Urteil des ArbG Stuttgart vom 10.11.2016

abfindung, sozialplan, alter, einvernehmliche regelung

ArbG Stuttgart Urteil vom 10.11.2016, 11 Ca 3130/16
Altersdiskriminierung - betriebsverfassungsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz -
Neugründung - Pauschalabfindung - Sozialplan
Leitsätze
Eine in einem Sozialplan vorgesehene Abfindungsregelung, die die Abfindungshöhe auf fünf bzw. im Falle der
Schwerbehinderung sechs Bruttomonatsgehälter festlegt, ohne nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit oder
dem Alter zu differenzieren, verstößt nicht gegen den Grundsatz des Verbotes der Altersdiskriminierung.
Jedenfalls im Anwendungsbereich des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG (Neugründung eines Unternehmens) verstößt
eine derartige Regelung auch nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
(unter Berücksichtigung des Zweckes eines Sozialplanes).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf Euro 48.801,42 festgesetzt.
4. Die Berufung wird gesondert zugelassen.
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung einer weiteren Abfindung über die sich aus einem
Sozialplan sowie einer weiteren freiwilligen Betriebsvereinbarung ergebenden Sozialplanabfindung hinaus
unter dem Gesichtspunkt der Altersdiskriminierung bzw. dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung.
2 Die Klägerin war seit dem 06.10.1993 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zu einem
Bruttomonatsgehalt von ca. 2.400,00 Euro als Montagemitarbeiterin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien endete durch Kündigung der Beklagten vom 25.02.2016 zum 30.09.2016 (vgl.
Anlage K1, Abl. 6), gegen die die Klägerin keine Kündigungsschutzklage erhob. Die Beklagte und der für den
Betrieb E. zuständige Betriebsrat schlossen neben einem Interessenausgleich vom 23.02.2016 unter dem
Datum vom 23.02.2016 einen Sozialplan, der insbesondere folgenden Wortlaut hat:
3
„(…)
2. 1 Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich dieses Sozialplans fallen und deren Arbeitsverhältnisse
aufgrund der im Interessenausgleich der Betriebspartner vom 23.2.2016 beschriebenen Maßnahme und
aufgrund betriebsbedingter Kündigung durch SMPS enden, haben Anspruch auf eine Abfindung wie folgt:
4
- Diese betroffenen Arbeitnehmer erhalten eine pauschalierte und für alle Arbeitnehmer gleichartig
berechnete Abfindung i.H.v. 5 individuellen durchschnittlichen Bruttomonatsvergütungen (Klarstellung:
damit unabhängig von den Jahren der Betriebszugehörigkeit).
5
- Als Höhe der individuellen durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung für den jeweiligen Arbeitnehmer
wird (a) dessen Bruttomonatsgrundvergütung im Dezember 2015 zugrunde gelegt zuzüglich (b) der
Zahlung einer evtl. freiwilligen monatlichen Zulage/eines sog. monatlichen Besitzstandes im Dezember
2015 und (c) 1/12 des 13.-Gehaltes/Bonus des Jahres 2015; sonstige evtl. Zuschläge jeglicher Art,
Anwesenheitsprämien, Sonderleistungen; sonstige Einmalzahlungen werden auch nicht anteilig
berücksichtigt.
6
- Beträgt die wie vorstehend beschrieben berechnete individuelle durchschnittlichen
Bruttomonatsvergütung eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers weniger als EUR 2.500,-- so ist für die
Berechnung der Abfindung eine erhöhte individuelle durchschnittliche Bruttomonatsvergütung i.H.v. EUR
2.500,-- zugrunde zu legen; für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gilt ein anteiliger Betrag.
7
- Beträgt die wie vorstehend beschrieben berechnete individuelle durchschnittlichen
Bruttomonatsvergütung eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers mehr als EUR 6.200,--, so ist für die
Berechnung der Abfindung nur eine Bruttomonatsvergütung i.H.v. EUR 6.200,-- zugrunde zu legen; für
teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gilt ein anteiliger Betrag.
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- Die so berechnete Abfindung wird für die am 23.2.2016 (a) anerkannten schwerbehinderten
Arbeitnehmer (Grad der Behinderung von mindestens 50) oder (b) den schwerbehinderten Menschen
gleichgestellten Arbeitnehmern (diese i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX) zusätzlich erhöht um eine weitere wie
vorstehend berechnete individuelle durchschnittliche Bruttomonatsvergütung.
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2.2 Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich dieses Sozialplans fallen, haben das Recht, Ihr
Arbeitsverhältnis ordentlich mit einer Kündigungsfrist von 10 Tagen zum Ablauf eines 15.-ten oder eines
Monatsendes vorzeitig schriftlich zu kündigen, aber erst sobald sie unwiderruflich freigestellt sind gem. Ziff.
2.6 des Interessenausgleichs vom 23.2.2016.
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Machen Arbeitnehmer von diesem Recht Gebrauch, erhalten diese eine weitere Abfindung
(„Turboabfindung"). Die Turboabfindung beträgt 75% des gesamten Brutto-Betrages (ohne
Arbeitgeberanteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen), den SMPS bis zur Beendigung des
jeweiligen Arbeitsverhältnisses zu dem in der Kündigung von SMPS genannten Zeitpunkt als Vergütung
hätte zahlen müssen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht vom Arbeitnehmer ordentlich vorzeitig gekündigt
worden wäre. Die Höhe der Turboabfindung wird gedeckelt auf max. EUR 7.500,—
(…)“
11 Die Betriebsparteien schlossen ferner eine weitere (freiwillige) Betriebsvereinbarung unter dem Datum vom
23.02.2016 ab, die unter anderem folgenden Wortlaut hat:
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2. Zusatzabfindung
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2.1 Voraussetzung für die Zahlung einer Zusatzabfindung ist, dass (a) die Arbeitnehmer sich in keiner
Weise gegen eine Kündigung der SMPS wehren, die aufgrund des Interessenausgleichs vom 23.2.2016
ausgesprochen wird, die insbesondere keine Klage gegen eine Kündigung einreichen, und zudem (b) die
Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer aufgrund der Kündigung von SMPS zu dem in der Kündigung von
SMPS angegebenen ordentlichen Beendigungszeitpunkt endet.
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2.2 Die Höhe der Zusatzabfindung beträgt für die Arbeitnehmer pauschal 125% einer
Bruttomonatsvergütung (Klarstellung: damit unabhängig von den Jahren der Betriebszugehörigkeit).
Abzustellen ist auf die individuelle durchschnittliche Bruttomonatsvergütung. Für die Zusatzabfindung
gelten ergänzend die Regelungen zur Abfindung aus dem Sozialplan vom 23.2.2016 (dies gilt u.a. für die
Entstehung des Abfindungsanspruchs, ein möglicher Entfall, die Berechnung der Bruttomonatsvergütung
(vgl. hierzu Ziff. 2.1), die Abrechnung, die Fälligkeit, die Anrechnung auf andere Ansprüche, die
Ausschlussfristen etc.).
15 Insgesamt wurden 15 Mitarbeiter vom Sozialplan erfasst, die Klägerin ist mit 50,19 Jahren (Stichtag
Sozialplan) eine der Ältesten, - das durchschnittliche Alter aller 15 Mitarbeiter beträgt 46,91 Jahre. Bezogen
auf den Stichtag war der jüngste Arbeitnehmer 32,73 Jahre alt, der älteste 60,42 Jahre. Zwei weitere
Arbeitnehmer waren unter 40 Jahre alt (einer davon fast 40), sechs Arbeitnehmer waren zwischen 40 und
50 Jahre alt; fünf Arbeitnehmer waren zwischen 50 und 60 Jahre alt. Die Klägerin war im Februar 2016 50
Jahre alt. Die Klägerin war zum Stichtag 50,19 Jahre alt, damit ca. 3 Jahre älter als der durchschnittliche
Arbeitnehmer. Die Betriebszugehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer war sehr unterschiedlich und betrug
(zum Stand 29.2.2016) zwischen ca. 5 und 22 Jahren.
16 Den abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen vom 23.02.2016 ging folgende Entwicklung voraus (vgl. auch
die Präambel des unter dem Datum 23.02.2016 abgeschlossenen Interessenausgleichs, Anlage B1, Abl. 31
ff.):
17 Über das Vermögen der Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde im Jahre 2014 das Insolvenzverfahren
eröffnet. Die Beklagte hatte mit Datum 01.10.2014 als neugegründetes Unternehmen den Betrieb der
Rechtsvorgängerin in E. übernommen. Im Zuge der Betriebsübernahme wurde seitens des
Insolvenzverwalters aufgrund eines Erwerberkonzeptes Kündigungen ausgesprochen. Das Erwerberkonzept
sah vor, dass die Beklagte - bis auf die Schaffung eines Modulcenters mit ca. 20 Mitarbeitern - den Betrieb
noch längstens 18 Monate, d.h. bis längstens 31.03.2016 aufrechterhält. Es wurde ein Interessenausgleich
mit Namensliste sowie ein Insolvenzsozialplan abgeschlossen, der insbesondere die 6-monatige
Beschäftigung in einer Transfergesellschaft vorsah. Die Abfindungen aus dem Insolvenzsozialplan sind bisher
noch nicht ausbezahlt, insbesondere steht auch die etwaige konkrete Höhe nicht fest.
18 Nachdem sich die Pläne eines Modulcenters allerdings - insbesondere vor dem Hintergrund, dass kein
geeigneter Ort gefunden wurde - zerschlagen hatte, entschloss sich die Beklagte allen restlichen
Mitarbeitern zu kündigen und den Betrieb in E. vollständig zu schließen (mit einer entsprechenden
Betriebsverlagerung nach Tschechien). In diesem Zuge wurden die obig aufgeführten
Betriebsvereinbarungen geschlossen. Die Beklagte hat (vgl. Anlage B5, Abl. 127) einen entsprechenden
Entwurf für den Sozialplan vom 23.02.2016 übermittelt, der am rechten Rand eine Kommentierung enthält,
die insbesondere die im Sozialplan vorgesehene Abfindung von fünf Bruttomonatsgehältern erläutert.
19 Die Klägerin ist der Rechtsansicht, dass die Regelung im Sozialplan einer pauschalen Zahlung von 5 bzw. 6
Bruttomonatsgehältern, ohne Berücksichtigung des Alters oder der Dauer der Betriebszugehörigkeit, als
Einheitsabfindung gegen den (betriebsverfassungsrechtlichen) Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 BetrVG)
verstoße. Die in einem Sozialplan vorgesehene Abfindung habe eine Überbrückungsfunktion, wobei die
Betriebsparteien die unterschiedlichen Arbeitsmarktchancen bei der Ausgestaltung der Höhe der Abfindung
zu berücksichtigen hätten. Die Wertung der Vorschrift des § 112 Abs. 5 BetrVG, die zwar unmittelbar nur
für eine Entscheidung der Einigungsstelle gelte, sei dabei aber auch entsprechend der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgericht, auch bei einvernehmlicher Regelung der Betriebsparteien zu berücksichtigen. Die
Ausnahmevorschrift des § 112a Abs. 2 S. 1 BetrVG greife nicht ein, es liege kein Neugründungsfall im Sinne
der Vorschrift vor. Die Beklagte habe von vornherein - was auch im abgeschlossenen Interessenausgleich
dokumentiert sei - die Absicht gehabt, den Betrieb stillzulegen. In diesem Fall sei die Vorschrift vom Sinn und
Zweck, insbesondere die Entwicklung neu gegründeter Unternehmen durch eine Sozialplanabfindung nicht
zu erschweren, nicht einschlägig. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei auch bezogen auf
die freiwillige Betriebsvereinbarung (erhöhte Abfindung bei Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage)
anzunehmen.
20 Die Regelung verstoße ferner gegen den Grundsatz des Verbotes der Altersdiskriminierung, vgl. §§ 1;3; 7
Abs. 1 und 2 AGG, § 75 BetrVG. Durch das völlige Fehlen der Faktoren Alter und / oder
Betriebszugehörigkeit bei der Berechnung der Abfindungshöhe würden jüngere Mitarbeiter mit
typischerweise kürzeren Betriebszugehörigkeitszeiten gegenüber älteren Arbeitnehmern bessergestellt oder
umgekehrt die älteren Mitarbeiter im Vergleich zu diesen schlechter gestellt. Ein Rechtfertigungsgrund
hierfür bestehe nicht.
21 Bei der Berechnung der Forderung, die aus der Ungleichbehandlung resultiere, sei die Gesamtdotierung der
Sozialpläne ins Verhältnis zu setzen mit Alter und Betriebszugehörigkeit des Durchschnitts der
Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Faktoren bei der Klägerin (vgl. im Einzelnen Berechnung Abl. 4 ff.,
Klage vom 18.05.2016), wonach sich eine weitergehende Abfindung in Höhe von 28.801,42 Euro zu
Gunsten der Klägerin ergebe. Hilfsweise sei jedenfalls festzustellen, dass die abgeschlossenen
Betriebsvereinbarungen unwirksam seien und nach neuen Verteilungsgrundsätzen verhandelt werden
müssen.
22 Der Klägerin beantragt zuletzt:
23
1. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 28.801,42 EUR (brutto), als weitere
Abfindung über die im Sozialplan vorn 23.02.2016, bzw. der freiwilligen BV vom
23.02.2016 zu beanspruchenden Abfindungen hinaus zu bezahlen.
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2. Es wird festgestellt, dass die weitere Abfindung (Ziff.1) am 25.02.2016 entstanden und
sofort vererblich ist.
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hilfsweise:
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3. Es wird festgestellt, dass der Sozialplan zwischen der Beklagten und deren Betriebsrat
vom 23.02.2016 in Ziff.2.1. unwirksam ist und nach neuen Verteilungsgrundsätzen
verhandelt werden muss.
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4. Es wird festgestellt, dass die freiwillige Betriebsvereinbarung zwischen der Beklagten
und deren Betriebsrat vom 23.02.2016 in Ziff.2.2. unwirksam ist und nach neuen
Verteilungsgrundsätzen verhandelt werden muss.
28 Die Beklagte beantragt:
29
Klagabweisung.
30 Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass beide unter dem Datum vom 23.02.2016 abgeschlossenen
Sozialpläne weder altersdiskriminierend noch gegen den betriebsverfassungsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz verstießen. Ziel des neuen Sozialplanes sei es gewesen, die aufgrund der
neuen Maßnahme entlassenen Mitarbeiter ähnlich zu behandeln wie die Mitarbeiter, die unter den
Insolvenzsozialplan fielen. Die Klägerin werde im Übrigen mit dem jetzigen Sozialplan deutlich besser
gestellt als die seinerzeit im Rahmen der Insolvenz der Rechtsvorgängerin entlassenen Mitarbeiter. Es
bestünde im Hinblick auf den Insolvenzsozialplan eine Unsicherheit, ob und inwieweit es überhaupt zu einer
Auszahlung kommt. Es liege schließlich keine Einheitsabfindung vor, was sich bereits daran zeige, dass der
Sozialplan von der Höhe an das individuelle zu berechnende Bruttomonatsgehalt anknüpfe und eine
Deckelung der Höhe des zu bestimmenden Bruttomonatsgehalts nach unten bzw. oben stattfinde.
31 Es liege im Übrigen eine Neugründung im Sinne des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG vor, so dass die
Ermessenskriterien nach § 112 Abs. 5 BetrVG, die ohnehin nur für die Einigungsstelle gelten, keine
Anwendung finden. Bei der Frage einer Neugründung im Sinne des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG sei auf das
Unternehmen und nicht auf den Betrieb abzustellen. Es liege auch kein Rechtsmissbrauch vor. Hierfür
müssten auch nach der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.6.2006 (1
ABR 18/05) hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte im Jahr 2014 den Betrieb vor
allem in der Absicht übernommen hatte, ihn umgehend stillzulegen (Stichwort; Stilllegungs-GmbH, vgl. BAG
13.6.1989, 1 ABR 14/88), um auf diese Weise den Insolvenzverwalter von der bestehenden Sozialplanpflicht
zu entlasten. Dies liege nicht vor, was sich bereits aus dem Erwerberkonzept ergebe. Der dann einfachere
Weg, dass der Insolvenzverwalter den gesamten Betrieb schließt und alle Mitarbeiter entlässt, wurde gerade
nicht gewählt.
32 Selbst bei unterstellter Nichtanwendbarkeit der Vorschrift des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG ergebe sich kein
anderes Bild. Es könne nicht angenommen werden - und dies wurde außerhalb einer Einigungsstelle auch
bisher noch nie höchstrichterlich angenommen - dass die Betriebsparteien nach Alter bzw.
Betriebszugehörigkeit differenzieren müssen. Soweit die Klägerseite auf die Vorschrift des § 10 Nr. 6 AGG
abstelle, spreche die Systematik der Vorschrift als Rechtfertigungsgrund (d.h. grundsätzlich sei eben eine
Differenzierung nach dem Alter untersagt) gerade dagegen, dass eine Differenzierung vorgenommen
werden müsse.
33 Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die
Verhandlungsprotokolle verwiesen, vgl. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 313 Abs. 2 S. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
34 Die Klage ist bezüglich Klagantrag Ziffer 2 unzulässig, im Übrigen sowohl im Hauptantrag als auch bezüglich
der Hilfsanträge unbegründet. Im Einzelnen:
I.
35 Der Antrag der Klägerin auf Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von 28.801,42 EUR (brutto) ist
unbegründet.
36 1. Der unter dem Datum vom 23.02.2016 abgeschlossene Sozialplan, der eine Zahlung von 5
Bruttomonatsgehältern unabhängig von Alter und Betriebszugehörigkeit vorsieht, ist rechtswirksam,
insbesondere liegt weder eine unzulässige Altersdiskriminierung noch ein Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz vor, mithin scheidet eine „Anpassung nach oben“ und damit eine weitere
Zahlung über die im Sozialplan geregelte Abfindung aus (zur „Angleichung nach oben“ vgl. nur etwa
Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Auflage, § 7 AGG Rz. 8 m.w.N.).
37 a) Die Regelung unter Ziffer 2.1 des Sozialplanes vom 23.02.2016 begründet weder eine unmittelbare noch
eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne des § 3 Abs. 1, Abs. 2 AGG.
38 aa) Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Um eine unmittelbare Benachteiligung
handelt es sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes
eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt,
erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 AGG gegeben, wenn
dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG
genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Anderes gilt
dann, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich
gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sind, um das Ziel zu erreichen. Sind diese
Voraussetzungen erfüllt, handelt es sich schon tatbestandlich nicht um eine Benachteiligung iSv. § 7 Abs. 1
AGG (vgl. etwa BAG vom 23. April 2013 - 1 AZR 916/11 - Rn. 15; vgl. auch BAG vom 18.09.2014 - 6 AZR
636/13).
39 bb) Eine unmittelbare Altersdiskriminierung scheidet mithin von vornherein aus. Nach der Regelung des
Sozialplanes sollen alle Mitarbeiter fünf bzw. im Falle der Schwerbehinderung 6 Bruttomonatsgehälter der
Abfindung erhalten, nach dem Alter der Mitarbeiter wird gerade als Anknüpfungspunkt nicht differenziert.
Das Alter ist für die begünstigende Norm gerade nicht Anspruchsvoraussetzung.
40 Aber auch eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters (vgl. § 3 Abs. 2 AGG) liegt nicht vor. Eine
mittelbare Diskriminierung ist dadurch gekennzeichnet, dass die nachteilige Maßnahme nicht an ein
Merkmal nach § 1 AGG anknüpft, sondern an Kriterien, die auch grundsätzlich von „Nicht-
Merkmalsträgern“ erfüllt werden können. Der Maßnahme muss eine allgemeine Regel zu Grunde liegen.
Eine Benachteiligung ist mittelbar merkmalsbedingt, wenn als Differenzierungskriterium, das die
nachteiligen Folgen herbeiführt, zwar nicht unmittelbar die Zugehörigkeit zur geschützten Gruppe dient,
wohl aber solche Merkmale, die v. Gruppenmitgliedern erheblich häufiger als von anderen Personen erfüllt
werden. In diesem Falle ist wegen der typischerweise überwiegenden gruppenangehörigen Personen
treffenden nachteiligen Wirkung zu vermuten, dass gerade die Gruppenzugehörigkeit maßgebliche Ursache
der Benachteiligung war (vgl. nur etwa EuGH vom 07.06.2012, NZA 2012, 742;vgl. auch BAG vom
06.10.2011, NZA 2011, 1431).
41 Die Regelung in Ziffer 2.1 des Sozialplanes stellt gerade nicht bestimmte Anspruchskriterien auf, die von
älteren Mitarbeitern typischerweise nicht erfüllt werden können, denn alle Arbeitnehmer erhalten die
entsprechende Abfindung von 5 bzw. 6 Bruttomonatsgehältern. Ältere Mitarbeiter werden in diesem Sinne
nicht ungleich behandelt. Die Klägerseite stellt vielmehr darauf ab, dass ältere Mitarbeiter im Hinblick auf
die Funktion eines Sozialplanes eine höhere Abfindung erhalten müssten als jüngere Mitarbeiter. Dies ist
aber keine Frage einer Altersdiskriminierung, sondern die Frage eines etwaigen Verstoßes gegen den
Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne des § 75 BetrVG (hierzu sogleich unter I 1. b der Gründe).
42 b) Die Regelung in Ziffer 2.1 des Sozialplanes verstößt nicht gegen § 75 BetrVG unter Zugrundelegung
(auch) der Zwecke eines Sozialplanes. Im vorliegenden Fall liegt eine Neugründung im Sinne des § 112 a
Abs. 2 S. 1 BetrVG dar, was zur Folge hat, dass die Ermessenskriterien des § 112 Abs. 5 BetrVG weder
mittelbar noch unmittelbar übertragen werden können und die hier konkret geregelten
Abfindungsmodalitäten nicht zu beanstanden sind. Die erkennende Kammer geht im Übrigen selbst bei
unterstellter Nichtanwendbarkeit der Vorschrift des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG von einer Rechtswirksamkeit
der Regelung aus.
43 aa) Ein Sozialplan dient gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG dem Ausgleich bzw. der Milderung wirtschaftlicher
Nachteile, die dem Arbeitnehmer infolge einer Betriebsänderung entstehen. Neben der Funktion eines
Ausgleiches für den Verlust des Arbeitsplatzes steht die (zukunftsbezogene) Funktion einer
Überbrückungshilfe bis zu einem neuen Arbeitsplatz bzw. dem Bezug des gesetzlichen Altersruhegeldes im
Vordergrund (Überleitungs- und Vorsorgefunktion, vgl. etwa BAG vom 11.11.2008, NZA 2009, 210).
44 Die Betriebsparteien haben bei Betriebsvereinbarungen § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Der dort
geregelte und auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende
betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von
Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung
auszuschließen. Sind in einer Betriebsvereinbarung für verschiedene Arbeitnehmergruppen
unterschiedliche Leistungen vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Differenzierung sachlich
gerechtfertigt ist. Maßgeblich hierfür ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Dieser ergibt sich
vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die
Leistung abhängig gemacht wird. Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der
Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen
Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher
Art und solchem Gewicht bestehen, dass diese die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. zum
Ganzen etwa BAG vom 8. Dezember 2015 - 1 AZR 595/14 - Rn. 20 mwN; vgl. auch BAG vom 26.04.2016 -
1 AZR 435/14).
45 Im Bereich des § 112 Abs. 5 BetrVG ist davon auszugehen, dass die Einigungsstelle den vorgegebenen
Ermessensrahmen überschreitet, wenn sie für alle von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer
ohne Unterschied Abfindungen festsetzt, deren Höhe sich allein nach dem Monatseinkommen und der
Dauer der Betriebszugehörigkeit bemisst (vgl. nur BAG vom 14.09.1994 - 10 ABR 7/94). Im Übrigen wird
teilweise auch bei einvernehmlicher Regelung der Betriebsparteien die Zahlung einer Einheitsabfindung,
z.B. 10.000,00 Euro für jeden Mitarbeiter, als Verstoß gegen § 75 BetrVG gewertet mit dem Argument,
„Ungleiches müsse seiner Eigenart auch differenziert behandelt werden“ (vgl. nur Erfurter Kommentar zum
Arbeitsrecht, 16. Auflage, § 112 a BetrVG Rz. 26).
46 bb) Es liegt eine Neugründung im Sinne des § 112 a Abs 2 S. 1 BetrVG vor, die es verbietet, den Umstand,
dass die Beklagte im Rahmen des abgeschlossenen Sozialplanes weder für die Abfindungshöhe an das Alter
noch an die Betriebszugehörigkeit anknüpft, als Verstoß gegen § 75 BetrVG zu werten.
47 (1) Für die gesetzliche Ausnahme von der Sozialplanpflicht kommt es nicht auf das Alter des Betriebs,
sondern auf das des Unternehmens an. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. nur etwa BAG vom
27.06.2006 - 1 ABR 18/05 mit umfassenden Nachweisen zum Meinungsstand).
48 Nach Wortlaut und Syntax von § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist der für die Ausnahme von der
Sozialplanpflicht entscheidende Umstand das Alter des Unternehmens, nicht das des Betriebs. Sonst dürfte
es nicht heißen, es würden Betriebe eines Unternehmens in den ersten vier Jahren nach “seiner”
Gründung, sondern es müsste heißen, sie würden in den ersten vier Jahren nach “ihrer” Gründung vom
Anwendungsbereich des § 112 Abs. 4 BetrVG bzw. Abs. 5 ausgenommen (vgl. BAG vom 13. Juni 1989 - 1
ABR 14/88 - BAGE 62, 108, zu B 3 a der Gründe) . Dem entsprechen Sinn und Zweck der Regelung. Mit ihr
geht es dem Gesetzgeber um die Schaffung zusätzlicher Beschäftigungsmöglichkeiten (vgl. Entwurf der
Bundesregierung zum BeschFG 1985 vom 11. Oktober 1984 BT-Drucks. 10/2102 S. 14 zu A I). Dazu sollen
im Betrieb eines neu gegründeten Unternehmens Betriebsänderungen durchgeführt werden können, ohne
dass ein Sozialplan über die Einigungsstelle erzwungen werden kann. Das soll Unternehmen die schwierige
Anfangsphase des Aufbaus erleichtern. Nach der Gesetzesbegründung knüpft die Ausnahmeregelung
ausdrücklich an die Gründung des Unternehmens, nicht an die des Betriebs an. Dementsprechend sind
länger als vier Jahre bestehende Unternehmen auch dann nicht privilegiert, wenn sie neue Betriebe
errichten (BT-Drucks. 10/2102 S. 28) . Das Gesetz will zum Engagement in neue Unternehmen ermutigen,
indem das mit einem Misserfolg verbundene Sozialplanrisiko aufgehoben wird. Der Gesetzgeber hat sich
eine Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten ersichtlich schon mit der finanziellen Entlastung neu
gegründeter Unternehmen - etwa bei der Übernahme älterer, aber notleidender Betriebe - und nicht erst
dadurch versprochen, dass mit dieser Gründung unmittelbar die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch
Errichtung von Betrieben verbunden ist (vgl. BAG vom 13. Juni 1989 - 1 ABR 14/88 der Gründe).
49 Einem Abstellen auf das Alter des Unternehmens stehen auch europarechtliche Vorgaben nicht entgegen,
insbesondere besteht kein Wertungswiderspruch zu der Regelung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB bzw. der
Richtlinie Art. 3 Nr. 1 Abs. 1 EGRL 23/2001, da diese Regelungen nur individualrechtliche Pflichten des
Veräußerers erfasst, zu diesen indes die mögliche Pflicht zum Abschluss eines Sozialplanes mit dem
Betriebsrat nicht gehört (vgl. nur BAG vom 27.06.2005, a.a.O Rz. 25 ff.).
50 Die Berufung der Arbeitgeberin auf die Ausnahme von der Sozialplanpflicht bzw. die Nichtgeltung des § 112
Abs. 5 BetrVG kann rechtsmissbräuchlich sein. Dies kann der Fall sein, wenn ein Betrieb in der Weise
stillgelegt wird, dass er zunächst auf ein neu gegründetes Unternehmen übertragen wird und dann von
diesem aufgelöst wird (vgl. nur BAG vom 13.06.1989 - 1 ABR 14/88).
51 (2) Die Beklagte ist im Jahre 2014 gegründet worden, mithin wurde der hier streitgegenständliche
Sozialplan innerhalb der vier Jahresfrist abgeschlossen. Dass der übernommene Betrieb bereits länger
bestand, ist, siehe oben, unerheblich.
52 Ein Rechtsmissbrauch liegt nicht vor. Zwar ist der Klägerseite zuzugeben, dass im Jahre 2014 im Zuge der
Übernahme des Betriebes durch die Beklagte bereits ein Entschluss vorlag, dokumentiert auch durch den
abgeschlossenen Interessenausgleich sowohl aus dem Jahre 2014 als auch vom 23.02.2016, den Betrieb
spätestens nach 18 Monaten zum 31.03.2016 zu schließen. Zu beachten ist indes, dass jedenfalls eine
Absicht, den Betrieb umgehend zu schließen ohne unternehmerische Aktivitäten zu entfalten bzw. andere
Ziele als eine Entlastung des Insolvenzverwalters zu verfolgen, nicht erkennbar sind. Die Beklagte
beabsichtigte gerade den Betrieb für einen relevanten Zeitraum fortzuführen. Ferner war auch eine über
den 31.03.2016 hinausgehende Fortführung eines Modulcenters mit 20 Arbeitnehmer beabsichtigt. Zudem
wurde ja gerade ein Insolvenzsozialplan abgeschlossen, von einer beabsichtigten Umgehung der
Sozialplanpflicht kann gerade keine Rede sein. Dass die Beklagte im Übrigen ja gerade gewillt war,
ihrerseits einen Sozialplan abzuschließen, wird gerade ja durch den am 23.02.2016 abgeschlossenen
Sozialplan bestätigt. Dieser Sichtweise steht - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch der
Gesetzeszweck der Vorschrift nicht entgegen. Der Gesetzgeber bezweckt mit der Regelung die Schaffung
zusätzlicher Beschäftigungsmöglichkeiten. Es ist nicht ersichtlich, dass diese von vornherein auf Dauer
angelegt sein müssen. Jedenfalls dann, wenn - wie hier - als Alternative die Schließung des kompletten
Betriebes im Raum stand, ist von einer relevanten - wenn auch zeitlich eingeschränkten -
Betriebsfortführung auszugehen, die kein Rechtsmissbrauch darstellt.
53 Die Anwendung des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG ist schließlich nicht über § 112 a Abs. 2 S. 2 BetrVG
ausgeschlossen.
54 Nach dieser Bestimmung gilt die Privilegierung neu gegründeter Unternehmen nicht für Neugründungen,
die im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen entstehen.
In diesen Fällen besteht angesichts des Regelungszwecks des Satzes 1 keine Veranlassung für eine
Ausnahme von der generellen Sozialplanpflicht. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs gehören zu
solchen Neugründungen beispielsweise die Verschmelzung bestehender auf ein neu gegründetes
Unternehmen, die Auflösung eines bestehenden Unternehmens unter Übertragung seines Vermögens auf
ein neu gegründetes Unternehmen, die Aufspaltung eines Unternehmens auf mehrere neu gegründete
Unternehmen und die Abspaltung von Teilen bestehender Unternehmen auf neu gegründete
Tochtergesellschaften (BT-Drucks 10/2102 S. 28).
55 Es ist nicht ersichtlich bzw. von der Klägerseite vorgetragen, dass die Beklagte gegründet wurde, um
anschließend einen von einem Mutter-, Schwester- oder Tochterunternehmen bereits geführten Betrieb zu
übernehmen und damit schon bestehende unternehmerische Aktivitäten der eigenen Unternehmensgruppe
nur innerhalb neuer rechtlicher Strukturen fortzusetzen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten stand
offensichtlich nicht in einem „Konzernverhältnis“ zur Beklagten bzw. zum Unternehmen mit Sitz in
Tschechien.
56 cc) Da § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG Anwendung findet, findet die Vorschrift des § 112 Abs. 5 BetrVG, die
jedenfalls für die Einigungsstelle bestimmte Ermessenskriterien aufstellt, insbesondere die Berücksichtigung
der Gegebenheiten des Einzelfalles bei dem Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile (Nr.
1) bzw. die Berücksichtigung der Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt (Nr. 2),
keine Anwendung. Die hat im Ergebnis zur Folge, dass ein Abstellen auf das Alter bzw. die
Betriebszugehörigkeit, nicht verlangt werden kann bzw. eine Nichtberücksichtigung nicht als Verstoß gegen
§ 75 BetrVG gewertet werden kann. Andernfalls würde, würde man die Berücksichtigung des Einzelfalles
auch im Anwendungsbereich der Privilegierung des § 112a Abs. 2 S. 1 BetrVG verlangen, ein
Wertungswiderspruch entstehen: Wenn schon im Bereich der Einigungsstelle keine Bindung an die
entsprechenden Ermessenskriterien angenommen werden kann, hat dies erst Recht für eine
einvernehmliche Regelung der Betriebsparteien zu gelten. Insoweit überzeugt auch der Vortrag der
Klägerin nicht, wonach zwar die Beklagte im Falle der unterstellten Anwendbarkeit des § 112 a Abs. 2 S. 1
BetrVG bezüglich des „Ob“ des Abschlusses eines Sozialplanes frei sei, nicht jedoch bezüglich des „Wie“.
Die Vorschrift schließt sowohl die Anwendbarkeit des § 112 Abs. 4 BetrVG und damit die Erzwingbarkeit
des Sozialplanes und damit das „Ob“ aus als auch den § 112 Abs. 5 BetrVG (Ermessenskriterien) und damit
das „Wie“.
57 Im Übrigen ist zu konstatieren, dass eine klassische Einheitsabfindung gerade nicht vorliegt und durchaus
dabei individuelle Umstände berücksichtigt sind. Der Sozialplan knüpft an das Bruttomonatsgehalt an,
welches naturgemäß bei den betroffenen Arbeitnehmern variiert und unterschiedlich ausfällt. Bezüglich des
heranzuziehenden Bruttomonatsgehalts findet eine Deckelung sowohl nach unten als auch nach oben
statt, wenn Ziffer 2.1 des Sozialplanes regelt, dass bei der Höhe des Bruttomonatsgehaltes in jedem Fall ein
Betrag von 2.500,00 Euro bzw. nach oben maximal 6.200,00 Euro zu Grunde zu legen ist. Mit der
vorgesehenen Erhöhung der Abfindung bei Schwerbehinderten wird zumindest in diesem Fall die
typischerweise schwierigeren Arbeitsmarktchancen der Betroffenen berücksichtigt.
58 Es ist ferner zu konstatieren, dass die getroffenen Sozialplanregelung nach Überzeugung der Kammer (auch
ohne eine durchgeführte Beweisaufnahme der beklagtenseits benannten Personalleiterin der
Rechtsvorgängerin, die Klägerin hat diesen Vortrag der Beklagten pauschal mit Nichtwissen bestritten)
offensichtlich eine Gleichstellung mit denjenigen Mitarbeitern bezweckte, die unter den Insolvenzsozialplan
aus dem Jahre 2014 fallen. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem beklagtenseits vorgelegten Entwurf zum
Sozialplan nebst Kommentierung und der vorgelegten E-Mail vom 04.02.2016, die explizit den Umstand
erwähnt, dass - anders als im Sozialplan 2014 - eine Transfergesellschaft nicht eingerichtet wurde. Der
Entwurf erwähnt im Rahmen der Kommentierung ausdrücklich eine Berechnungsmodalität zur Ermittlung
in etwa einer Abfindung, die der Nettovergütung im Rahmen der damaligen Beschäftigungsgesellschaft
entspricht. Diese Überlegung hat schließlich dann auch mit der Festlegung einer Abfindung in Höhe von fünf
bzw. 6 Bruttomonatsgehältern im Rahmen des abgeschlossenen Sozialplanes Einklang gefunden.
59 Von einem Verstoß gegen § 75 BetrVG kann mithin nach alledem nicht ausgegangen werden.
60 c) Es muss im Ergebnis im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht abschließend
entschieden werden, ob auch bei unterstellter Nichtanwendbarkeit der Vorschrift die vorgesehene
Sozialplanabfindung mit § 75 BetrVG vereinbar ist. Die Kammer bejaht dies indes auch für diesen Fall. In
diesem Zusammenhang ist auf Folgendes hinzuweisen:
61 Richtig dürfte sein, dass aus dem Zweck eines Sozialplanes und der Wertung der Vorschrift des § 112 Abs. 5
BetrVG, der auch ein Rechtsgedanke für die einvernehmliche Regelung zwischen den Betriebsparteien zu
entnehmen ist (vgl. nur etwa BAG vom 08.12.2015 - 1 AZR 595/14 unter Rz. 24 der Gründe), jedenfalls in
der Regel ein Verbot einer völligen Pauschalierung zu entnehmen ist (vgl. auch BT-Drs. 10/2102, S. 17),
allerdings sind durchaus auch Pauschalierungen möglich, die nach der Gesetzesbegründung gerade nicht
generell untersagt werden sollen (BT-Drs. 10/2102, S. 17:
„(..) Die Einigungsstelle soll sich nämlich nur in
der Regel an die Gegebenheiten des Einzelfalles orientieren. Auch nach der Neuregelung kann die
Einigungsstelle, soweit beispielsweise die Abwicklung des Sozialplanes wesentlich erschwert oder verzögert
wird, Pauschalen festsetzen“). Dem § 75 BetrVG kann dabei wohl nicht entnommen werden, dass gerade
nach dem Alter differenziert werden muss. Dies zeigt im Ergebnis gerade auch § 10 Nr. 6 AGG, der einen
Rechtfertigungstatbestand darstellt. Wenn grundsätzlich eine Differenzierung nach dem Alter unzulässig ist
(soweit keine spezifische Regelung existiert), dann kann auch der Umstand, dass die Betriebsparteien von
vornherein nicht nach dem Alter differenzieren wollen, keinen Verstoß gegen § 75 BetrVG begründen. Dies
statuiert im Übrigen auch die Vorschrift des § 112 Abs. 5 BetrVG nicht (anders als etwa § 1 Abs. 3 KSchG im
Rahmen der Sozialauswahl) nicht.
62 Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass jedenfalls der Umstand der Erhöhung der Abfindung bei einer
Schwerbehinderung und ein Anknüpfen an das Bruttomonatsgehalt, das naturgemäß ebenfalls schwankt
und im Übrigen wohl tendenziell bei längerer Beschäftigungsdauer ansteigt, sowie eine betragsmäßige
Deckelung nach unten und oben, eine hinreichende Differenzierung darstellt, die (noch) mit § 75 BetrVG im
Einklang steht.
63 Nach alledem war der Hauptantrag Ziffer 1 abzuweisen.
64 2. Auch die Regelung in der freiwilligen Betriebsvereinbarung vom 23.02.2016, die für den Fall der
Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage eine Zusatzabfindung in Höhe von 125 % eines
Bruttomonatsgehaltes vorsieht, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Bezüglich der Frage einer
Altersdiskriminierung bzw. eines Verstoßes gegen § 75 BetrVG wird auf obige Ausführungen verwiesen.
Ergänzend ist hervorzuheben, dass eine Zusatzabfindung wegen Nichterhebung einer
Kündigungsschutzklage nicht den Zweck einer Überbrückungsfunktion hat sondern einem
„Bereinigungsinteresse“ dient, sie ist auch als Pauschalbetrag anerkannt, soweit - wie hier - (die Abfindung
bildet im Vergleich zur vorgesehenen Gesamtabfindung aus dem anderweitigen Sozialplan den deutlich
geringeren Teil) nicht das Verbot umgangen wird, Sozialplanleistungen von einem solchen Verzicht abhängig
zu machen (vgl. nur BAG vom 31.05.2005, NZA 2005, S. 997).
II.
65 Der Hauptantrag auf Feststellung, dass die (weitere) begehrte Abfindung bereits entstanden und vererblich
gestellt ist, ist unzulässig. Es fehlt bereits an einem Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Unabhängig von
der Frage, ob überhaupt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vorliegt, ist festzustellen, dass das
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bereits beendet ist, mithin nicht erkennbar ist, dass (noch) ein
Interesse an der Feststellung der Entstehung des Anspruches nebst Feststellung der Vererblichkeit neben
der Geltendmachung der Leistungsklage besteht.
III.
66 Die im Hinblick auf die Abweisung der Hauptanträge zur Entscheidung angefallenen Hilfsanträge sind
unbegründet. Da die abgeschlossenen Sozialplanregelungen rechtswirksam sind, scheidet eine Feststellung
der Rechtsunwirksamkeit und Feststellung, dass diese nach neuen Verteilungsgrundsätzen zu verhandeln
sind, aus.
IV.
67 Die Klägerin trägt als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits, vgl. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 91 ZPO.
V.
68 Der Urteilsstreitwert (vgl. § 61 Abs. 1 S. 1 ArbGG) war auf 48.801,42 Euro festzusetzen, wobei bezüglich
Klageziffer 1 der Nennbetrag der Forderung und bezüglich Klagziffer 2 5.000,00 Euro, Klagziffer 3 10.000,00
Euro und bezüglich Klagziffer 4 5.000,00 Euro angesetzt wurde.
VI.
69 Die bereits kraft Gesetzes im Hinblick auf den Beschwerdewert zulässige Berufung (vgl. § 64 Abs. 2 b
ArbGG) war gesondert wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (vgl. § 64 Abs. 2a, Abs. 3 Nr. 1
ArbGG). Die hier in Rede stehende Rechtsfrage der Vereinbarungsmöglichkeit (jedenfalls teilweise) einer
pauschalieren Abfindung in einem Sozialplan erscheint klärungsbedürftig.