Urteil des ArbG Stuttgart vom 08.10.2014

wichtiger grund, arbeitsbedingungen, betreiber, vergütung

ArbG Stuttgart Urteil vom 8.10.2014, 11 Ca 2434/14
Außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung - Fremdvergabe eines
Museumsshops
Leitsätze
1. Die Entscheidung des öffentlichen Arbeitgebers, einen Museumsshop an einen
externen Betreiber zu vergeben stellt eine unternehmerische Entscheidung dar, die
nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen ist.
Sie ist Bestandteil der durch Art. 12, 14, 2 Abs. 1 Grundgesetz geschützten
unternehmerischen Freiheit. Eine solche Maßnahme ist geeignet, die
außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist eines
Arbeitnehmers zu rechtfertigen, der aufgrund einer tarifvertraglichen Bestimmung
ordentlich unkündbar ist. Das gilt in gleicher Weise für eine Änderungskündigung.
2. Bestehen alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, ist vorrangig eine
Änderungskündigung auszusprechen. Der besondere Kündigungsschutz wirkt sich
auf die Darlegungslast des Arbeitgebers aus. Dieser hat gegenüber einer ordentlichen
Änderungskündigung erheblich gesteigerte Bemühungen bei der Prüfung der Frage
zu entfalten, welche Vertragsänderungen er dem Arbeitnehmer mit dem
Änderungsangebot zumutet. Die Suche nach gleichwertigen Tätigkeiten beschränkt
sich nicht auf den - vorliegend musealen - Bereich, in welchem der Arbeitnehmer
bisher beschäftigt war. Die Prüfung von Beschäftigungs- und Einsatzmöglichkeiten
erstreckt sich auf sämtliche Geschäftsbereiche des betreffenden öffentlichen
Arbeitgebers im Rahmen seines gesamten territorialen Einflussbereichs. Hierzu hat
der öffentliche Arbeitgeber von sich aus umfassend vorzutragen.
Tenor
1.
Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die
Änderungskündigung vom 27.03.2014 sozial ungerechtfertigt ist.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und das beklagte Land zu
2/3.
3.
Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 5.628,96.
Tatbestand
1 Zwischen den Parteien ist die Wirksamkeit der außerordentlichen
Änderungskündigung mit Auslauffrist im Streit.
2 Die Klägerin ist Jahrgang 1955, verheiratet und trat zum 08.12.1993 in die Dienste
des beklagten Landes. Die Klägerin wurde zunächst als Kassenkraft in der S. in
einem der beiden Museumsshops eingesetzt, in welchem auch Eintrittskarten
verkauft wurden. Seit über 10 Jahren wird nur noch ein Museumsshop betrieben,
in welchem die Klägerin tätig ist. Die Eintrittskasse ist seitdem Bestandteil einer
Informationstheke, an welcher Besuchern überwiegend fachliche Auskünfte, auch
in Fremdsprachen, erteilt werden. Die dortigen Mitarbeiter sind in die
Vergütungsgruppe E 6 TV-L eingruppiert. Die Klägerin erzielte zuletzt bei einer
wöchentlichen Arbeitszeit von 27,96 Stunden EUR 1.876,32 brutto monatlich nach
der Vergütungsgruppe E 5 TV-L.
3 Auf das Arbeitsverhältnis findet § 34 Abs. 2 TV-L Anwendung, der lautet:
4
„Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben
und unter die Regelungen des Tarifgebiets West fallen, können nach einer
Beschäftigungszeit (Absatz 3 Satz 1 und 2) von mehr als 15 Jahren durch den
Arbeitgeber nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Soweit
Beschäftigte nach den bis zum 31. Oktober 2006 geltenden Tarifregelungen
unkündbar waren, bleiben sie unkündbar.“
5 Aus wirtschaftlichen Gründen wurde der seit langem defizitäre Museumsshop mit
Wirkung zum 13.09.2013 an einen externen Betreiber übergeben. Einen Wechsel
zu diesem als Arbeitgeber lehnte die Klägerin ebenso ab wie einen Wechsel in den
Aufsichtsdienst unter Anwendung der Vergütungsgruppe E 3 TV-L. Gleichwohl
wurde die Klägerin seit dem 01.11.2013 im Aufsichtsdienst zunächst unter
Fortzahlung der Vergütung nach der Gruppe E 5 TV-L eingesetzt.
6 Nach Anhörung des Personalrats mit Schreiben vom 03.03.2014 (Abl. 21 ff.), der
sich hierauf nicht äußerte, erklärte die S. mit Schreiben vom 27.03.2014 die
außerordentliche Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2014
und bot der Klägerin mit Wirkung ab 01.10.2014 die Weiterbeschäftigung als
Aufsichtskraft im Besucherservice mit Eingruppierung in die Entgeltgruppe 3 TV-L
bei ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen an (Abl. 5). Die Klägerin hat das
Angebot unter Vorbehalt angenommen und am 17.04.2014 Klage eingereicht.
7 Die Klägerin trägt vor und vertritt die Ansicht, die Änderung der
Arbeitsbedingungen sei unwirksam. Sie bestreitet die ordnungsgemäße
Beteiligung des Personalrats und das Vorliegen von Kündigungsgründen. An der
Kasse würden zum Teil im Wechsel mit Aufsichtstätigkeiten Arbeitskräfte mit
kürzerer Betriebszugehörigkeit eingesetzt, die früher ausschließlich
Aufsichtstätigkeiten ausgeübt hätten. Alleine im Museumsbereich gebe es ständig
neue Einstellungen, wie das Inserat „Unterstützung des Buchungsservices“ zeige
(Abl. 45). Das beklagte Land habe andere, weniger belastende
Einsatzmöglichkeiten nach den Entgeltgruppen 5 und 4 TV-L nicht geprüft.
Ungenügend sei die behauptete Anfrage bei allen Landesmuseen in S. und K. und
bei der W. - ein zoologisch-botanischer Garten - ob es Stellen für Shop-
Mitarbeiterinnen gebe (hierzu Abl. 46). Dem beklagten Land seien verstärkte
Anstrengungen um eine angemessene, gleichwertige Beschäftigung der Klägerin
zuzumuten.
8
Die Klägerin beantragt zuletzt:
9
Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die
Änderungskündigung vom 27.03.2014 sozial ungerechtfertigt oder aus
anderen Gründen rechtsunwirksam ist.
10
Das beklagte Land beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12 Das beklagte Land trägt vor und vertritt die Ansicht, die Änderung der
Arbeitsbedingungen sei gerechtfertigt. Mit der Fremdvergabe des Museumsshops
könne die Klägerin nicht unverändert weiterbeschäftigt werden. Einem
Arbeitgeberwechsel habe sie widersprochen. Freie Stellen der Vergütungsgruppe
E 5 TV-L habe es bei Ausspruch der Kündigung bei der S. nicht gegeben. Auch
die sonstigen Landesmuseen in S. und K. sowie die W. hätten keine freien Stellen
für Shop-Mitarbeiterinnen in der Entgeltgruppe 5 gehabt. Eine Beschäftigung der
Klägerin an der Info-Theke, wo auch die Kassenarbeit miterledigt werde, komme
nicht in Betracht. Handele es sich dabei doch um höherwertige Tätigkeiten, was
die höhere Eingruppierung der dort beschäftigten Arbeitskräfte rechtfertige, auch
wenn diese zeitweise als Aufsicht zum Einsatz kämen. Damit verbleibe nur die mit
der Änderungskündigung angestrebte Beschäftigung der Klägerin im
Aufsichtsdienst, die nach der Vergütungsgruppe E 3 TV-L zu bewerten sei. Ohne
Erfolg rüge die Klägerin die Beteiligung des Personalrats.
13 Der Einzelheiten wegen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die bezeichneten
Anlagen, sowie die Sitzungsniederschrift vom 08.10.2014 (Abl. 47, 48) Bezug
genommen, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Entscheidungsgründe
14 Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Änderungskündigung
vom 27.03.2014 ist rechtsunwirksam. Das beklagte Land hat nicht dargelegt, dass
eine Weiterbeschäftigung der Klägerin zu Bedingungen nicht möglich ist, die die
Klägerin insbesondere finanziell weniger belasten.
A
15 Die Klage ist zulässig. Zwar wurde die Klageschrift zunächst am 10.04.2014 ohne
Unterschrift bei Gericht eingereicht. Die am 17.04.2014 vorab per Telefax
eingereichte und unterschriebene Klage ist aber noch fristwahrend im Sinne des §
4 KSchG.
16 Der entsprechenden Anwendung der §§ 2, 4 Satz 2 KSchG auf außerordentliche
Änderungskündigungen steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG
keine Verweisung auf § 2 KSchG enthält.
17 Der Zweck des § 2 KSchG verlangt danach, dass der Arbeitnehmer die
Wirksamkeit auch einer außerordentlichen Änderungskündigung gerichtlich
überprüfen lassen kann, ohne zugleich den Verlust des Arbeitsplatzes insgesamt
riskieren zu müssen (BAG 28.10.2010 - 2 AZR 688/09 - Rz 12, Juris).
B
18 Die Klage ist begründet. Die Kündigung verstößt gegen § 34 Abs. 2 TV-L, der auf
das Arbeitsverhältnis der Parteien unstreitig anzuwenden ist.
I
19 Die Änderungskündigung verstößt nicht bereits gegen § 34 Abs. 2 Satz 2 TV-L in
Verbindung mit § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BAT. Nach dieser Vorschrift konnte
der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis bei Vorliegen dringender betrieblicher
Erfordernisse, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen
aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich war, zum Zwecke der
Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen. Soweit nach § 34 Abs. 2
Satz 2 TV-L es bei der Unkündbarkeit „verbleibt“, betrifft dies nur die tarifliche
Unkündbarkeit als solche, nicht auch deren einzelne Modalitäten (BAG 28.10.2010
- 2 AZR 688/09 - Rz 20 ff., Juris, 27.11.2008 - 2 AZR 757/07 - Rz 13 ff., Juris).
II
20 Gemäß § 34 Abs. 2 TV-L konnte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit der
Klägerin, die im Zeitpunkt der Kündigung das 40. Lebensjahr vollendet hatte und
länger als 15 Jahre beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Mit
dem Begriff des „wichtigen Grundes“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die
gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, die das Vorliegen eines solchen
Grundes voraussetzt (BAG 26.11.2009 - 2 AZR 272/08 - Rz 12, Juris).
21 1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund
außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem
Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter
Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der
vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
22 a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber
einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt
voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung
regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen
entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten.
23 b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt aber
in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist
und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz
Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne
dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde. Allerdings ist der
Arbeitgeber in diesem Fall wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung
in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch
geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Zur Vermeidung von
Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten
Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber bei einer auf betriebliche Gründe gestützten
außerordentlichen Kündigung zwingend eine der - fiktiven - ordentlichen
Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten.
24 c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626
Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis im
Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit
aufgrund innerbetrieblicher, von äußeren Faktoren nicht „erzwungener“
Maßnahmen ergeben. Die einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme
zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre
sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu
überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt
wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer
wirklich entfallen ist.
25 aa) Die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation ist mit Blick auf Art.
12 Abs. 1 Satz 1 GG bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit,
Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte
unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie
aus sachlichen - wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde, Rechtsmissbrauch
also die Ausnahme ist. Darauf, ob die Maßnahme für den Bestand des
Unternehmens notwendig, gar zwingend notwendig ist, kommt es nicht an. Es
kann unter Geltung von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG nicht darum gehen, dem
Unternehmer die fragliche organisatorische Maßnahme als solche gerichtlich zu
untersagen, sondern nur darum, ob ihre tatsächliche Umsetzung eine Kündigung
rechtfertigt.
26 bb) Das gilt gleichermaßen in Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein
ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist, dessen Arbeitsverhältnis nur
außerordentlich nach § 626 BGB gekündigt werden kann. Die Gestaltung des
Betriebs, die Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber
wirtschaftlich betätigen will, sind Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2
Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht,
das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung
es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb
ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen. Der Arbeitgeber
muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von
Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren
Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird. Ob ein wichtiger Grund zur
außerordentlichen Kündigung gegeben ist, hängt in diesen Fällen davon ab, ob
jedwede Möglichkeit ausgeschlossen ist, den Arbeitnehmer anderweitig sinnvoll
einzusetzen, und der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen
Kündigung für erhebliche Zeiträume an ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis
gebunden und aus diesem zur Vergütung verpflichtet wäre. Der in Tarifverträgen
an eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit und ein bestimmtes
Lebensalter geknüpfte Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist regelmäßig
nicht dahin zu verstehen, dass damit die Möglichkeit einer betriebsbedingten
Kündigung generell - auch als außerordentliche - zumindest für die Fälle
ausgeschlossen sein soll, in denen der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses
auf wirtschaftlich nicht zwingend notwendigen unternehmerischen
Organisationsentscheidungen beruht (im Einzelnen mit zahlreichen
weiterführenden Nachweisen BAG 20.06.2013 - 2 AZR 379/12 - Rz 13 ff., Juris;
22.11.2012 - 2 AZR 674/11 - Rz 12 ff., Juris).
27 2. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L gilt
auch für eine Änderungskündigung. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche
Änderungskündigung setzt voraus, dass die alsbaldige Änderung der
Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig ist und die geänderten Bedingungen
dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sind.
28 a) Die Voraussetzungen einer auf betriebliche Gründe gestützten
außerordentlichen Änderungskündigung sind beträchtlich und gehen über die
Anforderungen an eine ordentliche Änderungskündigung deutlich hinaus.
29 aa) Bereits eine ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung kann nur
dann wirksam sein, wenn das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des
Arbeitnehmers im Betrieb zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist und sich
der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt
hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer
billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene
Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet
und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten
Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für
alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche
Regelung, d.h. die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt
des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des
angestrebten Ziels erforderlich ist.
30 bb) Für die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung müssen
demgegenüber erheblich verschärfte Maßstäbe gelten. Andernfalls bliebe der
vereinbarte Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit wirkungslos. Der
besonderen Bindung muss der Arbeitgeber insbesondere bei Prüfung der Frage,
welche Vertragsänderungen er dem Arbeitnehmer mit dem Änderungsangebot
zumutet, gerecht werden. Bestehen mehrere Möglichkeiten der Änderung der
Arbeitsbedingungen zur Verfügung, so fordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz,
dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diejenige auch ihm zumutbare Änderung
anbietet, die den Gekündigten am wenigsten belastet.
31 Dieser Prüfungsmaßstab gilt auch, wenn die Änderungskündigung infolge eines
Widerspruchs des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines
Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 6 BGB erfolgt.
32 b) Im Prozess wirkt sich die mit der Unkündbarkeit übernommene Verpflichtung
des Arbeitgebers auch bei seiner Darlegungslast aus. Aus dem Vorbringen des
Arbeitgebers muss erkennbar sein, dass er auch unter Berücksichtigung der
vertraglich eingegangenen besonderen Verpflichtungen alles Zumutbare
unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig
gewordene Anpassungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken.
33 Wenn neben der Tätigkeit auch die Vergütung des Arbeitnehmers geändert
werden soll, sind beide Elemente des Änderungsangebots am
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Eine gesonderte Rechtfertigung des
Vergütungsangebots ist nur dann entbehrlich, wenn dieses sich aus einem im
Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt (sogenannte
Vergütungssystematik). Ist die Veränderung der Tätigkeit als solche unabweisbar
und daher geeignet, eine darauf gerichtete außerordentliche Änderungskündigung
zu rechtfertigen, so gilt dies auch hinsichtlich der Änderung der Eingruppierung (im
Einzelnen sowie mit zahlreichen Nachweisen zu Rechtsprechung BAG 28.10.2010
- 2 AZR 688/09 - Rz 31 ff., Juris; 27.11.2008 - 2 AZR 757/07 - Rz 24 ff., Juris;
02.03.2006 - 2 AZR 64/05 - Rz 27 ff., Juris; 26.03.2009 - 2 AZR 879/07 - Rz 50 ff.,
Juris).
34 c) Diese Grundsätze wurden durch die Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts weiter konkretisiert:
35 aa) Nach den Umständen des Einzelfalles kann deshalb der Arbeitgeber
verpflichtet sein, auch Arbeitsplätze in Betracht zu ziehen, die zwar nicht bei ihm
selbst, wohl aber bei einem Konzernunternehmen bestehen (BAG 22.11.2012 - 2
AZR 674/11 - Rz 38 ff., Juris).
36 bb) Nach den Umständen trifft den Arbeitgeber die Pflicht, mit allen zumutbaren
Mitteln, ggf. durch eine entsprechende Umorganisation und das Freimachen
geeigneter gleichwertiger Arbeitsplätze, eine Weiterbeschäftigung - ggf. auch bei
anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes - zu versuchen (BAG 06.10.2005
- 2 AZR 362/04 - Rz 31, Juris). Der Arbeitgeber hat zur Vermeidung einer
Kündigung alle in Betracht kommenden Beschäftigungs- und
Einsatzmöglichkeiten von sich aus umfassend zu prüfen und eingehend zu
sondieren. In diese Prüfung sind nicht nur die in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b
KSchG genannten Arbeitsplätze in derselben Dienststelle oder einer anderen
Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich
seines Einzugsgebiets einzubeziehen. Die Prüf- und Sondierungspflichten des
Arbeitgebers gehen - wie auch sonst bei der außerordentlichen Kündigung -
deutlich darüber hinaus. Sie erstrecken sich im Grundsatz auf sämtliche
Geschäftsbereiche des betreffenden öffentlichen Arbeitgebers und zwar im
Rahmen seines gesamten territorialen Einflussbereichs (BAG 26.11.2009 - 2 AZR
272/08 - Rz 35).
37 cc) Eine Pflicht des Arbeitgebers, zugunsten des ordentlich unkündbaren
Arbeitnehmers den Arbeitsplatz eines ordentlich kündbaren Arbeitnehmers frei zu
kündigen, ist allerdings nicht anzunehmen (vgl. hierzu BAG 18.05.2006 - 2 AZR
207/05 - Rz 27 ff., Juris).
III
38 Gemessen an diesen Grundsätzen hält die Änderung der Arbeitsbedingungen im
Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 27.03.2014 einer Überprüfung
nicht stand.
39 1. Allerdings ist die Entscheidung der S. nicht zu beanstanden, den Museumsshop
zum 13.09.2013 an einen externen Betreiber zu vergeben.
40 a) Sie musste davon nicht deswegen Abstand nehmen, um der Klägerin und ihren
Kolleginnen eine unveränderte Beschäftigungsmöglichkeit bis zum Erreichen der
Altersgrenze zu belassen. Das wäre mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben der
Art. 12, 14, 2 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren.
41 b) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Shop zum 13.09.2013 von einem
externen Betreiber übernommen wurde. Ohne Weiteres ist davon auszugehen,
dass dem eine entsprechende gestaltende Unternehmerentscheidung zugrunde
liegt. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten sind weder vorgetragen
noch ersichtlich. Das beklagte Land hat sich auf entsprechende Beanstandungen
des Landesrechnungshofs berufen, die sich auf den langjährigen defizitären
Betrieb des Museumsshops gründen.
42 c) Damit ist auch dauerhaft eine Beschäftigung der Klägerin zu den bisherigen
Arbeitsbedingungen in Wegfall geraten. Denn die Klägerin hat der Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses im Museumsshop bei dem externen Betreiber widersprochen
und das beklagte Land betreibt in der S. keinen eigenen Museumsshop mehr. Es
sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die Klägerin könnte - etwa im Wege der
Personalgestellung - unter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei dem
beklagten Land im Museumsshop der S. weiterbeschäftigt werden, zumal es sich
bei dem Betreiber um eine Rechtsperson des privaten Rechts handelt.
43 2. Ohne Erfolg rügt die Klägerin, die Kündigung sei unwirksam nach Maßgabe des
§ 626 Abs. 2 BGB wegen Ablaufs der zweiwöchigen Erklärungsfrist. Denn die Frist
des § 626 Abs. 2 BGB beginnt stets von Neuem, der Wegfall des
Beschäftigungsbedarfs ist ein „Dauertatbestand“ (BAG 20.06.2013 - 2 AZR 379/12
- Rz 32, Juris). Es ist deshalb unschädlich, dass das beklagte Land über ein
halbes Jahr mit dem Ausspruch der Änderungskündigung zuwartete; das mag der
Hoffnung geschuldet sein, man werde sich mit der Klägerin über die Tätigkeit im
Aufsichtsdienst und über die abzusenkende Vergütung verständigen.
44 3. Zu einer solchen Verständigung ist es zwischen den Parteien jedoch nicht
gekommen. Zwar hat die Klägerin zum 01.11.2013 die Tätigkeit im Aufsichtsdienst
angetreten. Mit der Absenkung ihrer Vergütung auf die der Vergütungsgruppe E 3
TV-L entsprechende hat sie sich jedoch zu keinem Zeitpunkt bereiterklärt. Keine
der Parteien geht davon aus, es sei zwischen ihnen zu einer wirksamen
Vertragsänderung gekommen.
45 4. Damit lag ein betriebsbedingter Grund vor, der die Beendigung oder Änderung
des Arbeitsverhältnisses der Parteien bedingt. Angesichts der bestehenden
alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten hat das beklagte Land zu Recht eine
Änderungs- und keine Beendigungskündigung ausgesprochen. Sie stellt sich
gleichwohl als rechtsunwirksam dar, weil das beklagte Land zur Überzeugung des
Gerichts nicht dargelegt hat, dass weitere alternative Beschäftigungsmöglichkeiten
geprüft wurden, die die Klägerin weniger belasten.
46 a) Allerdings hat die Klägerin nach Auffassung der Kammer keinen Anspruch
darauf, dass ihr eine Beschäftigung an der Infotheke angeboten wird. Denn auch
nach den Darlegungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom
08.10.2014 handelt es sich bei den Tätigkeiten an der Infotheke um höherwertige
gegenüber denjenigen im Museumsshop. Die Tätigkeiten sind insbesondere nicht
mit den früheren Tätigkeiten der Klägerin an der Kasse vergleichbar, als jene noch
in den beiden Museumsshops geführt wurde. Nach der mündlichen Verhandlung
ist die Kammer im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass die
Mitarbeiter, die zeitlich überwiegend Arbeiten an der Infotheke verrichten, nach der
Vergütungsgruppe E 6 TV-L eingruppiert sind. Dem kann nicht entgegengehalten
werden, dass diese Arbeitskräfte früher bzw. vorübergehend im Aufsichtsdienst
beschäftigt wurden. Die Klägerin hat auch nicht näher ausgeführt, jene Mitarbeiter
seien zu Unrecht in die Vergütungsgruppe E 6 TV-L eingruppiert. Kann sich aber
die Klägerin nach tätigkeitsbezogenen Merkmalen mit den Arbeitskräften an der
Infotheke nicht vergleichen, kommt ein Tausch aufgrund der höheren sozialen
Schutzbedürftigkeit bzw. des Sonderkündigungsschutzes nach § 34 Abs. 2 TV-L
nicht in Betracht. Das würde zum einen zu einer Beförderung der Klägerin führen,
was dem durch § 34 Abs. 2 TV-L vermittelten Bestandschutz nicht gerecht wird.
Zum anderen besteht zugunsten der Klägerin kein Anspruch darauf, dass ihr ein
entsprechender Arbeitsplatz frei gekündigt wird (kritisch auch BAG 18.05.2006 - 2
AZR 207/05 - Rz 27 ff., Juris).
47 b) Gleichwohl stellen sich die Änderung der Arbeitsbedingungen als
rechtsunwirksam dar. Denn das beklagte Land hat seiner Prüfungspflicht nicht
entsprochen, die Klägerin ggf. auch bei anderen Dienststellen vertragskonform zu
beschäftigen, d.h. insbesondere mit Tätigkeiten der Wertigkeit der
Vergütungsgruppe E 5 TV-L. Das hat die Klägerin ausdrücklich gerügt und damit
die ohnehin nicht von vornherein auszuschließende Bereitschaft bekundet, auch
außerhalb der S. bzw. des Museumsdienstes tätig zu werden, wenn die bisherige
Vergütungsgruppe beibehalten werden kann.
48 aa) Nach dem Vorbringen des beklagten Landes hat die S. vor Ausspruch der
Änderungskündigung bei allen in Frage kommenden Museen in K. und S. sowie
bei der W. Informationen über freie Stellen eingeholt. Hierzu wurde das Schreiben
vom 24.03.2014 an den Personalrat vorgelegt (Abl. 46). Daraus ergibt sich, dass
sich die Anfrage zum einen beschränkte auf den musealen Bereich, beginnend
mit dem L. S. und endend mit der St. K. K.. Daraus ergibt sich des Weiteren, dass
sich die Anfragen reduzierten auf die jeweiligen Shops bzw. Museumsshops. Aus
dem Schreiben ergibt sich, dass die jeweiligen Shops entweder fremdvergeben
bzw. verpachtet seien oder aber keine freien Stellen zu besetzen seien.
49 bb) Daraus folgt indessen nicht, dass bei den genannten Einrichtungen keine
sonstigen E 5-Stellen vorhanden waren. Darüber hinaus hätte in die Prüfung nicht
nur der Geschäftsbereich der Museen einbezogen werden dürfen. Die Prüf- und
Sondierungspflichten des Arbeitgebers gehen darüber deutlich hinaus. Es liegt
auf der Hand, dass das beklagte Land als Arbeitgeber der Klägerin zahlreiche
weitere Geschäftsbereiche unterhält, in welchen ggf. adäquate Stellen zu
besetzen waren.
50 cc) Hinzutritt, dass spätestens seit dem 13.09.2013 - vermutlich aber bereits
erhebliche Zeit zuvor - der Wegfall der Arbeitsplätze im Museumsshop absehbar
war. Bis zum Ausspruch der Kündigung am 27.03.2014 bestand deshalb ein
erhebliches Zeitfenster, alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu sondieren.
Ungenügend ist es, wenn der Arbeitgeber erst kurz vor Ausspruch der Kündigung
„routinemäßig“ bei verschiedenen Einrichtungen abfragt, ob derzeit freie Stellen
zu besetzen seien. Daraus wird nicht einmal ersichtlich, ob die Erkenntnis, freie
Stellen seien nicht vorhanden, auch mindestens für die Zeit bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist gilt. Dass ggf. freie Stellen zur Bewerbung ausgeschrieben waren
und die Klägerin sich von sich aus hierauf hätte bewerben können, reicht insoweit
nicht aus. Erforderlich ist ein an den betroffenen Arbeitnehmer gerichtetes
konkretes Vertragsangebot (BAG 26.03.2009 - 2 AZR 879/07 - Rz 32, Juris).
51 d) Nachdem die Klägerin ausdrücklich gerügt hat, mit den behaupteten
Bemühungen des beklagten Landes sei es nicht getan, hätte dieses zu fehlenden
gleichwertigen Stellen ergänzend vortragen müssen, um seiner Darlegungslast zu
genügen. Nur wenn das beklagte Land seinen Prüfungs- und Sondierungspflichten
betreffend alternative Beschäftigungsmöglichkeiten in umfassenderer Weise
entsprochen hätte, hätte die Klägerin ergänzend zu den vorhandenen bzw.
fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten vortragen müssen, die die angebotene
Tätigkeit im Aufsichtsdienst vergütet nach der Gruppe E 3 TV-L als mildestes Mittel
von mehreren zur Auswahl stehenden erscheinen lassen.
52 Dem Klageantrag war deshalb zu entsprechen, wobei der Kammer ein - in der
Sache unschädlicher - Tenorierungsfehler unterlaufen ist. Die Änderung der
Arbeitsbedingungen ist nicht unwirksam, da „sozial ungerechtfertigt“ (vgl. § 2
KSchG), sondern unwirksam nach Maßgabe des § 34 Abs. 2 TV-L i. V. m. § 626 I
BGB.
C
53 Als unterlegene Partei hat das beklagte Land die Kosten des Rechtsstreits zu
tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert war nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil
festzusetzen. Seine Höhe entspricht dem 3-fachen Bruttomonatsverdienst der
Klägerin, § 42 Abs. 2 GKG, weil dieser Betrag als Oberwert die 36-fache Differenz
zwischen den Vergütungsgruppen E 5 und E 3 TV-L begrenzt (EUR 216,00 x 36).