Urteil des ArbG Stuttgart vom 23.07.2001

ArbG Stuttgart: gleitende arbeitszeit, betriebsrat, mehrarbeit, vorrang des gesetzes, treu und glauben, verfall, gleitzeit, mitbestimmungsrecht, formelles gesetz, einsichtnahme

ArbG Stuttgart Beschluß vom 23.7.2001, 6 BV 167/00
Mitbestimmung bei Nutzung von Arbeitszeitkonten
Tenor
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gründe
1
I. Die Beteiligten streiten um die Beachtung der Mitbestimmungsrechte im Arbeitszeitbereich.
2
Die Arbeitgeberin, ein Kraftfahrzeughersteller, ist Mitglied im Südwestmetall, Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V.
Sie beschäftigt in ihrem S Betrieb Zentrale circa 12.000 Beschäftigte, die überwiegend administrative Funktionen für die deutsche
Unternehmensspitze der Arbeitgeberin erfüllen. Die Beteiligte Ziff.1 ist der örtlich zuständige Betriebsrat. Die Beteiligte Ziff.2 ist eine im
Stuttgarter Betrieb der Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft.
3
Ein Beschlussverfahren hinsichtlich der Vorlage von Gleitzeitkontoauszügen, die die Arbeitgeberin in Vollzug einer Betriebsvereinbarung
erstellt und als Kontrollinstrument verwendete, wurde im Sinne des Betriebsrats entschieden (LAG Baden-Württemberg vom 21.02.1994 -- 15 Ta
BV 11/93, BB 1994, 1352 bis 1353).
4
Der Betriebsrat bildete im November 1998 eine Arbeitszeitkommission, die sich seither der Überwachung von Arbeitszeitbestimmungen widmet.
Im März 1999 hat auch die Beteiligte Ziff.2 in ihrer Gewerkschaftszeitschrift die Arbeitgeberin beispielhaft auf aus ihrer Sicht bestehende
Missstände im Bereich "Vertrieb-Service" hingewiesen.
5
Am 01.10.1999 unterzeichneten die Beteiligten Ziff.1 und Ziff.2 eine Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit für die Zentrale der
Beteiligten Ziff.3 (im folgenden BV Classic). Diese hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
6
"Präambel
7
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (nachfolgend "Mitarbeiter") soll durch die gleitende Arbeitszeit die Möglichkeit gegeben werden,
in dem vereinbarten Rahmen Beginn und Ende der Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Damit soll ein Beitrag zur flexiblen Gestaltung der
Arbeitszeit und zur besseren Abstimmung von betrieblichen und persönlichen Belangen geleistet werden.
...
8
2. Arbeitszeitdauer
9
Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit (IRTAZ) beträgt für alle in Vollzeit beschäftigten Mitarbeiter 1/5 der individuellen regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit (IRWAZ). Die IRWAZ ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag.
10
Die Anzahl der monatlichen Arbeitstage ergibt sich aus dem Betriebskalender. Die monatliche Sollzeit errechnet sich aus der Anzahl
der monatlichen Arbeitstage, die mit 1/5 IRWAZ multipliziert wird.
11
Im Übrigen gelten die tariflichen Bestimmungen.
12
3. Arbeitszeitrahmen
13
Der tägliche Arbeitszeitrahmen setzt sich zusammen aus der Gleitzeit morgens, der Kernarbeitszeit und der Gleitzeit nachmittags und
ist wie folgt festgelegt:
14
Gleitzeit morgens 06.00 Uhr bis 15.00 Uhr
15
Kernarbeitszeit 09.00 Uhr bis 15.00 Uhr
16
Gleitzeit nachmittags 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr
17
Für Arbeiter und Angestellte mit einer unbezahlten Frühstückspause in der Zeit von 09.00 Uhr bis 09.15 Uhr beginnt die Kernzeit um
09.15 Uhr.
18
In der Gleitzeit können die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit grundsätzlich frei bestimmen, während der Kernarbeitszeit können sie nur mit
Zustimmung des Vorgesetzten abwesend sein. Im Übrigen hat jeder Mitarbeiter Beginn und Ende seiner Arbeitszeit mit anderen
Mitarbeitern abzustimmen, soweit betriebliche Gründe dies erfordern.
19
Arbeitszeiten außerhalb des festgelegten Arbeitszeitrahmens werden im Zeitkonto nicht berücksichtigt.
20
Vorgesetzte können das Recht der Mitarbeiter auf Bestimmung von Beginn und Ende der Arbeitszeit im Einzelfall aus dringenden
betrieblichen Gründen einschränken. Die Vorgesetzten sind nicht befugt anzuordnen, dass Mitarbeiter täglich weniger als die IRTAZ
anwesend sind.
21
Vorgesetzte Mitarbeiter haben darauf zu achten, dass das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) und
das Mutterschutzgesetz eingehalten werden. Die zulässige tägliche Arbeitszeit beträgt nach dem ArbZG für Erwachsene maximal 10
Stunden und nach dem JArbSchG für Jugendliche maximal 8 Stunden.
22
Solange sich der Mitarbeiter im Rahmen der Betriebsvereinbarung zur gleitenden Arbeitszeit bewegt, darf der Vorgesetzte aus den
Gleitzeitauszügen weder Schlüsse ziehen noch Auswertungen vornehmen, die zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle dienen können.
23
4. Gleitzeitsaldo
24
Der Abrechnungszeitraum für das Zeitkonto ist der Kalendermonat.
25
Grundsätzlich haben die Mitarbeiter selbständig auf ein ausgeglichenes Zeitkonto zum Ende des Kalendermonats zu achten. Die
monatliche Sollarbeitszeit kann jedoch unter Berücksichtigung eines Gleitzeitguthabens/Gleitzeitdefizits aus dem Vormonat um bis zu
30 Stunden überschritten bzw. um bis zu 15 Stunden unterschritten werden. Dieses so entstandene Gleitzeitguthaben/Gleitzeitdefizit
wird auf den Folgemonat übertragen.
26
Unterschreitet der Mitarbeiter in der korrigierten monatlichen Abrechnung den Saldo um mehr als 15 Stunden, so führt das darüber
hinausgehende Gleitzeitdefizit nach Klärung mit den Betroffenen zu einem entsprechenden Abzug von der monatlichen Vergütung.
27
Überschreitet der Mitarbeiter in der monatlichen Abrechnung den Saldo um mehr als 30 Stunden, so ist der Gleitzeitübertrag auf den
Folgemonat auf 30 Stunden begrenzt. Die darüber hinaus geleisteten Stunden verfallen.
28
In Einzelfällen kann aus sachlichen Gründen (z.B. längere Krankheit des Mitarbeiters) der übertragbare Stundensaldo vorübergehend
erhöht werden. Der Betriebsrat wird hierüber informiert.
29
5. Gleitzeitausgleich
30
Der Zeitausgleich erfolgt grundsätzlich durch eine entsprechende Arbeitszeitgestaltung innerhalb des Arbeitszeitrahmens. Dabei sind
Kernzeitabweichungen im Rahmen der betrieblichen Belange nach Abstimmung mit dem Vorgesetzten möglich.
31
Die Mitarbeiter können nach Abstimmung mit dem Vorgesetzten zwecks Zeitausgleichs im Rahmen des Gleitzeitsaldos pro
Kalenderjahr 20 Tage Freizeit ("Gleittage") nehmen.
32
Beim Zeitausgleich muss an allen Arbeitstagen durch Absprachen zwischen den Mitarbeitern und Steuerung des Vorgesetzten die
erforderliche Arbeitsfähigkeit des jeweiligen Bereichs gewährleistet sein. Dabei ist darauf zu achten, dass alle Mitarbeiter gleich
behandelt werden.
...
33
7. Mehrarbeit
34
7.1. Grundsatz
35
Für Anordnung, Ableistung und Vergütung von Mehrarbeit gelten die tariflichen sowie die einzelvertraglichen Bestimmungen. Die
Mehrarbeit ist konkret monats- und mitarbeiterbezogen zu beantragen und zu genehmigen. Bei angeordneter und geleisteter
Mehrarbeit wird am Monatsende auf volle Viertelstunden abgerundet.
...
36
7.3. Mehrarbeit und Gleitzeit
37
Gleitzeitguthaben aus Vormonaten werden nicht als Mehrarbeit bezahlt. Arbeitszeiten, die außerhalb des Arbeitszeitrahmens anfallen,
werden nicht auf das Gleitzeitkonto angerechnet.
38
Arbeitszeiten außerhalb des Arbeitszeitrahmens werden als Mehrarbeit vergütet, wenn die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
39
Soweit Arbeitszeit als Mehrarbeit vergütet wird oder gem. § 8 MTV NW/NB mit Freizeit ausgeglichen wird, bleibt sie bei der monatlichen
Gleitzeitabrechnung außer Betracht.
40
8. Zeiterfassung
41
... Die Mitarbeiter werden monatlich über die erfassten Arbeitszeiten und den Stand ihres Zeitkontos informiert."
42
Darüber hinaus schlossen die Beteiligten Ziff.1 und 2 ebenfalls unter dem 01.10.1999 eine Betriebsvereinbarung zur Flexibilisierung der
gleitenden Arbeitszeit (im folgenden BV NEZE), in der sich folgende Bestimmungen finden:
43
"Präambel
44
Geschäftsleitung und Betriebsrat wollen das Arbeitsmodell NEZE im Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung allen Bereichen
wahlweise als Instrument zur flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit zur Verfügung stellen. Soweit in dieser Betriebsvereinbarung keine
ausdrücklichen abweichenden Regelungen festgelegt sind, finden die Bestimmungen der Gleitzeitbetriebsvereinbarung vom
01.10.1999 uneingeschränkt Anwendung.
45
Im Vordergrund steht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (nachfolgend "Mitarbeiter") eine verbesserte Vereinbarkeit von Freizeit
und Beruf und für den Betrieb eine effektivere Orientierung der Arbeitszeit an den betrieblichen Bedürfnissen, d.h. an den
Anforderungen externer und interner Kunden und damit die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit. Schließlich soll die Gestaltung der
Arbeitszeit einerseits verstärkt Teil der Selbststeuerung durch die Mitarbeiter bzw. in der Gruppe werden und andererseits zwischen
Vorgesetzten und Mitarbeitern einvernehmlich geregelt werden.
46
1. Geltungsbereich
47
Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter des Betriebs Zentrale der Daimler Chrysler AG am Standort Stuttgart, wenn die
Anwendung dieses flexiblen Arbeitszeitmodells gemäß den nachstehenden Bestimmungen dieser Betriebsvereinbarung ausdrücklich
vereinbart wurde.
48
Diese Betriebsvereinbarung ist eine Ergänzung der Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit vom 01.10.1999.
...
49
3. Arbeitszeitrahmen
50
Als Arbeitszeitrahmen gilt die Zeit von 06.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Eine Verlängerung des Arbeitszeitrahmens ist in begründeten Fällen
unter Berücksichtigung tariflicher und gesetzlicher Regelungen ausnahmsweise in Absprache mit dem Personalbereich und mit
Zustimmung des Betriebsrats bereichsweise möglich.
51
Eine Kernarbeitszeit besteht nicht. ...
52
In Abweichung von Abs. 2 S. 1 kann im Einvernehmen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern in einem Bereich auch eine bestimmte
Kernarbeitszeit mit dem Betriebsrat vereinbart werden. Dies ist in der Anlage entsprechend zu vermerken.
53
4. Arbeitszeitgestaltung
54
Jeder Mitarbeiter hat die Möglichkeit, Arbeitsbeginn und Arbeitsende auf der Grundlage seiner individuellen regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Dabei wird vorausgesetzt, dass mit dem Vorgesetzten und den anderen Mitarbeitern
des Bereiches oder der Arbeitsgruppe eine Abstimmung erfolgt, um die Arbeitsfähigkeit und Ansprechbarkeit des Bereiches
entsprechend den betrieblichen Notwendigkeiten zu gewährleisten. Dies gilt auch bei der Einplanung freier Tage.
55
Vorgesetzte und Mitarbeiter tragen gemeinsam die Verantwortung, die Arbeitszeit entsprechend diesen Zielsetzungen, den
nachfolgenden Regelungen, den betrieblichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten und den persönlichen Bedürfnissen des
Mitarbeiters einvernehmlich zu gestalten. Die Vorgesetzten können das Recht der Mitarbeiter auf Bestimmung von Beginn und Ende
der Arbeitszeit im Einzelfall aus dringenden betrieblichen Gründen einschränken.
56
5. Ausgleichszeitraum und Zeitkonto
57
Der Ausgleichs- bzw. Abrechnungszeitraum für das Zeitkonto beträgt 12 Monate. Er beginnt, unabhängig von dem
Anwendungsstichtag gemäß Anlage, jeweils am 01.10. eines Jahres und endet am 30.9. des folgenden Jahres.
58
Ist der Stundensaldo auf dem Zeitkonto am Ende des 2. und 3. Quartals des Ausgleichszeitraums größer als plus/minus 100 Stunden,
sind Vorgesetzter und Mitarbeiter verpflichtet, den Zeitausgleich zu planen und umzusetzen. Der entsprechende Stundenabbau bzw.
Stundenaufbau ist auf Wunsch des Mitarbeiters schriftlich festzuhalten.
59
Die Sollzeit kann am Ende des Ausgleichszeitraums um plus 100 Stunden bzw. um minus 100 Stunden unterschritten werden. Bis zu
dieser Höhe wird der Stundensaldo in den nächsten Ausgleichszeitraum übertragen.
60
Unterschreitet der Stundensaldo am Ende des Ausgleichszeitraums den übertragbaren Negativsaldo, so wird die darüber
hinausgehende Minusdifferenz von der monatlichen Vergütung abgezogen. Überschreitungen des übertragbaren Positivsaldos
verfallen am Ende des Ausgleichszeitraums.
61
6. Zeitausgleich
62
Der Mitarbeiter sorgt im Rahmen der flexiblen Arbeitszeitgestaltung eigenverantwortlich für die Einhaltung seiner individuellen
Arbeitszeit. Die Vorgesetzten haben entsprechend den betrieblichen Erfordernissen auf eine ausgeglichene Arbeitszeitgestaltung ihrer
Mitarbeiter hinzuwirken.
63
Zum Zeitausgleich kann der Mitarbeiter uneingeschränkt freie Tage nehmen. Eine Begrenzung der Anzahl besteht nicht.
64
Die Festlegung dieser freien Tage wird zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange
individuell vereinbart."
65
Ergänzend hierzu unterzeichneten die Betriebsparteien unter dem 01.10.1999 eine Protokollnotiz zu den Betriebsvereinbarungen über
gleitende Arbeitszeit sowie über eine Flexibilisierung der gleitenden Arbeitszeit in der Zentrale Stuttgart der Daimler Chrysler AG vom
01.10.1999 mit auszugsweise folgendem Regelungsinhalt:
66
"3. Einsichtnahme des Betriebsrats in die Zeiterfassungsprotokolle der Mitarbeiter
67
Dem Betriebsrat werden nach entsprechender Aufforderung die individuellen Zeiterfassungsprotokolle von bestimmten Mitarbeitern
oder -- in anonymisierter Form -- einer bestimmten Mitarbeitergruppe zur Einsichtnahme überlassen. Damit soll dem Betriebsrat
ermöglicht werden, in diesen Fällen über die Einhaltung der betrieblichen und tariflichen Regelungen zur Arbeitszeitgestaltung sowie
der gesetzlichen Arbeitszeitregelungen zu wachen.
68
4. Information des Betriebsrats bei NEZE
69
Der Betriebsrat wird einmal jährlich zum Ende des Ausgleichszeitraums (jeweils der 30.9. eines Jahres) über die durchschnittlichen
Gleitzeitsalden informiert und erhält hierüber eine Auswertung."
70
Das Arbeitszeitmodell der Betriebsvereinbarung NEZE wurde nachfolgend für circa 6.000 Beschäftigte des Betriebs, Zentrale Stuttgart
vereinbart.
71
Der Betriebsrat wandte sich schriftlich am 14.10.1999 an den Personalleiter der Arbeitgeberin, er rügte u.a. wiederholte Überschreitungen der
täglichen Höchstarbeitszeit von 10 Stunden, nicht genehmigte Mehrarbeit, er forderte die Arbeitgeberin auf, die Gleitzeitsalden auch hinsichtlich
der verfallenden Stundenguthaben über den 30.09.1999 (NEZE) bzw. über das Monatsende hinaus fortzuführen und in Verhandlungen über
die hierfür erforderliche Vergütung all dieser Zeiten als Mehrarbeit zu verhandeln. In einem Gespräch der erweiterten Arbeitszeitkommission mit
der Arbeitgeberin am 01.12.1999 forderte der Beteiligte Ziff.1 zusätzlich, den in den nicht abgebauten und unbezahlt verfallenden
Gleitzeitguthaben zum Ausdruck kommenden Personalmehrbedarf durch Umwandlung befristeter in unbefristete Arbeitsverhältnisse bzw. durch
Neueinstellungen zu befriedigen.
72
Die Beteiligten Ziff.1 und 2 tragen vor, dass die per 01.10.1999 abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen im Großen und Ganzen mit den
insoweit abgelösten Betriebsvereinbarungen übereinstimmen. Sie sind der Rechtsauffassung, die Arbeitgeberin werde ihren in den genannten
Betriebsvereinbarungen begründeten Verpflichtungen nicht gerecht bzw. verstoße gegen das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten Ziff.1
hinsichtlich Mehrarbeit, in dem sie die Arbeitszeit ungenehmigt über die für die regelmäßige Arbeitszeit in den Gleitzeitvereinbarungen
geregelten Grenzen hinaus ausdehne und hierdurch Mehrarbeit dulde. Anhand einer Hochrechnung aus gezogenen Stichproben errechnet sie
ein verfallendes Gleitzeitguthaben von ca. 750.000 Stunden im Jahr, was einem Personalmehrbedarf von 500 Neueinstellungen entspreche.
73
Die Beteiligten Ziff.1 und 2 beantragen unter der Maßgabe, dass sich die folgenden Anträge lediglich auf Beschäftigte im Sinne von § 5 Abs. 1
BetrVG beziehen, folgendes:
74
1. Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, spätestens am 01. September eines jeden Jahres mit solchen Beschäftigten, für die das
Arbeitszeitmodell NEZE gilt und deren Stundensaldo an diesem Tag für den laufenden Ausgleichszeitraum mehr als 100 Stunden ausweist,
den Zeitausgleich so zu planen und umzusetzen, dass am 30. September des entsprechenden Jahres ein Guthaben von 100 Stunden nicht
überschritten wird.
75
2. Der Arbeitgeberin wird untersagt, es zu dulden, dass Beschäftigte
76
-- morgens vor 06.00 Uhr und abends nach 19.00 Uhr arbeiten oder
77
-- täglich mehr als 10 Stunden arbeiten oder
78
-- ein Gleitzeitguthaben überschreiten
79
- im Rahmen des Arbeitszeitmodells "Classic" von mehr als 30 Stunden am Ende eines jeden Kalendermonats,
80
- im Rahmen des Arbeitszeitmodells NEZE von mehr als 100 Stunden am 30. September eines jeden Jahres,
81
ohne dass der Betriebsrat der abweichenden Arbeitszeit vorher zugestimmt hat oder ohne dass seine Zustimmung durch einen Spruch
der Einigungsstelle ersetzt worden ist.
82
3. Verstößt die Arbeitgeberin gegen ihre Verpflichtungen
83
-- aus Antrag Ziff.1, wird ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht
84
- auf Antrag des Betriebsrats ein Zwangsgeld bis zu DM 50.000,00, ersatzweise Zwangshaft, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern
der Arbeitgeberin,
85
- auf Antrag der Gewerkschaft ein Zwangsgeld bis zu DM 20.000,00,
86
-- aus Ziff.2, wird ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht
87
- auf Antrag des Betriebsrats ein Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Zwangshaft, zu vollziehen an den
Vorstandsmitgliedern der Arbeitgeberin,
88
- auf Antrag der Gewerkschaft ein Ordnungsgeld bis zu DM 20.000,00.
89
Die Beteiligte Ziff.3 beantragt,
90
die Anträge zurückzuweisen.
91
Die Beteiligte Ziff.3 bestreitet, dass ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss zur Einleitung dieses Verfahrens vorliege. Sie ist der
Rechtsauffassung, sie habe sich nicht in den genannten Betriebsvereinbarungen gegenüber dem Beteiligten Ziff.1 dahingehend verpflichtet,
dafür einzustehen, dass Beschäftigte im Anwendungsbereich der Arbeitszeitmodelle Classic und NEZE nicht übertragbare Gleitzeitguthaben bis
zum Ende des Abrechnungszeitraumes abbauten. Diesen Arbeitszeitmodellen liege der Grundgedanke einer eigenverantwortlichen
Arbeitszeitgestaltung der Mitarbeiter zugrunde, die Arbeitgeberin sei nur den Beschäftigten dahingehend verpflichtet, auf deren Vorgesetzte
hinsichtlich einer angemessenen Planung eines Freizeitausgleichs hinzuwirken. Sie billige die Anhäufung von Gleitzeitguthaben, den der
Verfall drohe, sowie die Überschreitung der genannten Arbeitszeitgrenzen nicht, solche Arbeitszeit werde daher bewusst nicht bezahlt. Die
Angaben der Beteiligten Ziff.1 und Ziff.2 unterstellt ergebe dies eine verfallende Arbeitszeit von allenfalls 18 Minuten pro Arbeitstag und
Mitarbeiter.
92
Für den Vortrag der Beteiligten im Einzelnen wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Anhörungstermins vom
12.07.2001 verwiesen.
93
II. Die Anträge sind zulässig, jedoch als unbegründet zurückzuweisen.
94
A. Es ist davon auszugehen, dass die Anträge des Beteiligten Ziff.1 bzw. von dessen Vorsitzenden von einem wirksamen Beschluss des
Betriebsratskollegiums getragen ist. Die Daten, an denen entsprechende Betriebsratsbeschlüsse gefasst worden sein sollen, sind der
Arbeitgeberin genannt worden. Ernsthafte Zweifel, dass am 19.09.2000 bzw. am 04.12.2000 (von dem Antragsteller Ziff.1 offensichtlich nur
hinsichtlich der Jahreszahl verwechselt) kein entsprechender Beschluss gefasst worden sein sollte, hat die Arbeitgeberin nicht behauptet.
Die bloße Rüge ist nicht hinreichend. Ein Nachweis einer (wirksamen) Beschlussfassung des Betriebsrats muss daher nicht geführt werden
(vgl. LAG Hessen vom 17.08.1993 -- 4 TaBV 91/93). Würde man anders entscheiden, so könnte die Arbeitgeberin durch ihre Rüge Kenntnis
von Interna der genannten Betriebsratssitzungen erlangen, obwohl sie keinen Anspruch auf Aushändigung einer entsprechenden
Sitzungsniederschrift gemäß § 34 Abs.2 BetrVG hätte. Entsprechend ist auch von einer wirksamen Bevollmächtigung des
Beteiligtenvertreters zu Ziff.1 auszugehen.
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B. Zum Antrag Ziff.1: Die Beteiligten Ziff.1 und Ziff.2 können von der Beteiligten Ziff.3 nicht beanspruchen, sie habe spätestens am 01.
September eines jeden Jahres mit solchen Beschäftigten, für die das Arbeitszeitmodell NEZE gilt und deren Stundensaldo an diesem Tag
für den laufenden Ausgleichszeitraum mehr als 100 Stunden aufweist, den Zeitausgleich so zu planen und umzusetzen, dass am 30.
September des entsprechenden Jahres ein Guthaben von 100 Stunden nicht überschritten wird. Der Antrag ist zulässig, aber nicht
begründet.
96
1. Der Antrag wird den Bestimmtheitserfordernissen gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gerecht (BAGE 44, 226 = AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG
1972 Arbeitszeit und BAGE 50, 29 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; vgl. auch Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG,
3.Auflage 1999, § 81 Rdnr.8 m.w.N.). Bei Anträgen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Mitbestimmungsrechts
muss diejenige Maßnahme des Arbeitgebers oder derjenige betriebliche Vorgang, für die bzw. für den ein Mitbestimmungsrecht vom
Betriebsrat in Anspruch genommen oder vom Arbeitgeber geleugnet wird, so genau bezeichnet werden, dass mit der Entscheidung
über diesen Antrag feststeht, für welche Maßnahme oder welchen Vorgang ein Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint wird
(ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. statt vieler BAGE 46, 367 = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Bei einem Antrag
auf Unterlassung wie auf Erbringung einer unvertretbaren Handlung soll die Bestimmtheit des Antrags der gerichtlichen Entscheidung
im Erkenntnisverfahren einen vollstreckbaren Inhalt geben und sie als Vollstreckungstitel geeignet machen. Die Bestimmtheit des
Tenors im Erkenntnisverfahren ist wegen der strafenden Elemente bei der Erzwingung von Unterlassungen sowohl nach § 890 ZPO
wie nach § 23 Abs. 3 BetrVG unverzichtbare Voraussetzung; in beiden Fällen wird dem Schuldner für den Fall der Zuwiderhandlung
gegen das Unterlassungs- bzw. Handlungsgebot ein Ordnungsgeld angedroht; es entspricht daher rechtsstaatlichen Grundsätzen, daß
er auch genau weiß, was er zu zun bzw. zu unterlassen hat. Auch wenn die Frage, wann das Ordnungs- bzw. Zwangsmittel bei
erneuten Verstößen zu verhängen ist, erst im Vollstreckungsverfahren beurteilt wird, muss der Arbeitgeber, der zur Erfüllung seiner
betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten angehalten werden soll, vorher wissen, in welchen zukünftigen Fällen er mit der Verhängung
eines Ordnungs- bzw. Zwangsmittels rechnen muss. Diesen Anforderungen genügt der Antrag des Betriebsrats. Der Antrag umschreibt
konkret die unvertretbare Handlung (Planung und Umsetzung des Freizeitausgleichs, so dass am 30. September des Jahres ein
Gleitzeitguthaben nicht 100 Plusstunden übersteigt) und die Fallkonstellationen, in denen der Betriebsrat ein Tätigwerden der
Arbeitgeberin beansprucht (Das Gleitzeitguthaben eines Beschäftigten im Sinne von § 5 Abs.1 BetrVG, für den das Arbeitszeitmodell
NEZE gilt, weist zum 01. September eines Jahres ein Gleitzeitguthaben von mehr als 100 Plusstunden aus).
97
2. Aufgrund der Verpflichtung die Betriebsvereinbarung NEZE durchzuführen steht dem Beteiligten Ziff.1 gegenüber der Beteiligten
Ziff.3 kein Anspruch des obengenannten Inhalts zur Planung und Umsetzung des Zeitausgleichs in der Weise zu, dass am 30.
September eines jeden Jahres Mitarbeiter kein positives Stundensaldo von mehr als 100 Stunden aufweisen, die nicht in den
folgenden Ausgleichszeitraum übertragen werden würden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat folgende, dieser Entscheidung
zu Grunde gelegte Auslegungsgrundsätze für Betriebsvereinbarungen entwickelt: Aus dem normativen Charakter der
Betriebsvereinbarung folgt, dass ihre Auslegung ebenso wie beim Tarifvertrag den Regeln über die Auslegung von Gesetzen folgt.
Auszugehen ist vom Wortlaut der Regelung, wobei es jedoch nicht auf den buchstäblichen Wortsinn ankommt. Vielmehr ist der
wirkliche Wille der Betriebsparteien zu erforschen. Hierbei kommt dem von den Betriebspartnern verfolgten Zweck besondere
Bedeutung zu, soweit er in der Betriebsvereinbarung wenigstens andeutungsweise Ausdruck gefunden hat. Neben der Feststellung
des Zwecks der Betriebsvereinbarung sind als weitere Auslegungsmittel der Gesamtzusammenhang der Betriebsvereinbarung sowie
ihre Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang wären auch beispielsweise Sitzungsniederschriften,
Protokollnotizen oder gemeinsame (auch nachträgliche) Erklärungen der Betriebspartner ebenso zu beachten wie eine betriebliche
Übung, die den Regelungen der Betriebsvereinbarung zugrunde liegt. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände, die das von den
Betriebspartnern gewollte zweifelsfrei erkennen lassen, kann die Betriebsvereinbarung durch Auslegung einen vom Wortlaut
abweichenden Inhalt bekommen. Betriebsvereinbarungen sind nach Möglichkeit gesetzeskonform auszulegen. Eine Lückenausfüllung
im Wege der ergänzenden Auslegung durch das Gericht kommt bei einer Betriebsvereinbarung wie bei einem Gesetz nur in Betracht,
wenn sie eine planwidrige Lücke enthalten. Hierbei ist darauf abzustellen, wie die Betriebspartner unter Berücksichtigung von Treu
und Glauben die Lücke in redlicher Weise geschlossen hätten. Da die Regelungen einer Betriebsvereinbarung oftmals einen
Kompromisscharakter haben, ist bei der Feststellung einer Regelungslücke eine gewisse Zurückhaltung
geboten(Fitting/Kaiser/Heither/Engels, 20.Aufl./, § 77, Rdnr.155 ff).
98
3. Der Rechtsauffassung des Beteiligten Ziff.1, er könne die Planung und Umsetzung des Zeitausgleichs zur Vermeidung unbezahlter
Gleitzeitguthaben verlangen, kann nicht gefolgt werden. Bei einer Auslegung der Betriebsvereinbarung nach ihrem Wortlaut, nach ihrer
Systematik, nach ihrem erkennbar angelegten Regelungszweck und unter Berücksichtigung ihrer Entstehung ist zu erkennen, dass die
Betriebsparteien einen solchen Anspruch des Beteiligten Ziff.1 gegenüber der Beteiligten Ziff.3 nicht begründen wollten.
99
a) Zum Wortlaut der Betriebsvereinbarung NEZE: Der Beteiligte Ziff. 1 verweist auf Ziff. 5 Abs. 2 Satz 1 BV NEZE: "Ist der
Stundensaldo auf dem Zeitkonto am Ende des 2. und 3. Quartals des Ausgleichszeitraums größer als +/- 100 Stunden, sind
Vorgesetzter und Mitarbeiter verpflichtet, den Zeitausgleich zu planen und umzusetzen." sowie auf Ziff. 6 Abs. 1 Satz 2 BV NEZE,
wonach "die Vorgesetzten entsprechend den betrieblichen Erfordernissen auf eine ausgeglichene Arbeitsgestaltung ihrer
Mitarbeiter hinzuwirken" haben. Anders als die Beteiligten Ziff. 1 und Ziff. 2 ist die Kammer der Rechtsauffassung, dass zu prüfen
ist, ob hierdurch überhaupt, und wenn ja zu wessen Gunsten, ein Rechtsanspruch mit welchem Inhalt begründet werden soll. Nach
dem Wortlaut der BV NEZE ist also die Verpflichtung, den Zeitausgleich zu planen und umzusetzen sowohl dem betreffenden
Vorgesetzten aber auch jedem Mitarbeiter im Anwendungsbereich der BV NEZE auferlegt. Üblicherweise ist es die ureigene
Aufgabe des Arbeitgebers die konkrete Arbeitszeit seinem Mitarbeiter im Rahmen seines Direktionsrechts zuzuweisen, die bei
einer feststehenden Arbeitszeit zentral von den mit der Personalführung betrauten Abteilungen vorgenommen wird. Wird im
Rahmen einer flexibilisierten Wochenarbeitszeit die Festlegung der konkreten Arbeitszeit eines Angestellten diesem selbst
überlassen, so wird diesem insoweit ein Mitgestaltungsrecht konstitutiv eingeräumt. Wird die Mitplanung/Kontrolle der Arbeitszeit
dessen direkten Vorgesetzten zugewiesen, so wird diesem eine Personalführungsaufgabe delegiert. Die Beteiligte Ziff.3 hat sich
somit ihres Rechts die Arbeitszeit zuzuweisen nicht entledigt, sondern ihren Beschäftigten im Anwendungsbereich der BV NEZE
ein weitgehendes Mitgestaltungsrecht eingeräumt. Die Arbeitgeberfunktion auf Zuweisung der Arbeitszeit wird auf eine
Mitwirkungs- und Kontrollpflicht reduziert auf einen Ausgleich eines Zeitkontos unter bestimmten Voraussetzungen hinzuwirken
und dezentral an den jeweiligen Vorgesetzten delegiert. Die Kammer folgt der Rechtsauffassung der Beteiligten Ziff.1 und Ziff.2
insoweit, als dies einer Verpflichtung der Beteiligten Ziff.3 entspricht auf einen Ausgleich eines Zeitguthabens im Laufe eines
Abrechnungszeitraums hinzuwirken. Dieser Verpflichtung entspricht selbstredend ein Rechtsanspruch des einzelnen Mitarbeiters,
um seinen Anspruch auf Freizeitausgleich geht es schließlich. Er ist berechtigt von seinem Vorgesetzten einen abgestimmten
Freizeitausgleich zum Abbau eines Stundenguthabens schriftlich niedergelegt zu sehen. Ihm gegenüber ist der Vorgesetzte auf
eine angemessen ausgeglichene Arbeitszeitgestaltung verpflichtet (vgl. Ziff.6 Abs.1 Satz 2 BV NEZE). Nach dem Wortlaut der BV
NEZE ist diese Mitwirkungs-/Kontrollpflicht der Beteiligten Ziff.3 jedoch ergebnisoffen gestaltet. Die Verpflichtung lebt auf, wenn
das Stundensaldo zu bestimmten Terminen die genannten Höchst- bzw. Untergrenzen über bzw. unterschreitet. Die BV NEZE gibt
dem Vorgesetzten und seinem Mitarbeiter nur eine allgemeine Vorgabe, dass die Arbeitsgestaltung des Mitarbeiters ausgeglichen
sein aber den betrieblichen Erfordernissen Rechnung tragen soll. Dies spricht schon dagegen, dass die Beteiligte Ziff.3 aufgrund
der BV NEZE dafür einstehen will, dass Guthabenstunden ausnahmslos bis zum Ende des Ausgleichszeitraums abgebaut sein
sollen, so dass Verfall von Gleitzeitguthaben nicht eintreten kann.
100
b) Zur Systematik der BV NEZE: In der Annahme, die Betriebsparteien hätten mit der BV NEZE einen in sich schlüssigen, d.h.
widerspruchslosen Regelungsplan entwerfen wollen, ist auch zu prüfen, ob der behauptete Rechtsanspruch sich aus der
sonstigen Regelungssystematik der BV NEZE ableiten lässt bzw. ob er sich lückenlos in das System der sonstigen Regelungen
einpassen ließe. Dies ist jedoch nicht der Fall. So ist ein Zeitraum, binnen dem ein positives Stundensaldo abgebaut werden soll
(bzw. ein Stundendefizit hereingearbeitet werden soll), nicht festgelegt. Auch findet sich alternativ keine Bestimmung, in der
festgelegt wird, bis auf welchen Umfang ein positives Zeitkonto zum Ende des Ausgleichszeitraums abgebaut sein muss. Auch
findet sich weder in der BV Classic noch in der BV NEZE eine Bestimmung, wonach ein Zeitkonto ein bestimmtes Guthaben (BV
NEZE: von mehr als 100 Stunden, bei BV Classic von mehr als 30 Stunden) von vornherein unzulässig wäre. Als einzige
Rechtsfolge bei einer nicht hinreichenden Planung und Umsetzung des Zeitausgleichs ist in Ziff. 5 Abs. 4 Satz 2 BV NEZE der
Verfall der Zeitguthabens von mehr als 100 Arbeitsstunden vorgesehen. Hätte die Beteiligte Ziff. 3 wie von den Beteiligten Ziff. 1
und Ziff. 2 behauptet sich unbedingt, d.h. ohne Ausnahme verpflichten wollen, wäre es nicht notwendig gewesen -- wie in Ziff. 5
Abs.4 BV NEZE geschehen -- zu bestimmen, dass Zeitguthaben von mehr als übertragbare 100 Stunden am Ende des
Ausgleichszeitraums verfallen. Bei einer unbedingten Verpflichtung der Beteiligten Ziff. 3 wäre diese Regelung gegenstandslos,
sie liefe leer.
101
c) Selbst wenn man gedanklich unterstellte, in der BV NEZE sei für den Beteiligten Ziff. 1 ein durchsetzbarer Rechtsanspruch auf
Abbau jeglicher Zeitguthaben bis zum 30.09. eines jeden Jahres begründet worden, so fällt auf, dass weder die BV NEZE noch die
entsprechende Protokollnotiz hierzu dem Betriebsrat einen entsprechenden Informationsanspruch zuspricht, der notwendig wäre,
um die zwangsweise Durchsetzung eines Anspruchs auf Planung und Umsetzung des Zeitausgleichs bei ca. 6.000 Mitarbeitern,
die dem Arbeitszeitzeitmodell NEZE unterstehen, angemessen zu sichern. In der Betriebsvereinbarung NEZE selbst wird dem
Betriebsrat kein Informationsanspruch zugestanden. Nur der Mitarbeiter wird monatlich über die erfassten Arbeitszeiten und den
Stand seines Zeitkontos informiert (Ziff.8 Abs. 4 Classic i.Vm. Ziff. 2 Abs. 2 BV NEZE). Der Betriebsrat wird im laufenden
Ausgleichszeitraums gerade nicht darüber informiert, dass am Ende des 2. und 3. Quartals des Ausgleichszeitraums ein
Arbeitszeitguthaben von mehr als 100 Stunden aufgelaufen ist, also sich die Voraussetzungen des behaupteten
Rechtsanspruches auf Planung und Umsetzung des Zeitausgleichs realisiert haben. Lediglich in der Protokollnotiz zu den
Betriebsvereinbarungen über gleitende Arbeitszeit sowie über eine Flexibilisierung der gleitenden Arbeitszeit in der Zentrale
Stuttgart der Beteiligten Ziff. 3 vom 01.10.1999 sind Ansprüche des Betriebsrats auf Einsichtnahme und Information vereinbart. Die
Betriebsparteien wollten anhand der räumlichen Abtrennung von den Betriebsvereinbarungen selbst eindeutig erkennbar keine
Betriebsvereinbarung mit deren formellen Rechtswirkungen gemäß § 77 BetrVG abschließen (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels,
BetrVG, 20. Auflage 2000, § 77, Rdnr. 22). Jedoch wollten sich die Betriebsparteien schuldrechtlich verpflichten, sich entsprechend
der Abrede zu verhalten. Hinsichtlich einer solchen Regelungsabrede kann der Beteiligte Ziff. 1 gleichermaßen von der Beteiligten
Ziff. 3 deren Erfüllung verlangen. Hieraus kann jedoch nicht auf Bestehen des begehrten Anspruchs auf Planung und
Durchführung eines Zeitausgleich gefolgert werden. In Satz 2 der Ziff.3 der Protokollnotiz findet sich jedoch ausdrücklich eine
anderweitige, weniger weit reichende Zweckbestimmung der Überwachung, nicht aber zur Erzwingung. Es heißt nämlich dort,
dass es dem Betriebsrat ermöglicht werden soll, über die Einhaltung der betrieblichen und tariflichen Regelungen zur
Arbeitszeitgestaltung sowie der gesetzlichen Arbeitszeitregelungen zu wachen. Aus diesem im Wege der Regelungsabsprache
konstituierten Überwachungsrecht folgt aber nicht zwangsläufig, das Recht des Betriebsrats die Beachtung von
Rechtsbestimmungen aus eigenem Recht im Beschlussverfahren durchzusetzen. Für das gemäß § 80 Abs.1 Nr.1 BetrVG
bestehende Überwachungsrecht des Betriebsrats entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass der Betriebsrat aus seinem
Überwachungsrecht heraus nicht die Einhaltung zu überwachenden Rechts gegenüber dem Arbeitgeber aus eigenem Recht im
Beschlussverfahren geltend machen kann (so zuletzt BAG vom 24.01.1996- 1 ABR 35/95 mit weiteren Nachweisen). Es sind keine
Ansatzpunkte erkennbar, dass die Betriebsparteien den offensichtlich der einschlägigen, gesetzlichen Bestimmung entnommenen
Begriff des (Über-) Wachens mit einem anderen Sinngehalt haben verwenden wollen, als in dem Sinne, wie er von der
Rechtsprechung für § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entwickelt worden ist. Selbst wenn man aus den in Ziff. 3 und Ziff. 4 der Protokollnotiz
vorgesehenen Einsichtnahme- und Informationsrechten auf einen einklagbaren Anspruch auf Planung und Umsetzung des
Zeitausgleichs schließen wollte, so würden sie dem Betriebsrat keine hinreichenden Kenntnisse verschaffen den behaupteten
Anspruch zwangsweise durch Verhängung eines Zwangsgeldes gegenüber der Beteiligten Ziff. 3 durchzusetzen. Sollte die
Beteiligte Ziff. 3 gegenüber dem Beteiligten Ziff. 1 verpflichtet sein, spätestens am 01. September eines jeden Jahres den
Zeitausgleich so zu planen und umzusetzen, dass am 30. September des entsprechenden Jahres ein Guthaben von 100 Stunden
nicht unterschritten wird, so bestünde dieser Anspruch allenfalls befristet bis zum 30.09. des Jahres, weil dann ein 100 Stunden
überschießendes Gleitzeitguthaben verfallen wäre. Ein Zwangsgeldantrag nach dem 01.10. des Jahres wäre daher unbegründet,
da er auf die zwangsweise Erfüllung eines nicht mehr bestehenden Anspruches abzielte. Die vereinbarten Einsichtnahme- und
Informationsrechte gewährleisten jedoch keine hinreichende und rechtzeitige Kenntnis des Betriebsrats, als dass er einen dem
Antrag Ziff. 1 entsprechenden Leistungsantrag vollstrecken könnte. Nach Ziff. 3 der Protokollnotiz erhält der Betriebsrat lediglich
auf entsprechende Aufforderung Einsichtnahme in die individuellen Zeiterfassungsprotokolle bestimmter Mitarbeiter. Dem
Betriebsrat ist hierdurch allein nicht bekannt, welchen Stand das Arbeitszeitkonto des betreffenden Mitarbeiters aufweist. Diesen
hätte sich der Betriebsrat selbst erarbeiten, was bei ca. 6.000 Mitarbeitern, für die das Arbeitszeitmodell NEZE anwendbar ist,
schlichtweg nicht geleistet werden kann. Ansonsten erhält der Betriebsrat von ganzen Mitarbeitergruppen die Daten nur
anonymisiert, mit der Folge, dass diese einzelnen Mitarbeitern nicht zugeordnet und eine konkrete Zuwiderhandlung als
Voraussetzung eines Zwangsgeldantrages wiederum nicht dargelegt werden könnte. Der in Ziff. 4 der Protokollnotiz zu den
Betriebsvereinbarungen über gleitende Arbeitszeit sowie über eine Flexibilisierung der gleitenden Arbeitszeit in der Zentrale
Stuttgart der Beteiligten Ziff. 3 vom 01.10.1999 vorgesehene Informationsanspruch ermöglicht es dem Betriebsrat ebenfalls nicht
einem drohenden Verfall von Gleitzeitguthaben entgegenzuwirken. Der Betriebsrat wird im Rahmen des Arbeitszeitmodells nur
einmal jährlich und dann erst zum Ende des Ausgleichszeitraums (d.h. jeweils der 30.09. eines Jahres) über die durchschnittlichen
Gleitzeitsalden informiert und erhält hierüber eine Regelung (Ziff. 4 der Protokollnotiz zu den Betriebsvereinbarungen über
gleitende Arbeitszeit sowie über eine Flexibilisierung der gleitenden Arbeitszeit in der Zentrale Stuttgart der Beteiligten Ziff. 3 vom
01.10.1999). Durch die Mitteilung durchschnittlicher Gleitzeitsalden hat der Betriebsrat keine hinreichend konkreten Informationen,
bei welchem Mitarbeiter die Planung und Umsetzung eines Gleitzeitausgleichs bis zum 30. September eines Jahres rechtlich zu
erzwingen wäre, um den Verfall seines Gleitzeitguthabens oberhalb von 100 Plus-Stunden zu vermeiden. Auch erhält der
Betriebsrat nach dieser Bestimmung die Mitteilung erst zum Ende des Ausgleichszeitraums, also zu einem Zeitpunkt, an dem der
Verfall nicht übertragbarer Stundenguthaben gemäß Ziff. 5 Abs. 4 Satz 2 BV NEZE bereits eingetreten wäre. Im Ergebnis bleiben
die am 01.10.1999 vereinbarten Rechte des Betriebsrats auf Einsichtnahme in die Zeiterfassungsprotokolle sowie die jährliche
Information über die durchschnittlichen Gleitzeitsalden zum Ende des Ausgleichszeitraums hinter dem gerichtlich bereits zuvor
erstrittenen Anspruch auf Vorlage von Gleitzeitkontenauszügen auf Verlangen zurück (vgl. LAG Baden-Württemberg vom
21.2.1994 -- 15 TaBV 11/93). Nach Auffassung des Beteiligten Ziff. 1 spricht das Fehlen einer Regelung zu Konsequenzen bei
einer nicht umgesetzten Abbauplanung nicht für die Unverbindlichkeit der normierten Rechtspflicht. Vielmehr seien alle
vertraglichen Vereinbarungen einklagbar, solange die Vertragsparteien nichts Abweichendes regelten. Diese Argumentation ist
nicht durchgreifend, setzt sie doch voraus, dass zum einen von der Beteiligten Ziff.3 eine Rechtspflicht übernommen, sie ohne
weitere Voraussetzungen den in der Antragsschrift angegebenen Inhalt habe, und dieser Anspruch nicht nur zugunsten des
Arbeitnehmers sondern auch zu Gunsten des Beteiligten Ziff.1 begründet worden sei. Erst dann stellte sich die Frage, welche
Rechtsfolge an den nicht geplanten und nicht umgesetzten Zeitausgleich zu knüpfen wäre.
102
d) Auslegung nach Sinn und Zweck der BV NEZE: Auch nach dem erkennbaren Sinn und Zweck der BV NEZE ist nicht davon
auszugehen, dass mit den Regelungen in Ziff.5 Abs. 2 Satz und Ziff.6 Abs.1 Satz BV NEZE ein Anspruch obengenannten Inhalts
des Beteiligten Ziff.1 gegenüber dem Arbeitgeber nicht begründet werden sollte. In der Präambel offenbaren die Betriebsparteien
die mit dem Arbeitszeitmodell NEZE angestrebten Regelungsziele. Als zusätzliches Arbeitszeitmodell soll es nach Wahl eine noch
weitergehendere Flexibilisierung der Arbeitszeit ermöglichen, als dies nach der BV Classic gelten soll. Auf Seiten des
Unternehmens soll eine effektivere Orientierung der Arbeitszeit an den betrieblichen Erfordernissen erreicht werden. Für die
Mitarbeiter soll eine verbesserte Vereinbarkeit von Freizeit und Beruf erreicht werden. Die Betriebsparteien legen auch die
Instrumente offen, mit der sie einen Ausgleich zwischen diesen im Widerstreit stehenden Interessen erreichen wollen. Die
Mitarbeiter selbst mögen jeweils für sich und bzw. in der Gruppe, in die sie eingebunden sind, die Gestaltung der Arbeitszeit
übernehmen und hierüber mit Vorgesetzten und Kollegen ein Einvernehmen erzielen. Die Regelungen der BV NEZE betonen
durchweg es den Mitarbeitern durch eine weitergehende Flexibilisierung ihrer Arbeitszeit ermöglichen zu wollen, ihre Arbeitszeit
unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse in dem vorgegebenen Arbeitszeitrahmen und Ausgleichszeitraum unter
Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse nach ihren individuellen Bedürfnissen eigenverantwortlich einzuteilen. Das
Leitbild des für seine Arbeitszeit eigenverantwortlich mitgestaltenden Arbeitnehmer wird wiederholt in den Regelungen der BV
NEZE thematisiert, der sich mit seinem Vorgesetzten ohne Mitwirkung des Betriebsrats ins Einvernehmen hinsichtlich seiner
Gleitzeit und seines Freizeitausgleichs setzt. So soll ihm gemäß Ziff.4 Abs.1 BV NEZE die Möglichkeit eingeräumt werden,
Arbeitsbeginn und Arbeitsende auf der Grundlage seiner individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit selbst zu
bestimmen. Dies gelte auch für die Einplanung freier Tage (vgl. Ziff.4 Abs.1 Satz 3 BV NEZE), dem gemäß also auch für die
Planung und Umsetzung des Zeitausgleichs. In Ziff.6 der BV NEZE regeln die Betriebsparteien nach welchen inhaltlichen
Vorgaben der Zeitausgleich eines Gleitzeitguthabens erfolgen soll. Der Mitarbeiter kann hierzu uneingeschränkt freie Tage
nehmen (vgl. Ziff.6 Abs.2 Satz 1 BV NEZE). Die Anzahl der durch Freizeitausgleich abgedeckten Arbeitstage ist nicht beschränkt
(vgl. Ziff.6 Abs.2 Satz 2 BV NEZE). Dem Mitarbeiter steht somit grundsätzlich die Möglichkeit offen seinen Freizeitausgleich bei
entsprechenden Gleitzeitguthaben auch auf längere Perioden zu erstrecken. Die Verantwortlichkeit für die Planung des
Zeitausgleichs wird schwerpunktmäßig dem einzelnen Mitarbeiter zugewiesen: er hat im Rahmen der flexiblen
Arbeitszeitgestaltung eigenverantwortlich für die Einhaltung seiner individuellen Arbeitszeit zu sorgen. Sein Vorgesetzte hat
demgegenüber nur daraufhin zu wirken, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den betrieblichen Erfordernissen und dem
Interesse des Mitarbeiters an einer ausgeglichenen Arbeitszeitgestaltung gefunden wird (vgl. § 6 Abs. 1 BV NEZE). Könnte der
Betriebsrat aus eigenem Recht den Abbau von Gleitzeitguthaben fordern, welches ansonsten verfallen würde, so würde er sich
nicht nur gegenüber dem Arbeitgeber sondern auch gegenüber dem fraglichen Arbeitnehmer durchsetzen, der, nur dann wird ein
eigener Anspruch des Betriebsrats auf Planung und Umsetzung des Zeitausgleichs bis 30.09. eines Jahres relevant, hiervon
Abstand nimmt. Der im Antrag Ziff.1 behauptete Anspruch befände sich somit zwangsläufig im Widerspruch zur ausdrücklich
eingeräumten, eigenverantwortlichen Gestaltungsfreiheit des Arbeitnehmers. Er läuft letztendlich darauf hinaus (so sehen dies
auch die Antragsteller), dass die Beteiligten Ziff.1 und Ziff.2 beanspruchen, der Arbeitgeber möge Beschäftigte zwangsweise nach
Hause schicken, bei denen der Verfall von Gleitzeitguthaben droht. Auch wenn es in Ziff.III 3 Satz 1 der Betriebsordnung heißt,
dass jeder Arbeitnehmer verpflichtet ist, die für ihn geltende Arbeitszeit einzuhalten, so gilt auch hier, dass dem Beteiligten Ziff.1
nicht gegenüber dem Arbeitgeber aber auch nicht gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer ein Ahndungsrecht zusteht. Soweit der
Beteiligte Ziff.1 behauptet, den Beschäftigten sei aufgrund eines von der Arbeitgeberin geschaffenen Systems direkter und
indirekter Einflussnahmen die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Zeitausgleichsplanung genommen worden, kann dies am
Auslegungsergebnis nichts ändern. Zwar könnte die Entstehungsgeschichte einer Betriebsvereinbarung sowie die bei ihrer
Vereinbarung vorherrschenden Umstände zur Auslegung ergänzend herangezogen werden. Betriebsvereinbarungen sind nach
den für die Tarifauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen (vgl. BAG Urteil vom 27. August 1975 -- 4 AZR 454/74 -- AP Nr. 2
zu § 112 BetrVG 1972). Bei der Tarifauslegung kann auf die Entstehungsgeschichte zurückgegriffen werden, wenn bei
entsprechender Auswertung des Tarifwortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs noch Zweifel über den Inhalt des
Tarifvertrags bestehen (BAGE 46, 308, 314 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Verbleiben im Einzelfall noch Zweifel, kann auch
auf die Entstehungsgeschichte der Betriebsvereinbarung zurückgegriffen werden (vgl. hierzu BAGE 46, 308, 313 f. = AP Nr. 135 zu
§ 1 TVG Auslegung, m.w.N.). Im Anhörungstermin hat der Beteiligte Ziff.1 erklärt, die genannten Personalführungssysteme, die der
eigenverantwortlichen Zeitausgleichsplanung der Mitarbeiter entgegenstehen würden, hätten bereits zum Zeitpunkt der
Unterzeichnung der BV NEZE am 01.10.1999 bestanden. Waren dem Beteiligten Ziff.1 jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt
Umstände bekannt, die eine Unterstützung der Mitarbeiter bei der Durchsetzung ihres Zeitausgleichs von Seiten des Betriebsrats
notwendig gemacht hätten, so hätte man annehmen müssen, dass der Beteiligte Ziff.1 den behaupteten Anspruch auf Planung und
Durchführung des Zeitausgleichs eindeutig in der Betriebsvereinbarung hätte niederlegen wollen. Dass dies doch nicht
geschehen ist, kann nur darauf zurück geführt werden, dass dies nicht dem Regelungswillen beider Betriebsparteien entsprochen
hat. Selbst wenn man insoweit eine Regelungslücke in der BV NEZE sehen wollte, so wäre diese nicht planwidrig, sondern das
Ergebnis eines zwischen den Betriebsparteien gefundenen Kompromisses, bei dem ein Einvernehmen beider Betriebspartner
über einen Durchführungsanspruch des Beteiligten Ziff.1 nicht hat erzielt werden können. Der geltend gemachte
Durchführungsanspruch, gerichtet auf Planung und Umsetzung des Zeitausgleichs für Zeitguthaben von mehr als 100 Stunden bis
zum 30.September eines Jahres, lässt sich daher auch nicht im Wege der ergänzenden Auslegung der BV NEZE gewinnen.
103
4. Dementsprechend ist auch der Antrag Ziff.1 der Beteiligten Ziff.2 insoweit zurückzuweisen.
104
C. Der Antrag Ziff.2 der Beteiligten Ziff.1 und Ziff.2 ist zulässig aber nicht begründet.
105
1. Der Antrag Ziff.2 wird den Erfordernissen gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gerecht. Der Antrag umschreibt konkret die Fälle, in denen
der Betriebsrat verlangt, dass die Überschreitung des durch die Betriebsvereinbarungen Classic und NEZE vorgegebenen
Arbeitszeitrahmens nicht ohne seine Zustimmung erfolgt. In dem Antrag sind die einzelnen Fallkonstellationen genannt, für die der
Betriebsrat die Unterlassung begehrt. sind. Der Antrag unterscheidet zwar nicht zwischen Fallgestaltungen von
Mehrarbeit/Überstunden und Gleitzeit bzw. Überschreitungen des Gleitzeitrahmens. Die Zulässigkeit des Antrags kann hieran jedoch
nicht scheitern, kann die Arbeitgeberin dem Antrag doch genau entnehmen, in welchen Fällen der Betriebsrat die Überschreitung des
Gleitzeitrahmens als Duldung von Überstunden wertet und insoweit die Verletzung des Mitbestimmungsrechts gemäß § 87 Abs.1 Nr.3
BetrVG rügt. Dem Antrag nennt deutlich die Fallkonstellationen, in denen die Arbeitgeberin mit der Verhängung von Zwangs- bzw.
Ordnungsmitteln rechnen müsste, würde dem Antrag stattgegeben.
106
2. Der Antrag Ziff.2 des Beteiligten Ziff.1 und kann weder damit begründet werden, die Arbeitgeberin erfülle ihre Verpflichtungen aus
den Betriebsvereinbarungen Classic und NEZE nicht, noch damit, sie verhalte sich gesetzes- oder mitbestimmungswidrig.
107
a) Zum Arbeitszeitrahmen: Unter dem Gesichtspunkt der Unterlassung betriebsvereinbarungswidrigen Verhaltens kann der
Beteiligte Ziff.1 nicht verlangen, dass der Arbeitgeberin die Untersagung aufgegeben werde, es zu dulden, dass Beschäftigte
morgens vor 6.00 Uhr und abends nach 19.00 Uhr arbeiten oder täglich mehr als 10 Stunden arbeiten, es sei denn, der Betriebsrat
habe der abweichenden Arbeitszeit zugestimmt bzw. dessen Zustimmung sei durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt
worden. Die Bestimmungen gemäß Ziff.3 Abs.1 BV Classic und Ziff.3 Abs.1 BV NEZE begründen einen solchen
Untersagungsanspruch nicht. Arbeitszeiten vor 6.00 Uhr und nach 19.00 Uhr sind hiernach nicht unzulässig im Sinne von
verboten. Als einzige Rechtsfolge ist festgelegt, dass diese Arbeitszeit nicht dem Zeitkonto zugebucht wird (vgl. Ziff.3.4, Ziff.7.1 Satz
2 BV Classic; hiermit ist auch klargestellt, dass der fragliche Mitarbeiter diese Arbeitsleistung weder in Freizeit ausgeglichen noch
als Mehrarbeit vergütet erhalten wird, es sei denn, diese ist als Mehrarbeit beantragt und vom Betriebsrat genehmigt worden (Ziff.7
BV Classic; gilt im Rahmen des Arbeitszeitmodells NEZE entsprechend: in der BV NEZE ist nichts abweichendes geregelt, so dass
die Bestimmung der BV Classic hinsichtlich Mehrarbeit gemäß Ziff.2 Abs.2 BV NEZE ergänzend heranzuziehen ist.) Der Wortlaut
der Kollektivnormen gibt keinen Anhaltspunkt dafür her, die Beteiligte Ziff.3 habe sich gegenüber dem Betriebsrat verpflichten
wollen, Arbeitszeiten außerhalb des Arbeitszeitrahmens unterbinden zu wollen.
108
b) Zur täglichen Höchstarbeitszeit: In Ziff.3 Abs.6 BV Classic, die auch im Rahmen der BV NEZE ergänzend gilt, ist zwar geregelt,
dass die zulässige tägliche Arbeitszeit nach dem ArbZG für Erwachsene maximal 10 Stunden beträgt. Durch die bloße, verkürzte,
inhaltliche Bezugnahme auf Arbeitszeitbestimmungen haben die Betriebsparteien keine Verpflichtung der Beteiligten Ziff.3
begründen wollen, ausnahmslos nur noch eine tägliche Arbeitsleistung von bis zu 10 Stunden entgegenzunehmen. Es handelt
sich um eine deklaratorische Klarstellung der Rechtslage, die als Appell an die Beschäftigten und ihre Vorgesetzten sich an diese
zu halten aufgenommen worden ist. Die Rechtsauffassung des Betriebsrats läuft darauf hinaus, die Arbeitgeberin habe auf die
Gestaltungsfreiheit gemäß verzichten wollen eine von § 3 ArbZG abweichende Verteilung der Arbeitszeit vorzusehen, obwohl eine
solche ihr von Gesetzes wegen gemäß §§ 7 Abs.1 Nr.1; 14, 15 ArbZG eröffnet und durch tarifvertragliche Bestimmungen (§ 7.2
MTV Metall NV/NB) bzw. durch die streitgegenständlichen Betriebsvereinbarungen bereits ausgeübt worden ist. Der
Anwendungsbereich ist für den Stuttgarter Betrieb Zentrale zwar denkbar gering: er greift nur, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig
und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt. Diese Überlegung zeigt aber doch vom Ergebnis her, dass die
Betriebsparteien eine solch weit reichende Regelung nicht haben treffen wollen. Von Seiten der Beteiligten Ziff.1 und Ziff.2 wird
ausgeführt, dass die laxe Überwachungspraxis notwendig mache dem Betriebsrat hinsichtlich Einhaltung von gesetzlichen
Arbeitszeitvorschriften ein eigenständiges Überwachungsmandat zu verschaffen. Selbst wenn man entgegen obigen
Ausführungen annehmen wollte, dies habe nicht nur dem Interesse des Betriebsrats entsprochen, sondern sei vom
Regelungswillen beider Betriebsparteien gedeckt gewesen, so wäre eine solche Bestimmung in einer Betriebsvereinbarung nicht
wirksam. Ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs.1 Nr.1 BetrVG stünde dem Betriebsrat im Hinblick auf die Bestimmungen des
ArbZG nicht zu, da insoweit eine gesetzliche Regelung besteht, die nach Vorstellung des Gesetzgebers in ihrer konkreten
Ausgestaltung die Interessen der Arbeitnehmer hinreichend schützt (vgl. BAG Großer Senat vom 03.12.1991 -- GS 1/90, AP Nr. 52
zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Würde man die bloße Auffassung des Betriebsrats, die Überprüfung der Gewerbeaufsicht
sei nicht hinreichend, ausreichend erachten ein Mitbestimmungsrecht aufleben zu lassen, würde dies den Vorrang des Gesetzes
vor Mitbestimmungsrechten gemäß dem Einleitungssatz des § 87 Abs.1 BetrVG unterlaufen. Eine gesetzliche Regelung schlösse
zwar nicht eine freiwillige Betriebsvereinbarung aus. Diese hätte aber den zwingenden Vorgaben des ArbZG Rechnung zu tragen.
In dieser sind die Sanktionen für Arbeitszeitverstöße seiten des Arbeitgebers abschließend geregelt. Es kann nicht angenommen
werden, die Betriebsparteien hätten dem Betriebsrat einvernehmlich insoweit ein schwerwiegenderes Sanktionierungsrecht als
der zuständigen Gewerbeaufsicht zustehen würde, solches wäre auch nicht mit dem höherrangigen als formelles Gesetz
geltenden ArbZG vereinbar.
109
c) Unter dem Gesichtspunkt der Unterlassung betriebsvereinbarungswidrigen Verhaltens kann der Beteiligte Ziff.1 nicht
verlangen, dass der Arbeitgeberin die Untersagung aufgegeben werde, es zu dulden, dass Beschäftigte ein Gleitzeitguthaben
überschreiten, welches am Ende des Abrechnungszeitraums teilweise verfallen würde (beim Arbeitszeitmodell "Classic" mehr als
30 Stunden am Ende eines jeden Kalendermonats bzw. beim Arbeitszeitmodell NEZE mehr als 100 Stunden am 30.September
eines jeden Jahres), es sei denn, der Betriebsrat habe der abweichenden Arbeitszeit zugestimmt bzw. dessen Zustimmung sei
durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt worden. Dies folgt bereits aus den obenstehenden Ausführungen unter II. B.
110
d) Der Antrag Ziff.2 hat auch keine gesetzliche Anspruchsgrundlage. Er kann auch nicht damit begründet werden, die
Arbeitgeberin verhalte sich insoweit gesetzes- oder mitbestimmungswidrig.
111
(1) Der Antrag kann nicht auf § 80 Abs.1 Nr.1 BetrVG gestützt werden. Hiernach hat der Betriebsrat lediglich die Durchführung
der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und
Betriebsvereinbarungen zu überwachen. Dies gilt auch für die Bestimmungen der BV Classic und BV NEZE. Einen gerichtlich
durchsetzbaren Anspruch darauf, dass die Arbeitgeberin die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Regelungen tatsächlich
durchführt bzw. einhält, steht dem Betriebsrat nicht zu. Es ist dann Sache des einzelnen Arbeitnehmers, die ihm zustehenden
Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Dementsprechend entspricht es der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts, dass der Betriebsrat auch nicht die Möglichkeit hat im Beschlussverfahren feststellen zu lassen, der
Arbeitgeber sei verpflichtet, eine zugunsten der Arbeitnehmer bestehende allgemeine Regelung in bestimmter Weise
durchzuführen.
112
(2) Der Antrag kann auch nicht damit begründet werden, die Arbeitgeberin unterlaufe das Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats gemäß § 87 Abs.1 Nr.3 BetrVG zur Mehrarbeit, wenn sie die Erbringung von Gleitzeit über den vorgegebenen
Gleitzeitrahmen hinaus dulde bzw. den Verfall von Gleitzeitguthaben nicht unterbinde. Das Mitbestimmungsrechts zur
Mehrarbeit ist nämlich nicht berührt. Der Betriebsrat hat durch die Bestimmung in Ziff.7 der BV Classic sein
Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs.1 Nr.3 BetrVG dahingehend ausgeübt, zu definieren, wann welche Arbeitszeit als
Gleitzeit bzw. als Mehrarbeit anzusetzen ist, unter welchen Voraussetzungen Mehrarbeit zulässig und wie sie
vergütungsmäßig zu behandeln sei. Dass die Arbeitgeberin diese Bestimmungen bei der Anordnung von Mehrarbeit nicht
achte, wird von Seiten der Beteiligten Ziff.1 und Ziff.2 nicht behauptet. Der Betriebsrat hat durch die Bestimmungen in der BV
Classic und die BV NEZE auch sein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs.1 Nr.2 BetrVG hinsichtlich Beginn und Ende der
täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage wirksam
ausgeübt.
113
(3) Der Rechtsauffassung der Beteiligten Ziff.1 und Ziff.2, es sei als mitbestimmungswidrige Mehrarbeit zu qualifizieren, wenn
die Arbeitgeberin nicht den Verfall von Gleitzeitguthaben unterbinde, ist nicht zu folgen. Das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87
Abs.1 Nr.2 BetrVG hat der Betriebsrat durch Abschluss der BV Classic und BV NEZE wirksam ausgeübt. Umstände, warum
daneben ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrat gemäß § 87 Abs.1 Nr.3 BetrVG verletzt sein soll bzw. warum diese
Betriebsvereinbarungen unwirksam sein sollten, ist nicht ersichtlich.
114
(a) Ein Mitbestimmungstatbestand im Sinne von § 87 Abs.1 Nr.3 ZPO wird nicht berührt. Dies wäre nur dann der Fall,
wenn die Arbeitgeberin Mehrarbeit anordnen bzw. dulden würde, ohne dass der Betriebsrat hierzu beteiligt wäre. Das
Bundesarbeitsgericht hat definiert, dass ein Dulden von Seiten des Arbeitgebers nur dann vorläge, wenn er die
Arbeitszeit/-leistung entgegennehmen und auch bezahlen würde (BAG v. 27.11.1990 -- 1 ABR 77/89). Aus
Mitbestimmungsrechten sah das Bundesarbeitsgericht den Arbeitgeber zur Unterbindung nicht genehmigter Mehrarbeit
nur verpflichtet an, anzukündigen, dass vom Betriebsrat nicht genehmigte Mehrarbeit von ihm nicht gewollt sei und
dementsprechend nicht bezahlt werde, dann "wäre das Problem erledigt" (BAG v. 23.06.1992 -- 1 ABR 11/92). Diesen
Verpflichtungen ist die hiesige Arbeitgeberin gerecht geworden. In den Arbeitszeitmodellen ist eindeutig klargestellt
worden, dass außerhalb des Arbeitszeitrahmens von 06.00 Uhr bis 19.00 Uhr geleistete Arbeitszeit von vornherein nicht
im Gleitzeitkonto berücksichtigt oder als unter keinen Umständen bezahlt werden würde. Gleiches gilt für das maximal
übertragbare Gleitzeitguthaben sowie die Rechtsfolge des Verfalles bei nicht rechtzeitigem Freizeitausgleich vor Ende
des Abrechnungszeitraums. Nach Ansicht der entscheidenden Kammer kommt auch keine erweiternde Auslegung des
Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats auf Rechtsfolgenseite gemäß § 87 Abs.1 Nr.3 BetrVG in Betracht, wonach die
Arbeitgeberin dafür einzustehen habe, dass alle Beschäftigte im Geltungsbereich der Arbeitszeitmodelle Classic und
NEZE nicht unentgeltlich arbeiteten bzw. ihren Freizeitausgleichsanspruch in vollem Umfang realisierten. Erbringt ein
Beschäftigter eine Arbeitsleistung außerhalb des Arbeitszeitrahmens, so ist dies von vornherein eine Leistung, von der
der Arbeitnehmer weiß, dass sie ihm nicht bezahlt werde. Erbringt er im Ausgleichszeitraum eine Arbeitsleistung, die zur
Anhäufung eines Gleitzeitguthabens führt, welches ab einem bestimmten Saldo nicht in den nächsten
Abrechnungszeitraum übertragen wird, bedeutet dies individualrechtlich, dass er dem Arbeitgeber eine Arbeitsleistung
zuwendet, auf die der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag keinen Anspruch hat. Der Beschäftigte erbringt also diese
Arbeitsleistung ohne Rechtsgrund. Macht ein Arbeitnehmer seinen zum Verfall anstehenden Freizeitausgleich gegen
Ende des Abrechnungszeitraums nicht geltend, so hat dies die gleichen Rechtsfolgen wie ein entsprechender
Forderungsverzicht, auf den der Arbeitgeber ebenfalls keinen Anspruch hätte. Im Nachhinein stellt sich dann heraus, dass
er die Arbeitsleistung zur Erlangung des später verfallenden Freizeitausgleich ohne Gegenleistung erbracht hat. Auch
dies hätte der Arbeitgeber nicht nach dem Arbeitsvertrag beanspruchen oder zum Gegenstand seines Direktionsrechts
machen können. Letztendlich begehrt der Betriebsrat im vorliegenden Fall nicht, dass die Arbeitgeberin ihr
Weisungsrecht im Bereich des Mitbestimmungsrechts von Mehrarbeit nur nach Zustimmung bzw. Zustimmungsersetzung
durch eine Einigungsstelle ausübe. Er begehrt vielmehr, dass die Arbeitgeberin es unterbinde, dass ihr Beschäftigte
durch letztendlich unentgeltlich geleistete Gleitzeit einen Rechtsvorteil aufdrängten. Zweck des Mitbestimmungsrechts
des Betriebsrats ist es allein, die Direktionsrechte des Arbeitgebers zu beschränken und einzelvertragliche
Vereinbarungen wegen der dabei zwischen Beschäftigtem und Arbeitgeber gestörten Vertragsparität zurück zu drängen.
Dementsprechend wären nach § 87 BetrVG mitbestimmungswidrige, einseitige rechtsgeschäftliche Maßnahmen des
Arbeitgebers wie z.B. die Ausübung seines Direktionsrechts oder der Widerruf von Zulagen als auch einzelvertragliche
Vereinbarungen unwirksam. Mitbestimmungswidrige Weisungen des Arbeitgebers hätte der Arbeitnehmer nicht befolgen.
Tatsächliche Maßnahmen des Arbeitgebers, die er ohne die notwendige Mitbestimmung des Betriebsrats vorgenommen
hat, sind rechtswidrig, der Betriebsrat kann deren Beseitigung verlangen z.B. von Kontrollgeräten. Der gemeinsamen
Vorstellung der Betriebsparteien entsprach es durch die Arbeitszeitmodelle Classic und NEZE die Arbeitszeit der
Beschäftigten zu flexibilisieren, nicht aber im Volumen auszuweiten. Wäre dies rechtstatsächlich die Folge dieser
Arbeitszeitmodelle, so wäre dies nicht durch ein rechtsgeschäftliches oder zurechenbares, rein tatsächliches Verhalten
der Arbeitgeberin verursacht, sondern auf das Arbeitsverhalten der Beschäftigten zurückzuführen.
115
(b) Die entscheidende Kammer ist der Auffassung, dass die Beschäftigten hierdurch auch nicht schutzlos gelassen
würden. Der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin ist darin zu folgen, dass Verfallklauseln, die sich auf Gleitzeitguthaben
beziehen, die den in den nachfolgenden Ausgleichszeitraum übertragbaren Saldo übersteigen, nicht zu beanstanden ist
(vlg. GK-Wiese, BetrVG, 6.Aufl.1998, § 87, Rdnr.335). Alles andere wäre mit dem tarifvertraglich höchst zulässigen
Ausgleichszeitraum von einem Jahr nicht zu vereinen (Ziff.3.1 Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung Metall NW/NB).
Die Beschäftigten werden hierdurch nicht unangemessen benachteiligt. Sie können nach den BV Classic und BV NEZE
von ihren Vorgesetzten verlangen, dass diese an einer Planung ihres Freizeitausgleichs mitwirken und diesen auch
schriftlich fixieren. Gegen Ende eines Zeitausgleichszeitraums, bei der sich die Abwägung zwischen den Interessen des
Arbeitnehmers an effektiver Gewährung seines Freizeitausgleichs und den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers auf
die Frage verdichtet, ob dem Arbeitnehmer der Verfall seines nicht übertragbaren Gleitzeitguthabens zugemutet werden
kann, wird man in der Regel davon ausgehen können, dass sich der Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers auf das
Ende des Ausgleichszeitraums konkretisiere (vgl. LAG Nürnberg v. 07.11.2000 -- 6 Sa 695/99). Solches wurde bereits für
die Erteilung des Erholungsurlaubs in der Zeit der ordentlichen Kündigungsfrist bei einem ordentlich gekündigten
Arbeitsverhältnis entschieden. Ist im Rahmen des Arbeitszeitmodells Classic ein Ausgleich des verfallenden
Gleitzeitguthaben nicht binnen Monatsfrist möglich, weil dem z.B. eine längere Krankheit des Beschäftigten
entgegensteht, so kann das übertragbare Gleitzeitguthaben auch vorübergehend erhöht werden (vgl. Ziff.4 Abs.5 Satz 2
BV Classic). Auch ist ein Schadensersatzanspruch des Beschäftigten denkbar, wenn sich Vorgesetzter der Durchführung
und Planung seines Freizeitausgleichs entzieht oder sein Einvernehmen einem angemessenen Freizeitausgleich
verweigert und dem Beschäftigten hierdurch durch Eintritt des Verfalls von Gleitzeitguthabens ein Schaden entsteht. Die
Beteiligten Ziff.1 und Ziff.2 behaupten nicht, der Arbeitgeberin sei vorzuwerfen, sie habe versucht die Geltendmachung
von Freizeitausgleich zu verhindern. Auch behaupten sie nicht, Beschäftigte, die ihren Freizeitausgleich vollumfänglich
wahrnehmen würden, würden in irgend einer Weise benachteiligt. Dies wäre nach dem Maßregelungsverbot ohnehin
unzulässig (vgl. § 612a BGB); dies ist auch ausdrücklich zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart (vgl. Ziff.3 Abs.8
BV Classic; in der BV NEZE ist nichts Abweichendes/Eigenständiges geregelt). Es mag sein, dass Mitarbeiter in
Erwartung zusätzlicher Karrierechancen oder wegen der Erfolgsabhängigkeit ihrer Vergütung von der Geltendmachung
ihres Freizeitausgleichs absehen. Diesen stände aber jederzeit die Möglichkeit offen, umzudenken und ihren
Zeitausgleichsanspruch wahrzunehmen, ohne im Bestand ihres Arbeitsverhältnisses gefährdet zu sein. Sie wären für die
Zukunft nicht verpflichtet, der Arbeitgeberin weiterhin unentgeltlich Arbeitsleistung anzudienen.
116
e) Der Antrag Ziff.2 ist damit abzuweisen
117
3. Dementsprechend ist auch der Antrag Ziff.2 der Beteiligten Ziff.2 zurückzuweisen
118
D. Da die Anträge Ziff.1 und Ziff.2 zurückzuweisen sind, bleibt, für den Antrag Ziff.3 kein Raum.
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E. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (§ 12 Abs.5 ArbGG)