Urteil des ArbG Stuttgart vom 02.07.2014

feuerwehr, vergütung, brandbekämpfung, mitgliedschaft

ArbG Stuttgart Urteil vom 2.7.2014, 11 Ca 291/14
Eingruppierung eines Gerätewartes der Feuerwehr
Leitsätze
1. Der Gerätewart einer Kommune ist kein Angestellter im kommunalen
feuerwehrtechnischen Dienst im Sinne des Tarifvertrages zur Änderung und
Ergänzung der Anlage 1a zum BAT, was sich bereits aus der Protokollerklärung zu
Satz 1 Nr. 5 SR 2x BAT ergibt.
2. Nimmt der Gerätewart als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr an Einsätzen zum
Beispiel zur Brandbekämpfung teil, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Denn der
Einsatzdienst beruht auf der Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr in Verbindung
mit den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften (hier: Feuerwehrgesetz des
Landes Baden-Württemberg). Zur unmittelbaren Brandbekämpfung kann der
Gerätewart nicht aufgrund des arbeitgeberseitigen Weisungsrechtes herangezogen
werden. Er ist vielmehr von seinen Arbeitspflichten als Gerätewart während eines
Einsatzes freizustellen.
3. Deswegen besteht auch kein Anspruch auf Zahlung einer einsatzbezogenen
Feuerwehrzulage nach § 46 Nr. 2 Abs. 2 TVöD-VKA.
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 9.729,50 EUR.
4.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung des Klägers und die
Gewährung einer Zulage.
2 Der Kläger ist für die beklagte Stadt seit dem 18.08.1969 als Gerätewart tätig. Nach
§ 2 des Arbeitsvertrages (ABl. 12) finden auf das Arbeitsverhältnis die dort
genannten Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sowie diese ganz oder teilweise
ersetzende Tarifverträge Anwendung. Nach Überleitung in die entsprechende
Entgeltgruppe des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes (TVöD) zum
01.10.2005 gewährte die Beklagte dem Kläger zuletzt eine Vergütung nach der
Entgeltgruppe 6 TVöD, Stufe 6.
3 Der Kläger ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und wird als
Maschinist/Fahrzeugführer zu Einsätzen bei Bränden, Beseitigung von Ölspuren,
Türöffnungen usw. herangezogen. Im Jahre 2012 kam es zu 25 Einsätzen
während der Arbeitszeit des Klägers im Umfang von 17,5 Stunden, was 1,28 % der
Produktivstunden entspricht. Hierfür wird der Kläger von seiner Tätigkeit als
Gerätewart von der Beklagten freigestellt und entsprechend der Satzung über die
Entschädigung der ehrenamtlich Tätigen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr
gesondert „vergütet“.
4 Am 03.08.2011 beantragte der Kläger die Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 8
TVöD, Stufe 6. Daraufhin wurde die Stellenbeschreibung
(Arbeitsplatzbeschreibung) vom 23.02.2012 erstellt (ABl. 16 bis 19). Mit Schreiben
vom 13.03.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Höhergruppierung ab (ABl. 20
bis 23).
5 Mit der am 15.11.2013 bei Gericht eingereichten Klage verfolgt der Kläger
Vergütungsansprüche für die Zeit von August 2011 bis Oktober 2013 nach der
Entgeltgruppe 8 TVöD, Stufe 6, sowie eine monatliche Feuerwehrzulage für den
selben Zeitraum.
6 Der Kläger trägt vor und vertritt die Ansicht, sowohl nach der
Arbeitsplatzbeschreibung vom 23.02.2012 als auch nach der früheren vom
19./20.06.1991 (ABl. 75 bis 77) versehe er zu einem Zeitanteil von 5 % bzw. 10 %
Einsatzdienst während der Arbeitszeit bzw. Einsatz als Brandmeister. Tatsächlich
befinde er sich zu 100 % in Einsatzbereitschaft. Deswegen sei seine Tätigkeit die
eines Angestellten im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst, woraus sich die
Eingruppierung in die Vergütungsgruppe Vc nach § 2 des insoweit mit Wirkung
zum 01.09.1994 in Kraft getretenen Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1a
zum BAT (Angestellte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst) rechtfertige,
was der Entgeltgruppe 8 TVöD entspreche. Insofern könne nicht zwischen seiner
hauptberuflichen Tätigkeit als Gerätewart und der ehrenamtlichen Tätigkeit kraft
Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr unterschieden werden. Davon gehe
auch nicht die Beklagte aus, die sich am 26.03.2009 das Recht angemaßt habe,
den Kläger abzumahnen, weil es zu seinen Dienstpflichten gehöre, bei Bedarf im
Einsatzfall auch nachts zur Verfügung zu stehen (Ankündigung einer Abmahnung
= ABl. 42, 43). Die Übernahme der Beschäftigungsverhältnisse der hauptamtlichen
Gerätewarte, die bei Einsätzen ehrenamtlich als Mitglied der Freiwilligen
Feuerwehr tätig werden, in den kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst
entspreche auch der Handhabe beispielsweise der Stadt Schwäbisch Gmünd
(Beschlussvorlage vom 22.04.2010 = ABl. 55 bis 57).
7 Nähme aber der Kläger als Beschäftigter des feuerwehrtechnischen Dienstes an
Einsätzen teil, schulde die Beklagte auch die Feuerwehrzulage nach § 46 Nr. 2
TVöD-VKA.
8
Der Kläger beantragt,
9
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 6.290,24 brutto, nebst
Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, an den Kläger zu bezahlen.
10
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 3.439,26 brutto, nebst
Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, an den Kläger zu bezahlen.
11
Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13 Die Beklagte trägt vor und vertritt die Ansicht, der Kläger könne weder eine höhere
Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 TVöD noch die einsatzbezogene
Feuerwehrzulage verlangen. In Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten
werde der Kläger zu 95 % seiner Arbeitszeit als Gerätewart tätig. Darüber
hinausgehende Einsätze leiste der Kläger nicht in Erfüllung seiner
arbeitsvertraglichen Pflichten, sondern als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr.
Dafür werde er von der Arbeitspflicht freigestellt und erhalte eine gesonderte
Entschädigung. Die Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr könne durch den
Arbeitsvertrag nicht erzwungen werden, der Kläger könne sie auch beenden. Die
zeitlich überwiegende Tätigkeit als Gerätewart unterfalle nicht dem
feuerwehrtechnischen Dienst. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass der
Kläger gegebenenfalls auch nachts zur Verfügung stehen müsse, beispielsweise,
wenn die Freiwillige Feuerwehr einen materialintensiven Feuerwehreinsatz habe.
Aus der Entscheidung einer anderen Kommune, die „Zweiteilung“ zwischen
hauptberuflicher und ehrenamtlicher Tätigkeit tarifrechtlich aufzulösen, könne der
Kläger nichts für sich herleiten. Sie binde die Beklagte nicht.
14 Schon gar nicht stehe dem Kläger die einsatzbezogene Feuerwehrzulage für die
Brandbekämpfung vor Ort zu. Weder zähle seine Tätigkeit zum kommunalen
feuerwehrtechnischen Dienst noch werde er bei etwaigen Einsätzen aufgrund des
Arbeitsvertrages tätig.
15 Der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wegen wird auf die gewechselten
Schriftsätze, die bezeichneten Anlagen, sowie auf die Sitzungsniederschrift vom
02.07.2014 (ABl. 79 ff) Bezug genommen, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Entscheidungsgründe
16 Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
A
17 Der Kläger kann keine Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 TVöD Stufe 6
beanspruchen (I.). Dem Kläger steht auch keine monatliche Feuerwehrzulage für
Beschäftigte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst im Einsatzdienst zu
(II.).
I.
18 Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Differenz der Vergütung nach der
Entgeltgruppe 8 Stufe 6 TVöD zu der gewährten Vergütung nach der
Entgeltgruppe 6, Stufe 6 TVöD.
19 1. Die Eingruppierung des Klägers richtet sich unstreitig und jedenfalls aufgrund
arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach dem TVöD-VKA sowie dem Tarifvertrag zur
Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur
Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 (TVÜ-VKA). Nach § 17
Abs. 1 TVÜ-VKA gelten bis zum Inkrafttreten einer noch zu vereinbarenden
Entgeltordnung des TVöD u. a. die §§ 22, 23 des Bundes-Angestellten-
Tarifvertrages einschließlich der Vergütungsordnung über den 30. September
hinaus fort.
20 In der Anlage 1 zum TVÜ-VKA, in der die Zuordnung der bisherigen Vergütungs-
und Lohngruppen aus den früheren Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes zu
den neuen Entgeltgruppen des TVöD-VKA bestimmt wird, sind der vom Kläger
begehrten Entgeltgruppe 8 TVöD-VKA Tätigkeiten nach der bisherigen
Vergütungsgruppe Vc BAT zugeordnet.
21 Insofern beruft sich der Kläger auf den Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung
der Anlage 1a zum BAT (Angestellte im kommunalen feuerwehrtechnischen
Dienst), welcher zum 1. September 1994 in Kraft getreten ist. Danach sind nach
der Vergütungsgruppe Vc zu vergüten: Angestellte im kommunalen
feuerwehrtechnischen Dienst in der Tätigkeit von beamteten Oberbrandmeistern.
22 2. Die Frage nach der zutreffenden Eingruppierung beantwortet sich nach § 22
Abs. 2 BAT anhand der gesamten nicht nur vorübergehend auszuübenden
Tätigkeit. Diese entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe,
wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich
genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer
Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen (§ 22 Abs. 2 BAT.
23 Bei der Eingruppierungsfeststellungklage hat der Kläger diejenigen Tatsachen
vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, aus denen sich der von ihm
behauptete Anspruch auf Zahlung eines Entgelts oder einer Vergütung aus der in
Anspruch genommenen Entgelt- oder Vergütungsgruppe ergibt. Im Hinblick auf
das Erfordernis der überwiegend auszuübenden Tätigkeit gehört auch die Angabe
der jeweiligen Anteile der Tätigkeiten an der Gesamtarbeitszeit zur Schlüssigkeit
des klägerischen Vorbringens (zur Darlegungs- und Beweislast im
Eingruppierungsrechtsstreit z. B. BAG 12.05.2004 - 4 AZR 371/03 - AP Nr. 301 zu
§§ 22, 23 BAT 1975).
24 3. Bei Anwendung dieser Grundsätze steht dem Kläger eine Vergütung nach Vc
BAT bzw. nach der Entgeltgruppe 8 TVöD-VKA nicht zu.
25 a) Der Kläger gehört als Gerätewart nicht zum kommunalen feuerwehrtechnischen
Dienst im Sinne des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1a
zum BAT.
26 aa) Tarifverträge sind nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden
Regeln auszulegen. Ausgehend vom Tarifwortlaut ist der maßgebliche Sinn der
Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Erlaubt der
Tarifwortlaut kein abschließendes Ergebnis, ist der wirkliche Wille der
Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen
seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen
Gesamtzusammenhang, weil diese Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der
Tarifvertragsparteien liefert und oft nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm
ermittelt werden kann. Ergänzend können weitere Kriterien, wie die
Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische
Tarifübung herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer
Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen
Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen sachgerechten,
zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 20.01.2009 - 9
AZR 677/07 - Rz. 35, Juris; 21.07.1993 - 4 AZR 468/92 - zu B II 1 a aa der Gründe
BAGE 23, 364; 15.05.1994 - 4 AZR 327/93 - Rz. 45, Juris).
27 bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fordert der Begriff „im …
feuerwehrtechnischen Dienst“ inhaltlich eine Tätigkeit, die unmittelbar dem
Brandschutz dient. Mit der unmittelbaren Brandbekämpfung sind nicht nur die
Angestellten beschäftigt, die unmittelbar vor Ort ein Feuer bekämpfen, sondern
auch die, die bei der Bekämpfung von Bränden oder zur Beseitigung sonstiger
Notstände nur Hilfsdienste leisten und damit durch ihre Tätigkeit die eigentliche
Brandbekämpfung erst ermöglichen und unterstützen. Deswegen hat das
Bundesarbeitsgericht den Einsatzsachbearbeiter in einer Feuerwehr-Einsatz-
Leitstelle zu den Angestellten im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst
gezählt, weil der Begriff der technischen Angestellten nicht auf solche beschränkt
werden dürfe, die „unmittelbar am Gerät“ arbeiten (BAG 22.07.1998 - 4 AZR
662/97 - Juris Rz. 47; 06.08.1997 - 10 AZR 167/97 - Juris Rz. 32, 33; 22.03.1990 -
6 AZR 411/88 - Juris Rz. 37).
28 cc) Das ist bei einem Gerätewart nicht der Fall, wie sich bereits aus der
Protokollerklärung zu Satz 1 Nr. 5 SR 2x BAT ergibt:
29 Zu den Angestellten im Einsatzdienst rechnen nicht die nicht zum
feuerwehrtechnischen Dienst gehörenden Angestellten, wie z. B. Angestellte im
Verwaltungsdienst, im Telefondienst, im Krankentransportdienst, sowie die mit der
Wartung von Fahrzeugen und Geräten betrauten Angestellten.
30 Nach Auffassung und Willen der Tarifvertragsparteien zählt der dort genannte
Personenkreis nicht zum feuerwehrtechnischen Dienst, weil er gerade nicht mir
der unmittelbaren Brandbekämpfung betraut ist (BAG 22.07.1998 - 4 AZR 662/97
- aaO; 06.08.1997 - 10 AZR 167/97 - aaO; 22.03.1990 - 6 AZR 411/88 - aaO; LAG
Hamm 09.03.1989 - 17 Sa 1524/88 - Juris; Leitsatz zu einem Angestellten, der für
Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten in einer Kreisschlauchpflegerei angestellt
ist).
31 Auch der Kläger vertritt offensichtlich nicht die Auffassung, bezogen auf seine
Tätigkeit als Feuerwehrgerätewart stehe ihm die Vergütung nach der
Entgeltgruppe 8 TVöD-VKA zu (Schreiben vom 20.03.2012 = ABl. 24).
32 b) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, der Anspruch ergebe sich aus den
Einsatzdiensten, die er während der Arbeitszeit verrichte.
33 Auch wenn zugunsten des Klägers von einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung
zum Einsatzdienst ausgegangen wird, wie das der Kläger offensichtlich meint, so
ist nichts dafür vorgetragen, dass die Tätigkeit des Klägers als Gerätewart und die
damit zusammenhängenden sonstigen Aufgaben einerseits und der
Einsatzdienst, der unmittelbar der Brandbekämpfung dient, andererseits
zusammen einen einheitlichen Arbeitsvorgangbilden bilden.
34 aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein
Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung von Zusammenhangstätigkeiten und
bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach
tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu
bewertende Arbeitseinheit, der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden
Tätigkeit eines Angestellten. Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit
unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang
zusammengefasst werden (BAG 31.07.2002 - 4 AZR 129/01 - BAGE 102, 89;
29.11.2001 - 4 AZR736/00 - BAGE 100, 35; 08.09.1999 - 4 AZR 688/98 - NZA
2000, 378; BAG AP Nr. 226, 237, 257 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
35 bb) Vorliegend handelt es sich um tatsächlich trennbare Tätigkeiten. Denn die
Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit eines
Gerätewartes nicht zwingend voraussetzt oder zur Folge hat, dass Einsatzdienste
geleistet werden. Umgekehrt werden Einsatzdienste auch von Personen geleistet,
die nicht einmal in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten stehen. Für rechtlich
selbständig zu bewertende Arbeitseinheiten spricht auch, dass - wie festgestellt
und zwischen den Parteien auch nicht streitig - die Tätigkeit als Gerätewart nicht
dem kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst unterfällt. Schließlich geht auch
der Kläger davon aus, dass es sich um Tätigkeiten unterschiedlicher Wertigkeit
handelt. Denn er reklamiert nicht, die Tätigkeit eines Gerätewartes unterfalle der
Vergütungsgruppe Vc BAT.
36 cc) Aus der vom Kläger selbst zusammen mit seinem Vorgesetzten erarbeiteten
Stellenbeschreibung vom 23.02.2012 (ABl. 16 ff) ergibt sich indessen ein
Einsatzdienst während der Arbeitszeit mit einem Zeitanteil von 5 %. Aus der
Arbeitsplatzbeschreibung vom 19./20.06.1991 ergibt sich für den Einsatz als
Brandmeister eine Arbeitszeit von 10 %. Diese Werte liegen unter der Hälfte der
die Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge.
37 c) Auch wenn zugunsten des Klägers hinsichtlich der Zeitanteile nicht auf den
Einsatzdienst, sondern auf die Einsatzbereitschaft abgestellt wird, ergibt sich
daraus kein anderes Ergebnis. Der Bereitschaftsdienst des Klägers besteht nach
seinen Angaben im Kammertermin zwar rund-um-die-Uhr, also auch während
seiner Arbeitszeit bei der Beklagten.
38 Der Kläger hat aber nichts dafür vorgetragen, dass die Tätigkeit als Maschinist und
Fahrzeugführer der Tätigkeit von beamteten Oberbrandmeistern entspricht.
39 aa) Mit der tariflichen Bezugnahme in der Vergütungsgruppe Vc BAT wird
festgelegt, dass ein solcher Angestellter die Tätigkeiten eines beamteten
Oberbrandmeisters ausüben muss. Die persönlichen Anforderungen an den
Beamten, die die beamtenrechtlichen Regelungen fordern (etwa Ausbildungs-
und Prüfungserfordernisse oder besondere Qualitätszertifizierungen) müssen
dann eben nicht erfüllt werden. Zur Konkretisierung des Tarifmerkmals „in der
Tätigkeit eines beamteten Oberbrandmeisters“ ist nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts vielmehr auf die jeweiligen Ausbildungsordnungen und -
gänge im Beamtenbereich zurückzugreifen. Aus dem laufbahnentsprechenden
Einsatz von Beamten können regelmäßig Vorgaben und Konkretisierungen für die
tariflich auszuübende Tätigkeit entwickelt werden. Aus den landesrechtlichen
Beamtenregelungen ergibt sich u. a., dass ein Oberbrandmeister in der Lage sein
muss, selbständig technische Einheiten bis zur Gruppenstärke im
feuerwehrtechnischen Sinne im Einsatzdienst zu führen (BAG 13.11.2013 - 4 AZR
160/12 - Rz. 23, 24, Juris; 22.07.1998 - 4 AZR 662/97 - Rz. 53 ff, Juris unter
Bezug auf die Blätter zur Berufskunde, Band 2 IV b 30 - Beamter/Beamtin des
feuerwehrtechnischen Dienstes [mittlerer, gehobener und höherer Dienst]).
40 bb) Der Kläger hat nicht dargetan, dass er im Einsatzdienst selbständig die
feuerwehrtechnische Einheit „Gruppe“ zu führen hat. Der Kläger hat nicht
dargetan, dass er überhaupt Führungsaufgaben und Funktionen bei den
Einsätzen wahrzunehmen hat. Dagegen spricht, dass nach den Angaben der
Beklagten im Kammertermin seit einigen Jahren ein hauptamtlicher Truppführer
bestellt ist.
41 d) Schließlich geht der Kläger zu Unrecht davon aus, mit seinen Einsatzdiensten
bzw. seiner Einsatzbereitschaft erfülle er arbeitsvertragliche Pflichten.
42 aa) Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien wird der Kläger als Gerätewart
beschäftigt und dem städtischen Bauhof - Freiwillige Feuerwehr - zugewiesen.
Aus dem Arbeitsvertrag ergeben sich keine einsatzbezogenen Pflichten. Die
Beklagte ist nicht kraft ihres Weisungsrechts (§ 106 GewO) berechtigt, den Kläger
zur unmittelbaren Brandbekämpfung heranzuziehen.
43 (1) Die Beklagte unterhält keine Berufsfeuerwehr, der der Kläger zuzuordnen
wäre. In der Gemeinde ist vielmehr eine freiwillige Feuerwehr gebildet, bei welcher
der Kläger Mitglied ist. Grundlage hierfür ist das Feuerwehrgesetz des Landes
Baden-Württemberg (FwG) in der Fassung vom 02.03.2010 (GBl. 2010, 333,
abrufbar unter www.landesrecht-bw.de).
44 Nach dessen § 3 Abs. 1 hat jede Gemeinde auf ihre Kosten eine den örtlichen
Verhältnissen entsprechende leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen,
auszurüsten und zu unterhalten. Nach § 6 Abs. 1 FwG besteht die
Gemeindefeuerwehr aus mindestens einer Einsatzabteilung der Freiwilligen
Feuerwehr. Sie kann daneben auch eine Einsatzabteilung mit Angehörigen der
Berufsfeuerwehr oder hauptamtlichen Kräften … aufstellen. Die
Gemeindefeuerwehr führt die Bezeichnung „Freiwillige Feuerwehr“.
45 Lediglich unter der vorliegenden nicht gegebenen Voraussetzung des § 6 Abs. 2
FwG (Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern) ist eine Einsatzabteilung der
Berufsfeuerwehr aufzustellen.
46 Nach § 7 Abs. 2 FwG verrichten die Angehörigen der Abteilungen der Freiwilligen
Feuerwehr ihren Dienst ehrenamtlich, soweit sie nicht nach den allgemeinen für
Gemeindebedienstete geltenden Vorschriften angestellt sind.
47 Nach § 11 Abs. 1 FwG können aufgrund freiwilliger Meldung Personen als
ehrenamtlich Tätige in die Einsatzabteilung der Gemeindefeuerwehr
aufgenommen werden. Nach § 12 Abs. 1 FwG können die Gemeinden durch
Satzung die Gemeindeeinwohner zum Dienst in der Gemeindefeuerwehr
verpflichten.
48 Die einzelnen Dienstpflichten der ehrenamtlich tätigen Angehörigen der
Gemeindefeuerwehr ergeben sich aus § 14 FwG, insbesondere die Pflicht, bei
Alarm sich unverzüglich zum Dienst einzufinden, § 14 Abs. 1 Ziff. 2 FwG.
Dienstpflichtverletzung können nach Maßgabe des § 14 Abs. 5 FwG mit Verweis
und Geldbuße und Beendigung des Feuerwehrdienstes geahndet werden.
49 Nach § 15 Abs. 1 FwG ist der ehrenamtlich tätige Angehörige der
Gemeindefeuerwehr für die Dauer der Teilnahme an Einsätzen während der
Arbeits- oder Dienstzeit von der Arbeits- oder Dienstleistung freigestellt.
50 Nach Maßgabe des § 16 FwG steht dem ehrenamtlich tätigen Angehörigen der
Gemeindefeuerwehr ein Anspruch auf Verdienstausfallersatz und Entschädigung
zu.
51 (2) Daraus ergibt sich, dass der Kläger gerade nicht aufgrund des
Arbeitsvertrages der Parteien zu Einsätzen herangezogen wird, sondern aufgrund
einer eigenständigen, unmittelbar durch Gesetz in Verbindung mit seiner
Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr geregelten Grundlage. Insbesondere
ist der Kläger nicht im Sinne des § 7 Abs. 2 FwG bei der freiwilligen Feuerwehr
angestellt, sondern ehrenamtlich tätig.
52 Zu Recht verweist die Beklagte darauf, dass sie den Kläger nicht kraft
Arbeitsvertrages zur Mitgliedschaft in der freiwilligen Feuerwehr bzw. zu
Einsätzen verpflichten könnte. Eine Heranziehung des Klägers gegen seinen
Willen könnte nur aufgrund der §§ 12, 14 FwG in Verbindung mit einer
entsprechenden Satzung erfolgen. Sie würde dann auf einem Hoheitsakt beruhen
und nicht auf der vertraglichen Abrede der Parteien. Dem entspricht es, dass der
Beklagtenvertreter im Kammertermin erwähnt hat, der Kläger sei vorübergehend
aus der Freiwilligen Feuerwehr ausgetreten.
53 Deshalb weist das Innenministerium Baden-Württemberg auf eine entsprechende
Anfrage der Gewerkschaft mit Schreiben vom 26.03.2007 (ABl. 33) darauf hin,
dass die Koppelung eines Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst mit der
Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr unzulässig ist.
54 Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Pflicht kraft Mitgliedschaft in der Freiwilligen
Feuerwehr, bei Feuerwehreinsätzen mitzuwirken, haben es das Arbeitsgericht
Ludwigshafen (07.01.1998 - 8 Ca 1473/97 - Juris) und das Hessische
Landesarbeitsgericht (10.08.1999 - 9 Sa 2922/98 - Juris) abgelehnt, dem
jeweiligen Kläger eine Feuerwehrzulage nach SR 2 X Nr. 2 Abs. 1 BAT (nunmehr
§ 46 Abs. 2 TVöD-VKA) zuzusprechen, obwohl die dortigen Kläger Angestellte im
kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst Kraft ihres Arbeitsvertrages waren. An
dem Vorrang der öffentlich-rechtlichen Einsatzverpflichtung ändere auch eine -
vorliegend nicht gegebene - arbeitsvertragliche Pflicht zu Einsätzen nichts
(Hessisches LAG aaO Rz. 43).
55 bb) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die Stellenbeschreibungen zur
Begründung einer arbeitsvertraglichen Einsatzpflicht. Die Beklagte hat klargestellt,
dass die Angabe „Einsatzdienst während der Arbeitszeit“ bzw. „Einsatz
Brandmeister“ insofern unzutreffend bzw. missverständlich ist. Das gibt lediglich
die geschätzte Einsatzzeit in tatsächlicher Hinsicht wieder und ist ohne
Aussagekraft zur Rechtsgrundlage. In diesem Umfang wird der Kläger nach
Maßgabe des § 15 FwG von der Arbeitspflicht als Gerätewart unter Fortzahlung
seiner Bezüge freigestellt. Zusätzlich erhält der Kläger während der Einsätze eine
Entschädigung nach Maßgabe der Satzung über die Freiwillige Feuerwehr.
56 e) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf das Schreiben der Beklagten vom
26.03.2009 über eine beabsichtigte Abmahnung (ABl. 42/43).
57 Zum einen ist es zu einer Abmahnung wegen des dort beschriebenen
Pflichtenverstoßes nach den Angaben der Parteien im Termin nicht gekommen.
Zum anderen legt die Beklage dem Kläger darin zur Last, er habe sich außerhalb
der regulären Arbeitszeit bei einem Notfall nicht ohne Weiteres in der Feuerwache
eingefunden, um als Gerätewart tätig zu werden. Der Vorwurf bezieht sich gerade
nicht darauf, der Kläger habe sich geweigert, zu einem Einsatz auszurücken. Im
Übrigen würde eine arbeitsvertragliche Pflicht nicht dadurch begründet, dass sich
der Vertragspartner zu Unrecht eines damit korrespondierenden Anspruchs
berühmt.
58 f) Der Kläger kann auch nichts daraus für sich ableiten, dass andere Gemeinden
beschlossen haben, die Beschäftigungsverhältnisse der hauptamtlichen
Gerätewarte in Beschäftigungsverhältnisse in kommunalen feuerwehrtechnischen
Dienst umzuwandeln (ABl. 55 bis 57).
59 Das Gegenteil ist der Fall. Wird doch erst durch „entsprechende Umwandlung“ die
gewünschte Rechtsfolge herbeigeführt. Daraus ergibt sich, dass sie gerade nicht
von selbst ohne einen entsprechenden Akt eintritt. So heißt es in der
Beschlussvorlage vom 22.04.2010 der Gemeinde Schwäbisch Gmünd auf Seite 2
(ABl. 56): Bislang sind die vier oben genannten Mitarbeiter als Gerätewarte
beschäftigt. Bei Einsätzen während der Arbeitszeit werden sie nicht als
Beschäftigte tätig, sondern ehrenamtlich als Mitglied der freiwilligen Feuerwehr.
Diese „Zweiteilung“ wird durch die Übernahme in den kommunalen
feuerwehrtechnischen Dienst aufgehoben. Vorteil für den Arbeitgeber ist dadurch
eine Anordnungs- und Weisungsbefugnis während der Dienstzeit. Bislang
konnten die Mitarbeiter nicht zum Einsatzdienst verpflichtet werden. Der Einsatz
erfolgte bisher auf freiwilliger Basis.
60 Zu einer entsprechenden Umwandlung hat sich die Beklagte aber nicht
entschlossen. Sie ist hierzu auch nicht rechtlich verpflichtet.
61 Demzufolge steht dem Kläger keine Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 TVöD-
VKA zu. Er kann die Vergütungsrückstände nach dem Klagantrag Ziff. 1 folglich
nicht verlangen.
II.
62 Aus den vorstehenden Erwägungen unter I. folgt, dass die Klage auch hinsichtlich
des Klagantrags Ziffer 2 abzuweisen war.
63 Der Kläger unterfällt bereits nicht dem Anwendungsbereich des § 46 TVöD-VKA.
Denn die Sonderregelungen über Beschäftige im Einsatzdienst nach dessen Nr. 2
Abs. 2 gelten nur für Beschäftigte, die hauptamtlich im kommunalen
feuerwehrtechnischen Dienst beschäftigt sind, Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 der Vorschrift
(BAG 06.08.1997 - 10 AZR 167/97 - Rz. 28, Juris zu Satz 2 der
Übergangsvorschrift zu Nr. 2 Satz 2 der SR 2 X BAT-O iVm Nr. 1 der SR 2 X BAT-
O; zur Abgrenzung zwischen feuerwehrtechnischem Dienst und Einsatzdienst vgl.
auch BAG 22.07.1998 - 4 AZR 662/97 - Rz. 48, Juris; Bundesverwaltungsgericht
21.03.1996 - 2 C 24/95 - Rz. 23, Juris).
64 Die Klage war deshalb abzuweisen.
B
65 Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91
Abs. 1 ZPO. Der Streitwert war nach § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzen und
entspricht gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GKG den Gesamtbetrag der geforderten
Leistungen.
66 Die Berufung ist zulässig nach Maßgabe des § 64 Abs. 2b ArbGG. Darüber hinaus
war die Berufung zuzulassen, weil die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
über die Auslegung eines Tarifvertrages, dessen Geltungsbereich sich über den
Bezirk des Arbeitsgerichts Stuttgart hinaus erstreckt, § 64 Abs. 2a Abs. 3 Ziff. 2b
ArbGG.