1 Nr.4
Halbsatz 1 AÜG, dass allein geänderte Umstände oder rechtliche Bewertungen
nicht per se zur Unwirksamkeit der Erlaubnis führten oder diese einschränkten. Die
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis decke alle Arbeitnehmerüberlassungen,
unabhängig davon, ob diese als Arbeitnehmerüberlassung deklariert oder in Form
von Scheinwerk-/Scheindienstverträgen verdeckt durchgeführt würden. In seiner
Entscheidung vom 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - sei für das
Bundesarbeitsgericht einzig und allein ausreichend gewesen, dass eine
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorgelegen habe, unabhängig davon, ob die
Überlassung zulässig oder - weil nicht vorübergehend - unzulässig gewesen sei.
Entsprechendes gelte auch für die vorliegende Konstellation. Unabhängig davon,
dass es nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ nicht darauf
ankomme, wie ein Rechtsverhältnis bezeichnet werde, sondern welchen Inhalt es
tatsächlich habe, sei der Firma M. GmbH & Co.KGaA eine bestandskräftige
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erteilt, die zu beachten sei. Eine
rechtsmissbräuchliche Berufung auf die erteilte Erlaubnis liege nicht vor.
Abgesehen davon, dass der Antragsteller hierfür keine Anhaltspunkte vortrage,
habe sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, die Fiktionswirkung des §
10 Abs.1 Satz 1 AÜG ausschließlich für den Fall vorzusehen, dass keine Erlaubnis
vorliege. Dies dürfe selbst bei einem Rechtsmissbrauch - der hier aber nicht
vorliege - von den Gerichten nicht übergangen werden, andernfalls stellte dies
einen unzulässigen Eingriff in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten
Gesetzgebers dar. Falsch sei, dass die Firma M. GmbH & Co.KGaA als
„Strohmann“ auftrete. Diese habe ausschließlich zur Erfüllung des Werks-
/Dienstvertragsverhältnisses gehandelt. Schleierhaft bleibe, wie aus den
Beteiligungsverhältnissen der Antragsgegnerin an dieser Firma folgen solle, dass
dies ausschließlich zum Zweck der Kostensenkung gedient habe. Eine
„Strohmannkonstruktion“ sei nicht einmal von ihren Voraussetzungen her
dargelegt.
20 Der Beteiligte Ziff.3 hat im Verlaufe des Verfahrens keinen Sachvortrag geleistet.
21 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten Zif.1 und Ziff.2
wird ergänzend auf die zwischen diesen beiden Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
22 Der Antrag des Antragstellers im Beschlussverfahren war zurückzuweisen. Der
gestellte Hauptantrag und sämtliche gestellten Hilfsanträge bleiben ohne Erfolg.
Der Hauptantrag Ziff.1 a) ist zwar zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
Gleiches gilt für den Hilfsantrag Ziff. 5 a). Die übrigen Hilfsanträge - der im
Hauptantrag Ziff. 1 a) enthaltener Hilfsantrag sowie die Hilfsanträge Ziff. 2 a), 3 a), 4
a) und 6 - sind bereits unzulässig.
23 1. Der Hauptantrag Ziff 1 a), mit dem der Antragsteller die Feststellung begehrt,
dass der Beteiligte Ziff.3 Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs.1 Satz 1 BetrVG der
Antragsgegnerin ist, ist zwar zulässig, in der Sache aber erweist er sich als
unbegründet. Der Beteiligte Ziff. 3 ist nicht Arbeitnehmer der Antragsgegnerin iSd.
§ 5 Abs.1 Satz 1 BetrVG.
24 a) Der Hauptantrag Ziff.1 a) ist zulässig. Insbesondere ist der der Antragsteller
antragsbefugt iSv. § 81 Abs.1 ArbGG und es besteht ein Feststellungsinteresse
iSd. § 256 Abs.1 ZPO.
25 aa) Die Antragsbefugnis des Antragstellers iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG liegt vor. Der
Betriebsrat macht mit der von ihm begehrten Feststellung der
Arbeitnehmereigenschaft des Beteiligten Ziff.3 iSd. § 5 Abs.1 Satz 1 BetrVG
eigene Rechte geltend.
26 (1) Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist ein Beteiligter antragsbefugt
iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG, wenn er eigene Rechte geltend macht. Ebenso wie die
Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren dient die Antragsbefugnis im
Beschlussverfahren dazu, Popularklagen auszuschließen. Im
Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis gegeben, wenn der Antragsteller
durch die begehrte Entscheidung in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition
betroffen sein kann. Das ist regelmäßig der Fall, wenn er eigene Rechte geltend
macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint (st. Rspr., vgl.
etwa BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - juris).
27 (2) Danach ist der Antragsteller für den Hauptantrag Ziff.1 a) antragsbefugt. Mit
dem Antrag erstrebt der Betriebsrat die Klärung seines Kompetenzbereichs vor
dem Hintergrund, dass er für Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs.1 Satz 1 BetrVG
weitreichendere Kompetenzen hat als etwa für im Betrieb eingesetzte
Leiharbeitnehmer. Der Antragsteller kann damit durch die begehrte Entscheidung
in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein und macht mit seinem
Antrag eigene Rechte und gerade nicht nur eine bloße individualrechtliche
Position des Beteiligten Ziff.3 geltend.
28 bb) Auch hat der Antragsteller ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs.1 ZPO
an der Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft des Beteiligten Ziff.3 iSd. § 5
Abs.1 Satz 1 BetrVG.
29 (1) Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren §
256 Abs. 1 ZPO kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens eines
Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches
Interesse an einer entsprechenden alsbaldigen richterlichen Entscheidung hat.
Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer
Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis
einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Dabei sind einzelne
Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines
einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO
sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses
oder rechtliche Vorfragen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR
7/12 - juris).
30 (2) Demgemäß besteht vorliegend ein Feststellungsinteresse des Antragstellers.
Die Arbeitnehmereigenschaft des Beteiligten Ziff.3 iSd. § 5 Abs.1 BetrVG,
dementsprechend die Frage, ob zwischen der Antragsgegnerin und dem
Beteiligten Ziff.3 ein Arbeitsverhältnis besteht, ist ein feststellungsfähiges
Rechtsverhältnis. Zwecks der Klärung seines Kompetenzbereichs hat der
Antragsteller auch ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen
Klärung (vgl. dazu LAG Düsseldorf 27. März 2012 - 17 TaBV 86/11 - juris). Dieses
ist nicht etwa dadurch entfallen, dass die Antragsgegnerin den Beteiligten Ziff. 3
seit dem 12. August 2013 in ihrem Betrieb mit Zustimmung des Antragstellers im
Wege der offenen Arbeitnehmerüberlassung einsetzt. Wäre zuvor ein
Arbeitsverhältnis zwischen der Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 - etwa
in direkter oder analoger Anwendung des § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG - begründet
worden, bestände dieses unabhängig davon fort, da es nur nach allgemeinen
arbeitsrechtlichen Grundsätzen (insbesondere durch Kündigung oder
Aufhebungsvertrag) beendet werden kann, was hier nicht erfolgte (vgl. LAG
Schleswig-Holstein 19. Juli 2012 - 5 Sa 474/11 - juris). Demgemäß handelt es
sich nicht um eine bloße vergangenheitsbezogene Feststellung, die der
Betriebsrat begehrt, sondern um die Frage, ob das Rechtsverhältnis in Gestalt
des Arbeitsverhältnisses zwischen der Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3
aktuell, gegenwartsbezogen besteht, mit der Folge, dass dem Antragsteller
bezüglich des Beteiligten Ziff.3 weitreichendere betriebsverfassungsrechtliche
Kompetenzen zuständen, als diese die Antragstellerin diesem bezogen auf die
derzeitige Leiharbeit des Beteiligten Ziff.3 zugesteht.
31 b) Der Hauptantrag Ziff. 1 a) ist allerdings in der Sache nicht begründet. Der
Beteiligte Ziff.3 ist nicht Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs.1 Satz 1 BetrVG der
Antragsgegnerin.
32 aa) Während § 5 Abs.1 Satz 2 und Satz 3 BetrVG vorliegend keine Rolle spielen,
sind gemäß § 5 Abs.1 Satz 1 BetrVG Arbeitnehmer iSd. BetrVG Arbeiter und
Angestellte, einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten,
unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit
beschäftigt werden. § 5 Abs.1 Satz 1 BetrVG geht vom allgemeinen
arbeitsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers aus und setzt damit das Bestehen
eines Arbeitsverhältnisses voraus. Arbeitnehmer ist danach, wer auf Grund
privatrechtlichen Vertrages (Arbeitsvertrag) im Dienste eines anderen
(Arbeitgeber) zur Leistung fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit
verpflichtet ist. Ein kraft Gesetzes begründetes Arbeitsverhältnis, etwa nach § 10
Abs.1 Satz 1 AÜG, steht dem durch privatrechtlichen Vertrag begründeten
Arbeitsverhältnis im Rahmen des § 5 Abs.1 Satz 1 BetrVG gleich.
33 bb) Zwischen der Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 ist - entgegen der
Auffassung des Antragstellers - kein Arbeitsverhältnis begründet worden, mithin
ist dieser nicht Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs.1 Satz 1 BetrVG. Ein solches ist zu
keinem Zeitpunkt, weder kraft Vertrages noch kraft Gesetzes, zustande
gekommen.
34 aaa) Auf vertraglicher Grundlage ist zwischen der Antragsgegnerin und dem
Beteiligten Ziff.3 kein Arbeitsverhältnis begründet worden.
35 (1) Zur ausdrücklichen Vereinbarung eines Arbeitsvertrages zwischen der
Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 - sei es in schriftlicher, sei es in
mündlicher Form - kam es zu keinem Zeitpunkt. Die Vereinbarung eines
Arbeitsvertrages setzt - wie jeder Vertragsschluss - zwei sich inhaltlich deckende
Willenserklärungen in Form von Angebot und Annahme voraus. Daran fehlt es
hier offenkundig. Es gibt weder ein ausdrückliches Angebot eines der genannten
Beteiligten an den anderen Beteiligten, mit ihm ein Arbeitsverhältnis einzugehen,
noch die Annahme eines solchen Angebotes. Eine solche ausdrückliche
Vereinbarung eines Arbeitsvertrages gab es nur zwischen dem Beteiligten Ziff.3
und der Firma M. GmbH & Co.KGaA.
36 (2) Auch konkludent, dh. durch schlüssiges Verhalten der Antragsgegnerin und
des Beteiligten Ziff.3, wurde kein Arbeitsverhältnis zwischen diesen begründet.
37 (a) Zwar kann ein Vertrag durch übereinstimmendes schlüssiges Verhalten
(Realofferte und deren konkludente Annahme) der Vertragsparteien zustande
kommen (vgl. etwa BAG 17. April 2013 - 10 AZR 668/12 - juris). Eine konkludente
Vereinbarung in diesem Sinne setzt aber ein schlüssiges Verhalten der einen
Vertragspartei voraus, aus dem die andere Vertragspartei ein Vertragsangebot
entnehmen kann, das sie ihrerseits dann durch schlüssiges Verhalten annehmen
kann. Bei dem schlüssigen Vertragsangebot muss es sich um eine
Willenserklärung handeln (vgl. etwa BAG 27. Juni 2006 - 3 AZR 151/05 - juris).
Dies setzt einen konkreten Geschehenszusammenhang voraus, aus dem unter
Beachtung der Verkehrssitte und unter Berücksichtigung aller Umstände des
jeweiligen Einzelfalls auf einen Erklärungswert geschlossen werden kann. Bei
einer konkludenten Willenserklärung findet das Gewollte nicht unmittelbar in der
Erklärung seinen Ausdruck, der Erklärende nimmt vielmehr Handlungen vor, die
mittelbar einen Schluss auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen zulassen. Auch
für die konkludente Willenserklärung ist insoweit entscheidend, wie sie von dem
Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach
Treu und Glauben verstanden werden durfte und musste (vgl. etwa BAG 4.
Oktober 2005 - 9 AZR 598/04 - BAGE 116, 104).
38 (b) Unter Zugrundelegung dessen liegt die Annahme eines konkludenten
Vertragsschlusses zwischen der Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 fern.
Die Antragsgegnerin hat nicht durch schlüssiges Verhalten dem Beteiligten Ziff.3
ein Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages unterbreitet. Eine
dementsprechende konkludente Willenserklärung liegt nicht vor. Selbst wenn die
Antragsgegnerin den Beteiligten Ziff.3 in ihren Betrieb eingegliedert haben sollte,
um ihn dort weisungsabhängig zu beschäftigen, kann diesem Verhalten nicht der
Erklärungswert entnommen werden, sie selbst habe Vertragspartnerin des
Beteiligten Ziff.3 werden wollen. Die vertraglichen Vereinbarungen des Beteiligten
Ziff.3 und diejenigen der Antragsgegnerin erfolgten immer mit der Firma M. GmbH
& Co.KGaA, von dieser bezog und bezieht der Beteiligte Ziff.3 auch seine
Vergütung, während die Antragsgegnerin die Drittfirma vergütet. Jegliche
tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Verhalten der Antragsgegnerin, dass der
Beteiligte Ziff.3 dergestalt hätte verstehen dürfen, dass sie selbst
Vertragspartnerin habe werden wollen, fehlen. Die vertraglichen Beziehungen
wurden von Anfang an erkennbar in dem beschriebenen Dreiecksverhältnis
gelebt. Die Kriterien der Eingliederung und der Weisungsabhängigkeit zur
Abgrenzung, ob eine Person im Rahmen einer wirksamen werk-
/dienstvertraglichen Gestaltung oder als Arbeitnehmer (im Rahmen der
Arbeitnehmerüberlassung) in einem Betrieb eingesetzt wird, spielen in diesem
Zusammenhang keine Rolle. Sie sind für die Beantwortung der Frage, ob
überhaupt ein - konkludentes - Vertragsverhältnis zustande gekommen,
unergiebig. Auch der im Betrieb eingegliederte, weisungsabhängige Tätige hat
gerade nicht automatisch ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsinhaber, sondern
bei einem Einsatz im Wege der Arbeitnehmerüberlassung mit einer Drittfirma (vgl.
Arbeitsgericht Stuttgart 12. März 2014 - 19 Ca 7077/13 -).
39 bbb) Kraft Gesetzes ist zwischen der Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3
ebenfalls kein Arbeitsverhältnis begründet worden, weder vor dem 12. August
2013 noch danach.
40 (1) Bevor der Einsatz des Beteiligten Ziff. 3 im Betrieb der Antragsgegnerin im
Wege der offenen Arbeitnehmerüberlassung erfolgte, dh. vor dem 12. August
2013, ist kein Arbeitsverhältnis zwischen der Antragsgegnerin und dem
Beteiligten Ziff.3 zustande gekommen. Das Entstehen eines solchen kann weder
aus einer unmittelbaren Anwendung von § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG iVm. § 9 Nr.1
AÜG, noch aus einer analogen Anwendung der Rechtsfolge des § 10 Abs.1 Satz
1 AÜG, noch aus einer anderweitigen gesetzlichen Grundlage abgeleitet werden.
41 (a) Dabei kann zunächst dahinstehen, ob der Einsatz des Beteiligten Ziff. 3 im
Betrieb der Antragsgegnerin vor dem 12. August 2013 auf der Grundlage einer
wirksamen werk-/dienstvertraglichen Gestaltung erfolgte oder ob diesem
Scheinwerk-/Scheindienstverträge zu Grunde lagen. Auch wenn man zu Gunsten
des Antragstellers von Scheinwerk-/Scheindienstverträgen ausgeht, gibt es keine
gesetzliche Grundlage, die es erlaubt, ein Arbeitsverhältnis zwischen der
Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 annehmen zu können.
42 (aa) Bei einer wirksamen werk-/dienstvertraglichen Gestaltung vor dem 12.
August 2013 wäre fraglos kein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes zwischen der
Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 begründet worden. Jegliche
gesetzliche Grundlage hierfür fehlte, insbesondere fänden die Bestimmungen des
AÜG in diesem Falle von vornherein keine Anwendung.
43 (bb) Aber auch bei einem etwaigen Vorliegen von Scheinwerk-
/Scheindienstverträgen vor dem 12. August 2013 könnte die Begründung eines
Arbeitsverhältnisses zwischen der Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3
kraft Gesetzes nicht angenommen werden. Hätten solche vorgelegen, hätte es
sich also tatsächlich um eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung gehandelt,
kann bei Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis beim Verleiher, was
hier in Bezug auf die Firma M. GmbH & Co.KGaA der Fall ist, kraft Gesetzes kein
Arbeitsverhältnis zum Entleiher fingiert werden. Weder eine unmittelbare
Anwendung von § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG iVm. § 9 Nr.1 AÜG, noch eine analoge
Anwendung der Rechtsfolge des § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG, noch eine anderweitige
gesetzliche Vorschrift lässt in diesem Falle die vom Antragsteller begehrte
Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der
Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 zu.
44 (cc) Demgemäß kann offen bleiben, ob der Einsatz des Beteiligten Ziff.3 im
Betrieb der Antragsgegnerin vor dem 12. August 2013 auf der Grundlage einer
wirksamen werk-/dienstvertraglichen Gestaltung erfolgte oder ob diesem
Scheinwerk-/Scheindienstverträge zu Grunde lagen. Lediglich angemerkt sei
diesbezüglich, ohne dies mangels Entscheidungserheblichkeit aber vertieft
erörtern zu wollen, dass vorliegend durchaus nicht unerhebliche Indizien für das
Vorliegen von Scheinwerk-/Scheindienstverträgen sprechen. Im Folgenden kann
dies zu Gunsten des Antragstellers unterstellt werden.
45 (b) Unterstellt man, dass der Einsatz des Beteiligten Ziff.3 vor dem 12. August
2013 aufgrund von Scheinwerk-/Scheindienstverträgen erfolgte, mithin in
Wirklichkeit tatsächlich verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vorlag, folgt daraus
nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Antragsgegnerin
und dem Beteiligten Ziff.3. Dies kann weder aus einer unmittelbaren Anwendung
von § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG iVm. § 9 Nr.1 AÜG, noch aus einer analogen
Anwendung der Rechtsfolge des § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG, noch aus einer
anderweitigen gesetzlichen Grundlage abgeleitet werden.
46 (aa) Eine unmittelbare Anwendung von § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG iVm. § 9 Nr.1
AÜG kommt nicht in Betracht.
47 (aaa) Nach § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher
und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen
einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr.1 AÜG unwirksam ist.
Nach § 9 Nr.1 AÜG sind Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie
zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern unwirksam, wenn der Verleiher nicht
die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat.
48 (bbb) Die den Beteiligten Ziff.3 an die Antragsgegnerin überlassende Firma M.
GmbH & Co.KGaA verfügte und verfügt unstreitig über eine
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis iSd. § 1 Abs.1 Satz 1 AÜG für den gesamten
Zeitraum des Einsatzes des Beteiligten Ziff.3. Eine Unwirksamkeit des
Arbeitsvertrages zwischen der Firma M. GmbH & Co.KGaA und dem Beteiligten
Ziff.3 gemäß § 9 Nr.1 AÜG ist damit nicht gegeben. Demgemäß greift auch die
Fiktion des § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG nicht ein. Besitzt ein Arbeitgeber die nach § 1
Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, als Verleiher Dritten Arbeitnehmer im
Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung zu überlassen,
hindert dies eine unmittelbare Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG (vgl. BAG
10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - NZA 2014, 196). Dies gilt auch, wenn der
Einsatz entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur
vorübergehend erfolgt (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - NZA 2014,
196), und ferner auch dann, wenn die Arbeitnehmerüberlassung verdeckt im
Rahmen eines Scheinwerk-/Scheindienstvertrages erfolgt (vgl. Arbeitsgericht
Stuttgart 12. März 2014 -19 Ca 7077/13-).
49 (ccc) Die einem Verleiher vor dem 1. Dezember 2011 erteilte Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG - wie sie hier bei der Firma M. GmbH &
Co.KGaA vorliegt - war nicht auf die vorübergehende Überlassung von
Arbeitnehmern beschränkt. Da bis zum 30. November 2011 eine zeitlich
unbeschränkte Überlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher nach dem
AÜG zulässig war, umfasste eine vor dem 1. Dezember 2011 erteilte Erlaubnis
zur Arbeitnehmerüberlassung auch eine nicht nur vorübergehende Überlassung
von Leiharbeitnehmern. Das Missbrauchsverhinderungsgesetz enthält keine
Regelungen, die vor dem 1. Dezember 2011 erteilte Erlaubnisse zur
Arbeitnehmerüberlassung beschränken. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 AÜG
kann die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nur mit Wirkung für die Zukunft
widerrufen werden, wenn die Erlaubnisbehörde aufgrund einer geänderten
Rechtslage berechtigt wäre, die Erlaubnis zu versagen. Daraus wird deutlich,
dass eine geänderte Rechtslage nicht per se die Unwirksamkeit einer Erlaubnis
zur Arbeitnehmerüberlassung bewirkt oder die Erlaubnis einschränkt (vgl. BAG
10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - NZA 2014, 196).
50 (ddd) Auch eine Beschränkung auf eine offene Arbeitnehmerüberlassung kann
der Erlaubnis nicht entnommen werden. Liegt ein Scheinwerk-
/Scheindienstvertrag, tatsächlich mithin verdeckte Arbeitnehmerüberlassung, vor,
wird dies von einer vorhandenen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erfasst.
Das Missbrauchsverhinderungsgesetz enthält auch insoweit keine Regelungen,
die vor dem 1. Dezember 2011 erteilte Erlaubnisse zur Arbeitnehmerüberlassung
beschränken. Soweit bei einer derartigen Konstellation die Erlaubnis gemäß § 3
AÜG zu versagen gewesen wäre, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 5 Abs.1
Nr.3 AÜG die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nur mit Wirkung für die
Zukunft widerrufen werden, wenn die Erlaubnisbehörde auf Grund nachträglich
eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Erlaubnis zu versagen. Nach § 4
Abs.1 Satz 1 AÜG kann eine rechtswidrige Erlaubnis nur mit Wirkung für die
Zukunft zurückgenommen werden. Diese Bestimmungen zeigen, dass auch eine
verdeckt gehandhabte Arbeitnehmerüberlassung nicht per se die Unwirksamkeit
einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bewirkt oder die Erlaubnis
einschränkt. Auch eine „Vorratserlaubnis“ ist grundsätzlich ein wirksamer
Verwaltungsakt, der, bevor er zurückgenommen oder widerrufen ist, Wirkung
entfaltet (vgl. etwa Maschmann, Fremdpersonaleinsatz im Unternehmen und die
Flucht in den Werkvertrag, NZA 2013, 1305, 1311; Schüren, Scheinwerk- und -
dienstverträge mit Arbeitnehmerüberlassung, NZA 2013, 176, 177, Francken,
Erforderliche Nachbesserungen im AÜG, NZA 2013, 1192, 1193; Lembke, Der
Einsatz von Fremdpersonal durch freie Mitarbeit, Werkverträge und Leiharbeit,
NZA 2013, 1312, 1317). Lag de facto (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung vor,
wird diese von der Erlaubnis mit umfasst, gleich ob der Scheinwerk-
/Scheindienstvertrag ggfs. nichtig ist. Dem entspricht im Übrigen auch der
Gedanke des § 117 Abs.2 BGB, wonach, wenn durch ein Scheingeschäft ein
anderes Geschäft verdeckt wird, die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden
Vorschriften, vorliegend wären dies diejenigen des AÜG, Anwendung finden (vgl.
Timmermann, Die Beweisnot des Arbeitnehmers bei illegaler
Arbeitnehmerüberlassung, BB 2012, 1729).
51 (eee) Aus denselben Gründen kann auch nicht angenommen werden, die
vorliegende Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erfasse etwaige
rechtsmissbräuchliche Gestaltungen von vornherein nicht bzw. man könne sich
bei solchen nicht auf die Erlaubnis berufen.
52 (bb) Eine analoge Anwendung der Rechtsfolge des § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG ist
ebenfalls nicht möglich.
53 (aaa) Zur wortsinnübersteigenden Gesetzesanwendung durch Analogie bedarf es
einer besonderen Legitimation. Die analoge Anwendung einer Norm setzt voraus,
dass eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke vorliegt und diese
Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann.
Andernfalls könnte jedes Schweigen des Gesetzgebers - also der Normalfall,
wenn er etwas nicht regeln will - als planwidrige Lücke aufgefasst und diese im
Wege der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden. Ana-loge
Gesetzesanwendung erfordert darüber hinaus, dass der gesetzlich ungeregelte
Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von
Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die
gesetzessprachlich erfassten Fälle. Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu
führen, dass ein Gericht seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die
Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt. Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG wird die
Staatsgewalt vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere
Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung
ausgeübt. Die Aufgabe der Rechtsprechung beschränkt sich darauf, den vom
Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes auch unter
gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder
eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu
füllen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des
Gesetzes hintanstellt und sich über den klar erkennbaren Willen des
Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des
demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9
AZR 51/13 - NZA 2014, 196 mwN).
54 (bbb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe fehlt es für eine analoge
Anwendung der Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG bereits am Vorliegen
einer planwidrigen Regelungslücke. Dies gilt sowohl für den Fall der nicht nur
vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung als auch für den Fall der -
möglicherweise zusätzlich gegebenen - verdeckten Arbeitnehmerüberlassung auf
der Basis von Scheinwerk-/Scheindienstverträgen.
55 Für den Fall der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung fehlt es an
einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber des
Missbrauchsverhinderungsgesetzes hat bewusst davon abgesehen zu regeln,
dass eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung iSv. § 1 Abs. 1
Satz 2 AÜG das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem
Entleiher und dem Leiharbeitnehmer bewirkt, wie aus der Entstehungsgeschichte
des AÜG deutlich wird (näher dazu vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 -
NZA 2014, 196).
56 Für den Fall der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis von
Scheinwerk-/Scheindienstverträgen kann ebenfalls keine planwidrige
Regelungslücke angenommen werden. Die Problematik ist dem Gesetzgeber seit
geraumer Zeit bewusst. Nach einer Bundesratsinitiative der SPD-regierten
Bundesländer Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein-
Westfalen und Rheinland-Pfalz vom 11. September 2013 soll die Verlängerung
einer bereits erteilten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis danach gemäß § 3
AÜG versagt werden können, „wenn der Antragsteller seit Erteilung der Erlaubnis
keine gegenüber den beschäftigten Leiharbeitnehmern und Entleihern kenntlich
gemachte und eindeutig als solche bezeichnete Arbeitnehmerüberlassung
betrieben hat“, auch soll die Unwirksamkeit nach § 9 Nr.1 AÜG auf Fälle erstreckt
werden, wenn der Verleiher „bei vorhandener Erlaubnis die Überlassung des
Leiharbeitnehmers nicht eindeutig als Arbeitnehmerüberlassung kenntlich macht
und als solche bezeichnet“ (vgl. BR-Dr 687/13). Jedenfalls seit dieser
Gesetzesinitiative kann schwerlich mehr von einer vom Gesetzgeber
unbeabsichtigt gelassenen Lücke gesprochen werden. Ein „Vorpreschen“ der
Judikative durch eine analoge Anwendung der Rechtsfolge des § 10 abs.1 Satz 1
AÜG vor diesem Hintergrund griffe unzulässig in die Kompetenzen des
demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein, dem die Problematik mittlerweile
ersichtlich bekannt ist.
57 (ccc) Einer analogen Anwendung der Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG
steht darüber hinaus entgegen, dass die Situation eines nicht nur vorübergehend
überlassenen Leiharbeitnehmers mit der Situation eines ohne Erlaubnis
überlassenen Arbeitnehmers, für den § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein
Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher fingiert, nicht vergleichbar ist (vgl. BAG 10.
Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - NZA 2014, 196). Dies gilt auch bei verdeckter
Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis von Scheinwerk-/Scheindienstverträgen
(vgl. Arbeitsgericht Stuttgart 12. März 2014 - 19 Ca 7077/13 -).
58 Die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ist erforderlich, weil bei Fehlen der
nach § 1 AÜG erforderlichen Erlaubnis der Vertrag des Leiharbeitnehmers mit
dem Verleiher nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist. Damit der Arbeitnehmer in
diesem Fall überhaupt in einem Arbeitsverhältnis steht, fingiert § 10 Abs. 1 Satz 1
AÜG ein solches zum Entleiher. Das AÜG regelt demgegenüber nicht, dass das
Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Verleiher unwirksam
ist oder beendet wird, wenn der Leiharbeitnehmer vom Verleiher nicht nur
vorübergehend überlassen wird (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 -
NZA 2014, 196). Gleiches gilt bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung. Das
Arbeitsverhältnis zum Verleiher bleibt auch in diesem Fall bestehen, selbst wenn
man davon ausgeht, dass der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher - etwa
mangels Einhaltung der formalen Voraussetzungen des § 12 Abs.1 AÜG - nichtig
ist (näher dazu vgl. Arbeitsgericht Stuttgart 12. März 2014 - 19 Ca 7077/13 -;
Timmermann, Die Beweisnot des Arbeitnehmers bei illegaler
Arbeitnehmerüberlassung, BB 2012, 1729; Schüren/Hamann AÜG 4.Aufl. § 12
Rn.16).
59 Die Auswechslung des Arbeitgebers durch eine Analogie wäre auch
verfassungsrechtlich bedenklich. Es ist eine Vielzahl von Konstellationen
denkbar, in denen Leiharbeitnehmer trotz eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz
2 AÜG und trotz verdeckter Arbeitnehmerüberlassung an ihrem Arbeitsverhältnis
zum Verleiher festhalten und kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher eingehen
wollen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn nur im Betrieb des Verleihers
gemäß § 23 Abs. 1 KSchG die Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung finden,
dort eine ordentliche Kündigung kraft Vereinbarung oder kraft Gesetzes
ausgeschlossen ist, beim Verleiher die Arbeitsbedingungen für den
Leiharbeitnehmer besser sind als beim Entleiher oder sich das Unternehmen des
Entleihers in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Der Entzug des vom
Leiharbeitnehmer gewählten Arbeitgebers durch Gesetz stellte einen Eingriff in
seine durch Art. 12 GG geschützte Rechtsposition dar. Die Freiheit, ein
Arbeitsverhältnis einzugehen oder dies zu unterlassen, ist Ausdruck der durch
Art. 12 GG geschützten Vertragsfreiheit. In diese wird eingegriffen, wenn ohne die
zu einem Vertragsschluss erforderlichen beiderseitigen übereinstimmenden
Willenserklärungen oder gar gegen den Willen einer oder auch beider Parteien
kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis begründet werden soll. Die Entscheidung des
Gesetzgebers zu einem solchen Eingriff muss im Gesetz einen hinreichenden
Ausdruck finden. Im Übrigen trifft den Gesetzgeber, wenn er es zulässt, dass der
Arbeitgeber ohne Zustimmung des Arbeitnehmers ausgewechselt wird,
grundsätzlich eine Schutzpflicht, die nicht nur das Interesse des Arbeitnehmers
am Erhalt seines Arbeitsplatzes trotz Arbeitgeberwechsels, sondern auch seine
privatautonome Entscheidung über die Person des Vertragspartners beachten
muss. Die Sicherstellung der freien Wahl des Arbeitsplatzes durch den
Arbeitnehmer, wenn ein anderer als der von ihm gewählte in die Position des
Arbeitgebers einrücken soll, zB durch ein Zustimmungserfordernis oder
Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers, obliegt grundsätzlich dem Gesetzgeber.
Vorschriften, die die freie Wahl des Arbeitsplatzes durch den Arbeitnehmer bei
einer nicht nur vorübergehenden oder verdeckten Überlassung an einen Entleiher
gewährleisten, fehlen im AÜG völlig (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13
- NZA 2014, 196; Arbeitsgericht Stuttgart 12. März 2014 - 19 Ca 7077/13 -).
Gerade bei der Geltendmachung der Arbeitnehmereigenschaft einer
Fremdarbeitskraft durch einen Betriebsrat im Beschlussverfahren liegt die
verfassungsrechtliche Problematik auf der Hand, da, folgte man der Auffassung
des Antragstellers, eine Auswechslung der Arbeitgebers auch gegen den Willen
des Betroffenen betrieben werden könnte.
60 (ccc) Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und
dem Leiharbeitnehmer kann im Falle einer nicht nur vorübergehenden
Arbeitnehmerüberlassung und/oder einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung
auf der Basis von Scheinwerk-/Scheindienstverträgen auch nicht auf eine
unionsrechtskonforme Auslegung oder unionsrechtskonforme Fortbildung der
Bestimmungen des AÜG gestützt werden (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR
51/13 - NZA 2014, 196).
61 Die Leiharbeitsrichtlinie gibt die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen
dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen
das Verbot eines nicht nur vorübergehenden Einsatzes eines Leiharbeitnehmers
bei einem Entleiher oder als Rechtsfolge verdeckter Arbeitnehmerüberlassung
auf der Basis eines Scheinwerk-/Scheindienstvertrages nicht vor. Gemäß Art. 10
Abs. 2 Satz 1 der Leiharbeitsrichtlinie legen die Mitgliedstaaten die Sanktionen
fest, die im Falle eines Verstoßes gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur
Umsetzung dieser Richtlinie Anwendung finden, und treffen die erforderlichen
Maßnahmen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Die Sanktionen müssen
nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Leiharbeitsrichtlinie wirksam, angemessen und
abschreckend sein. Die Leiharbeitsrichtlinie sieht damit keine eigenen Sanktionen
vor, sondern überlässt deren Auswahl den Mitgliedstaaten (vgl. BAG 10.
Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - NZA 2014, 196).
62 Angesichts der Vielzahl möglicher Verstöße gegen Vorschriften des AÜG durch
Verleiher und Entleiher sowie möglicher Sanktionen ist die Auswahl wirksamer,
angemessener und abschreckender Sanktionen nicht Aufgabe der Gerichte für
Arbeitssachen, sondern Sache des Gesetzgebers. So kommen neben der
Begründung eines Arbeitsverhältnisses zB auch die Normierung von
Ordnungswidrigkeitstatbeständen und die Festsetzung von Geldbußen (vgl. § 16
AÜG) oder der Entzug der Erlaubnis des Verleihers zur Arbeitnehmerüberlassung
in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn die Leiharbeitsrichtlinie mangels einer
wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktion unzureichend
umgesetzt worden sein sollte. Die Grenze zulässiger Rechtsfortbildung ist
jedenfalls dann überschritten, wenn sich aus der nationalen Rechtsordnung nicht
eindeutig ergibt, dass zur Umsetzung der unionsrechtlichen Verpflichtung zur
Festsetzung effektiver Sanktionen nur eine bestimmte Rechtsfolge in Betracht
kommt. Solche eindeutigen Anhaltspunkte lassen sich der deutschen
Rechtsordnung nicht entnehmen (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 -
NZA 2014, 196).
63 Die Voraussetzungen für die Vorlage des vorliegenden Verfahrens zur Einholung
einer Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)
liegen nicht vor. Nach Art. 267 AEUV entscheidet der EuGH im Wege der
Vorabentscheidung über die Auslegung der Handlungen der Organe, mithin auch
über die Auslegung von Richtlinien. Eine Vorlage kommt daher nur in Betracht,
wenn die Auslegung des Unionsrechts nach Auffassung des vorlegenden
Gerichts für dessen Entscheidung erforderlich ist. Da die Leiharbeitsrichtlinie, was
das Fehlen von Sanktionen anbelangt und in ihrer Regelung, dass die
Mitgliedsstaaten die Sanktionen festlegen, hinreichend klar ist, wirft der Streitfall
keine Frage der Auslegung von Unionsrecht auf.
64 (cc) Eine anderweitige gesetzliche Grundlage, die die Annahme gestattete, dass
zwischen der Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 ein Arbeitsverhältnis
zustande gekommen ist, fehlt. Insbesondere kann diese Rechtsfolge nicht unter
dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs bzw. institutionellen
Rechtsmissbrauchs aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitet werden (vgl.
BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - NZA 2014, 196; Arbeitsgericht Stuttgart
12. März 2014 - 19 Ca 7077/13 -).
65 (aaa) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Gebot der
Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung begrenzt sowohl
subjektive Rechte als auch Rechtsinstitute und Normen. Rechtsmissbrauch setzt
voraus, dass ein Vertragspartner eine an sich rechtlich zulässige Gestaltung in
einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum
Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem
Zweck der Norm oder des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind. Beim
institutionellen Missbrauch ergibt sich der Vorwurf bereits aus dem Sinn und
Zweck des Rechtsinstituts. Die institutionelle Rechtsmissbrauchskontrolle
verlangt daher weder ein subjektives Element noch eine Umgehungsabsicht. Die
Annahme eines institutionellen Rechtsmissbrauchs bedarf jedoch des
Rückbezugs auf die Gestaltungsmöglichkeiten, die das Recht den
Vertragsparteien einräumt. Vertragsgestaltungen können nur dann als
rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn sie gravierend von den
Gestaltungsmöglichkeiten abweichen, die nach der Konzeption des Gesetzes
noch gebilligt sind (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - NZA 2014, 196;
15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - NZA 2013, 1267).
66 (bbb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann die vom Antragsteller
begehrte Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der
Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 nicht auf Rechtsmissbrauch bzw.
institutionellen Rechtsmissbrauch gestützt werden. Dies gilt sowohl im Hinblick
auf eine etwaige nicht vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung als auch im
Hinblick auf eine etwaige verdeckte Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis von
Scheinwerk-/Scheindienstverträgen.
67 Was die etwaige nicht vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung anbelangt,
handelt es sich ab dem 1. Dezember 2011 nicht mehr um eine rechtlich zulässige
Gestaltung. Ein mehr als vorübergehender Einsatz eines Leiharbeitnehmers bei
einem Entleiher ist seitdem verboten. Entleiher und Verleiher, die sich über die
nicht nur vorübergehende Überlassung eines Leiharbeitnehmers einigen,
missbrauchen damit kein Recht, sondern verstoßen gegen ein gesetzliches
Verbot. Hat sich der Gesetzgeber aber entschieden, einen solchen Verstoß nicht
mit der Sanktion der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zu
versehen, darf diese Rechtsfolge nicht über § 242 BGB herbeigeführt werden.
Dies würde bedeuten, sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers
hinwegzusetzen und unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch
legitimierten Gesetzgebers einzugreifen (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR
51/13 - NZA 2014, 196).
68 Was die etwaige verdeckte Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis von
Scheinwerk-/Scheindienstverträgen betrifft, kann dies - unter dem Gesichtspunkt
der rechtsmissbräuchlichen Umgehung von Schutzvorschriften - ebenfalls nicht
zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Antragsgegnerin und
dem Beteiligten Ziff.3 führen. Sollen durch eine vertragliche Gestaltung
zwingende soziale Schutzrechte umgangen werden, bleiben die daraus
bestehenden Ansprüche bestehen. Die Gestaltung ist insoweit nichtig, als sie
diese Ansprüche vereitelt. Ein Rechtsmissbrauch kann sich auch aus dem
bewussten und gewollten Zusammenwirken mehrerer Personen bei
Vertragsgestaltungen ergeben. Das kann auch dazu führen, dass sich Rechte,
die durch Zwischenschaltung eines „Strohmanns“ umgangen werden sollen,
gegen einen Dritten richten können. Sollen im bewussten und gewollten
Zusammenwirken arbeitsrechtliche Schutzvorschriften umgangen werden, kann
dies zur Folge haben, dass sich eine hieran beteiligte Person so behandeln
lassen muss, wie sie bei Anwendung der umgangenen Vorschrift zu behandeln
wäre. Hieraus folgt freilich nicht zwingend, dass das Vertragsverhältnis zu dem
dazwischen geschalteten Dritten nichtig wäre. Die Rechtsfolge kann vielmehr
auch darin bestehen, dass sich bei Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses
zum Dritten nur einzelne Ansprüche gegen denjenigen richten, der
rechtsmissbräuchlich vertragliche Beziehungen zu sich verhindert hat.
Entscheidend sind der Schutzzweck der umgangenen Norm und die Frage, ob
die Umgehung gerade in der Verhinderung der gesetzlich an sich vorgesehenen
Begründung eines Rechtsverhältnisses zu einem Dritten insgesamt oder lediglich
in der Vermeidung oder Verkürzung einzelner Ansprüche liegt (vgl. BAG 15. Mai
2013 - 7 AZR 494/11 - NZA 2013, 1267). Danach kann hier unter dem
Gesichtspunkt der Umgehung der Bestimmungen des AÜG (zB Equal-Pay-
Grundsatz) oder der Umgehung bei Arbeitnehmerüberlassung bestehender
betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte kein zur Entstehung eines
Arbeitsverhältnisses zwischen der Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3
führender Rechtsmissbrauch durch ein Ausweichen auf Scheinwerk-
/Scheindienstverträge angenommen werden. Denn selbst wenn davon
auszugehen wäre, dass vorliegend in rechtsmissbräuchlicher Weise eine
Anwendung der Bestimmungen des AÜG oder der bei Arbeitnehmerüberlassung
bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte umgangen
werden sollte, könnte dies lediglich zu Leistungspflichten des Entleihers oder zu
Pflichten zur Wahrung der Mitbestimmungsrechte durch den Entleiher, jedoch
nicht zum Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und dem
Leiharbeitnehmer führen (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - NZA 2013,
1267). Fehlt es an der Sanktion der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum
Entleiher, darf diese Rechtsfolge nicht über § 242 BGB herbeigeführt werden.
Dies würde wiederum auch insoweit bedeuten, unzulässig in die Kompetenzen
des demokratisch legitimierten Gesetzgebers einzugreifen (vgl. BAG 10.
Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - NZA 2014, 196, Arbeitsgericht Stuttgart 12. März
2014 - 19 Ca 7077/13 -).
69 (2) Ab dem Zeitpunkt als der Einsatz des Beteiligten Ziff. 3 im Betrieb der
Antragsgegnerin im Wege der offenen Arbeitnehmerüberlassung erfolgte, dh. ab
dem 12. August 2013, ist ebenfalls kein Arbeitsverhältnis zwischen der
Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3 zustande gekommen. Ab diesem
Zeitpunkt kann die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ohnehin nur noch auf
eine unzulässige nicht vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung gestützt
werden, eine solche führt aber bei Vorliegen einer
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis - wie bereits für den Zeitraum vor dem 12.
August 2013 ausführlich erläutert - nicht zu der vom Antragsteller erstrebten
Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der
Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff.3.
70 2. Der im Antrag Ziff. 1 a) enthaltene Hilfsantrag, mit dem der Antragsteller die
Feststellung begehrt, dass der Beteiligte Ziff.3 zum Betriebsrat des Betriebes
wählbar ist, ist mangels gesonderten Feststellungsinteresses iSd. § 256 Abs.1
ZPO unzulässig.
71 a) Zu den Anforderungen an das Feststellungsinteresse wird auf Ziff. II. 1. a) bb)
(1) Bezug genommen.
72 b) Gemessen daran besteht für den im Antrag Ziff. 1 a) enthaltenen Hilfsantrag
kein - im Vergleich zum Hauptantrag - gesondertes Feststellungsinteresse. Zwar
kann die Wählbarkeit zum Betriebsrat iSd. § 8 BetrVG grundsätzlich - auch
unabhängig von einer konkret anstehenden Wahl - zum Gegenstand eines
Feststellungsantrages gemacht werden (vgl. BAG 17. Februar 2010 - 7 ABR 51/08
- BAGE 133, 202). Vorliegend aber lässt der Hilfsantrag - im Hinblick auf den
Hauptantrag - kein gesondertes Interesse des Antragstellers an einer Feststellung
der Wählbarkeit des Beteiligten Ziff.3 erkennen, es soll lediglich in anderem
Gewande die Arbeitnehmereigenschaft des Beteiligten Ziff.3 festgestellt werden.
Wäre dieser Arbeitnehmer der Antragsgegnerin wäre er nämlich fraglos wählbar
iSd. § 8 Abs.1 Satz 1 BetrVG, andernfalls gemäß § 14 Abs.2 Satz 1 AÜG
zweifelsohne nicht. Zwischen den Beteiligten steht die Arbeitnehmereigenschaft
im Streit, die Wählbarkeit hängt unmittelbar davon ab, ohne dass darüber
gesondert Streit bestände. Ein gesondertes Feststellungsinteresse besteht vor
diesem Hintergrund nicht.
73 c) Lediglich angemerkt sei, dass der im Antrag Ziff. 1 a) enthaltene Hilfsantrag,
wäre er zulässig, unbegründet wäre, da der Beteiligte Ziff.3, wie bei der Prüfung
des Hauptantrages festgestellt, nicht Arbeitnehmer der Antragsgegnerin ist,
sondern entweder von Anfang an oder aber seit dem 12. August 2013
Leiharbeitnehmer, womit eine Wählbarkeit zum Betriebsrat gemäß § 14 Abs.2 Satz
1 AÜG ausscheidet.
74 3. Die Hilfsanträge Ziff. 2 a), 3 a) und 4 a), mit denen der Antragsteller in Bezug auf
den Beteiligten Ziff.3 die Feststellung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs.1
Nr.2, Nr.3 und Nr.7 BetrVG geltend macht, sind ebenfalls mangels
Feststellungsinteresses iSd. § 256 Abs.1 ZPO unzulässig.
75 a) Zu den Anforderungen an das Feststellungsinteresse wird auf Ziff. II. 1. a) bb)
(1) Bezug genommen.
76 b) Danach besteht für die Hilfsanträge Ziff. 2 a), 3 a) und 4 a)kein
Feststellungsinteresse. Zwar kann das Bestehen von Mitbestimmungsrechten iSd.
§ 87 Abs.1 BetrVG grundsätzlich unzweifelhaft zum Gegenstand eines
Feststellungsbegehrens gemacht werden. Vorliegend aber lassen die genannten
Hilfsanträge kein gesondertes Interesse des Antragstellers an einer Feststellung
der geltend gemachten Mitbestimmungsrechte erkennen. Die geltend gemachten
Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs.1 Nr.2, Nr.3 und Nr.7 BetrVG stehen nicht
nur bei Arbeitnehmern, sondern auch bei im Betrieb eingesetzten
Leiharbeitnehmern dem Entleiherbetriebsrat zu. Dies stellt die Antragsgegnerin
ausdrücklich nicht in Abrede. Da der Beteiligte Ziff.3 jedenfalls seit dem 12. August
2013 als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird und die Antragsgegnerin die
diesbezüglichen Mitbestimmungsrechte des Antragstellers anerkennt, steht das
Bestehen derselben seit diesem Zeitpunkt zwischen den Beteiligten nicht mehr im
Streit, so dass aktuell kein Feststellungsinteresse bestehen kann. Auch für eine -
hier allerdings nicht beantragte - vergangenheitsbezogene Feststellung (für den
Zeitraum vor dem 12. August 2013) bestände im Übrigen kein
Feststellungsinteresse. Für eine nur auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung,
aus der sich keinerlei Rechtsfolgen für die Zukunft mehr ergeben, besteht ein
Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig nicht.Dies liefe auf die Erstellung eines
Rechtsgutachtens hinaus, zu der die Gerichte für Arbeitssachen nicht berufen
sind.
77 4. Der Hilfsantrag Ziff. 5 a), mit dem der Antragsteller hinsichtlich des Beteiligten
Ziff.3 die Verpflichtung der Antragsgegnerin erstrebt, eine
Eingruppierungsentscheidung vorzunehmen, die Zustimmung des Betriebsrats
hierzu nachträglich einzuholen und im Verweigerungsfalle durch das Arbeitsgericht
ersetzen zu lassen, ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
78 a) Der Hilfsantrag Ziff. 5 a) ist zulässig, insbesondere besteht ein
Rechtsschutzbedürfnis.Unterlässt der Arbeitgeber die gebotene Eingruppierung,
kann der Betriebsrat zur Sicherung seines Mitbeurteilungsrechts nach § 99 Abs. 1
BetrVG in entsprechender Anwendung von § 101 BetrVG beim Arbeitsgericht
beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Eingruppierungsentscheidung
vorzunehmen, ihn um Zustimmung zu ersuchen und die ggfs. verweigerte
Zustimmung arbeitsgerichtlich ersetzen zu lassen (vgl. BAG 14. April 2010 - 7 ABR
91/08 - NZA-RR 2011, 83). Da die Antragsgegnerin diesem bereits mit Antrag vom
3. Juli 2013 geltend gemachten Begehren bislang nicht nachkam, kann dem
Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden.
79 b) Der Hilfsantrag Ziff. 5 a) ist allerdings nicht begründet. Wie bei der Prüfung des
Hauptantrages festgestellt, ist der Beteiligte Ziff.3 nicht Arbeitnehmer der
Antragsgegnerin ist, sondern entweder von Anfang an oder aber seit dem 12.
August 2013 Leiharbeitnehmer. Das Mitbeurteilungsrecht bezüglich der
Eingruppierung des Beteiligten Ziff.3 steht dem Betriebsrat des Verleihers, nicht
aber dem Antragsteller zu.
80 aa) Bei Maßnahmen, die Leiharbeitnehmer betreffen, richtet sich die Abgrenzung
der Zuständigkeiten des Betriebsrats des Entsende- und des Entleiherbetriebs
danach, ob der Verleiher als Vertragsarbeitgeber oder der Entleiher die
mitbestimmungspflichtige Entscheidung trifft. Über die Eingruppierung von
Leiharbeitnehmern entscheidet der Verleiher. In arbeitsvertraglichen Beziehungen
stehen die Leiharbeitnehmer nur zu diesem. Ausschließlich ihm gegenüber haben
sie Vergütungsansprüche. Findet auf diese Leistungsbeziehung eine
Vergütungsordnung Anwendung, entscheidet über die zutreffende
Eingruppierung des Leiharbeitnehmers allein der vergütungspflichtige Verleiher
und Vertragsarbeitgeber. Ein Recht auf Beteiligung an dieser Entscheidung steht
demgemäß Betriebsrat zu, der für den Betrieb des Verleihers errichtet ist. Nur
dieser kann Beteiligungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz gegenüber
dem Vertragsarbeitgeber und Inhaber des Entsendebetriebs wahrnehmen.Der
Betriebsrat im Betrieb des entleihenden Arbeitgebers besitzt keine
betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition gegenüber dem Inhaber eines
Betriebs, für den er nicht gewählt ist. Aus § 14 Abs. 3 AÜG folgt nichts anderes.
Nach dieser Bestimmung ist „vor der Übernahme“ eines Leiharbeitnehmers zur
Arbeitsleistung der Betriebsrat des Entleiherbetriebs „nach § 99 des
Betriebsverfassungsgesetzes“ zu beteiligen. Diese Beteiligung betrifft die
Einstellung, nicht die Eingruppierung des Leiharbeitnehmers (vgl. BAG 17. Juni
2008 - 1 ABR 39/07 - DB 2008, 2658). Dies gilt auch, wenn kein
Leiharbeitstarifvertrag Anwendung findet, sondern der Equal-Pay-Grundsatz zur
Anwendung gelangt (vgl. Schüren/Hamann AÜG 4.Aufl. § 14 Rn. 326).
81 bb) Demgemäß steht das Mitbeurteilungsrecht bezüglich der Eingruppierung iSd.
§ 99 Abs.1 BetrVG des Beteiligten Ziff.3 als Leiharbeitnehmer dem
Verleiherbetriebsrat, dh. dem Betriebsrat der M. GmbH & Co.KGaA, zu, nicht aber
dem Antragsteller. Dieser kann demgemäß nicht verlangen, dass die
Antragsgegnerin verpflichtet wird, eine Eingruppierungsentscheidung
vorzunehmen die Zustimmung des Betriebsrats hierzu nachträglich einzuholen
und im Verweigerungsfalle durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen.
82 5. Der Hilfsantrag Ziff. 6, mit der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin
erstrebt, dass diese die im Betrieb gültigen Betriebsvereinbarungen, deren
Geltungsbereich ausschließlich Arbeitnehmer erfasst, gegenüber dem Beteiligten
Ziff.3 anwendet, ist bereits mangels hinreichender Bestimmtheit iSd. § 253 Abs. 2
Nr. 2 ZPO aber auch mangels gesonderten Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
83 a) Im Beschlussverfahren muss ein Antrag ebenso bestimmt sein wie im
Urteilsverfahren. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist auf das Beschlussverfahren und die in
ihm gestellten Anträge entsprechend anwendbar. Der jeweilige Streitgegenstand
muss so konkret umschrieben werden, dass der Umfang der Rechtskraftwirkung
für die Beteiligten nicht zweifelhaft ist. Der in Anspruch genommene Beteiligte
muss bei einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung eindeutig erkennen
können, was von ihm verlangt wird. Die Prüfung, welche Maßnahmen der
Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat, darf grundsätzlich nicht in das
Vollstreckungsverfahren verlagert werden (vgl. BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 17/12 -
NZA 2013, 1166).
84 b) Diesen Bestimmtheitsanforderungen genügt der Hilfsantrag Ziff.6 nicht. Da die
Betriebsvereinbarungen, deren Anwendung der Antragsteller auf den Beteiligten
Ziff.3 erstrebt, nicht im Einzelnen im Antrag bezeichnet werden, bleibt der Umfang
der Rechtskraftwirkung für die Beteiligten zweifelhaft. Es besteht die Gefahr, dass
die Prüfung, welche konkreten Betriebsvereinbarungen die Antragsgegnerin
anzuwenden hätte, in das Vollstreckungsverfahren verlagert würde.
85 c) Abgesehen davon liegt ein gesondertes Rechtsschutzbedürfnisses für diesen
Antrag nicht vor. Wiederum soll lediglich in anderem Gewande die
Arbeitnehmereigenschaft des Beteiligten Ziff.3 festgestellt werden. Wäre dieser
Arbeitnehmer der Antragsgegnerin wären nämlich fraglos die ausschließlich für
Arbeitnehmer geltenden Betriebsvereinbarungen anzuwenden, andernfalls
zweifelsohne nicht. Zwischen den Beteiligten steht die Arbeitnehmereigenschaft
im Streit, die Anwendung der in den Antrag einbezogenen Betriebsvereinbarungen
hängt unmittelbar davon ab, ohne dass darüber gesondert Streit bestände.
86 d) Abschließend angemerkt sei, dass der Hilfsantrag Ziff.6, wäre er zulässig,
unbegründet wäre, da der Beteiligte Ziff.3, wie bei der Prüfung des Hauptantrages
festgestellt, nicht Arbeitnehmer der Antragsgegnerin ist, sondern entweder von
Anfang an oder aber seit dem 12. August 2013 Leiharbeitnehmer, womit die
ausschließlich für Arbeitnehmer geltenden Betriebsvereinbarungen auf ihn gerade
nicht anzuwenden sind.
87 6. Eine Kostenentscheidung war gemäß § 2 Abs.2 GKG nicht veranlasst. Ebenso
wenig bedarf es einer Festsetzung des Gegenstandswertes im Beschlusstenor.