Urteil des ArbG Stuttgart vom 05.11.2014

treu und glauben, verleiher, mechaniker, verwirkung

ArbG Stuttgart Urteil vom 5.11.2014, 11 Ca 8426/13
Arbeitnehmerüberlassung im Konzern - Versuchsfahrer - Mechaniker -
Werkvertrag
Leitsätze
1. Das Recht eines Leiharbeitnehmers, einen Entleiher auf Feststellung in Anspruch
zu nehmen, es bestehe zu ihm ein Arbeitsverhältnis kann auch
vergangenheitsbezogen geltend gemacht werden, wenn ein entsprechendes
Feststellungsinteresse gegeben ist. Das vergangenheitsbezogene Klagerecht verwirkt
nicht, wenn der Kläger ununterbrochen und auch noch im Zeitpunkt der
Klageerhebung für den Entleiher tätig war, auch wenn er in dieser Zeit mehrfach
seinen Vertragsarbeitgeber/Verleiher gewechselt hat. Dieser Umstand steht auch der
materiellrechtlichen Verwirkung des Rechts, sich auf die Entstehung eines
Arbeitsverhältnisses zu berufen, entgegen.
2. Ein Versuchsfahrer erbringt regelmäßig tätigkeitsbezogene Leistungen, die
Gegenstand eines Dienstverhältnisses oder Arbeitsverhältnisses sein können, wenn
er vorgegebene Fahraufträge abarbeitet. Ein abgrenzbares und abnahmefähiges
Werk wird nicht erstellt. Der dem zugrundeliegende Kooperations- bzw.
Projektierungsvertrag zwischen zwei Unternehmen ist nicht als Werkvertrag zu
qualifizieren, wenn der eine Vertragspartner im Wesentlichen nur die Verfügbarkeit
von Fahrern zu gewährleisten hat.
3. Ein Fall der Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn die Konkretisierung der
Vertragspflichten erst dadurch erfolgt, dass der "Besteller/Auftraggeber" Weisungen
gegenüber den Erfüllungsgehilfen/Arbeitnehmern seines Vertragspartners hinsichtlich
des Arbeitsvorgangs, des Arbeitsorts, der Zeiteinteilung usw. erteilt. Entsprechendes
gilt auch für die Tätigkeiten eines Mechanikers zur Wartung und Reparatur von
Erprobungsfahrzeugen, wenn die Leistungen nicht im Wesentlichen in dem
zugrundeliegenden Vertrag festgelegt sind. Auf die Bezeichnung als "Werkvertrag"
kommt es nicht an, sondern vorrangig auf die tatsächlichen Verhältnisse.
4. Sind die Vertragsbeziehungen mehrerer Unternehmen und einer Arbeitskraft
danach als Arbeitnehmerüberlassung einzuordnen und liegen die Voraussetzungen
für die erlaubnisfreie konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des § 1 Abs.
3 Ziff. 2 AÜG aF nicht vor, kommt ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande.
Das Arbeitsverhältnis wird nicht dadurch beendet, dass der Arbeitnehmer in der
Folgezeit bei unverändertem Einsatz ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen
Arbeitgeber begründet, der über die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt.
Mit Abschluss eines solchen Arbeitsvertrages übt der Arbeitnehmer kein Wahlrecht
zugunsten eines neuen Arbeitsverhältnisses unter Aufgabe des kraft Gesetzes mit
dem Entleiher zustandegekommenen aus.
Tenor
1.
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 7. Juni 2004 ein
Arbeitsverhältnis besteht.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Der Streitwert wird auf Euro 11.700,00 festgesetzt.
Tatbestand
1 Zwischen den Parteien ist der Bestand eines Arbeitsverhältnisses aufgrund
gesetzeswidriger Arbeitnehmerüberlassung im Streit.
2 Der Kläger ist Jahrgang 1971, verheiratet und hat zwei Kinder. Er trat zum
07.06.2004 als Versuchsfahrer in die Dienste der D. F. GmbH (nachfolgend: D.,
befristete Arbeitsverträge = Abl. 8ff, 12). Daran schloss sich zum 01.06.2007 ein
Arbeitsverhältnis mit der M. V. T. GmbH an (nachfolgend: M. V., Arbeitsvertrag =
Abl. 13ff.). Die Gesellschaften verfügten über keine Erlaubnis im Sinne der §§ 1, 2
AÜG. Bei beiden Gesellschaften handelte es sich jedoch um
Tochtergesellschaften der M.-.t. GmbH (nachfolgend: M.-t.), ihrerseits eine
100%ige Tochtergesellschaft der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Mit der M.-t.,
die seit dem 27.10.2005 über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen
Arbeitnehmerüberlassung verfügt (Abl. 255ff.), schloss der Kläger zum 01.08.2008
einen Arbeitsvertrag als Versuchsmechaniker (Abl. 18ff.). Zum 13.11.2009 firmierte
die Gesellschaft um zur M. Group GmbH & Co. KGaA (nachfolgend: M. Group,
Nachtrag zum Arbeitsvertrag datierend 20.02.2012 = Abl. 25ff.).
3 In allen Arbeitsverträgen wird als Eintrittsdatum des Klägers der 07.06.2004
geführt. Sein monatliches Arbeitsentgelt belief sich zuletzt auf EUR 3.900,00 brutto.
4 Der Kläger wurde zunächst als Versuchsfahrer auf Brennstoffzellenfahrzeugen
(der Rechtsvorgängerin) der Beklagten aus deren Werk S. und ab November 2004
aus deren Werk K. eingesetzt. Ende des Jahres 2005 oder Mitte des Jahres 2006
wurde der Kläger seltener als Fahrer, dafür zunehmend als Mechaniker
insbesondere für Servicearbeiten tätig. Als Versuchsfahrer hatte der Kläger
Prüfprogramme abzuarbeiten, wie sich das exemplarisch aus einem DL-Programm
2014 ergibt (Abl. 402 bis 404). Als Mechaniker erhielt der Kläger von der Beklagten
verschiedene Montageaufträge (exemplarisch Abl. 352ff.). Außerdem wurden ihm
sogenannte Werkstatt-CD’s zur Verfügung gestellt, aus der die durchzuführenden
Arbeiten ersichtlich sind (Abl. 393, 394). Als Mitarbeiter der M.-t. wurden dem
Kläger und seinem Kollegen bis zum 31.12.2012 in einer Werkstatthalle der
Beklagten ein „Arbeitsbereich M. Group“ und ab dem 01.01.2013 die komplette
Halle zur eigenständigen Nutzung überlassen (Abl. 258, 259). Seit dem
17.10.2013 befindet sich der Werkstattbereich außerhalb des Werksgeländes der
Beklagten in M..
5 Zwischen den Parteien ist streitig, inwiefern dem Kläger bei seinen jeweiligen
Tätigkeiten Arbeitsanweisungen von der Beklagten erteilt wurden.
6 Der Tätigkeit des Klägers lag zunächst der Projektierungsvertrag zwischen der
Rechtsvorgängerin der Beklagten und D. zugrunde, wonach die D. u.a. die
Verfügbarkeit von Fahrern zu gewährleisten hatte (Abl. 389ff.). Während der
Tätigkeit des Klägers für die M.-t. bzw. die M. Group lagen dieser für die Zeit ab
01.08.2008 als solche bezeichnete Werkverträge zwischen diesen Gesellschaften
und der Beklagten zugrunde, für die Zeit ab 01.10.2009
Arbeitnehmerüberlassungsverträge (Abl. 185ff.) sowie für die Zeit ab 01.01.2013
erneut Werkverträge (Abl. 215ff., 85ff.).
7 Mit der am 28.11.2013 bei dem Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrt der
Kläger die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Beklagten und
ihm.
8 Der Kläger trägt vor und vertritt die Ansicht, er sei zu keiner Zeit auf der Grundlage
von Werkverträgen, sondern durchgängig auf der von Verträgen über eine
Arbeitnehmerüberlassung für die Beklagte tätig geworden. Nicht nur als
Versuchsfahrer, sondern auch als Mechaniker habe er Weisungen von den
Mitarbeitern der Beklagten erhalten. Er sei auch in sonstiger Weise in den Betrieb
eingegliedert gewesen, beispielsweise als Vertreter von Stammarbeitskräften der
Beklagten, als Fachausbilder für die Auszubildenden, als Teilnehmer an
verschiedenen Workshops und Fortbildungen bei der Beklagten. Auch der
beliebige Wechsel des Vertragstypus bei gleichbleibenden Arbeitsaufgaben -
Werkvertrag einerseits und Arbeitnehmerüberlassungsvertrag andererseits -
belege, dass tatsächlich ein Fall der Arbeitnehmerüberlassung vorliege. Auf für die
den Vertragspartnern seit dem 27.10.2005 erteilte Erlaubnis könne sich die
Beklagte nicht berufen. Es liege ein Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs
vor. Im Übrigen hätten die Firmen D. und M. V. über keine Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung verfügt. Deswegen sei bereits vor dem 31.07.2007
(wohl: 31.07.2008) ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zustande gekommen.
Ein Fall der privilegierten Arbeitnehmerüberlassung im Konzern sei nicht gegeben.
Weder habe der Kläger seine Arbeit lediglich vorübergehend nicht bei seinem
Arbeitgeber geleistet noch sei er nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt
und beschäftigt worden. Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses liege seiner Tätigkeit
ausschließlich der Einsatz bei der Beklagten zugrunde.
9
Der Kläger beantragt:
10
es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 7. Juni 2004 ein
Arbeitsverhältnis besteht.
11
Hilfsweise:
12
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis
besteht.
13
Die Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15 Die Beklagte trägt vor und vertritt die Ansicht, zwischen den Parteien sei kein
Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Seit dem 01.08.2008 sei der Kläger als
Werkstattmitarbeiter aufgrund von Werkverträgen für die Beklagte tätig geworden,
die insbesondere den Tausch und die Umrüstung von Tankanlagen, die
Durchführung von Service, Wartung, Fahrwerktausch, Reifentausch, Umbauten
etc. sowie sogenannte Logistikumfänge zu Gegenstand hätten. Während der
Laufzeit der Werkverträge habe der Kläger keine arbeitsvertraglichen
Anweisungen von der Beklagten erhalten und sei auch nicht sonst in deren Betrieb
eingegliedert gewesen. Die Arbeitgeberpflichten wie beispielsweise die Zahlung
von Gehalt und Entgeltfortzahlung oder die Gewährung von Urlaub habe sein
jeweiliger Vertragsarbeitgeber erfüllt. Organisatorisch und räumlich sei eine
Abgrenzung des jeweiligen Fremd-Werkstatt-Bereichs erfolgt. Abgesehen von
Spezialwerkzeug habe der Kläger die Arbeitsmittel von seinem
Vertragsarbeitgeber erhalten. Seit dem 01.01.2013 habe der Kläger die Funktion
des „Repräsentanten“ des Werkunternehmers inne. Seitdem erfolge die
Beauftragung über das elektronische PIT-Beauftragungssystem vom
Entwicklungsbereich der Beklagten über den Werkstattbereich und die
wechselseitigen Repräsentanten an den Werkunternehmer, der die Aufträge
eigenverantwortlich mit seinen Erfüllungsgehilfen abarbeite.
16 Auch der Tätigkeit des Klägers als Versuchsfahrer bzw. später als Mechaniker der
D. und M. V. liege keine Arbeitnehmerüberlassung zugrunde. Der jeweilige
Vertragsarbeitgeber habe den Einsatz des Klägers und seiner Kollegen koordiniert.
Servicearbeiten habe der Kläger eigenverantwortlich im Rahmen von
Werkverträgen unter Zuhilfenahme der Werkstatt-CD geleistet. Die Arbeitsaufträge
hätten lediglich die werkvertragliche Leistung konkretisiert.
17 Hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers als Arbeitnehmer der M. Group bzw. ihrer
Vorgängerin liege im Übrigen die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen
Arbeitnehmerüberlassung vor. Hinsichtlich D. und M. V. greife die
Konzernprivilegierung des § 1 Abs. 3 Ziffer 2 AÜG, weshalb es einer Erlaubnis
nicht bedurft habe.
18 Des weiteren Vorbringens der Parteien wegen wird auf die Schriftsätze, die
bezeichneten Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 01.10.2014 (Abl. 414)
Bezug genommen, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Entscheidungsgründe
19 Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Zwischen den Parteien
besteht seit dem 7. Juni 2004 ein Arbeitsverhältnis.
A.
20 Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat sein Klagerecht nicht verwirkt. Das nach §
256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben.
I.
21 Der Kläger hat sein Klagerecht nicht verwirkt.
22 1. Das Recht, eine Klage zu erheben, kann verwirkt werden mit der Folge, dass
eine gleichwohl erhobene Klage unzulässig ist. Das Klagebegehren ist verwirkt,
wenn der Anspruchssteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums
erhebt (Zeitmoment) und dadurch ein Vertrauenstatbestand beim
Anspruchsgegner geschaffen wird, dass er gerichtlich nicht mehr belangt werde.
Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des
Berechtigten an der sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs
derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die nicht innerhalb
angemessener Frist erhobene Klage nicht mehr zumutbar ist (Umstandsmoment).
Durch die Annahme einer prozessualen Verwirkung darf der Weg zu den
Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise
erschwert werden. Die Verwirkung des Klagerechts kommt daher aus
rechtsstaatlichen Gründen nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht. Dies ist
bei den an das Zeit- und Umstandsmoment zu stellenden Anforderungen zu
berücksichtigen (BAG 10. Oktober 2007 - 7 AZR 487/06 - Rn. 9ff., juris; 24. Mai
2006 - 7 AZR 365/05 - Rn. 20ff., juris jeweils mitzahlreichen Nachweisen zur
Rechtsprechung).
23 2. Die Voraussetzungen für eine Prozessverwirkung sind danach auch nicht
insofern gegeben, als der Kläger sein Begehren auf die Tätigkeit vor dem
31.07.2007 (wohl 31.07.2008) stützt.
24 a) Es sind keine besonderen Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich,
aufgrund derer der Beklagten eine materiell-rechtliche Auseinandersetzung nicht
zumutbar sein soll. Zwar lagen die ab Juni 2004 relevanten Sachverhalte bei
Klageerhebung zirka 9 ½ Jahre zurück und sind deshalb möglicherweise schwer
aufklärbar. Die Beklagte ist aber durchaus in der Lage, Unterlagen vorzulegen und
sonstige Beweismittel anzubieten, wie beispielsweise der Projektierungsvertrag
vom April 2004 belegt (Abl. 389ff.). Im Übrigen obliegt die Darlegungs- und
Beweislast für die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses nach den Vorschriften
des AÜG dem Kläger. Möglicherweise bestehenden Darlegungsproblemen der
Beklagten aufgrund der späten Geltendmachung eines Arbeitsverhältnisses durch
den Kläger kann durch entsprechende Anforderungen an die Darlegungslast
Rechnung getragen werden (BAG 10. Oktober 2007 aaO Rn. 12ff.; 24. Mai 2006
aaO Rn. 22ff.).
25 b) Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in den vor allem zu Bestandsstreitigkeiten
ergangenen Entscheidungen zur Prozessverwirkung bereits bei Zeiträumen von
wenigen Monaten bis zu einem Jahr nach Beendigung der Tätigkeit des
Arbeitnehmers das Zeitmoment als erfüllt angesehen (BAG 7. März 1980 - 7 AZR
177/78 - AP BBG § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 54). Auch mögen die mit dem
Kläger geschlossenen Arbeitsverträge und der daraus ersichtliche Bestand des
Arbeitsverhältnisses durchgängig seit dem 07.06.2004 der Beklagten unbekannt
sein.
26 Entscheidend ist aber, dass der Kläger ununterbrochen für die Beklagte tätig war
und zwar auch noch im Zeitpunkt der Klageerhebung. Die Beklagte musste
jederzeit damit rechnen, der Kläger werde sie - auch vergangenheitsbezogen - in
Anspruch nehmen. Dass die Beklagte seit dem 01.08.2008 mit einem
Vertragspartner kooperiert, der über die Erlaubnis zur gewerblichen
Arbeitnehmerüberlassung verfügt, hat allenfalls materiell-rechtliche Auswirkungen.
Soweit sie insbesondere seit dem 01.01.2013 eine konsequente Trennung der
externen und internen Werkstattbereiche (Verlagerung nach M., Auftragserteilung
über das PIT-Beauftragungssystem usw.) betreibt, liegt hierin ohnehin kein dem
Kläger zurechenbares Verhalten, auf das sich ein schützenswertes Vertrauen
gründen könnte.
II.
27 Das nach § 256 Abs. 1 ZPO für die Feststellungsklage erforderliche
Feststellungsinteresse ist gegeben.
28 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein
Arbeitnehmer das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf der
Grundlage der Vorschriften des AÜG mit einer allgemeinen Feststellungsklage
gemäß § 256 Abs. 1 ZPO geltend machen. Nach § 256 Abs. 1 ZPO muss eine
Feststellungsklage grundsätzlich den gegenwärtigen Bestand des
Arbeitsverhältnisses betreffen. Ausnahmsweise kann auch auf Feststellung eines
vergangenen Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn sich aus dem bereits
beendeten Rechtsverhältnis noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft
ergeben (BAG 10. Oktober 2007 aaO Rn. 15 mwN).
29 2. Danach ist das Feststellungsinteresse zu bejahen. Der Kläger klagt nicht auf
Feststellung eines früher bestandenen Arbeitsverhältnisses, sondern auf
Feststellung eines seit früher - seit dem 07.06.2004 - bestehenden
Arbeitsverhältnisses. Hierzu hat der Kläger im Termin vom 01.10.2014 ausgeführt,
das Arbeitsverhältnis könne auch insofern, das heißt vergangenheitsbezogen,
noch Rechtswirkungen erzeugen, beispielsweise im Hinblick auf die betriebliche
Altersversorgung. Weil weiterer Rechtsstreit zwischen den Parteien mit der
Beantwortung der Frage vermieden werden kann, ob nicht nur bei Erhebung der
Klage oder Rechtskraft einer Entscheidung ein Arbeitsverhältnis zwischen ihnen
besteht, sondern auch bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt in der
Vergangenheit, ist ein Feststellungsinteresse gegeben.
B.
30 Die Klage ist auch begründet. Zwischen den Parteien besteht seit dem 07.06.2004
ein Arbeitsverhältnis. Denn der Kläger wurde nicht auf der Grundlage eines
Werkvertrages zwischen der Beklagten und der Firma D. bzw. der Firma M. V. tätig
(I). Ein Fall der erlaubnisfreien Arbeitnehmerüberlassung im Konzern liegt nicht vor
(II). Das danach zustande gekommene Arbeitsverhältnis ist nicht dadurch
erloschen, dass der Kläger mit Abschluss des Arbeitsvertrages mit der M.-t.-group
bzw. ihrer Vorgängerin ein Wahlrecht zu Gunsten eines neuen Arbeitgebers
ausgeübt oder einen Verwirkungstatbestand erfüllt hätte (III).
I.
31 Der Kläger ist nicht auf der Grundlage eines Werkvertrages zwischen der
Beklagten und D. bzw. M. V. tätig geworden.
32 1. Dabei sind zunächst die in Betracht kommenden Vertragstypen voneinander
abzugrenzen:
33 a) Eine Überlassung zur Arbeitsleistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden,
die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des
Entleihers und dessen Interesse ausführen.
34 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist aber nicht jeder
drittbezogene Arbeitseinsatz eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG.
Diese ist vielmehr durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen
zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag)
und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag)
sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen
Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet. Notwendiger Inhalt eines
Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber
dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer
zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem
Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur
Verfügung gestellt hat.
35 Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines
Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In
diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur
Erreichung des wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen
betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag
vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks
gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst-
oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des
Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch,
wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder
dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführungen des Werkes erteilen.
Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Solche Dienst- oder Werkverträge werden
vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfasst.
36 Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem
Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien
gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen
Geschäftsinhalt nicht entspricht. Die Vertragschließenden können das Eingreifen
zwingender Schutzvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht
dadurch vermeiden, dass sie einen vom Geschäftsinhalt abweichenden
Vertragstyp wählen. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen
Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung
des Vertrags ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche
Durchführung des Vertrags maßgebend, weil sich aus der praktischen
Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen
lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen
sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der
Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp (BAG
13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 14ff., juris; 10. Oktober 2007 - 7 AZR 487/06
- Rn. 34ff., juris; 24. Mai 2006 - 7 AZR 365/05 - Rn. 41ff., juris; 6. August 1997 - 7
AZR 663/96 - Rn. 11ff., juris jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur
Rechtsprechung).
37 b) Legen die Parteien die zu erledigende Aufgabe und den Umfang der Arbeiten
konkret fest, kann das für das Vorliegen eines Werkvertrags sprechen. Fehlt es an
einem abgrenzbaren, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbaren und
abnahmefähigen Werk, kommt ein Werkvertrag kaum in Betracht, weil der
„Auftraggeber“ durch weitere Weisungen den Gegenstand der vom
„Auftragnehmer“ zu erbringenden Leistungen erst bestimmen und damit Arbeit und
Einsatz erst bindend organisieren muss. Richten sich die vom Auftragnehmer zu
erbringenden Leistungen nach dem jeweiligen Bedarf des Auftraggebers, so kann
auch darin ein Indiz gegen eine Werk- und für eine arbeitsvertragliche Beziehung
liegen, etwa wenn mit der Bestimmung von Leistungen auch über den Inhalt,
Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit entschieden wird. Wesentlich ist,
inwiefern Weisungsrechte ausgeübt werden und in welchem Maß der
Auftragnehmer in einen bestellerseitig organisierten Produktionsprozess
eingegliedert ist. Zwar steht auch einem Werkbesteller gegenüber dem
Werkunternehmer das Recht zu, Anweisungen für die Ausführung des Werks zu
erteilen (vgl. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB zu den Auswirkungen auf die
Vergütungsgefahr). Davon abzugrenzen ist aber der Ausübung von
Weisungsrechten bezüglich des Arbeitsvorgangs und der Zeiteinteilung.
Weisungen, die sich ausschließlich auf das vereinbarte Werk beziehen, können im
Rahmen eines Werkvertrags erteilt werden; wird die Tätigkeit aber durch den
„Besteller“ geplant und organisiert und wird der „Werkunternehmer“ in einen
arbeitsteiligen Prozess in einer Weise eingegliedert, die eine eigenverantwortliche
Organisation der Erstellung des vereinbarten „Werks“ faktisch ausschließt, liegt ein
Arbeitsverhältnis nahe (BAG 25. September 2013 - 10 AZR 282/12 - Rn. 17, juris
zur Abgrenzung eines Werkvertrages von einem Arbeitsvertrag).
38 c) Ein Arbeitnehmer, der die vertragliche Vereinbarung zwischen den beiden
Arbeitgebern nicht kennt, muss Tatsachen vortragen, die eine Würdigung
rechtfertigen, wonach der Arbeitnehmer einem Entleiher zur Arbeitsleistung
überlassen ist. Es ist dann Aufgabe des Entleihers, die Tatsachen darzulegen, die
gegen das Vorliegen des Tatbestands § 1 Abs. 1 AÜG sprechen. Er genügt seiner
Darlegungslast, wenn er die eine werkvertragliche Vereinbarung begründenden
Tatsachen vorträgt (BAG 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 24, juris).
39 2. Daran gemessen ist der Kläger für D. bzw. M. V. weder als Versuchsfahrer noch
als Mechaniker auf der Grundlage von Werkverträgen tätig geworden.
40 a) Bereits als Versuchsfahrer war der Kläger der Beklagten zur Arbeitsleistung
überlassen.
41 aa) Der Kläger hat mit Schriftsätzen vom 11.06.2014 und 25.08.2014 näher zu
seiner Tätigkeit für D. vorgetragen.
42 Als Versuchsfahrer übernahm er auf dem Werksgelände der Beklagten die
entsprechenden Versuchsfahrzeuge und Fahraufträge, durch welche u.a. die zu
fahrende Strecke, die einzuhaltenden Geschwindigkeit, und ein Lastenheft
vergleichbar mit der Anlage K23 (Abl. 402ff.) vorgegeben waren. Danach hatte der
Klägerin beispielsweise den Motor fünfmal zu starten, zehnmal verteilt mit Kick-
down anzufahren und alle Schaltstufen/Programme zu durchfahren, fünfmal
sämtliche Bremsschaltungen mit der maximal zulässigen Federung/Dämpfung
durchzuführen, über die Schicht verteilt alle Einstellungen (Sport, Komfort, etc.) zu
fahren, die Lenkung zu verstellen, deren Heizung einzuschalten, Türen,
Heckdeckel, Motorhaube mehrfach zu öffnen und zu schließen, Sitze zu
verstellen, deren Heizung zu prüfen usw.
43 Daraus lässt sich nicht ableiten, dass tatsächlich bestimmte Arbeitsergebnisse
oder -erfolge vereinbart waren. Vielmehr handelt es sich bei den Aufgaben um
tätigkeitsbezogene Leistungen, die Gegenstand eines Dienstverhältnisses oder
Arbeitsverhältnisses sein können, es wird aber kein konkreter „Werkerfolg“
geschuldet. Erst durch weitere Weisungen, insbesondere die konkreten
Fahraufträge, wird der Gegenstand der zu erbringenden Leistung bestimmt und
damit Arbeit und Einsatz bindend organisiert.
44 bb) Es ist von der Beklagten nicht näher dargetan, dass D. und M. V. die für die
Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach
eigenen betrieblichen Voraussetzungen organisiert und für die Herstellung des
geschuldeten Werkes gegenüber der Beklagten verantwortlich waren. Ihr
Vorbringen geht nicht darüber hinaus, dass es Aufgabe des Repräsentanten der
D. gewesen sei, die im Pool befindlichen Fahrer, darunter auch den Kläger, mit
den einzelnen Versuchsfahrten zu beauftragen. Welche näheren Anweisungen
angesichts der Vorgaben durch die Beklagte noch zu erteilen waren, hat die
Beklagte nicht dargelegt. Es ist kein abgrenzbares Werk erkennbar, das den
Vertragsarbeitgebern des Klägers als Produkt eigener, selbst organisierter
wirtschaftlicher Betätigung zuzurechnen wäre.
45 cc) Die Tätigkeit des Klägers war auch in den Arbeitsablauf der Beklagten
eingegliedert. Dafür spricht schon die organisatorische Einbindung. Die aus dem
Entwicklungsbereich der Beklagten kommenden Anforderungen und
Fragestellungen entsprechen dem jeweiligen Fahrauftrag. Die anlässlich der
Versuchsfahrten gewonnenen Erkenntnisse wurden nachfolgend von der
Beklagten ausgewertet. Die Versuchsfahrten fanden entweder auf dem
Testgelände der Beklagten oder von ihrem Werksgelände aus statt, wo sie auch
beendet wurden. Eigene Messungen oder Auswertungen nahmen die
Vertragsarbeitgeber des Klägers nicht vor.
46 Das spiegelt sich in dem Organigramm „Teamvorstellung B.-Fahrbetrieb und
Logistik“ (Abl. 401) wieder. Darin sind dem Teamleiter B. nicht nur Arbeitskräfte
(der Rechtsvorgängerin) der Beklagten zugeordnet, sondern auch die externen
Fahrer der M..
47 dd) Demgegenüber lässt der Projektierungsvertrag vom April 2004 (Abl. 389ff.)
keine Rückschlüsse auf werkvertragliche Beziehungen zwischen der Beklagten
und den früheren Vertragsarbeitgebern des Klägers zu.
48 Darin haben die Rechtsvorgängerin der Beklagten und D. ihre wechselseitige
Absicht bekundet, im Rahmen eines gemeinsamen Projektes näher beschriebene
Entwicklungs- und Planungsarbeiten gemeinsam durchzuführen, die nach Ziffer 2
des Dokuments in der Fahrerprobung Fcellfahrzeuge ab KW 16/2004 bestehen
soll. Nach Ziffer 5 des Dokuments beinhaltet der Projektbeitrag der D. die
Verfügbarkeit von zwei Fahrern im Fünf-Tage-Zwei-Schicht-Betrieb sowie unter
anderem eine zweistündige Projektbetreuung pro Woche.
49 Zu Recht verweist der Kläger darauf, dass schon nach dem Vertragsinhalt kein
Werkvertrag im Sinne der §§ 631ff. BGB vorliegt. Unter Berücksichtigung des
Projektbeitrages der Rechtsvorgängerin der Beklagten - Beistellung aller
notwendigen Unterlagen, Einweisung der Fahrer, Fahreranforderung - ist auch
nichts dafür ersichtlich, dass die selbständige Erbringung von Diensten im Sinne
des § 611 BGB Gegenstand der Abrede sei. Aus der Verpflichtung, nach
Fahreranforderung die Verfügbarkeit von Fahrern sicherzustellen ergibt vielmehr,
dass Gegenstand der Abrede die Überlassung von Arbeitnehmern zur
Arbeitsleistung ist.
50 Das entspricht offensichtlich auch dem Verständnis der Beklagten, die
vorgetragen hat: Der Kläger weist in diesem Sinne zutreffend darauf hin, dass es
sich vorliegend um einen Projektvertrag und nicht um einen Werkvertrag handelte
(Seite 2 des Schriftsatzes vom 11.09.2014 = Abl. 406).
51 Zwar hat die Beklagte in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, die
früheren Vertragsarbeitgeber des Klägers hätten in P. über eigene Teststrecken
verfügt. Nach Ziffer 4 des Projektierungsvertrages war aber als Ort der
Projektarbeit vorrangig S. oder N. festgelegt. Das entsprach in der Folgezeit auch
der tatsächlichen Handhabe.
52 b) Auch soweit der Kläger ab Ende des Jahres 2005 oder Mitte des Jahres 2006
zunehmend und danach nahezu ausschließlich als Mechaniker für die Beklagte
tätig wurde, liegt dem keine werkvertragliche Abrede mit den früheren
Vertragsarbeitgebern des Klägers zugrunde.
53 aa) Insofern hat der Kläger vorgetragen, ihm seien von unterschiedlichen
Mitarbeitern der Beklagten verschiedene Montageaufträge erteilt worden,
insbesondere Kundendienstarbeiten durchzuführen, Bauteile ein- und
auszubauen, Bremsen zu warten und zu erneuern, Reifen zu wechseln und
Beschädigungen zu beheben.
54 Hierzu hat der Kläger mit den Anlagen K14 bis K21 verschiedene Arbeitsaufträge
oder Anweisungen per E-mail vorgelegt (Abl. 352ff.).
55 bb) Auch insofern hat die Beklagte nicht dargelegt, welches abnahmefähige Werk
Gegenstand welcher Vereinbarungen mit D. oder M. V. gewesen sein soll. Es
spricht alles dafür, dass erst durch die Weisungen der Mitarbeiter der Beklagten
der jeweilige Gegenstand der zu erbringenden Leistung bestimmt und damit
Arbeit und Einsatz bindend organisiert wurde. Handelt es sich doch um
Leistungen, die nach dem jeweiligen Bedarf des Auftraggebers zu erbringen sind.
56 cc) Darüber hinaus ist offensichtlich, dass der Kläger in den von der Beklagten
organisierten Werkstattbetrieb eingebunden war. Denn die Arbeitsaufträge gingen
direkt an den Kläger selbst. Daran ändert die Überlassung von Werkstatt-CD’s an
den Kläger nichts. Diese Art von Hilfestellung, wie auch durch schriftliche
Unterlagen wie Zeichnungen und Beschreibungen geleistet werden könnte, führt
nicht dazu, dass der Kläger im Rechtssinne eigenverantwortlich tätig wurde. Sie
setzte ihn möglicherweise erst in den Stand, die ihm zugewiesenen Arbeiten
auszuführen.
57 dd) Erst für einen in diesem Zusammenhang nicht relevanten späteren Zeitraum
ab dem Jahre 2013 hat die Beklagte mit dem Anlagenkonvolut B1 (Abl. 85ff.) und
B2 (Abl. 215ff) überhaupt werkvertragliche Abreden mit dem späteren Arbeitgeber
des Klägers M.-t. bzw. M. Group vorgelegt.
58 c) Damit ist jedenfalls für die Zeit bis zum 31.07.2008 von einer
Arbeitnehmerüberlassung betreffend den Kläger durch seine Vertragsarbeitgeber
D. und M. V. an die Beklagte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG auszugehen.
II.
59 Der vorstehend festgestellten Arbeitnehmerüberlassung lag eine Erlaubnis im
Sinne des § 1 Abs. 1, § 2 AÜG nicht zugrunde. Das führt zur Unwirksamkeit der
Verträge nach § 9 Ziffer 1 AÜG sowie dazu, dass nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein
Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zu dem für den Beginn
der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen gilt, § 10 Abs. 1
Satz 1 AÜG. Denn der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 Ziffer 2 AÜG aF lag
nicht vor.
60 1. Dabei ist auf die während der Zeit des Einsatzes des Klägers vom 07.06.2004
bis zum 31.07.2008 geltende Fassung des Gesetzes abzustellen
(Bekanntmachung vom 3. Februar 1995, BGBl. I S. 158, für den maßgeblichen
Zeitraum zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. März 2005, BGBl. I S. 721, und
Verordnung vom 31. Oktober 2006, BGBl. I S. 2407; im Folgenden AÜG aF).
61 Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF in der bis 30.11.2011 geltenden Fassung
bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer
(Leiharbeitnehmer) gewerbsmäßig überlassen wollen, der Erlaubnis.
62 Diese Vorschrift ist nach § 1 Abs. 3 AÜG aF in der bis 30.11.2011 geltenden
Fassung nicht anzuwenden zwischen Konzernunternehmen im Sinne des § 18
des Aktiengesetzes, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend nicht bei
seinem Arbeitgeber leistet (§ 1 Abs. 3 Ziffer 2 AÜG aF).
63 2. Eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Gesetzes liegt - wie dargestellt -
vor. Die Überlassung war auch gewerbsmäßig im Sinne der Vorschrift.
64 a) Gewerbsmäßig im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF ist jede nicht nur
gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte und auf Erzielung
unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile gerichtete selbständige
Tätigkeit.
65 Das Erfordernis der Dauerhaftigkeit dient dazu, Bagatellfälle auszuklammern. Die
gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung soll damit gegenüber dem nur
gelegentlichen Verleih von Arbeitnehmern abgegrenzt werden. Aus dem
Anwendungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes fällt damit
grundsätzlich nur die einmalige und kurzfristige Arbeitnehmerüberlassung heraus.
Abzustellen ist darauf, ob die Arbeitnehmerüberlassung im Einzelfall der
Hauptzweck des Geschäfts ist. Inwieweit Arbeitnehmerüberlassung den
Gegenstand der Tätigkeit des Unternehmens des Verleihers darstellt, ist dagegen
unerheblich. Eine Einschränkung der Erlaubnispflicht auf Unternehmen, deren
Unternehmensgegenstand ausschließlich oder überwiegend in der Überlassung
von Arbeitnehmern liegt, ist mit dem Schutzzweck des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht zu vereinbaren (BAG 18. Juli 2012 - 7
AZR 451/11 - Rn. 15ff., juris mwN).
66 b) Aus der über Jahre dauernden Zurverfügungstellung des Klägers zugunsten der
Beklagten gegen entsprechende Vergütung ergibt sich, dass die
Arbeitnehmerüberlassung auf erhebliche Dauer angelegt sowie auf Erzielung
unmittelbarer Vorteile gerichtet und deshalb gewerbsmäßig im Sinne des Gesetzes
war.
67 3. Die Erlaubnispflicht entfiel auch nicht aufgrund des Konzernprivilegs des § 1
Abs. 3 Nr. 2 AÜG aF. Zwar liegt eine konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung vor,
wie das die Beklagte im Schriftsatz vom 11.09.2014 dargelegt hat (Abl. 405, 406).
Die Überlassung erfolgte jedoch nicht vorübergehend im Sinne der gesetzlichen
Bestimmung.
68 a) Nach dem gesetzlichen Leitbild setzt eine vorübergehende Überlassung im
Konzern dabei zumindest voraus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung
„normalerweise“ gegenüber seinem Vertragsarbeitgeber erbringt und lediglich
anlassbezogen einer anderen Konzerngesellschaft zur Ableistung überlassen
wird. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist sichergestellt, dass der
Schutzzweck des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht berührt wird. Hat der
Arbeitnehmer keinen echten „Stammarbeitsplatz“, unterscheidet sich die
Arbeitnehmerüberlassung im Konzern letztlich nicht von einer
Arbeitnehmerüberlassung außerhalb des Konzerns, die der Gesetzgeber als
erlaubnispflichtig ansieht. Es geht dann nicht um die Eröffnung eines
konzerninternen Arbeitsmarktes, sondern um die Begründung einer bloßen
Überlassungsmöglichkeit (BAG 18. Juli 2012 aaO. Rn. 28).
69 b) Der Kläger hatte bei den Firmen D. und M. V. zu keinem Zeitpunkt einen solchen
Stammarbeitsplatz. Er wurde ausschließlich bei der Beklagten eingesetzt. Damit
liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des Konzernprivilegs nicht vor.
70 3. Folglich ist ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten mit
Wirkung zum 07.06.2004 zu Stande gekommen, §§ 9 Nr. 1, 10 I Satz 1 AÜG.
III.
71 Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht dadurch erloschen, dass der Kläger mit
Wirkung zum 01.08.2008 ein Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitgeber begründet
hat, welcher über die nach § 1 Abs. 1, § 2 AÜG erforderliche Erlaubnis zur
gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfügt. Dadurch hat der Kläger auch
keinen Verwirkungstatbestand erfüllt. Denn das zwischen den Parteien zu Stande
gekommene Arbeitsverhältnis ist vom Vertragsschluss mit weiteren Verleihern
unberührt geblieben.
72 1. Wenn dem Verleiher zu einem späteren Zeitpunkt nach der Arbeitsaufnahme die
Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung erteilt wird, führt dies
nicht dazu, dass ein nach §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG entstandenes
Arbeitsverhältnis wieder beendet wird. Eine dahingehende Rechtsfolge sieht das
Gesetz nicht vor. Es gelten für den Fortbestand und die Beendigung dieser
Arbeitsverhältnisse deshalb die allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen.
Das nach § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG entstandene Arbeitsverhältnis besteht
daher so lange fort, bis es nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln beendet
wird (BAG 24.05.2006 - 7 AZR 365/05 - Rn. 36, juris; 19. März 2003 - 7 AZR
269/02 - Rn. 28, juris auch zu § 13 AÜG aF, der am 31.03.1997 außer Kraft
getreten ist).
73 Eine „Heilung“ in diesem Sinne kommt erst recht nicht in Betracht, wenn ein
Wechsel des Vertragsarbeitgebers erfolgt, wie vorliegend zum 01.08.2008 von der
Tochter- zur Muttergesellschaft.
74 2. Das mit der Beklagten begründete Arbeitsverhältnis wurde nicht durch die
Ausübung eines Wahlrechts des Klägers zu Gunsten der M.-t. bzw. M. Group zum
31.07.2008 beendet.
75 a) Das Gesetz sieht ein Wahlrecht oder eine Wahlpflicht des Arbeitnehmers, sich
für die Fortsetzung nur eines der beiden Arbeitsverhältnisse zu entscheiden nicht
vor. Der Umstand, dass ein Doppelarbeitsverhältnis ggfs. mit
Abweichungsschwierigkeiten verbunden ist, gebietet es nicht, im Wege der
ergänzenden Auslegung in Analogie zum Widerspruchsrecht beim
Betriebsübergang nach § 613 a BGB und zu der Regelung in § 12 Satz 1 KSchG
eine gesetzlich nicht vorgesehene Wahlmöglichkeit zu entwickeln.
76 Dies ist auch nicht aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes erforderlich. Einen
größeren Schutz als durch ein Doppelarbeitsverhältnis kann ein Arbeitnehmer bei
vermuteter Arbeitsvermittlung nicht erhalten. Anders als in den Fällen des § 613 a
BGB und § 12 Satz 1 KSchG muss sich der Arbeitnehmer nicht zwischen zwei
Arbeitgebern entscheiden. Vielmehr tritt zu dem Vertragsarbeitgeber ein weiterer
Arbeitgeber hinzu.
77 Der Arbeitnehmer riskiert auch nicht, gegenüber einem Arbeitgeber
vertragsbrüchig zu werden, weil er seine Arbeitsleistung nicht gleichzeitig bei
beiden Arbeitgebern erbringen kann. Wenn er seine Arbeitsleistung ausschließlich
beim Entleiher erbringt, erfüllt er damit regelmäßig gleichzeitig seine
arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Verleiher (BAG 19. März
2003 - 7 AZR 269/02 - Rn. 21 ff, juris für nach § 1 Abs. 2, 13 AÜG in der bis zum
31.03.1997 geltenden Fassung entstandene Arbeitsverhältnisse).
78 b) Im Übrigen hätte der Kläger mit dem Vertragsabschluss zum 01.08.2008 auch
kein etwaiges Wahlrecht zu Gunsten der Verleiherseite ausgeübt. Von der
Ausübung eines solchen Wahlrechts waren zwei Arbeitsverhältnisse betroffen.
Deshalb sind Erklärungen des Arbeitnehmers gegenüber beiden Arbeitgebern
erforderlich, zumindest jedoch gegenüber dem Arbeitgeber, zu dem das
Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden soll (BAG 19. März 2003 aaO. Rn. 27).
Eine solche Erklärung hat der Kläger gegenüber der Beklagten nicht abgegeben.
Diese war an den fraglichen Verträgen nicht beteiligt. Eine Erklärung gegenüber
der Beklagten wäre im Übrigen formbedürftig nach § 623 BGB.
79 3. Der Kläger hat schließlich das Recht, sich auf die Entstehung eines
Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zum 07.06.2004 zu berufen, nicht verwirkt.
80 a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll
dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Es ist nicht Zweck der Verwirkung,
Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend
gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann
allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Es müssen
vielmehr zu dem Zeitmoment besondere Umstände sowohl im Verhalten des
Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es
rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben
unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (BAG 13.
August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 36 ff juris mwN.).
81 b) Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 30.01.1991 (- 7 AZR
239/90 - juris) das Umstandsmoment in einem Fall angenommen, in welchem der
dortige Kläger mehr als drei Monate nach Einstellung seiner Tätigkeit bei dem
Entleiher auf Grund eines Aufhebungsvertrages mit dem Verleiher und nach
zwischenzeitlicher Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses bei einem
anderen Arbeitgeber den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem
Entleiher geltend gemacht.
82 Das Bundesarbeitsgericht hat aber in der Entscheidung vom 10.10.2007 (- 7 AZR
487/06 - Rn. 26 ff, juris) in Abgrenzung zu der Entscheidung zu dem Jahre 1991
auch klar gestellt, dass das erforderliche Umstandsmoment nicht allein durch die
Tatsache erfüllt wird, dass der Kläger seine Tätigkeit aufgrund der Kündigung
seines Vertragsarbeitgebers im Entleiherbetrieb einstellt und anschließend ein
Arbeitsverhältnis bei einem Dritten begründet, ohne sich gegenüber dem Entleiher
auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses mit diesem zu berufen. Das gelte
jedenfalls dann, wenn es nicht um den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses
geht, sondern lediglich um die Feststellung eines in der Vergangenheit liegenden
Arbeitsverhältnisses als Grundlage für die Geltendmachung künftiger Ansprüche
auf betriebliche Altersversorgung.
83 Schließlich kann das Recht, sich auf ein ggfs. vor langer Zeit begründetes
Arbeitsverhältnis geltend zu machen, nicht durch den Abschluss eines neuen
Arbeitsvertrages bei einem anderen Verleiher verwirken, solange der Arbeitnehmer
tatsächlich im Entleiherbetrieb tätig ist. In diesem Fall muss der Entleiher jederzeit
damit rechnen, dass der Arbeitnehmer seine ihm gegenüber auf Grund seiner
Tätigkeit in seinem Betrieb bestehenden Rechte geltend machen wird (vgl. hierzu
BAG 24. Mai 2006 - 7 AZR 365/05 - Rn. 36, juris).
84 c) Zwar macht der Kläger ein vor Jahren zum 07.06.20104 begründetes
Arbeitsverhältnis geltend, was für die Erfüllung des Zeitmoments spricht. Er hatte
seine Tätigkeit für die Beklagte jedoch bei Erhebung der Klage nicht eingestellt.
Lediglich die Bedingungen, unter denen die Arbeit zu leisten war, haben sich in
jüngster Vergangenheit geändert, ohne dass der Kläger hierauf Einfluss gehabt
hätte. Im vorliegenden Fall tritt hinzu, dass der Kläger ununterbrochen durchgängig
und jedenfalls über den 01.08.2008 hinaus im Wesentlichen unverändert
beschäftigt wurde.
85 Dass die Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und
für die Beklagte als unzumutbar anzusehen wäre, ist nicht ersichtlich. Hierzu hat
die Beklagte nicht näher vorgetragen, bspw. zu den zu erwartenden Belastungen
durch die betriebliche Altersversorgung. Das gilt auch für die Ansicht der
Beklagten, der Kläger könne sich nicht auf das Zustandekommen eines
Arbeitsverhältnisses nach §§ 9, 10 AÜG berufen (vgl. Ziffer 2 des Schriftsatzes
vom 11.09.2014 = ABl. 405, 407).
86 4. Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit Wirkung ab 01.08.2008 für die Beklagte
auf der Grundlage wirksamer Werkverträge mit der Firma M.-T. bzw. M. Group tätig
wurde, ob oder ob es sich dabei - wie der Kläger meint - um bloße
Scheinwerkverträge handelt. Es kann auch dahinstehen, ob ggfs. ein
institutioneller Rechtsmissbrauch anzunehmen ist, der dazu führt, dass sich die
beteiligten Arbeitgeber gegenüber dem Kläger nicht auf das Vorliegen einer in
diesem Sinne „Vorratserlaubnis“ berufen können.
87 Dem Klageantrag war in der Hauptsache zu entsprechen. Der Hilfsantrag ist nicht
zur Entscheidung angefallen.
C
88 Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, §
91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert war nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen
und entspricht seiner Höhe nach dem dreifachen Bruttomonatsverdienst des
Klägers, § 42 Abs. 2 GKG.