Urteil des ArbG Solingen vom 16.11.2007
ArbG Solingen: sozialplan, juristische person, betriebsübergang, treu und glauben, allgemeine geschäftsbedingungen, allgemeine vertragsbedingungen, unterrichtung, beendigung, aufhebungsvertrag
Arbeitsgericht Solingen, 5 Ca 1191/07 lev
Datum:
16.11.2007
Gericht:
Arbeitsgericht Solingen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Ca 1191/07 lev
Schlagworte:
ohne
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Der Streitwert wird auf 55.983,48 EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d:
1
Die Parteien streiten über die Frage, ob der Klägerin Zahlungsansprüche gegen die
Beklagte zustehen.
2
Die am 30. Mai 1953 geborene, verheiratete Klägerin war seit dem 15. November 1970
bei der Beklagten im Bereich "Consumer Imaging" (CI) zu einem Bruttomonatsgehalt
von zuletzt 2.992,60 € beschäftigt.
3
Unter dem 24.09.2004 schlossen die Betriebsparteien eine Überleitungsvereinbarung
zur Klärung der rechtlichen Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die
Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer (Anlage K 22, Blatt 201 f.). Unter Ziffer 3.
(kollektive Regelungen) findet sich folgende Passage:
4
3.2. Die zum Zeitpunkt der Betriebsübergänge und Teilbetriebsübergänge am 31.
Oktober 2004 geltenden kollektivrechtlichen Regelungen aus Betriebsvereinbarungen
und Gesamtbetriebsvereinbarungen, nebst sie ändernden und ergänzenden
Vereinbarungen und sonstigen Ergänzungen gelten bei B. GmbH kollektiv-rechtlich
weiter, ohne dass eine Umwandlung in arbeitsvertragliche Regelungen erfolgt.
5
Punkt 7.3 der vorgenannten Überleitungsvereinbarung lautet wie folgt:
6
Der Sozialplan (Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der B. AG und dem
Gesamtbetriebsrat vom 17. 01./ 23.02.1995 nebst sie ändernden und ergänzenden
Vereinbarungen) gilt mit der Maßgabe, dass der bisherige Arbeitsplatz am selben Ort
bei B. GmbH oder ein Schwester- oder Tochter-Gesellschaft als in den wesentlichen
Arbeitsbedingungen gleichwertig und zumutbar gemäß I Ziffer 5 des Sozialplans gilt und
7
ein Widerspruch gegen den Übergang den Abfindungsanspruch bei anschließender
Kündigung ausschließt.
Die Beklagte schloss am 14. Oktober 2004 mit dem bei ihr gebildeten örtlichen
Betriebsrat einen Interessenausgleich, der einen Arbeitsplatzabbau in der Abteilung CI
vorsah. Der Interessenausgleich nimmt in § 5 zur Milderung der wirtschaftlichen
Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer Bezug auf die Gesamtbetriebsvereinbarung
Sozialplan vom 17.01.1995 (einschließlich Änderungen vom 26.10.1998, 18.07.2002,
18.09.2002 und 01.10.2003).
8
Unter Ziffer 3 des Transfer-Sozialplans vom 21.11.2003 (Anlage K 21, Blatt 197 f.) wird
folgendes ausgeführt:
9
3. Wirtschaftlicher Nachteilsausgleich
10
(I) Die unterzeichnenden Betriebsparteien vereinbaren, dass zum Ausgleich bzw. zur
Milderung der wirtschaftlichen Nachteile infolge der Betriebsänderung gemäß
vorgenanntem Interessenausgleich die Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan vom
17.01.1995 (einschließlich Änderungen vom 26.10.1998, 18.07.2002, 18.09.2002 und
01.10.2003 ) angewendet wird, soweit in diesem Transfer-Sozialplan nichts
Abweichendes vereinbart wird.
11
a) Gemäß § 4 Ziffer II des Interessenausgleichs vom 21.11.2003 erhalten die Mitarbeiter,
die zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Unternehmen aufgrund der
arbeitgeberseitigen, betriebsbedingten Kündigung des 55. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben, eine Abfindung gemäß der vorgenannten Gesamtbetriebsvereinbarung
Sozialplan. Der betriebsbedingten Kündigung steht der vom Arbeitgeber veranlasste
Aufhebungsvertrag gleich.
12
Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Abfindung ist der vorletzte Kalendermonat
nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig.
13
[...]
14
Die Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan (Anlage K 23, Blatt 219 ff. d. Akte) vom
17.01.1995 beinhaltet unter III. (Versetzungen und Übernahmen) u.a. folgende
Regelung:
15
6. Erfolgt innerhalb von 18 Monaten nach Arbeitsaufnahme am neuen Arbeitsplatz eine
Kündigung aus Gründen, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, so erhält der
Mitarbeiter die Abfindung nach Ziffer V, berechnet nach den maßgeblichen Daten zum
Zeitpunkt des Ausscheidens, jedoch unter Anrechnung einer etwaig gezahlten
Teilabfindung nach Ziffer III.3.
16
Dasselbe gilt, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb von sechs Monaten tatsächlicher Arbeit
am neuen Arbeitsplatz ausscheiden will, weil er der berechtigten Auffassung ist, dass er
den Anforderungen des Arbeitsplatzes auf Dauer nicht gerecht wird, oder der
Arbeitsplatz aus anderen Gründen für ihn auf Dauer nicht zumutbar ist (§ 112, Abs. 5
BetrVG).
17
Da der Geschäftsbereich CI defizitär war, beschloss die Beklagte, ihr CI-Geschäft
18
komplett zu veräußern. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 (Anlage K 5) wurde die
Klägerin über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die B. GmbH
informiert. Zu Beginn dieses Schreibens wird unter Wiedergabe des Textes des § 613a
Abs. 5 und 6 BGB auf die Informationspflicht hingewiesen. Sodann heißt es:
2. Zum Grund für den Übergang:
19
(...)
20
B. GmbH mit Sitz M. umfasst das gesamte bisherige CI-Geschäft der B. AG, also die
Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte. B. GmbH übernimmt das Vermögen
von CI. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und
technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.
21
(...)
22
Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe
Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken zu bewältigen, in neue Geschäfte
investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.
23
( )
24
3. Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die
Arbeitnehmer:
25
Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs CI tritt die B. GmbH in die bestehenden,
unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten
haben B. AG, B. GmbH, Gesamtbetriebsrat der B. AG sowie die örtlichen Betriebsräte
am 24. September 2004 eine Überleitungsvereinbarung zur Klärung der rechtlichen
Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer, auf die kollektiv-
rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen
abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:
26
(...)
27
- Die kollektiv-rechtliche Geltung der am 31. Oktober 2004 bei der B. AG bestehenden
Betriebsvereinbarungen und Gesamtbetriebsvereinbarungen bleibt bei der B. GmbH
unverändert. Dies gilt auch für die bei der B. AG geltenden Richtlinien.
28
- Die Gesamtbetriebsvereinbarungen zum Sozialplan gelten bei B. GmbH oder einer
Schwester- oder Tochtergesellschaft als Sozialplan sowohl auf Ebene des
Unternehmens wie auch auf örtlicher Ebene mindestens bis zum 31. Dezember 2007.
29
- B. GmbH wird einen Aufsichtsrat mit je 6 Vertretern der Anteilseigner und der
Arbeitnehmer bilden.
30
- Betriebsrat und Vertrauensperson der Schwerbehinderten in München haben ein
Übergangsmandat für B. GmbH bzw. bis zur Neuwahl, die bis zum Sommer 2005
erfolgen wird.
31
(...)
32
5. Zu Ihrer persönlichen Situation:
33
Ihr Arbeitsverhältnis wird von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 nicht
betroffen sein.
34
(...)
35
7. Zu den Folgen eines Widerspruchs:
36
Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis bei der B. AG und
geht nicht auf die B. GmbH über.
37
Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs CI auf B. GmbH Ihr
bisheriger Arbeitsplatz bei der B. AG nicht mehr vorhanden sein wird und eine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der
Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch
B. AG rechnen.
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Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit
dem Gesamtbetriebsrat der B. AG und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten
Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung besteht,
weder gegenüber der B. AG, noch gegenüber B. GmbI. Im Falle eines Widerspruchs
müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu
verlieren. Außerdem sind bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit nach einem
Widerspruch Ihre Ansprüche auf Leistung der Agentur für Arbeit in Frage gestellt.
39
Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen.
40
( )
41
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging mit Wirkung zum 01. November 2004 auf die B.
GmbH über. Die Klägerin widersprach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht.
42
Am 01.08.2005 wurde aufgrund eines Antrags auf Insolvenzeröffnung beim Amtsgericht
Köln vom 20.05.2005 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH eröffnet
und Rechtsanwalt Dr. S. zum Insolvenzverwalter bestellt. Nach der
Insolvenzantragstellung widersprachen zahlreiche Arbeitnehmer der B. GmbH dem
Übergang des Arbeitsverhältnisses aufgrund des bereits vollzogenen
Betriebsübergangs von der B. AG auf die B. GmbI.
43
Unter dem 24.08.2005 schloss die Klägerin mit der B. GmbH sowie der D. D. GmbH
einen dreiseitigen Aufhebungs- und Anstellungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis
mit der B. GmbH zum 01.09.2005 beendet wird und mit der D. D. GmbH ab dem
01.09.2005 ein bis zum 31.08.2006 befristeter Anstellungsvertrag geschlossen wurde
(Anlage K 3).
44
Nachdem die Klägerin von der Beklagten im Mai 2006 im Hinblick auf den
Bonusanspruch für das Jahr 2004 angeschrieben wurde, schlossen die Parteien am
07.09.2006 eine Vereinbarung, worin sich die Beklagte unter anderem verpflichtete, an
die Klägerin als VUEK für das Jahr 2004 einen Betrag in Höhe von 250,-- € brutto zu
45
zahlen (Blatt 68 d. Akte). Ferner vereinbarten die Parteien unter Ziffer 3, dass die
Klägerin gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die B. GmbH keinen
Widerspruch erklärt bzw. erklären wird. Unter Ziffer 4 vereinbarten die Parteien eine
allgemeine Ausschlussklausel mit folgendem Wortlaut:
4. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind sämtliche Ansprüche der Parteien aus und in
Verbindung mit dem zwischen ihnen bis zum 31.10.2004 bestandenen Arbeitsverhältnis
ausgeglichen.
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Darüber hinaus besteht Einigkeit , dass keine sonstigen Ansprüche von Frau Hoffmann
gegenüber der B. I. GmbH, der B. I. Systems GmbH oder anderen Gesellschaften der
Unternehmensgruppe der B. N.V. bestehen oder geltend gemacht werden. Etwaige
Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie nicht gegenüber einer der
vorgenannten Gesellschaften geltend gemacht werden, bleiben hiervon unberührt .
47
Seit dem 01.09.2006 ist die Klägerin arbeitslos und bezieht Arbeitslosengeld für eine
maximale Bezugsdauer von 360 Tage in Höhe von monatlich 1.166,40 € netto.
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Mit ihrer am 13.07.2007 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin von der
Beklagten Zahlung von insgesamt 55.983,48 € netto.
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Sie behauptet, sie habe einen Zahlungsanspruch zumindest in Höhe der ihr
zustehenden Sozialplanabfindungssumme in Höhe von 62.365,-- € brutto aus der
Gesamtbetriebsvereinbarung 1995, welche sich wie folgt berechne:
50
Monatliches Bruttomonatsgehalt (3.832,20 €) x 34 Dienstjahre x 87 % LEK (700,-- €
geschätzt) zusätzliches Urlaubsgeld (310,-- € geschätzt).
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Da die Beklagte in der Überleitungsvereinbarung vom 24.09.2004 den Arbeitsplatz als
gleichwertig und zumutbar gemäß I.5 des Sozialplans 1995 bezeichnet habe, sei der
Arbeitsplatz bei der B. GmbH mit einem neuen Arbeitsplatz i.S.d. Vorgaben der
Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan unter III.6 gleichzusetzen. Da die Klägerin
innerhalb von 18 Monaten nach Betriebsübergang am neuen Arbeitsplatz bei der B.
GmbH einen Aufhebungsvertrag unterschrieben habe, stehe ihr ein entsprechender
Abfindungsanspruch zu. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass nach den Vorgaben des
Transfer-Sozialplans vom 19.12.2001 eine betriebsbedingte Kündigung einer vom
Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvereinbarung gleichzustellen sei.
52
Die Klägerin ist ferner der Auffassung, sie sei von der Beklagten im Rahmen des
bevorstehenden Betriebsübergangs weder vollständig noch ordnungsgemäß über die
rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs informiert
worden. Die Beklagte habe im Unterrichtungsschreiben weder eine vollständige,
ladungsfähige Anschrift der Erwerberin angegeben, noch über die Haftungsfragen und
das Nachhaftungssystem des § 613 a Abs. 2 BGB informiert. Zudem fehle ein Hinweis
auf das Kündigungsverbot des § 613 a Abs. 4 BGB. Im Übrigen könne die B. GmbH
nicht, wie den Arbeitnehmern mitgeteilt, über die Markenrechte verfügen, sondern habe
lediglich ein Nutzungsrecht. Eine solche Übertragung sei tatsächlich nicht erfolgt.
Schließlich habe die wirtschaftliche Ausstattung der Erwerberin nicht den Angaben im
Unterrichtungsschreiben entsprochen. Darüber hinaus sei über die wirtschaftliche
Situation der Erwerberin falsch informiert worden. In diesem Zusammenhang sei nicht
nur auf die schriftliche Information, sondern auch auf die dort in Bezug genommenen
53
Informationen, die den Arbeitnehmern außerhalb des Schreibens vom 22. Oktober 2004
erteilt worden seien, abzustellen. Insbesondere habe das damalige Vorstandsmitglied
der Beklagten F. in der Betriebsversammlung vom 19. August 2004 mitgeteilt, dass die
B. GmbH über Barmittel in Höhe von € 70.000.000,-- verfüge und darüber hinaus eine
Kreditlinie in Höhe von € 50.000.000,-- habe. Beides habe sich jedoch im Nachhinein
als falsch herausgestellt.
Bei der Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB handele es sich um eine echte
Rechtspflicht, deren Verletzung Schadensersatzansprüche der Klägerin auslöse,
welche so zu stellen sei, wie sie gestanden hätte, wenn sie richtig und vollständig über
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des bevorstehenden
Betriebsübergangs informiert worden wäre. Wäre die Klägerin seinerzeit
ordnungsgemäß informiert worden, hätte sie noch im Monat Oktober 2004 dem
bevorstehenden Betriebsübergang widersprochen. Hierfür spreche zunächst die
Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens.
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Im Falle eines Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses hätte die
Beklagte eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung mit einer Kündigungsfrist von 6
Wochen zum Quartalsende ausgesprochen, sodass die Klägerin bis zum 30.06.2005
weiterhin das ihr zustehende monatliche Arbeitsentgelt in Höhe von 1.945,98 € netto
von der Beklagten erhalten hätte. Darüber hinaus hätte die Klägerin einen Anspruch auf
Zahlung einer Abfindung in Höhe von 62.365,-- € brutto gehabt. Insgesamt wären der
Klägerin bis einschließlich 31.08.2007 108.259,24 € netto zugeflossen, von welchem
der Klägerin tatsächlich zugeflossene Zahlungen in Höhe von 60.282,80 € netto
abzuziehen seien, sodass ein offener Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe
von 55.983,48 € netto bestehe. Hilfsweise macht die Klägerin die Zahlungsansprüche
auch aus den allgemeinen zivilrechtlichen, haftungsrechtlichen und
durchgriffsrechtlichen Tatbeständen geltend.
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Die Klägerin ist schließlich der Ansicht, die Beklagte könne sich nicht auf die mit ihr
geschlossene Vereinbarung vom 07.09.2006 berufen. Diese habe die Klägerin nur
unterzeichnet, da ihr von Seiten der Beklagten gesagt worden sei, dass eine
Unterzeichnung der Vereinbarung für die Zahlung der VUEK für 2004 erforderlich sei.
Diese Vereinbarung stelle eine allgemeine Geschäftsbedingung dar, da sie für eine
Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden sei. Zwar sei zum Zeitpunkt der
Vereinbarung zwischen den Parteien streitig gewesen, ob die Auszahlung der
Bonusansprüche von der Beklagten oder der Erwerberin geschuldet werde. Der
Beklagten sei aber bewusst gewesen, dass aufgrund der fehlerhaften Information
Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden könnten und die Klägerin dem
Übergang des Anstellungsverhältnisses widersprechen könne. Der Klägerin sei zu
keinem Zeitpunkt ersichtlich gewesen, dass es ihr für den Fall der Unterzeichnung der
Vereinbarung nicht mehr möglich sein solle, Ansprüche gegenüber der Beklagten
geltend zu machen. Auch aus dem drucktechnischen Bild der Vereinbarung werde
ersichtlich, dass sich die Beklagte eines gewissen Überraschungsmomentes bedient
habe, da die Haftungsfreizeichnung drucktechnisch nicht hervorgehoben worden sei.
Die Beklagte habe die Klägerin auch nicht darauf hingewiesen, dass sie eine
Haftungsfreizeichnung unterschreibe.
56
Im Übrigen sei die Vereinbarung als eine unangemessene Benachteiligung nach § 307
Abs. 1 und 2 BGB einzustufen, da die Klägerin durch die Beklagte überrumpelt worden
sei.
57
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 55.983,48 EUR netto nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2004 zu zahlen.
59
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
61
Sie trägt vor, dass der Klägerin weder ein Anspruch aus kollektivrechtlichen
Regelungen noch aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zustehe.
62
Ein solcher Anspruch sei bereits deshalb ausgeschlossen, da sich die Klägerin in der
mit der Beklagten abgeschlossenen Vereinbarung vom 07.09.2006 dazu verpflichtet
habe, gegenüber der Beklagten keine weiteren Ansprüche aus dem früheren
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien geltend zu machen.
63
Bei der Vereinbarung handele es sich nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen, da
es an einer typischen Gegenleistung des anderen Vertragspartners fehle, sodass die
Vereinbarung mithin eine einseitige Zusage darstelle. Zum Zeitpunkt der Vereinbarung
sei die Beklagte aufgrund zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen davon
ausgegangen, dass gegen sie keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht
werden können. Da zu diesem Zeitpunkt die Ausübung des Widerspruchsrechts
verspätet gewesen sei, sei rein vorsorglich in Ziffer 3 eine Regelung aufgenommen
worden, wonach die betroffenen Arbeitnehmer auch zukünftig keinen Widerspruch mehr
erklären werden, um weitere Verfahren zu vermeiden. Zudem sei in Ziffer 4 der
Vereinbarung eine umfassende Ausgleichs- und Erledigungsklausel aufgenommen
worden, da die Vereinbarung zu einem endgültigen Abschluss der
Arbeitsvertragsbeziehungen führen sollte.
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Ausweislich der Datierung der Unterschrift habe die Klägerin auch ausreichend Zeit
gehabt, den Inhalt der Vereinbarung zu studieren, sodass von einer Überrumpelung
nicht die Rede sein könne. Schließlich entspreche die Regelung unter Ziffer 4 den
Anforderungen des § 307 BGB, da der Klägerin weder zum damaligen noch zum
heutigen Zeitpunkt ein Widerspruchsrecht bzw. Schadensersatzanspruch gegen die
Beklagte zustehe, mithin dem Verzicht der Klägerin nur ein geringer Wert zukomme.
65
Davon abgesehen könnten sich kollektivrechtliche Ansprüche, sofern die
Voraussetzungen vorlägen, nur gegen die B. GmbH richten, welche unstreitig die letzte
Arbeitgeberin der Klägerin gewesen sei, insoweit die Gesamtbetriebsvereinbarung
aufgrund des Betriebsübergangs auf die B. GmbH kollektivrechtlich weitergelte.
Dementsprechend habe die Klägerin die geltend gemachte Forderung zur
Insolvenztabelle angemeldet.
66
Da weder die Beklagte noch die B. GmbH der Klägerin gekündigt haben, sondern das
mit letzterer bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer einvernehmlichen Aufhebung
des Arbeitsvertrages im Rahmen des dreiseitigen Vertrages mit der Beschäftigungs- und
Qualifizierungsgesellschaft beendet wurde, sei der Anwendungsbereich der Regelung
der Ziffer III.6 der Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan vom 17.01.1995 nicht
eröffnet. Im Übrigen sei Ziffer III dieser Gesamtbetriebsvereinbarung nur auf
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Versetzungen im fortbestehenden Arbeitsverhältnis bei der Beklagten anwendbar. Im
Rahmen einer Änderung dieser Gesamtbetriebsvereinbarung hätten die
Betriebsparteien am 18.09.2002 die Ziffer III.7 ersatzlos gestrichen, um klarzustellen,
dass eine Absicherung von Mitarbeitern nur bei einer Übernahme einer Tätigkeit beim
gleichen Rechtsträger eingreifen sollte. Diese Änderungsvereinbarung sei auch
ausdrücklich Gegenstand des Interessenausgleichs vom 14.10.2004 gewesen. Im
Übrigen regele III.6 des Sozialplans 1995 die Versetzungen und Übernahmen auf einen
neuen Arbeitsplatz, nicht jedoch den Fall des gesetzlichen Übergangs des
Arbeitsverhältnisses auf einen anderen Rechtsträger. Eine entsprechende Anwendung
sei ausgeschlossen, da mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a
BGB keine Veränderung des Arbeitsplatzes verbunden sei. Vielmehr handele es sich
um denselben Arbeitsplatz.
Schließlich ergebe sich kein Abfindungsanspruch in Höhe von 62.365,-- €, da die
Abfindungshöhe auf einen geringeren Betrag gedeckelt sei. Im Übrigen ergebe sich aus
der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht die von der Klägerin zugrunde gelegte
Berechnung der Abfindungshöhe.
68
Die Beklagte ist ferner der Ansicht, der Klägerin stehe auch kein Schadensersatz zu.
Abgesehen davon, dass sich die Ausschlussklausel auch auf
Schadensersatzansprüche erstrecke, fehle es bereits an einer Pflichtverletzung der
Beklagten, da diese ordnungsgemäß über den Teilbetriebsübergang unterrichtet habe.
Eine Verpflichtung, die Arbeitnehmer auch über die wirtschaftliche Solvenz und
Liquidität des Erwerbers zu informieren, bestehe nicht und lasse sich auch § 613a Abs.
5 BGB nicht entnehmen. Im Übrigen seien die ergänzenden Informationen aber auch
inhaltlich richtig gewesen und hätten der damaligen wirtschaftlichen Lage entsprochen.
69
Zudem liege kein substantiierter Vortrag der Klägerin zur haftungsbegründenden bzw.
haftungsausfüllenden Kausalität vor. Die Klägerin habe nicht dargelegt und bewiesen,
dass sie bei einer ordnungsgemäßen Unterrichtung rechtzeitig widersprochen hätte.
Dagegen spreche, dass sie bis zum heutigen Tag keinen Widerspruch gegen den
Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die B. GmbH eingelegt hat. Die Klägerin könne
sich auch nicht auf die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze der Vermutung
aufklärungsgerechten Verhaltens berufen, da sie nicht nur eine Handlungsalternative
gehabt habe und demnach eine Entscheidung für sowie gegen einen Widerspruch
denkbar gewesen sei. Gerade aus dem Abschluss des dreiseitigen Vertrages ergebe
sich, dass sich die Klägerin gegen einen Widerspruch entschieden habe, da die
Nichtausübung des Widerspruchsrechts Voraussetzung für den Eintritt in die
Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) gewesen sei, wie sich aus § 11
des Interessenausgleichs vom 01.08.2005 sowie § 1 Abs. 2 Ziffer 3 des Sozialplans
vom gleichen Tage ergebe. Mit Abschluss des dreiseitigen Vertrages habe die Klägerin
demnach auf ihr Widerspruchsrecht verzichtet.
70
Gegen die Behauptung, die Klägerin hätte rechtzeitig widersprochen, spreche ferner,
dass die Klägerin bei rechtzeitiger Erklärung des Widerspruchs eine betriebsbedingte
Kündigung erhalten hätte, ohne einen Abfindungsanspruch gegen die Beklagte zu
haben. Bereits in dem Informationsschreiben vom 22.10.2004 habe die Beklagte darauf
hingewiesen, dass die Klägerin im Falle eines Widerspruchs mit einer
betriebsbedingten Kündigung ohne Abfindungsanspruch zu rechnen habe. Auch der
Sozialplan aus dem Jahre 1995 schließe einen Abfindungsanspruch aus, wenn der
Arbeitnehmer einen gleichwertigen und zumutbaren Arbeitsplatz ohne stichhaltige
71
Begründung ablehne. Hierauf habe auch die Überleitungsvereinbarung ausdrücklich
verwiesen.
Zudem sei nicht nachzuvollziehen, wie sich der geltend gemachte
Schadensersatzanspruch errechne. Im Übrigen habe die Klägerin unzulässigerweise
Netto- mit Bruttoposten verrechnet und Schadenspositionen berücksichtigt, welche in
der Zukunft liegen und noch nicht berechnet werden könnten. Es sei überdies fehlerhaft,
einen Zinsanspruch ab dem 01.11.2004 geltend zu machen bei einer
Vergleichsberechnung, welche Ansprüche bis Ende 2007 berücksichtige.
72
Schließlich gewähre § 613a BGB dem Arbeitnehmer als abschließende Sanktion bei
fehlerhafter Information ein Widerspruchsrecht. Diese abschließende Regelung könne
nicht durch Rückgriff auf Schadensersatzansprüche ausgehebelt werden.
73
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
74
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
75
Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein Anspruch auf Zahlung besteht weder aus einer
kollektivrechtlichen Vereinbarung noch aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes.
76
I.
77
1. Der Klägerin steht bereits deshalb kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu,
weil die Vereinbarung, welche die Klägerin am 07.09.2006 unterzeichnet hat, einem
derartigen Begehren entgegensteht.
78
a. Die Regelung unter Ziffer 4 dieser Vereinbarung stellt eine Ausgleichsklausel dar,
insoweit beide Parteien erklären, dass mit der Erfüllung dieser Vereinbarung sämtliche
Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis ausgeglichen sind. Hierbei
handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 305 Abs. 1 BGB, da
die Beklagte der Behauptung der Klägerin nicht dezidiert entgegengetreten ist, dass
derartige Formulare von der Beklagten in einer Reihe von Fällen verwendet wurden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten stellen auch Ausgleichsklauseln allgemeine
Vertragsbedingungen dar (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom
27.04.2006, 6 Sa 827/05).
79
b. Diese Klausel ist auch unter Berücksichtigung der §§ 305 ff. BGB als wirksam zu
erachten.
80
aa. Die Ausgleichsklausel ist nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren
Erscheinungsbild der Ausgleichsquittung, nicht derart ungewöhnlich, dass die Klägerin
mit ihr nicht zu rechnen brauchte.
81
Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in allgemeinen
Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren
Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des
Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Klauseln
verstoßen gegen § 305c Abs. 1 BGB, wenn ihnen ein Überrumpelungseffekt innewohnt,
weil sie eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Vertragspartners
82
deutlich abweicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu
rechnen braucht (BAG, Urteil vom 23.02.2005, 4 AZR 139/04 mwN.). Zwischen den
durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem
tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Da sich das
Überraschungsmoment auch aus dem Erscheinungsbild des Vertrages ergeben kann,
ist es möglich, dass auch das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle
im Text sie deswegen als Überraschungsklausel erscheinen lässt. Das
Überraschungsmoment ist um so eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist.
Im Einzelfall muss der Verwender darauf besonders hinweisen oder die Klausel
drucktechnisch hervorheben (BAG, Urteil vom 23.02.2005, 4 AZR 139/04).
Danach war die Klausel nicht als überraschend zu bewerten.
83
Die Ausgleichsklausel unter Ziffer 4 ist nach den gegebenen Umständen, worunter auch
das äußere Erscheinungsbild des Schreibens zählt, nicht derart ungewöhnlich, dass die
Klägerin nicht damit rechnen musste. Es ist gerade kein Überraschungseffekt darin zu
sehen, dass die Zahlungsverpflichtung der Beklagten im Hinblick auf den Bonus für das
Jahr 2004 mit der Erklärung verbunden wurde, dass damit alle Ansprüche der Parteien
abgegolten sind. Dies gilt insbesondere, da die Vereinbarung bereits in Ziffer 3 eine
Regelung enthält, dass die Klägerin auf ein etwaiges Widerspruchsrecht gegen den
Betriebsübergang und damit gegen das ihr aus § 613 a BGB zugewiesene Recht im
Falle einer fehlerhaften Information verzichtet. Hieraus wird bereits ersichtlich, dass die
Beklagte eine abschließende Regelung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis als
Gegenleistung für die unter Ziffer 1 vereinbarte Zahlungsverpflichtung anstrebte.
Insoweit ist es nicht überraschend, sondern eher als vorhersehbar und konsequent zu
bezeichnen, wenn unter Ziffer 4 eine weitgehende Ausgleichs- und Erledigungsklausel
vereinbart wurde.
84
Angesichts des Wortlautes, der sehr übersichtlich und ohne schwierige Begriffe zu
verwenden formuliert ist, kann nach Auffassung der Kammer auch nicht davon die Rede
sein, dass die Ausgleichsklausel versteckt in der Erklärung aufgenommen worden ist.
Die Ausgleichsklausel ist ausreichend drucktechnisch hervorgehoben, indem diese
durch eigene Ziffer und Absatz vom übrigen Text abgesetzt wurde. Zudem ist der
Gesamttext übersichtlich und nicht komplex. Anders als in dem Sachverhalt, welcher der
von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG aaO.)
zugrunde lag, war die Ausgleichsklausel auch durch einen Absatz und eine eigene
Ziffer ausreichend abgesetzt, sodass nach Auffassung der Kammer nicht zu übersehen
war, dass am Ende der Vereinbarung eine Ausgleichs- und Erledigungsklausel geregelt
war. Es ist auch nicht erforderlich, Ausgleichsklauseln in jedem Fall drucktechnisch
hervorzuheben. Eine solche Verpflichtung ergibt sich weder aus der gesetzlichen
Vorschrift noch aus der Gesetzesbegründung. Nur dann, wenn aus der Gesamtschau
des Textes der Vereinbarung nicht erkennbar ist, dass auch eine Ausgleichsklausel
Bestandteil der Vereinbarung werden soll, mithin die Ausgleichsvereinbarung
gleichsam versteckt in dem Gesamttext erscheint, kann eine drucktechnische
Hervorhebung erforderlich werden. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall. Schließlich
war die Beklagte aus den oben genannten Gründen entgegen der Auffassung des
Klägers auch nicht verpflichtet darauf hinzuweisen, dass Ziffer 4 eine umfassende
Ausgleichsklausel beinhaltet, da sich dieser Inhalt offensichtlich aus der Vereinbarung
selbst ergibt.
85
Eine Überrumpelung der Klägerin kann die Kammer ebenfalls nicht feststellen.
86
Nach unwidersprochen gebliebener Darstellung hat die Beklagte der Klägerin
ausreichend Zeit eingeräumt, den Inhalt der Vereinbarung zu überprüfen und diese
entweder zu unterzeichnen oder abzulehnen. Auch einem Durchschnittsarbeitnehmer
musste offensichtlich sein, dass er mit Unterzeichnung der Vereinbarung auf alle
Ansprüche gegenüber der Beklagten verzichtete.
87
bb. Die Vertragsbestimmung ist auch nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1
Satz 1 BGB.
88
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung
unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung
missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen
versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen
und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH, Urteil vom 30.11.2004,
NJW 2005, 422; vgl. BAG, Urteil vom 04.03.2004, 9 AZR 196/03, AP Nr.3 zu § 309
BGB).
89
Vorliegend erklärte nicht nur die Klägerin, sondern auch die Beklagte in der
Ausgleichsformel einen umfassenden Verzicht auf ihre Ansprüche. Die Beklagte
erbrachte dafür eine Gegenleistung in Form der Zahlung eines Bonusanspruchs für das
Jahr 2004. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung war zwischen den
Parteien streitig, ob die Beklagte oder die Erwerberin für die Bonusansprüche der
Belegschaft aufzukommen hatte; angestrebte gerichtliche Verfahren waren noch nicht
abgeschlossen. Mithin stand eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten zum Zeitpunkt
des Abschlusses der Vereinbarung noch nicht fest, sodass die Zahlungsvereinbarung
der Beendigung eines unsicheren Rechtszustandes diente. Im Übrigen ist zu
berücksichtigen, dass die Vereinbarung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
das Vermögen der Erwerberin abgeschlossen wurde und es mithin fraglich war, ob die
Klägerin den Bonusanspruch gegen die Erwerberin würde überhaupt durchsetzen
können. Dem gegenüber war ein Widerspruchsrecht der Klägerin nach der einhelligen
Rechtsprechung aller Kammern des Arbeitsgerichts Solingen nach Abschluss des
dreiseitigen Vertrages mit der BQG ausgeschlossen (so bereits Urteil des
Arbeitsgerichts Solingen vom 19.06.2007, 5 Ca 389/07 lev; 01.06.2006, 1 Ca 82/06 lev,
Urteil vom 30.11.2006, 1 Ca 1288/06 lev, Urteil vom 18.08.2006, 2 Ca 981/06 lev).
Schadensersatzforderungen waren bis zu diesem Zeitpunkt nicht positiv beschieden
worden und sind danach, bis auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts als
unbegründet abgewiesen worden (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2006, 5 Sa
927/06). Ein Anspruch aus der Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan 1995 wurde
bislang, soweit ersichtlich, noch in keinem Fall bejaht.
90
Bestehen demnach erhebliche Zweifel, ob der Klägerin noch Rechte gegen die
Beklagte aus dem Arbeitsverhältnis zustehen, stellt eine umfassende Ausgleichs- und
Erledigungsklausel keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin dar, wenn sich
die Beklagte zusätzlich zur Zahlung eines ebenfalls bestrittenen Anspruchs (VUEK
2004) verpflichtet.
91
Im Übrigen ist das Interesse der Beklagten, mehr als anderthalb Jahre nach
Betriebsübergang Rechtssicherheit über die Rechte und Pflichten gegenüber
Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis im Rahmen des Betriebsübergangs auf einen
Erwerber übergegangen ist, zu erlangen, bei der Abwägung der berechtigten Interessen
92
angemessen zu berücksichtigen. Sofern Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen der §§ 307 ff. BGB
wirksam sind, sofern diese mindestens 3 Monate betragen, muss es dem Arbeitgeber
grundsätzlich auch möglich sein, nach Ablauf einer Dauer von mehr als 1,5 Jahren
umfassende Ausgleichs- und Erledigungsklauseln abzuschließen. Dies erfordert bereits
das im Arbeitsrecht an vielen Stellen zugrunde liegende Interesse der Rechtssicherheit,
wonach möglichst bald über die bestehenden Rechte und Pflichten aus einem
Arbeitsverhältnis Gewissheit zu erlangen sein soll. Dieses Interesse ist umso größer zu
gewichten, je länger der Betriebsübergang und die daraus resultierenden Rechte und
Pflichten zurückliegen. Daraus folgt, dass die Beklagte auch ein berechtigtes Interesse
mit Abschluss der Ausgleichsklausel verfolgte, welches zum Zeitpunkt der Vereinbarung
nach Auffassung der Kammer das Interesse der Klägerin, etwaige Zahlungsansprüche
zu verfolgen, überwiegte.
cc. Entgegen der Auffassung der Klägerin war ein Verstoß von Ziffer 4 der Vereinbarung
nicht nach dem Maßstab des § 242 BGB zu überprüfen. Denn die §§ 305 ff. BGB stellen
eine abschließende Konkretisierung des Gebots von Treu und Glauben hinsichtlich
einer allgemeinen, allein den Inhalt einer Regelung überprüfenden
Angemessenheitskontrolle dar, neben welcher eine allgemeine Billigkeitskontrolle im
Sinne einer allgemeinen, nicht auf die Besonderheiten des Falles bezogenen
Angemessenheitsprüfung nach § 242 BGB nicht stattfindet (BAG, Urteil vom 25.05.2005,
5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111-1117).
93
2. Selbst dann, wenn der Auffassung der Kammer, wonach der geltend gemachte
Zahlungsanspruch aufgrund der in der am 07.09.2006 unterzeichneten Vereinbarung
geregelten Ausgleichs- und Erledigungsklausel ausgeschlossen ist, nicht gefolgt wird,
hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 55.983,48 €.
94
Ein solcher Anspruch folgt weder aus originär kollektivrechtlichen Regelungen noch als
Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB in Verbindung mit § 613a Abs. 5 BGB oder
sonstigen schadensersatzrechtlichen Vorschriften.
95
3.a. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus der Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan
vom 17. Januar 1995 (einschließlich Änderungen vom 26.10.1998, 18.07.2002,
18.09.2002 und 01.10.2003) in Verbindung mit dem Transfer Sozialplan vom
21.11.2003.
96
Denn die Beklagte ist seit dem 01.11.2004 aufgrund des mit Wirkung zum 01.11.2004
erfolgten Betriebsteilübergangs auf die B. GmbH, auch zum Zeitpunkt des Abschlusses
des Aufhebungsvertrags, nicht mehr Arbeitgeberin der Klägerin. Da einer
Betriebsvereinbarung jedoch nur Arbeitnehmer unterworfen sind, die mit dem Inhaber
des Betriebes durch einen Arbeitsvertrag verbunden und in den Betrieb eingegliedert
sind (ErfK/Kania, § 77 BetrVG Rn. 5), unterfällt die Beklagte überhaupt nicht mehr dem
Geltungsbereich der genannten kollektivrechtlichen Vereinbarungen. Dieses Ergebnis
folgt bereits aus § 613 a Abs. 1 Satz, wonach Rechte und Pflichten, die durch eine
Betriebsvereinbarung geregelt sind, Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem
neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer werden. Deshalb kann nur die
Betriebserwerberin, mithin die B. GmbH, aus den auf sie übergegangenen
kollektivrechtlichen Vereinbarungen in Anspruch genommen werden, nicht hingegen die
Beklagte. Dies gilt umso mehr, als die Betriebsparteien in der Überleitungsvereinbarung
vom 24.09.2004 von einer kollektivrechtlichen Fortgeltung der
97
Gesamtbetriebsvereinbarung ausgingen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich nichts anderes aus der
Überleitungsvereinbarung vom 24.09.2004, in welcher der Arbeitsplatz bei der B. GmbH
als gleichwertig und zumutbar gemäß I Ziffer 5 des Sozialplans 1995 bezeichnet wird.
Denn die Tatsache, dass Arbeitsplätze bei der Erwerberin als gleichwertig und
zumutbar bezeichnet werden ändert nichts daran, dass es sich bei der Erwerberin um
eine eigenständige juristische Person handelt, welche von der Beklagten streng zu
unterscheiden ist. Insoweit ist es nicht nachzuvollziehen, wenn über die vorgenannte
Klausel in der Überleitungsvereinbarung versucht wird darzulegen, dass der
Betriebsübergang gleichsam als eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz im
Betrieb der Beklagten behandelt werden muss, für welche die Beklagte im Sinne des
Sozialplans durch Zahlung einer Abfindung einzustehen hätte. Denn die Bezeichnung
gleichwertig bedeutet gerade nicht, dass ein Arbeitsplatz bei einem anderen
Unternehmen einem Arbeitsplatz bei der Beklagten gleichgesetzt werden kann und soll.
Ein derartiger Rechtsbindungswillen der Beklagten ist nicht zu erkennen und ergibt sich
entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus dem Wortlaut der zitierten
Vereinbarungen.
98
Zudem ist weder in 7.3 der Überleitungsvereinbarung, noch in III Ziffer 6 des Sozialplans
geregelt, wer bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Abfindungsleistung zu erbringen
hat, schon gar nicht, dass die Beklagte neben dem tatsächlichen Arbeitgeber, der B.
GmbH, zur Zahlung der dort ausgelobten Abfindungen verpflichtet ist. Ein
Rechtsbindungswille der Beklagten, wonach diese, neben der B. GmbH, nach erfolgtem
Betriebsübergang als Schuldner für etwaige Abfindungszahlungen haften wollte, welche
erst durch Ereignisse nach dem Betriebsübergang bewirkt werden konnten, ist dieser
Vereinbarung sowie den anderen klägerseits angeführten Betriebsvereinbarungen nicht
zu entnehmen. Gerade das mit dem Betriebsteilübergang verfolgte Ziel der Beklagten,
eine rechtliche Trennung des betroffenen Betriebsteils vom Unternehmen der Beklagten
zu erreichen, spricht gegen ein solches Verständnis.
99
Insoweit hat die Klägerin nicht ausreichend dargelegt, dass die Beklagte auch für den
Fall des Übergangs auf einen anderen Rechtsträgers eine Abfindungszahlung bewirken
wollte.
100
Deshalb verbleibt es dabei, dass ausschließlich der jeweilige Arbeitgeber zur Zahlung
von Ansprüchen aus übergegangenen kollektivrechtlichen Regelungen verpflichtet ist.
Alleine die Bezeichnung von Arbeitsplätzen bei der Erwerberin als gleichwertig und
zumutbar ändert hieran nichts und beinhaltet keinen Rechtsbindungswillen der
Beklagten, neben der Erwerberin trotz rechtlicher Trennung und gesetzlichem Übergang
des Arbeitsverhältnisses zu haften.
101
b. Abgesehen davon scheidet ein Anspruch bereits deshalb aus, weil die
Voraussetzungen zur Zahlung einer Abfindung nach der in Bezug genommenen
Gesamtbetriebsvereinbarung nicht vorliegen.
102
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann sich ein Anspruch insbesondere nicht aus
III Ziffer 6 der GBV Sozialplan von 1995 ergeben, da diese Regelung sowohl nach ihrer
Überschrift als auch nach ihrem Inhalt Abfindungszahlungen bei Versetzungen und
Übernahmen regelt. Bei dem Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf die B.
GmbH handelt es sich jedoch weder um eine Versetzung noch um eine Übernahme, da
103
beide Alternativen voraussetzen, dass der betroffene Arbeitnehmer einen neuen
Arbeitsplatz im gleichen Betrieb (Versetzung) oder in einem anderen Betrieb der
Beklagten (Übernahme) antritt. Die Klägerin ist jedoch am selben Arbeitsplatz bei einem
anderen Rechtsträger, auf welchen das Arbeitsverhältnis kraft Gesetz übergegangen ist,
tätig geworden, sodass keine der vorgesehen Alternativen vorliegt. Insoweit spricht der
Sozialplan auch nicht davon, dass eine Kündigung 18 Monate nach Betriebsübergang
eine Abfindungszahlung auslöse, sondern stellt auf die Arbeitsaufnahme ab. Es sind
auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum III Ziffer 6 des Sozialplans abweichend
vom Wortlaut angewendet werden soll. Auch eine Regelungslücke, welche eine
analoge Anwendung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich.
Vielmehr folgt gerade aus der Systematik des Sozialplans, dass der Klägerin bei
Abschluss eines Aufhebungsvertrages keine Abfindung zustehen soll. Denn nach IV
des Sozialplans, welcher ausdrücklich den Bereich Kündigungen regelt, ist eine
Gleichstellung zwischen Kündigungen und Aufhebungsverträgen gerade nicht
vorgesehen.
104
Nichts anderes ergibt sich der von der Klägerin angeführten Regelung 7.3. der
Überleitungsvereinbarung, welche zwar festlegt, dass der bisherige Arbeitsplatz am
selben Ort bei der B. GmbH als in den wesentlichen Arbeitsbedingungen gleichwertig
und zumutbar ist, jedoch ausschließlich auf I Ziffer 5 des Sozialplans verweist, welcher
den Ausschluss eines Abfindungsanspruchs nach V. des Sozialplans regelt. Eine
andere Aussage, dass unabhängig von den Voraussetzungen des III Ziffer 6 bei
Abschluss eines Aufhebungsvertrags ein Zahlungsanspruch bestehen kann, findet sich
gerade nicht.
105
c. Einem Zahlungsanspruch der Klägerin steht zudem entgegen, dass die Beklagte
weder das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gekündigt noch einen Aufhebungsvertrag
mit dieser geschlossen hat.
106
Sämtliche von der Klägerin angeführten kollektivrechtlichen Vereinbarungen sehen eine
Abfindungszahlung vor, sofern der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung
ausspricht bzw. den Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages
veranlasst. Mithin zielen sämtliche Vereinbarungen darauf ab, dass der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer für eine von ihm veranlasste Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen
Ausgleich gewährt. Vorliegend hat die Beklagte jedoch keinen der vorbenannten
Beendigungstatbestände veranlasst bzw. verwirklicht, sie ist auch unstreitig nicht
Arbeitgeberin. Insoweit ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte, obwohl sie nicht
Arbeitgeberin ist, für die von einem Dritten mittelbar veranlasste, von ihr nicht zu
beeinflussende Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines
dreiseitigen Vertrages finanziell einstehen soll. Es sind auch keine Gründe ersichtlich,
aus welchen sich die Beklagte das Verhalten der B. GmbH zurechnen lassen müsste.
107
d. Die Klägerin hat zuletzt die Höhe der von ihr begehrten Zahlungsforderung nicht
substantiiert dargelegt.
108
Aus der von ihr in Bezug genommenen Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan 1995
ergibt sich die von ihr zugrunde gelegte Berechnungsformel für die begehrte Abfindung
nicht. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Klägerin,
abweichend von der in der Klageschrift bezifferten Höhe des Bruttomonatsentgelts, der
Berechnung der Abfindungssumme ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.832,30 €
109
zugrunde legt. Im Übrigen wäre die Abfindungssumme gemäß der Regelung in V Ziffer
2 viertletzter Absatz des Sozialplans auf einen Betrag in Höhe von 61.355,03 €
(120.000,-- DM) gedeckelt.
Schließlich hätte die Klägerin allenfalls einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung
aus dem Sozialplan von 1995, nicht jedoch auf die anderen, mit der
Differenzberechnung begehrten Zahlungen. Hiernach ist die Klage unschlüssig,
insoweit die Klägerin den gesamten Zahlungsanspruch auch auf kollektivrechtliche
Ansprüche stützt, ohne jedoch darzulegen, welcher Zahlungsanspruch tatsächlich auf
der Grundlage des Sozialplans unter Berücksichtigung der erfolgten Zahlungen
verbleiben würde.
110
Schließlich werden in der Klage unzulässigerweise Brutto- und Nettoansprüche addiert
und voneinander abgezogen sowie Zinsen ab 01.11.2004 begehrt, obwohl innerhalb
der Differenzrechnung Ansprüche berücksichtigt werden, welche erst 2007 fällig
werden.
111
4. Der begehrte Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht als Schadensersatzanspruch
aus § 280 BGB wegen Verletzung der Informationspflichten des § 613 a Abs. 5 BGB.
112
a. Die Klägerin hat zwar zu Recht dargetan, dass die Beklagte gegen § 613 a Abs. 5
BGB verstoßen hat. Danach hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in Schriftform über
den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen,
wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommen Maßnahmen zu unterrichten. Die
Folge der fehlenden oder unvollständigen Unterrichtung ist, dass die Widerspruchsfrist
des § 613 a Abs. 6 BGB nicht läuft. Da es sich um eine echte Rechtspflicht handelt,
können sich aus dessen Verletzung Schadensersatzansprüche ergeben (vgl. BAG,
Urteil vom 13. Juli 2006, 8 AZR 382/05, NZA 2006, 1406 ff; Urteil vom 13.07.2006 - 8
AZR 305/05 - DB 2006, S. 2406 m.w.N). Es kann hier dahinstehen, ob alle von der
Klägerin vorgetragenen Unterrichtungsfehler gegeben sind. Nach der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts gehört zur ordnungsgemäßen Unterrichtung in jedem Fall
der Hinweis auf die Haftungsfolgen nach § 613 a Abs. 2 BGB (BAG, Urteil vom
13.07.2006, 8 AZR 305/05, DB 2006, S. 2406 m.w.N). Daran fehlt es im
Unterrichtungsschreiben vom 22.10.2004.
113
b. Das Bundesarbeitsgericht führt aber zugleich aus, dass der Arbeitnehmer vortragen
und beweisen muss, dass ihm infolge der unterbliebenen Unterrichtung der geltend
gemachte Schaden auch entstanden ist. Bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer
Unterrichtung müsste der Arbeitnehmer gemäß § 613a Abs. 6 BGB dem Übergang des
Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen haben und der geltend gemachte
Schaden nicht eingetreten sein. Hierfür trägt der Arbeitnehmer nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG vom 13.07.2006, NZA 2006,
1406 ff.) die Darlegungs- und Beweislast.
114
Die erkennende Kammer hat bereits mit Urteil vom 27.03.2007, 5 Ca 2473/05 lev
(ebenso ArbG Solingen, Urteil vom 23.6.2006, 2 Ca 2660/05 lev, bestätigt durch LAG
Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2006, 5 Sa 927/06) ausgeführt, dass zu Gunsten des
Arbeitnehmers nicht die durch den Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur
Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens , wonach der Aufklärungspflichtige dafür
beweispflichtig ist, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten nicht eingetreten
115
wäre, greifen, wenn unter sachlichen Gesichtspunkten mehrere Entscheidungen in
Betracht kommen (vergl. hierzu auch Gaul/Otto, a.a.O. unter Berufung auf BGH vom
10.12.1998, X ZR 358/097, DB 1999, 424, 425; BGH vom 17.12.1997, VII ZR 235/96,
DB 1998, 765, 766). Diese Auffassung vertritt nunmehr auch das Bundesarbeitsgericht
(vgl. BAG vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05, NZA 2006, 1406, 1411).
c. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist kein Schadensersatzanspruch
gegeben. Dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Information dem Betriebsübergang
in jedem Falle widersprochen hätte, kann gerade nicht angenommen werden. Unterstellt
man, dass die Beklagte in ihrem Informationsschreiben vom 22. Oktober 2004
ausdrücklich über die Verteilung der Haftung nach § 613a Abs. 2 BGB informiert hätte
und insbesondere darauf hingewiesen hätte, dass im Falle eines Betriebsübergangs
und einer sodann ausgesprochenen Kündigung der B. GmbH die Beklagte nicht mehr
für diese Abfindungszahlung in Anspruch genommen werden könnte und unterstellt man
weiterhin, dass die Beklagte nicht nur darauf hingewiesen hätte, dass nach den
Regelungen in der mit dem Gesamtbetriebsrat der B. AG und den örtlichen
Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarung im Falle eines Widerspruchs kein
Anspruch auf eine Abfindung besteht (was nach den einschlägigen
Betriebsvereinbarungen den Tatsachen entspricht), sondern hätte die Beklagte zudem
offen darauf hingewiesen, dass die Wirksamkeit derartiger Regelungen höchstrichterlich
bislang noch nicht geklärt ist (ob eine derart weit reichende Informationspflicht
überhaupt bestanden hätte ist angesichts der Tatsache, dass das BAG eine
Unterrichtung über komplexe Rechtsfragen als ordnungsgemäß ansieht, wenn eine
vertretbare Rechtsposition mitgeteilt wird, fraglich, vgl. BAG vom 13.7.2006, 8 AZR
303/05, NZA 2006, 1273, 1275), hätten sich die Handlungsalternativen für die Klägerin
wie folgt dargestellt:
116
Im Falle der Nichtausübung des Widerspruchs konnte die Klägerin davon ausgehen,
keine betriebsbedingte Kündigung der Erwerberin zu erhalten, da sie ausweislich des
Informationsschreibens vom 22.10.2004 nicht vom Personalabbau betroffen sein sollte.
Demgegenüber musste ihr klar sein, dass sie im Falle des Übergangs auf die B. GmbH
den weitaus wirtschaftlich potenteren Anspruchsgegner - die hiesige Beklagte -
verlieren werde.
117
Im Falle des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang musste die Klägerin allerdings
damit rechnen, dass sie bereits im Dezember 2004 eine Kündigung der Beklagten
erhalten würde, die sodann aber unter Einhaltung der Kündigungsfrist von sechs
Monaten zum Quartalsende bereits zum 30. Juni 2005 ausgesprochen worden wäre.
Zudem konnte sich die Klägerin nicht sicher sein, für die Zeit der Kündigungsfrist
Vergütungsansprüche gegenüber der Beklagten zu haben, da nach der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichtes im Falle des Widerspruchs gegen den Übergang des
Arbeitsverhältnisses sich der Arbeitnehmer ggf. das entgangene Arbeitsentgelt beim
Erwerber gemäß § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen muss (vgl. BAG vom 19.3.1998,
NZA 1998, 750; ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 101).
118
Schließlich wäre für die Klägerin im Falle des Widerspruchs offen gewesen, ob sie im
Falle der Kündigung durch die Beklagte eine Abfindung nach dem Sozial-plan erhalten
hätte. Die Kündigung durch die Beklagte wäre dann nämlich nicht aufgrund einer
interessenausgleichspflichtigen Maßnahme nach den §§ 111 ff. BetrVG erfolgt, sondern
aufgrund der Tatsache, dass wegen des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang der
Arbeitsplatz der Klägerin weggefallen wäre (so ausdrücklich auch LAG Düsseldorf Urteil
119
vom 21.12.2006, 5 Sa 927/06). Soweit die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts
Düsseldorf (Urteil vom 08.08.2006, 8 (5) Sa 244/06) unter Bezugnahme auf die
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. November 2005 (1 AZR 458/04, AP-
Nr. 176 zu § 112 BetrVG, 1972) die Auffassung vertritt, dass diese
Sozialplanregelungen bei der Beklagten unwirksam sind, ist darauf hinzuweisen, dass
diese Entscheidung des BAG einerseits erst ein Jahr nach dem erfolgten
Betriebsübergang ergangen ist und andererseits einen anderen Sachverhalt betrifft. Ob
die Klägerin somit auch im Falle einer nach erfolgtem Widerspruch ausgesprochenen
Kündigung seitens der Beklagten einen Sozialplananspruch gehabt hätte, muss zum
Zeitpunkt des Informationsschreibens als völlig offen beurteilt werden. Ggf. hätte diese
Frage in einem Rechtsstreit über mehrere Instanzen geklärt werden müssen.
Bei dieser Gesamtabwägung konnte die Kammer aber gerade nicht davon ausgehen,
dass im Falle der ordnungsgemäßen Unterrichtung nur eine Handlungsalternative,
nämlich dem Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, für die Klägerin
bestanden hätte. Es bestand gerade nicht nur eine Handlungsmöglichkeit; die
Entscheidung war offen.
120
Die Klägerin hat im Übrigen auch nicht ausreichend dargetan, dass sie rechtzeitig einen
Widerspruch erklärt hätte und ihr in diesem Fall die begehrten Ansprüche zugestanden
hätten. Aus den Darlegungen ergibt sich nicht, dass sich die Klägerin etwa im
Zusammenhang mit dem Antrag auf Insolvenzeröffnung im Mai oder mit der
tatsächlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.08.2005 an die Beklagte
gewandt hat und irgendwie zu erkennen gegeben hat, dass sie von seinem
Widerspruchsrecht Gebrauch machen will. Aus der Insolvenzeröffnung konnte sie
entnehmen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse sich zumindest nachträglich
erheblich verschlechtert haben und damit auch die Erfüllung ihrer Ansprüche gefährdet
ist. Trotzdem hat sie nicht reagiert. Im Gegenteil, die Klägerin hat mit der B. GmbH und
der D. D. GmbH am 24.08.2005 einen Dreiseitigen Vertrag abgeschlossen, durch
welchen das Arbeitsverhältnis mit der B. GmbH einvernehmlich beendet und mit der D.
D. GmbH ein neues Arbeitsverhältnis begründet wurde. Wenn sie angesichts der
prekären Situation der B. GmbH einen Aufhebungsvertrag mit dieser schließt, statt von
ihrem Widerspruchsrecht gegenüber der Beklagten Gebrauch zu machen, spricht dies
dagegen, dass sie schon zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs den Widerspruch
ausgeübt hätte, wenn die Beklagte sie darüber informiert hätte, dass die wirtschaftliche
Situation der neuen GmbH nicht so war, wie es in der Betriebsversammlung dargestellt
worden ist und sie nur noch für Ansprüche haftet, die bereits entstanden sind und vor
Ablauf eines Jahres fällig werden.
121
Auch die Anwendbarkeit der Regeln über den Anscheinsbeweis scheiden aus. Dieser
ist bei individuell geprägten Willensentschlüssen, die nicht durch eine typisierende
Betrachtungsweise gefasst werden können, sondern durch eine Vielzahl von rationalen
und irrationalen Faktoren sowie spekulativen Elementen, die einer durch ständige
Erfahrungen des täglichen Lebens belegbaren Typisierung nicht zugänglich sind,
ausgeschlossen (vergl. ebenso Gaul/Otto, a.a.O., unter Berufung auf die BGH-
Rechtsprechung zum Kausalzusammenhang zwischen fehlerhaften ad-hoc Mitteilungen
und späterem Kaufentschluss (vergleiche BGH vom 19.07.2004, II ZR 218/03 sowie II
ZR 217/03, DB 2004, 1928 bzw. NJW 2004, 2668).
122
d. Schließlich ist der Schadensersatzanspruch im Hinblick auf die Höhe des Anspruchs
unschlüssig. Abgesehen von der fehlenden Substantiierung der Höhe der
123
Abfindungszahlung (s.o.) werden in der Klage unzulässigerweise Brutto- und
Nettoansprüche addiert und voneinander abgezogen.
5. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auch nicht nach
den Grundsätzen des existenzvernichtenden Eingriffs oder aber nach § 826 BGB zu.
124
Hinsichtlich der konzernrechtlichen Ausfallhaftung nach den Grundsätzen des
existenzgefährdenden Eingriffs ist darauf hinzuweisen, dass der Bundesgerichtshof eine
derartige Ausfallhaftung bislang lediglich gegenüber den Gesellschaftern der
Gesellschaft bejaht hat, wenn ein Gesellschafter beim Zugriff auf das Vermögen oder
bei einer Vereitelung von Geschäftschancen der Gesellschaft keine angemessene
Rücksicht auf deren eigene Belange genommen hat. Die Beklagte ist aber gerade nicht
Gesellschafterin der B. GmbI. Gesellschafterin ist vielmehr die B. Holding GmbI.
125
Diese Bedenken können allerdings dahin gestellt bleiben. Denn darüber hinaus ist ein
Haftungsdurchgriff der Klägerin auch in den Fällen nicht möglich, weil über das
Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. In diesem Falle
kann im Interesse anderer Gläubiger nur der Insolvenzverwalter die in erster Linie
ohnehin der Gesellschaft zustehenden Ansprüche der ihr durch den
existenzvernichtenden Eingriff entstandenen Nachteile geltend machen (vgl. BAG vom
14.12.2004, 1 AZR 504/03, NZA 2005, 818; BGH vom 24.06.2002, II ZR 300/00, BGHZ
151, 181, Altmeppen, ZIP 2002, 1553). Eine derartige Einschränkung entspreche dem
im § 93 InsO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken. Danach könne die
persönliche Haftung der Gesellschafter einer Personengesellschaft während der Dauer
des über das Vermögen der Gesellschaft selbst eröffneten Insolvenzverfahrens nur vom
Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Andernfalls würde zumindest mittelbar der
das Insolvenzverfahren beherrschende Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller
Gläubiger verletzt. Es stünde ein Wettlauf der Gesellschaftsgläubiger zu befürchten, die
ohne Rücksicht auf die Verteilungsgrundsätze des Insolvenzverfahrens ihre
Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin durch Inanspruchnahme der
Gesellschafter zu realisieren suchten.
126
Gleiches gilt für Ansprüche aus § 826 BGB. Auch eine Inanspruchnahme auf Grund
dieser Vorschrift ist durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter
vorbehalten und für die einzelnen Gläubiger gesperrt (vgl. BAG a.a.O.). Weitere
Anspruchsgrundlagen, aus welchen sich der geltend gemachte Zahlungsanspruch
ergibt, sind nicht ersichtlich.
127
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
128
II.
129
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Den Streitwert
hat das Gericht gemäß §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 4 GKG im Urteil festgesetzt. Er gilt
zugleich als Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren im Sinne des § 63 Abs. 2 GKG.
130
Rechtsmittelbelehrung
131
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
132
B e r u f u n g
133
eingelegt werden.
134
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
135
Die Berufung muss
136
innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger
Form abgefassten Urteils
137
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf Fax:
0211-7770-2199 eingegangen sein.
138
Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher
Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und
der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche
Befugnis haben Angestellte juristische Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange
die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
139
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
140
Gironda
141